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Berufungsentscheidung - Strafsachen (Senat), UFSG vom 01.09.2004, FSRV/0016-G/03

Zurückverweisung eines Verfahrens zur nachträglichen Klärung der Verschuldensfrage nach allenfalls vom Verteidiger zu Lasten seines Klienten abgelegter falscher Geständnisse

Rechtssätze


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Stammrechtssätze
FSRV/0016-G/03-RS1
Reklamiert in einem vom Amtsbeauftragten zu Lasten des lediglich wegen Finanzordnungswidrigkeiten nach § 49 Abs.1 lit.a FinStrG bestraften Unternehmers, für welchen dessen Steuerberater und Verteidiger in seiner Abwesenheit in erster Instanz sich geständig verantwortete und einen Rechtsmittelverzicht abgelegt hat, angestrengten Berufungsverfahren wegen Schuld und Strafe dessen als Zeugin befragte Ehegattin die Verantwortung für die Finanzvergehen für sich und wird dies vom Verteidiger als nunmehrige Auskunftsperson nachträglich bestätigt, ist der Berufungssenat gemäß § 161 Abs.4 FinStrG berechtigt, in Aufhebung der Entscheidung des Spruchsenates die Sache an die Finanzstrafbehörde erster Instanz zurückzuverweisen, damit in unmittelbarer Beweisaufnahme vor dem Erstsenat beide Ehegatten als Beschuldigte in einem nach § 61 Abs.1 FinStrG verbundenen Verfahren - gemeinsam mit dem (ehemaligen) Verteidiger als Auskunftsperson - vernommen werden können.

Entscheidungstext

BerufungsentscheidungDer Finanzstrafsenat Graz 1 als Organ des unabhängigen Finanzsenates als Finanzstrafbehörde zweiter Instanz hat durch den Vorsitzenden HR Dr. Richard Tannert, das sonstige hauptberufliche Mitglied HR Dr. Johanna Demal sowie die Laienbeisitzer Dir. Alfred Genschar und Dr. Peter Florian als weitere Mitglieder des Senates in der Finanzstrafsache gegen HS, vertreten durch Mag. Michael Löhner, wegen Abgabenhinterziehungen nach § 33 Abs. 2 lit.a des Finanzstrafgesetzes (FinStrG) bzw. Finanzordnungswidrigkeiten nach § 49 Abs. 1 lit.a FinStrG über die Berufung des Amtsbeauftragten vom gegen das Erkenntnis eines Spruchsenates beim Finanzamt Graz-Stadt als Organ des Finanzamtes Finanzamt Graz-Umgebung als Finanzstrafbehörde erster Instanz vom , , nach der am in Anwesenheit des Verteidigers des Beschuldigten, des Amtsbeauftragten HR Dr. Maximilian Rombold sowie der Schriftführerin Eveline Wünscher, jedoch in Abwesenheit des Beschuldigten selbst durchgeführten mündlichen Verhandlung

zu Recht erkannt:

Aus Anlass der Berufung des Amtsbeauftragten wird das angefochtene Erkenntnis des Spruchsenates gemäß § 161 Abs.4 FinStrG aufgehoben und die Sache an die Finanzstrafbehörde erster Instanz zur fortgesetzten Untersuchung insbesondere hinsichtlich der subjektiven Tatseite bzw. zur Klärung der tatsächlichen finanzstrafrechtlichen Verantwortlichkeiten zurückverwiesen.

Entscheidungsgründe

Mit Bescheid vom leitete das Finanzamt Graz-Umgebung als zuständige Finanzstrafbehörde erster Instanz gegen HS zu StrLNr. 5/98 ein Untersuchungsverfahren wegen des Verdachtes begangener Abgabenhinterziehungen nach § 33 Abs. 2 lit.a FinStrG betreffend die Voranmeldungszeiträume April und Juni 1997 ein.

Offenbar war bis zu den jeweiligen Fälligkeitszeitpunkten 15. Juni bzw. weder eine Entrichtung der Zahllasten von S 24.297,00 bzw. S 115.219,00 noch die Einreichung entsprechender Umsatzsteuervoranmeldungen erfolgt, sodass die Abgabenbehörde mit entsprechenden Schätzungen vorging. Vorbringen gegen die Höhe der Schätzungen wurden offenkundig von US, der Ehegattin des HS, unterfertigt (Finanzstrafakt StrLNr. 5/98, Bl. 1 f).

Welche Person den Einleitungsbescheid beim Postamt der Abgabestelle behoben hat, ist der Aktenlage nicht zu entnehmen (genannter Finanzstrafakt Bl. 8), wohl hat HS jedenfalls von seiner Vorladung als Beschuldigter durch die eigenhändige Übernahme der Ladung tatsächlich Kenntnis erlangt (genannter Finanzstrafakt Bl. 10).

Am schritt der Steuerberater und nunmehrige Verteidiger des Beschuldigten Mag. L als Verteidiger des HS ein und gab anlässlich einer Beschuldigtenvernehmung in Abwesenheit seines Mandanten für diesen folgende Erklärung ab:

"Ich bin namens des Beschuldigten geständig im Sinne des Einleitungsbescheides vom . Ich ersuche bei der Straffestsetzung das Geständnis sowie die bisherige finanzstrafrechtliche Unbescholtenheit als mildernd zu berücksichtigen. Ich habe keine weiteren Angaben zu machen." (genannter Finanzstrafakt Bl. 14).

Nach Bekanntgabe der zu erwartenden Strafverfügung gab Mag. L für HS einen Einspruchsverzicht ab (genannter Finanzstrafakt Bl. 14).

Mit Strafverfügung vom , zugestellt durch Behebung des Bescheides am Postamt am (unbekannt von wem), wurde HS daher schuldig befunden, betreffend die Voranmeldungszeiträume April und Juni 1997 wissentlich Vorauszahlungen an Umsatzsteuer in Höhe von insgesamt S 139.516,00 bewirkt, zumindest bedingt vorsätzlich die diesbezüglichen Voranmeldungen nicht bis zu den jeweiligen Fälligkeitszeitpunkten eingereicht und hiedurch Abgabenhinterziehungen nach § 33 Abs. 2 lit.a FinStrG begangen zu haben. Die Geldstrafe von S 35.000,00 sowie die pauschalen Verfahrenskosten von S 3.500,00 wurden am entrichtet (genannter Finanzstrafakt Bl. 15 f).

Anlässlich einer Umsatzsteuersonderprüfung im Oktober 2001 über die Monate Mai bis August 2001 im Betrieb des HS tätigte die Prüferin folgende Feststellungen:

"1.) Bei Prüfungsbeginn wurden der Prüferin für die Monate 7 und 8/01 die UVA's vorgelegt. Gleichzeitig wurde am ein Betrag von öS 200.000,00 als á conto 8/01 zur Einzahlung gebracht (richtigerweise 7/01).

2.) Die stichprobenweise Überprüfung der USt- und VSt-Konten ergab keine Änderung zu den erklärten Beträgen. Die Umsatzsteuer für 7 u. 8/01 wird wie folgt festgesetzt:


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Umsatz
20% USt
VSt
Zahllast
7/01
1.821.520,32
364.304,06
74.658,85
289.645,00
8/01
1.907.506,89
381.511,38
177.372,73
204.129,00

3.) Die auf den UVA's deklarierten Lohnabgaben werden auf dem Abgabenkonto verbucht."

Das Protokoll wurde von US unterfertigt (Kopie der Niederschrift vom , Finanzstrafakt, StrNr. 2001/00116-001, Bl. 18 ff, Arbeitsbogen zu ABNr. 201124/01).

Die Prüfung war am offenbar dem Steuerberater Mag. L bzw. seiner Kanzlei angekündigt worden (siehe Arbeitsbogen).

Wie einer vom Berufungssenat vorgenommenen Buchungsabfrage zum Abgabenkonto des HS beim Finanzamt Graz-Umgebung zu entnehmen ist, hat HS sich im Jahre 2001 offenbar in finanziellen Schwierigkeiten befunden, weshalb auch entsprechende Rückstände am Abgabenkonto zu verzeichnen waren ( S 662.089,56; S 650.509,56, S 598.120,41, S 533.120,41, S 423.227,41, S 381.010,41, S 354.901,41, S 312.525,41, S 278.018,41, S 234.733,41, S 213.933,41). Im Vollstreckungswege wurden vom Exekutor wöchentlich entsprechende Bargeldbeträge zwischen S 5.000,00 bis 15.000,00 gepfändet (siehe die Saldozahlungen mit dem Vermerk "BVO").

Dennoch erfolgte die Entrichtung der Vorauszahlungen an Umsatzsteuer betreffend die Monate November 2000, Jänner, Februar, März, April, Mai, Juni 2001 bzw. die Entrichtung und Abfuhr der Lohnabgaben betreffend die Monate Dezember 2000, Februar, März, April, Mai, Juni und Juli 2001 rechtzeitig oder zumindest zeitnah zum Fälligkeitstag und wurde die Umsatzsteuervorauszahlung für Dezember 2000 und die Lohnabgaben für Jänner 2001 rechtzeitig bekannt gegeben.

Die Umsatzsteuervorauszahlung für Juli 2001 in Höhe von S 289.645,00 und die Lohnabgaben für August 2001 (Lohnsteuer S 37.314,51, Dienstgeberbeitrag S 16.452,00 und Zuschlag zu diesen S 1.828,00) waren am fällig, eine Entrichtung bzw. Bekanntgabe der geschuldeten Abgaben bis zum Fälligkeitstag bzw. bis zum fünften Tag nach Fälligkeit erfolgte jedoch nicht (siehe die genannte Buchungsabfrage; der als Datum der Bekanntgabe vermerkte ist offenbar - da die Bekanntgabe mittels eingeschriebenen Brief vom 23. Oktober stattgefunden hat - unrichtig).

Die Umsatzsteuervorauszahlung für August 2001 in Höhe von S 204.129,00 und die Lohnabgaben für September 2001 (Lohnsteuer S 31.295,10, Dienstgeberbeitrag S 14.382,00 und Zuschlag zu diesen S 1.598,00) waren am fällig, eine Entrichtung bzw. Bekanntgabe der geschuldeten Abgaben bis zum Fälligkeitstag bzw. bis zum fünften Tag nach Fälligkeit erfolgte jedoch nicht (siehe die genannte Buchungsabfrage; der als Datum der Bekanntgabe vermerkte ist offenbar - da die Bekanntgabe mittels eingeschriebenen Brief vom 23. Oktober stattgefunden hat - unrichtig).

Offenbar nach erfolgter Prüfungsanmeldung durch die Prüferin wurden noch am selben Tag, also am , mittels eingeschriebenen Brief die geschuldeten Abgaben bekannt gegeben (Aktenvermerk der Prüferin vom , siehe den genannten Arbeitsbogen) und ein Betrag von S 200.000,00 mittels Verrechnungsweisung zur teilweisen Abdeckung der verkürzten Umsatzsteuervorauszahlung für August 2001 zur Überweisung auf das Abgabenkonto gebracht (Finanzstrafakt Bl. 22, Arbeitsbogen, genannter Aktenvermerk).

Mit Bescheid bzw. Verfügung vom leitete das Finanzamt Graz-Umgebung als zuständige Finanzstrafbehörde erster Instanz zu StrNr. 2001/00116-001 gegen HS ein Untersuchungsverfahren wegen des Verdachtes der Hinterziehung von Umsatzsteuervorauszahlungen in Höhe von insgesamt S 293.774,00 gemäß § 33 Abs. 2 lit.a FinStrG betreffend die Voranmeldungszeiträume Juli und August 2001 und der Finanzordnungswidrigkeiten nach § 49 Abs. 1 lit.a FinStrG betreffend vorsätzlich nicht bis zum fünften Tag nach Fälligkeit entrichtete bzw. abgeführte Lohnabgaben in Höhe von insgesamt S 102.870,00 für die Monate August und September 2001 ein (Finanzstrafakt Bl. 23 ff).

Der diesbezügliche Rückscheinbrief wurde offenkundig von US als Postbevollmächtigte des HS für Rückscheinbriefe am übernommen (Finanzstrafakt Bl. 26).

Eine gegen den Einleitungsbescheid von Mag. L als Verteidiger des HS erhobene Beschwerde wurde von der Finanzlandesdirektion für die Steiermark als damalige Finanzstrafbehörde zweiter Instanz mit Bescheid vom als unbegründet abgewiesen.

Am gab Mag. L als Verteidiger des HS anlässlich einer Beschuldigtenvernehmung in Abwesenheit seines Mandanten folgende Erklärung ab:

"Nach umfassender Erörterung der Rechts- und Sachlage fühle ich mich namens des Beschuldigten schuldig im Sinne des Einleitungsbescheides bzw. der Einleitungsverfügung vom . Ich ersuche das hiemit abgelegte Geständnis und die teilweise (wenn auch geringe) Schadensgutmachung bei der Straffestsetzung als mildernd zu berücksichtigen. ... Der Beschuldigte wird zur Erreichung eines Milderungsgrundes versuchen, bis zur Spruchsenatsverhandlung den Schaden vollständig gut zu machen." (Finanzstrafakt Bl. 37 f).

Die Vorladung des HS zur mündlichen Verhandlung des Spruchsenates [ohne zahlenmäßige Benennung] wurde am Postamt der Abgabestelle behoben, ob HS tatsächlich von der Verhandlung Kenntnis erlangt hat, ist der Aktenlage nicht zu entnehmen (Finanzstrafakt Bl. 47).

Zur Verhandlung des Spruchsenates ist HS jedenfalls nicht erschienen.

Für ihn gab Mag. L als sein Verteidiger nunmehr folgende Erklärung ab:

"Das Gewerbe [die Glaserei] besteht bereits seit 17 Jahren. Die Gattin des Beschuldigten ist für die gesamten administrativen Belange der vom Beschuldigten geführten Firma verantwortlich. Sie führt die Buchhaltung, fakturiert, arbeitet aber auch handwerklich im Betrieb mit. Als steuerlicher Berater der Firma habe ich schon zu früheren Zeitpunkten nahe gelegt, für den Fall von Terminschwierigkeiten die entsprechenden Voranmeldungen abzugeben. Frau US hat die zwei UVA's dann einfach sozusagen vergessen anzumelden ... Es wird daher seitens des Beschuldigten wohl eine Finanzordnungswidrigkeit, aber keine Wissentlichkeit zugegeben, insoweit ist auch das Geständnis ... so aufzufassen." (Finanzstrafakt Bl. 52).

Mit Erkenntnis vom fällte der Spruchsenat "beim Finanzamt Graz-Stadt als Finanzstrafbehörde erster Instanz als Organ des Finanzamtes Graz-Umgebung" [gemeint: beim Finanzamt Graz-Stadt als Organ des Finanzamtes Graz-Umgebung als Finanzstrafbehörde erster Instanz] über HS einen Schuldspruch wegen vorsätzlich nicht spätestens am fünften Tag nach Fälligkeit erfolgter Entrichtung bzw. Abfuhr der Umsatzsteuervorauszahlungen betreffend Juli und August 2001 in Höhe von insgesamt S 293.774,00 und der Lohnabgaben betreffend August und September 2001 in Höhe von S 102.870,00 und hiemit begangener Finanzordnungswidrigkeiten nach § 49 Abs. 1 lit.a FinStrG und verhängte über ihn nach § 49 Abs. 2 [ergänze: iVm § 21 Abs. 1 und 2] FinStrG eine Geldstrafe von 3.000,00 € sowie für den Fall der Uneinbringlichkeit derselben gemäß § 20 FinStrG eine Ersatzfreiheitsstrafe von zwei Wochen.

Die Verfahrenskosten wurden vom Erstsenat unter Hinweis auf § 185 FinStrG mit 291,00 € festgesetzt.

Zur Begründung führte der Spruchsenat aus, dass HS für die "operative" Tätigkeit in seinem Gewerbe[betrieb] zuständig sei, während die administrativen Belange durch seine Gattin US geführt würden. Die Genannte führe die Buchhaltung, fakturiere, arbeite aber auch handwerklich im Betrieb mit. In diesem Zusammenhang habe die Gattin des Beschuldigten im Zuge der Arbeitsüberlastung offensichtlich vergessen, die Umsatzsteuervoranmeldungen abzugeben. Als es im Zusammenhang mit der angekündigten Betriebsprüfung zu einer neuerlichen Überprüfung der Lage gekommen sei, hätte US bemerkt, dass offensichtlich für Juli und August die Umsatzsteuervoranmeldungen nicht "rechtzeitig" abgegeben worden seien, was sie dann auch versucht hätte, nachzuholen. Ein wissentliches Verhalten des Beschuldigten sei daher nicht mit Sicherheit erweislich. Die Verantwortung des HS, es habe sich um einen Irrtum seiner Gattin gehandelt, könne daher nicht zur Gänze widerlegt werden, weshalb im Zweifel lediglich wegen Finanzordnungswidrigkeiten nach § 49 Abs. 1 lit.a FinStrG schuldig zu sprechen sei. Bei der Strafbemessung wurde als mildernd das Geständnis, als erschwerend die finanzstrafrechtliche Vorstrafe gewertet (Finanzstrafakt Bl. 53 ff).

Die Entscheidung wurde am an den Beschuldigten HS zugestellt und dabei wiederum von US als Postbevollmächtigte übernommen.

Eine Zustellung der schriftlichen Ausfertigung der Entscheidung des Spruchsenates an den Amtsbeauftragten ist der Aktenlage nur insoweit zu entnehmen, als dieser in seinem Rechtsmittel behauptet, eine Ausfertigung am erhalten zu haben. Der diesbezügliche Verfügungsbogen zur rechnungsmäßigen Durchführung der Entscheidung trägt - damit korrespondierend - sein mit Datum versehenes Handzeichen.

Mag. L hat für seinen Mandanten am einen Rechtsmittelverzicht abgegeben.

Von Seite des Amtsbeauftragten jedoch wurde mit Schriftsatz vom gegen das Erkenntnis des Spruchsenates Berufung erhoben, wobei die Qualifizierung des strafrelevanten Verhaltens des HS in Zusammenhang mit den verkürzten Umsatzsteuervorauszahlungen lediglich als Finanzordnungswidrigkeiten nach § 49 Abs. 1 lit.a FinStrG, sowie die Höhe der Strafsanktionen und der festgesetzten Verfahrenskosten bemängelt wird.

Der Beschuldigte sei ein erfahrener Unternehmer und außerdem wegen eines gleichartigen Deliktes zu StrLNr. 5/98 bestraft worden, weshalb er über seine abgabenrechtlichen Verpflichtungen bestens informiert sein muss. Die Behauptung, wonach seine Gattin [für die spruchgegenständlichen Verfehlungen] verantwortlich sein solle, wäre eine reine Schutzbehauptung. Es lägen der Finanzstrafbehörde nämlich keinerlei Vereinbarungen vor, wonach etwa die Gattin des HS ab einem bestimmten Zeitpunkt, welcher jedenfalls nach der im Jahre 1998 erfolgten Bestrafung gelegen sein müsste, für die Abgabe der Umsatzsteuervoranmeldungen bzw. die Entrichtung der Umsatzsteuervorauszahlungen verantwortlich [geworden] sein sollte. Sollte eine solche Vereinbarung [aber] bereits seit jeher bestanden haben, so wäre jedenfalls die Bestrafung im Jahre 1998 zu Unrecht erfolgt. Es sei aber nicht vorstellbar, dass der Beschuldigte die damalige Bestrafung akzeptiert hätte, wenn er tatsächlich nicht die im Spruch der Strafverfügung ersichtliche Schuldform zu verantworten gehabt hätte. Im Übrigen wäre HS im gegenständlichen Verfahren vor dem Einzelbeamten [gemeint offenbar: vor dem Amtsbeauftragten] voll geständig gewesen.

Verfahrenskosten seien gemäß § 185 Abs. 1 lit.a FinStrG tatsächlich mit 10 % der verhängten Geldstrafe, höchstens mit 363,00 € festzusetzen.

Im Zuge der mündlichen Verhandlung vor dem Berufungssenat, zu welcher übrigens der Beschuldigte wiederum nicht erschienen ist (die diesbezügliche Ladung wurde beim Postamt der Abgabestelle, unbekannt von wem, behoben), wurde der Verteidiger Mag. L als Auskunftsperson vernommen. Er gab im Wesentlichen an, dass tatsächlich im strafrelevanten Zeitrum US als Wahrnehmende der steuerlichen Interessen des HS für die Buchhaltung verantwortlich gewesen sei. Er habe schon in den Vorjahren gewusst, dass nicht HS, sondern US diese Funktion ausgeübt habe. Auf Vorhalt, dass er dann ja möglicherweise als Verteidiger des HS - in gröblichster Verletzung der Interessen seines Klienten - für diesen am im Finanzstrafverfahren zu StrLNr. 5/98 - ein offenbar falsches Geständnis einer begangenen Abgabenhinterziehung für HS abgelegt habe, welches diesen ungünstigenfalls sogar in Gefängnis bringen hätte können, räumte er letztendlich ein, dass es ihm nicht zustehe, dies [die Abgabenhinterziehung] zu behaupten. Er habe immer versucht, mit dem Amtsbeauftragten ein klares, faires Verhältnis zu haben. Er wisse, dass "etwas daneben gegangen" sei, er könne aber [ergänze: nunmehr] nicht sagen, dass eine Hinterziehung [Ergänzung des Berufungssenates: durch HS] vorliege. Er kenne die Verhältnisse, unter denen das Unternehmen seit 18 Jahren arbeite.

Die zeugenschaftlich befragte Ehegattin des Beschuldigten US gab im Wesentlichen an, dass sie seit der Betriebsübernahme im Jahre 1985 zuständig sei für das Bürowesen, die Mitarbeiterführung, Lohnverrechnung und Buchhaltung. Sie sei für die Erstellung der Umsatzsteuervoranmeldungen und die Entrichtung der Umsatzsteuervorauszahlungen verantwortlich. Ihr Gatte beschäftige sich damit gar nicht. Die Finanzamtspost lese sie. Bei der gegenständlichen UVA-Prüfung sei daher auch sie die Gesprächspartnerin der Prüferin gewesen. Den Bescheid über die Verfahrenseinleitung gegen ihren Ehegatten habe sie übernommen, da sie eine Postvollmacht besitze. Hinsichtlich der in der Strafverfügung vom ihrem Ehegatten zu StrLNr. 5/98 betreffend April und Juni 1997 vorgeworfenen Abgabenhinterziehungen habe tatsächlich sie sich schuldig gemacht. Sie habe kein Rechtsmittel ergriffen, weil er der Chef sei und sie beide ein absolutes Team seien. Hinsichtlich der Umsatzsteuervorauszahlung für Juli 2001 habe sie aus Arbeitsüberlastung auf die Einreichung der Voranmeldung vergessen. Die Entrichtung der Vorauszahlungen für Juli und August 2001 habe sie nicht wissentlich unterlassen. Sie sehe ein, sie habe da einen Fehler gemacht und die zwei Zettel [die Voranmeldungen für diese beiden Monate] nicht ausgedruckt und nicht zur Post gebracht [ans Finanzamt übersendet]. Wenn dieses Vergehen 3.000,00 € wert sei, müsse sie das zur Kenntnis nehmen. [Auf Vorhalt, ob es geheißen habe, 3.000,00 € seien zu zahlen, wen es treffe, sie oder ihren Ehegatten, sei egal:] Sie habe gedacht, es gebe überhaupt keine andere Möglichkeit, als die Strafe zu zahlen.

Ergänzend brachte Mag. L in seiner Eigenschaft als Verteidiger vor, dass die Zahllasten im Jahre 2001 vorerst unrichtig berechnet worden seien, weil vom Computerprogramm die Skonti in unrichtiger Weise berücksichtigt worden wären, was in der Folge bei entsprechender Korrektur große Guthaben entstehen ließ.

Zur Entscheidung wurde erwogen:

Der Berufungssenat geht bei der oben beschriebenen Aktenlage von einer Berufung durch den Amtsbeauftragten innerhalb der ihm nach Zustellung einer Ausfertigung des Erkenntnisses des Spruchsenates zustehenden Monatsfrist aus, zumal Gegenteiliges von den Prozessparteien nicht vorgebracht worden ist; zu empfehlen ist jedoch der exakte Vermerk der Zustellungen an den Amtsbeauftragten bzw. des Einganges seiner Prozesserklärungen in der Geschäftsstelle des Erstsenates bzw. bei der Finanzstrafbehörde erster Instanz.

Ebenso empfiehlt sich eine ziffernmäßige Kennzeichnung des jeweiligen Spruchsenates, um bei Senatsmehrheit eine genaue Nachprüfung der Unverletztheit der Parteien auf Entscheidungsfindung durch den jeweils zuständigen Spruchkörper zuzulassen. im gegenständlichen Fall liegen erstens keine geäußerten entsprechenden diesbezüglichen Bedenken der Parteien vor und erübrigt sich zweitens infolge der Behebung der gegenständlichen erstinstanzlichen Entscheidung eine Nachforschung, ob der lediglich als Spruchsenat (ohne Zahl) bezeichnete Erstsenat auch tatsächlich der richtige gewesen ist.

In der Sache selbst ist auszuführen:

Gemäß § 21 Abs. 1 UStG 1994 in der 1998 bzw. 2001 geltenden Fassung hatte der Unternehmer bzw. der Wahrnehmende der steuerlichen Interessen desselben spätestens am 15. (dem Fälligkeitstag) des zweitfolgenden Monates eine Voranmeldung bei dem für die Erhebung der Umsatzsteuer zuständigen Finanzamt (hier das Finanzamt Graz-Umgebung) einzureichen, in der er die für den Voranmeldungszeitraum zu entrichtende Vorauszahlung selbst zu berechnen hat. Diese Voranmeldung galt als Steuererklärung. Eine sich solcherart ergebende Vorauszahlung an Umsatzsteuer hat der Unternehmer bzw. der Wahrnehmende der steuerlichen Interessen für diesen spätestens am Fälligkeitstag zu entrichten. Die Verpflichtung zur Einreichung der Voranmeldung entfiel, wenn die nach Maßgabe der gesetzlichen Bestimmungen errechnete Vorauszahlung zur Gänze spätestens am Fälligkeitstag entrichtet wurde oder sich für den diesbezüglichen Voranmeldungszeitraum keine Vorauszahlung ergeben hat.

Gemäß § 33 Abs. 2 lit.a FinStrG macht sich einer Abgabenhinterziehung schuldig, wer vorsätzlich unter Verletzung dieser Verpflichtung zur Abgabe entsprechend der Voranmeldungen eine Verkürzung von Vorauszahlungen an Umsatzsteuer bewirkt und dies nicht nur für möglich, sondern für gewiss hält. Dabei ist eine derartige Verkürzung gem. § 33 Abs. 3 lit.b leg. cit. bewirkt, wenn derartige selbst zu berechnende Abgaben ganz oder teilweise nicht (zum Fälligkeitstag) entrichtet werden.

Gem. § 49 Abs. 1 lit.a FinStrG macht sich einer Finanzordnungswidrigkeit schuldig, wer vorsätzlich selbst zu berechnende Abgaben, wie beispielsweise derartige Vorauszahlungen an Umsatzsteuern oder Lohnabgaben nicht spätestens am fünften Tag nach Fälligkeit entrichtet oder abführt, es sei denn, dass der zuständigen Abgabenbehörde bis zu diesem Zeitpunkt die Höhe der geschuldeten Beträge bekannt gegeben wird.

Wird der strafrelevante Sachverhalt der genannten Finanzordnungswidrigkeit durch den strafrechtlich relevanten Sachverhalt umfasst, welcher als Abgabenhinterziehung gemäß § 33 Abs. 2 lit.a FinStrG gewertet wird, konsumiert eine Strafbarkeit wegen letzterer die Straf barkeit wegen der genannten Finanzordnungswidrigkeit. Andernfalls kommt letztere tatsächlich zum Tragen.

Vorsätzlich handelt dabei nach § 8 Abs. 1 FinStrG derjenige, der einen Sachverhalt verwirklichen will, der einem gesetzlichen Tatbild entspricht; dazu genügt es, dass der Täter diese Verwirklichung ernstlich für möglich hält und sich mit ihr abfindet (dolus eventualis, bedingter Vorsatz).

Der oben dargestellte Tatbestand der Abgabenhinterziehung nach § 33 Abs. 2 lit.a FinStrG besteht hinsichtlich der subjektiven Tatseite aus zwei Komponenten, nämlich aus der erforderlichen Wissentlichkeit hinsichtlich der Verkürzung an Umsatzsteuervorauszahlungen sowie aus einem geforderten lediglich bedingten Vorsatz hinsichtlich der Verletzung der Verpflichtung zur rechtzeitigen Einreichung entsprechender Voranmeldungen.

Objektiv ist im gegenständlichen Fall offenkundig unbestritten, dass hinsichtlich der Umsatzsteuervorauszahlungen für April und Juni 1997 bzw. Juli und August 2001 sowie hinsichtlich der Lohnabgaben für August und September 2001 (folgt man hier der Aktenlage laut Arbeitsbogen) betreffend den abgabepflichtigen HS den diesbezüglichen abgabenrechtlichen Pflichten nicht entsprochen worden ist. Fraglich ist lediglich, wer im Unternehmen des HS dafür verantwortlich ist: HS oder US oder beide.

Gemäß § 11 FinStrG begeht nämlich nicht nur der unmittelbare Täter das Finanzvergehen, sondern auch jeder, der einen anderen dazu bestimmt, es auszuführen, oder der sonst zu seiner Ausführung beiträgt.

Waren an einer Tat mehrere Personen beteiligt, so ist gemäß § 12 FinStrG jeder von ihnen nach seiner Schuld zu bestrafen.

Als unmittelbarer Täter einer Abgabenhinterziehung oder Finanzordnungswidrigkeit kommen aber auch alle Personen in Betracht, die aufgrund rechtlicher oder vertraglicher Verpflichtung die abgabenrechtlichen Verpflichtungen eines Abgabe- oder Abfuhrpflichtigen wahrzunehmen haben oder diese allenfalls auch bloß faktisch wahrnehmen. Ein Wahrnehmender substituiert den Abgabepflichtigen voll und ganz (). Auch im Falle des Wahrnehmenden erfolgt das Bewirken einer Abgabenverkürzung unter Verletzung einer abgabenrechtlichen Anzeige-, Offenlegungs- oder Wahrheitspflicht (vgl. dazu Reger/Hacker/Kneidinger, Das Finanzstrafgesetz I ³ RZ. 5 zu § 33, sowie die im Judikatteil angeführten Entscheidungen E 30, 35, 49, 78, 107, 126; Dorazil/Harbich, Finanzstrafgesetz, Anmerkung 5 zu § 33 FinStrG; Fellner, FinStrG Band I Rz. 7, 12, 13 zu § 33 mit zahlreichen Judikatzitaten; wie auch viele andere).

Eine Wahrnehmung der Angelegenheiten eines Abgabepflichtigen und die daraus resultierende Aufgabe, für ihn der abgabenrechtlichen Offenlegungs- oder Wahrheitspflicht bzw. der Pflicht zur Entrichtung oder Abfuhr von Abgaben zu entsprechen, verlangt also keineswegs eine formelle Vertretungsbefugnis im Abgabenverfahren. Unmittelbarer Täter kann folglich jedermann sein, der für den Abgabepflichtigen steuerliche Angelegenheiten besorgt, die sich spezifisch auf die abgabenrechtlichen Pflichten des Steuerpflichtigen erstreckt. Belanglos bleibt es hiebei, ob der Täter den Abgabepflichtigen befugt (bspw. als Geschäftsführer einer GmbH) oder unbefugt vor den Abgabenbehörden vertritt oder ob er sonstwie diese Angelegenheiten wahrnimmt (bspw. als Ehegattin, welche ganz einfach die steuerlichen Angelegenheiten ihres Mannes in ihre Hand genommen hat).

Anders als vom Amtsbeauftragten offenbar - so seine Berufungsausführung - angenommen, bedarf es daher für die Qualifizierung einer Wahrnehmung der abgabenrechtlichen Verpflichtung und somit der Eigenschaft eines unmittelbaren Täters auch keiner diesbezüglichen förmlichen Vereinbarung zwischen dem Unternehmer (hier HS) und seiner dessen abgabenrechtlichen Pflichten offenbar faktisch ausübenden oder mitausübenden Ehegattin US.

In der Berufungsverhandlung hat nunmehr die zeugenschaftlich befragte US sich der Abgabenhinterziehungen betreffend April und Juni 1997 schuldig bekannt und in Übereinstimmung mit der Zeugenaussage des Mag. L die Verantwortlichkeit im Unternehmen hinsichtlich der abgabenrechtlichen Pflichten nunmehr auf sich genommen.

Bedenkt man die offenkundigen finanziellen Schwierigkeiten des Unternehmens, das beständige Andrängen der Vollstreckungsbeamten des Finanzamtes, welches für das nach den Angaben von US in unternehmerischer Hinsicht ein "Team" bildenden Ehepaar HS und US sicherlich eine nicht unbeträchtliche psychologische Belastung dargestellt haben muss, in Verbindung mit der Tatsache, dass nach den damaligen Berechnungen innerhalb kurzer Frist in dieser krisenhaften Lage vom Unternehmen S 493.774,00 (!) aufzubringen gewesen wären, weiters die Tatsache, dass US die Buchhaltung laut ihren eigenen Angaben offenbar gewissenhaft geführt hat (woraus sich aber auch in weiterer Schlussfolgerung die Bekanntheit der finanziellen Situation und der Abgabenverbindlichkeiten ergibt), erweist sich das weitere Vorbringen von US, sie habe infolge Arbeitsüberlastung einfach auf ihre abgabenrechtlichen Pflichten vergessen und - in völliger Abkehrung zu ihrer vorherigen korrekten Handlungsweise - die zeitgerechte Erstellung der Voranmeldungen deshalb unterlassen und offenbar irgendwie verdrängt, dass Finanzamtsschulden von fast einer halben Million S fällig werden, lediglich als bloße Schutzbehauptung.

Nach der Ansicht des Berufungssenates hat US in Anbetracht des Andrängens der Abgabenbehörde offenbar die Entscheidung getroffen, dem Finanzamt in einer ersten Reaktion vorerst die Umsatzsteuervorauszahlungen für Juli und August 2001 bzw. die Lohnabgaben für August und September 2001 nicht bis zu den Fälligkeitszeitpunkten bekannt zu geben und - zumal offenkundig die finanziellen Mittel dafür gefehlt haben (sogar anlässlich der Selbstanzeige am 23. bzw. waren trotz absoluter nunmehriger Priorität zur Erzielung der Straffreiheit lediglich S 200.000,00 auftreibbar) - auch nicht zu entrichten bzw. abzuführen, somit also in klarem Wissen um ihre damit begangen Pflichtverletzungen vom Fiskus einen vorübergehenden rechtswidrigen Abgabenkredit zu erzwingen.

US wird daher nach der nunmehrigen Akten- und Beweislage eine Hinterziehung an Umsatzsteuervorauszahlungen betreffend April, Juni 1997 und Juli bzw. August 2001 gemäß § 33 Abs. 2 lit.a FinStrG sowie Finanzordnungswidrigkeiten gemäß § 49 Abs. 1 lit.a FinStrG betreffend die Lohnabgaben August und September 2001 zu verantworten haben, wobei als mildernd der erfolgte Zeitablauf hinsichtlich der Vorauszahlungen für April und Juni 1997, die schlechte Finanzlage des Unternehmens, welche sie offenbar zu ihren Taten verleitet hat, eine teilweise (?) Schadensgutmachung, das abgelegte Teilgeständnis sowie ihre Mithilfe bei der Aufklärung des strafrelevanten Sachverhaltes, ihre finanzstrafrechtliche Unbescholtenheit, als erschwerend jedoch der Umstand der Mehrzahl der deliktischen Angriffe über einen längeren Zeitraum hinweg zu berücksichtigen sein werden. Ebenso werden ihre persönliche und aktuelle wirtschaftliche Situation zu bedenken sein, wobei jedoch - zumindest nach der derzeitigen Aktenlage - kein Anlass besteht, die zwischenzeitlich etablierten Mindeststrafgrenzen in sinngemäßer Anwendung zu unterschreiten.

Die Finanzstrafbehörde erster Instanz wird daher gegen US ein entsprechendes Verfahren zu eröffnen haben.

Der Vollständigkeit halber sei in diesem Zusammenhang noch auf § 31 Abs. 3 FinStrG verwiesen, wonach für den Fall, dass der Täter während der fünfjährigen Verjährungsfrist bei Abgabenhinterziehungen neuerlich (ein) Finanzvergehen begeht, die Verjährung nicht eintritt, bevor auch für die neuerliche(n) Tat(en) die Verjährungsfrist abgelaufen ist.

Welche Rolle tatsächlich HS bei diesen Verfehlungen gespielt hat, vermag der Berufungssenat nach der derzeitigen Beweislage nicht mit Bestimmtheit festzustellen:

Es entspricht der allgemeinen Lebenserfahrung, dass ein unternehmerisch gemeinsam agierendes Kaufleuteehepaar in Krisensituationen sich gegenseitig informiert und gemeinsam (als "Team", wie von US angegeben) wichtige Entscheidungen trifft. Zu diesen gehört sicherlich auch die anzuwendende Strategie gegenüber dem andrängenden Fiskus. Auch erschiene es wirklich äußerst merkwürdig und käme fast einer teilweisen Besachwalterung gleich, hätte HS von den Schriftstücken der Finanzstrafbehörden seine Person betreffend infolge entsprechender Manipulationen seiner Ehegattin tatsächlich teilweise keine Kenntnis erlangt.

In diesem Sinne könnten auch die - zumindest laut Aktenlage - in erstaunlich diametralem Gegensatz gehaltenen Vorbringen des Verteidigers für seinen Mandanten HS bzw. seine Aussage als Auskunftsperson in der Berufungsverhandlung zu werten sein:

Im Einverständnis mit seinen Klienten in ihrem Namen unklare Angaben gegenüber Behörden zu machen bzw. Prozesserklärungen mit ihrem Einverständnis vordergründig zu ihren Lasten abzugeben, mag zwar disziplinarrechtlich oder schadenersatzrechtlich bedenklich sein, ist jedoch mit der sozialen Angepasstheit des Mag. L und seiner offenkundigen grundsätzlichen Verbundenheit mit den rechtlichen Werten unserer Gesellschaft um vieles leichter zu vereinen als die Überlegung, er habe ohne Absprache mit seinem Klienten HS unter Verletzung seiner Interessen gleichsam im Rahmen einer Verschwörung mit dessen Ehegattin US falsche Geständnisse abgelegt. Letzteres wäre offenkundig auch für Rechtsunkundige als schweres Unrecht zu verstehen und strafrechtlich zu ahnden.

Mag. L hat also nach Ansicht des Berufungssenates wahrscheinlich deshalb zu Lasten des HS für diesen Geständnisse abgelegt, weil er tatsächlich seinen Klienten auch schuldig oder mitschuldig begangener Pflichtverletzungen gehalten hat, mag diese Pflichtverletzung auch nicht in begangenen Abgabenhinterziehungen gelegen haben.

Hat aber HS den ihn belastenden Geständnissen seines Verteidigers zugestimmt, welche ihn ja nicht zuletzt auch der Gefahr des Vollzuges sogar von Freiheitsstrafen bzw. Ersatzfreiheitsstrafen ausgesetzt haben, spricht dies nicht zuletzt auch dafür, dass er sich selbst zumindest teilweise auch verantwortlich im Sinne der gegenüber ihn durch die Finanzstrafbehörde erster Instanz erhobenen Vorwürfen gefühlt hat.

Auch ist die feine Nuancierung der Aussage des nunmehr unter Wahrheitspflicht stehenden Auskunftsperson Mag. L zu beachten, welcher nunmehr offenbar nach reiflicher Überlegung der Prozesstaktik auf eindringliches Befragen des Vorsitzenden erklärt: "... aber ich kann nicht sagen, dass es Hinterziehung ist, weil ich kenne die Verhältnisse ...". Wohlgemerkt, er spricht als Auskunftsperson nicht davon, dass nach seiner Ansicht etwa kein Finanzvergehen des HS vorgelegen hätte, etwa in der Form, dass er in Absprache mit seiner Ehegattin sich vorab als "Chef" (wie von US tituliert) mit ihrer Entscheidung, die Selbstbemessungsabgaben nicht bis zu den Fälligkeitstagen oder allenfalls bis zum fünften Tag nach Fälligkeit zu entrichten bzw. abzuführen, einverstanden erklärt hat, ohne auf die weiteren Details Einfluss zu nehmen.

In diesem Sinne auch das Vorbringen des Verteidigers des HS in der mündlichen Verhandlung vor dem Spruchsenat selbst, wo er begangene Finanzordnungswidrigkeiten, aber keine wissentliche Begehungsweise seines Klienten einräumt.

Diesfalls hätte HS also entsprechende Finanzordnungswidrigkeiten nach § 49 Abs. 1 lit.a FinStrG zu verantworten und wäre die Entscheidung des Erstsenates im gegenständlichen Fall betreffend seine Person schlussendlich zu bestätigen.

Ob bzw. in welcher Weise HS bezüglich der gegenständlichen Verfehlungen zur Verantwortung gezogen werden muss, weil er als unmittelbarer Täter neben seiner Ehegattin oder als unmittelbarer Täter neben seiner Ehegattin als Beitragstäterin agiert hat, bedarf aber offenkundig einer persönlichen Befragung durch den entscheidenden Senat, damit ein allenfalls widersprüchliches oder miteinander im Gegensatz stehendes Vorbringen der Eheleute HS und US sowie des Steuerberaters Mag. L unter dem Aspekt der Unmittelbarkeit einer Beweisaufnahme beweiswürdigend in verfahrensökonomischer Weise einer finanzstrafrechtlichen Bewertung unterzogen werden kann.

Eine getrennte Verfahrensführung gegen HS und US wird dieser Aufgabenstellung nicht gerecht. Die Genannten hätten es bei einer derartigen Konstellation auch in der Hand, die Entscheidungsträger der Finanzstrafbehörden durch jeweils wechselnde Zuschiebung der Verantwortlichkeit, durch Geständnisse und Zurücknahme derselben auch - wie der bisherige Verfahrensablauf offenbar zeigt - in ihrer Beweisfindung gegeneinander auszuspielen.

Gemäß § 61 Abs. 1 FinStrG haben die Finanzstrafbehörden die Verfahren gegen mehrere Täter wegen aller Taten zu verbinden, wenn sich an denselben Taten mehrere Personen beteiligt haben oder die Taten mehrerer Personen sonst in einem engen Zusammenhang stehen und in allen diesen Fällen dieselbe Finanzstrafbehörde erster Instanz zur Durchführung der Verfahren zuständig ist.

Dem Berufungssenat ist zur Führung des erstinstanzlichen Verfahrens gegen US jedoch nicht berechtigt.

Gemäß § 161 Abs. 4 FinStrG kann die Finanzstrafbehörde zweiter Instanz aber auch die Aufhebung des angefochtenen Erkenntnisses unter Zurückverweisung der Sache an die Finanzstrafbehörde erster Instanz verfügen, wenn sie - wie oben ausgeführt im gegenständlichen Fall betreffend HS - umfangreiche Ergänzungen der Ermittlungen (welche in der erforderlichen Art und Weise durch den Berufungssenat nicht möglich oder mit der im Interesse der Beschuldigten gebotenen Raschheit undurchführbar wären) für erforderlich hält.

Die Finanzstrafbehörde erster Instanz ist im weiteren Verfahren an die im Aufhebungsbescheid niedergelegte Rechtsansicht gebunden.

Im Sinne dieser Möglichkeit wird daher das gegenständliche Erkenntnis des Spruchsenates betreffend HS aufgehoben und die Sache zur weiteren Fortsetzung des Untersuchungsverfahrens und nachfolgenden Entscheidungsfindung an den Erstsenat zurückverwiesen. Das Verfahren gegen HS ist gemäß § 61 Abs. 1 FinStrG mit dem neu zu eröffnenden Finanzstrafverfahren gegen US zu verbinden und gemeinsam neuerlich dem Spruchsenat zur Durchführung einer mündlichen Verhandlung und Entscheidungsfällung betreffend HS und US vorzulegen.

Dem Amtsbeauftragten steht es dabei natürlich frei, im Falle einer verbleibenden Rechtsmittelmöglichkeit der Beschuldigten nach Abschluss des erstinstanzlichen Verfahrens zum Erhalt einer von ihm angestrebten Unmittelbarkeit einer Beweisaufnahme mittels Beschuldigteneinvernahme auch in einem allfälligen neuerlichen Berufungsverfahren bei einer Verfahrenseinstellung gegen einen der beiden Beschuldigten bei Vorliegen der diesbezüglichen rechtlichen Voraussetzungen Berufung gegen diese Entscheidung des Erstsenates zu erheben.

Im fortgesetzten erstinstanzlichen Verfahren ist der Zeuge Mag. L gemäß § 78 Abs. 1 FinStrG nunmehr als Verteidiger nicht mehr zugelassen (vgl. ähnlich - ÖStZB 2002/387).

In der Vorbereitung für die Verhandlung vor dem Spruchsenat wäre auch das Vorbringen des Mag. L hinsichtlich der tatsächlichen Höhe der verkürzten Vorauszahlungen für Juli und August 2001 einer Überprüfung zu unterziehen.

Es war daher spruchgemäß zu entscheiden.

Der Amtsbeauftragte ist hinsichtlich seines Rechtsmittels auf diese Entscheidung des Berufungssenates zu verweisen.

Der Vollständigkeit halber ist hinsichtlich des rechtskräftigen Schuldspruches zu StrLNr. 5/98 betreffend HS zur Vermeidung von Missverständnissen anzumerken, dass insoweit eine Wiederaufnahme des Verfahrens von Amts wegen im Sinne des § 165 Abs. 1 lit.a letzte Alternative FinStrG gemäß § 165 Abs. 6 leg.cit. infolge Ablauf der im § 31 Abs. 2 FinStrG genannten fünfjährigen Frist ab Eintritt der Rechtskraft (am , siehe Finanzstrafakt Bl. 16) ausgeschlossen ist.

Rechtsmittelbelehrung

Gegen diese Entscheidung ist gemäß § 164 FinStrG ein weiteres ordentliches Rechtsmittel nicht zulässig. Es steht dem Beschuldigten aber das Recht zu, gegen diesen Bescheid binnen sechs Wochen nach dessen Zustellung Beschwerde beim Verwaltungsgerichtshof und/oder beim Verfassungsgerichtshof zu erheben. Die Beschwerde beim Verfassungsgerichtshof muss - abgesehen von den gesetzlich bestimmten Ausnahmen - von einem Rechtsanwalt unterschrieben sein. Die Beschwerde beim Verwaltungsgerichtshof muss - abgesehen von den gesetzlich bestimmten Ausnahmen - von einem Rechtsanwalt oder einem Wirtschaftsprüfer unterschrieben sein.

Gemäß § 169 FinStrG wird zugleich dem Amtsbeauftragten das Recht der Erhebung einer Beschwerde beim Verwaltungsgerichtshof eingeräumt.

Graz,

Der Vorsitzende:

HR Dr. Richard Tannert

Zusatzinformationen


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Materie
Finanzstrafrecht Verfahrensrecht
betroffene Normen
Schlagworte
Umsatzsteuer
Vorauszahlung
Voranmeldung
Umsatzsteuervorauszahlung
Umsatzsteuervoranmeldung
Fälligkeit
Entrichtung
Wahrnehmender
unmittelbarer Täter
steuerliche Interessen
Aufhebung
Zurückverweisung
Verbindung
Verfahrensverbindung
Geständnis
falsches Geständnis
Auskunftsperson
Verteidiger
Steuerberater
Wiederaufnahme
erschleichen
erschlichen
Erschleichungstatbestand
Fristablauf
Beweisaufnahme
unmittelbare Beweisaufnahme

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