Bevollmächtigung eines Vertreters (Verteidigers) im Finanzstrafverfahren
VwGH-Beschwerde zur Zl. 2009/16/0250 eingebracht. Mit Erk. v. als unbegründet abgewiesen.
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Rechtssätze | |
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Stammrechtssätze | |
FSRV/0122-W/09-RS1 | Es liegt grundsätzlich bei der Partei, ob sie gegenüber der Behörde selbst einschreitet oder sich vertreten lassen will. Der entsprechende Willensentschluss, sich vertreten zu lassen, erlangt erst durch die Erklärung der Partei gegenüber der Behörde Bedeutung. Diese Erklärung umgrenzt die Ausübung des Rechtes der Partei sich vertreten zu lassen. Die Behörde ist daher nicht berechtigt, außerhalb der von der Partei geübten Disposition mit Wirksamkeit für die Partei gegenüber einem Machthaber der Partei Verfahrenshandlungen - so auch nicht die Zustellung von Dokumenten - zu setzen, der der Behörde von der Partei nicht für das betreffende Verfahren als Machthaber bezeichnet wurde. Welche Angelegenheiten zu der betreffenden Sache gehören, für die von der Partei gegenüber der Behörde der Gewalthaber genannt wurde, ist der betreffenden Parteierklärung gegenüber der Behörde zu entnehmen. |
Entscheidungstext
Bescheid
Der Unabhängige Finanzsenat als Finanzstrafbehörde zweiter Instanz hat durch das Mitglied des Finanzstrafsenates Wien 7, C. über den Antrag des Herrn A., vertreten durch B., vom auf fristauslösende Zustellung der Berufungsentscheidung des Unabhängigen Finanzsenates vom , GZ. a.,
zu Recht erkannt:
Der Antrag wird gem. § 56 Abs. 2 Finanzstrafgesetz (FinStrG) in Verbindung mit § 92 Abs. 1 lit. c Bundesabgabenordnung (BAO) als unbegründet abgewiesen.
Begründung
Seinen "Antrag auf fristauslösende Zustellung der Berufungsentscheidung" des Unabhängigen Finanzsenates vom an seinen ausgewiesenen Rechtsvertreter begründet der Einschreiter damit, im Zuge einer Akteneinsicht am sei sein Verteidiger erstmalig darauf aufmerksam geworden, dass "im gegenständlichen Verfahren" [der Einschreiter meint damit das nach Aufhebung der Berufungsentscheidung des Unabhängigen Finanzsenates vom , GZ. b., im Strafausspruch durch das Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes (VwGH) vom , Zl. c., beim Unabhängigen Finanzsenat als Finanzstrafbehörde zweiter Instanz fortgesetzte Finanzstrafverfahren] zwischenzeitig eine mündliche Verhandlung stattgefunden habe und bereits eine Berufungsentscheidung ausgefertigt worden sei. Entgegen den Bestimmungen nach § 56 Abs. 3 FinStrG iVm § 9 Abs. 1 Zustellgesetz (ZustellG) sei die Berufungsentscheidung nicht an den im Akt bereits im "Rechtsmittelverfahren" vor dem VwGH bzw. auch im Schriftsatz vom ausgewiesenen Vertreter des Einschreiters zugestellt worden.
Zur Entscheidung wurde erwogen:
Gemäß § 56 Abs. 3 FinStrG erster Satz gelten für Zustellungen das Zustellgesetz, BGBl.Nr. 200/1982 und sinngemäß die Bestimmungen des 3. Abschnittes der Bundesabgabenordnung. Gemäß § 9 Abs. 1 ZustellG können, soweit in den Verfahrensvorschriften nicht anderes bestimmt ist, die Parteien und Beteiligten andere natürliche oder juristische Personen, Personengesellschaften des Handelsrechts und eingetragene Erwerbsgesellschaften gegenüber der Behörde ausdrücklich zur Empfangnahme von Dokumenten bevollmächtigen (Zustellvollmacht).
Der Einschreiter war zu keinem Zeitpunkt nach den bei der Finanzstrafbehörden erster und zweiter Instanz aufliegenden Akten im Finanzstrafverfahren beim Zollamt X. als Finanzstrafbehörde erster Instanz (d.) und in den Verfahren vor dem Unabhängigen Finanzsenat als Finanzstrafbehörde zweiter Instanz zum einen zur Beschwerde vom gegen den Bescheid des Zollamtes X. vom betreffend die Zurückweisung der Berufung (e.) und zum anderen zur Berufung gegen das Erkenntnis des Spruchsenates beim Zollamt X. vom (b.) zeitlich vor dem Verfahren beim VwGH (c)und danach im fortgesetzten Verfahren (a.) gemäß § 77 Abs. 1 FinStrG durch einen Verteidiger vertreten. Die vom Einschreiter bezeichnete Vertretung hat sich ausschließlich auf das Beschwerdeverfahren vor dem VwGH bezogen. In keiner Phase der Verwaltungsverfahren vor den Finanzstrafbehörden hat der Einschreiter gegenüber den Finanzstrafbehörden einen Vertreter (Verteidiger) zur Empfangnahme von Dokumenten bevollmächtigt; er hat weder eine diesbezügliche Vollmacht vorgelegt noch auf eine solche - auch die Zustellung einschließende - Vollmacht verwiesen. Im vom Einschreiter genannten Schriftsatz vom wurde der Unabhängigen Finanzsenat als belangte Behörde (im Verfahren vor dem VwGH) lediglich vom Beschwerdeführer (nicht vom Berufungswerber) A, vertreten u.a. durch Rechtsanwalt B, ersucht, in Entsprechung der Entscheidung des Zl. c, den Kostenersatz (für die im Verfahren beim VwGH erwachsenen Kosten) auf das bezeichnete Bankkonto des ausgewiesenen Rechtsvertreters zu überweisen. Der Kostenersatz war dem Einschreiter infolge seines (teilweisen) Obsiegens im Verfahren beim VwGH im Erkenntnis des VwGH zugesprochen und stand daher im unmittelbaren sachlichen Zusammenhang mit dem Verfahren beim VwGH. Diesem Schriftsatz war nicht zu entnehmen, dass der Einschreiter auch im fortgesetzten Verfahren vor der Finanzstrafbehörde zweiter Instanz anwaltlich vertreten wäre.
Es liegt grundsätzlich bei der Partei, ob sie gegenüber der Behörde selbst einschreitet oder sich vertreten lassen will. Der entsprechende Willensentschluss, sich vertreten zu lassen, erlangt erst durch die Erklärung der Partei gegenüber der Behörde Bedeutung. Diese Erklärung umgrenzt die Ausübung des Rechtes der Partei sich vertreten zu lassen. Die Behörde ist daher nicht berechtigt, außerhalb der von der Partei geübten Disposition mit Wirksamkeit für die Partei gegenüber einem Machthaber der Partei Verfahrenshandlungen - so auch nicht die Zustellung von Dokumenten - zu setzen, der der Behörde von der Partei nicht für das betreffende Verfahren als Machthaber bezeichnet wurde. Welche Angelegenheiten zu der betreffenden Sache gehören, für die von der Partei gegenüber der Behörde der Gewalthaber genannt wurde, ist der betreffenden Parteierklärung gegenüber der Behörde zu entnehmen. Die Behörde ist nicht berechtigt, auch wenn der Gewalthaber in einer Rechtssache (allenfalls) eine allgemeine Vollmacht des Machthabers vorgelegt hat, diesem im Verfahren über andere, bereits schwebende oder erst später anhängige Rechtsangelegenheiten ebenfalls als durch den einmal ausgewiesenen Gewalthaber vertreten zu behandeln, es sei denn, dass die Partei ihren Willen, sich auch in weiteren Rechtssachen eben dieses Vertreters zu bedienen, unmissverständlich zu erkennen gegeben hat. Die Tatsache allein, dass in der Rechtssache (allenfalls) eine Vollmacht vorgelegt worden ist, die eine Bevollmächtigung zur Vertretung in allen Angelegenheiten beurkundet, reicht hiezu nicht aus (, , 93/16/0131). Für die Beurteilung der Frage, ob eine Vollmacht auch für andere Verfahren über bereits schwebende oder erst später anhängig werdende Rechtsangelegenheiten als erteilt anzusehen ist, ist es entscheidend, ob ein so enger Verfahrenszusammenhang besteht, dass von derselben Angelegenheit oder Rechtssache gesprochen werden kann. Ist dies nicht der Fall, wovon im gegenständlichen Fall auszugehen war, weil eine anwaltliche Vertretung vom Einschreiter erst im Verfahren vor dem VwGH angesprochen wurde, dann kommt es darauf an, ob eine Parteierklärung vorliegt, die so gedeutet werden kann, dass auch das jeweilige weitere oder andere Verfahren von der Vertretungsbefugnis des für das Erstverfahren (bzw. für das Verfahren vor dem Höchstgericht) Bevollmächtigten erfasst sein soll (). Eine Parteierklärung, die so gedeutet werden könnte, dass die Vertretungsbefugnis für das VwGH-Verfahren auch im fortgesetzten Berufungsverfahren vor der Finanzstrafbehörde zweiter Instanz erfasst sein soll, wurde vom Einschreiter gegenüber dem Unabhängigen Finanzsenat nicht abgegeben. Der Einschreiter ist im fortgesetzten Verfahren zur mündlichen Berufungsverhandlung am , zu welcher er ordnungsgemäß geladen erschienen ist, ohne Verteidiger erschienen. Er hat auch bei dieser Gelegenheit keine Mitteilung gemacht, dass er einen Verteidiger habe oder die Zustellung der schriftlichen Ausfertigung der Berufungsentscheidung allenfalls an einen Zustellbevollmächtigten erfolgen sollte. Auch der Schriftsatz vom enthält - wie bereits dargetan - keine diesbezügliche Mitteilung. Da die Finanzstrafbehörde zweiter Instanz daher nach der Aktenlage davon auszugehen hatte, dass der Einschreiter im Finanzstrafverfahren unvertreten war, hatte - auch im Lichte der zitierten Rechtsprechung des VwGH - die Zustellung der Berufungsentscheidung vom , GZ. a., an den Berufungswerber selbst zu erfolgen. Die Zustellung der Berufungsentscheidung an den Berufungswerber erfolgte zufolge des im Akt aufliegenden Zustellnachweises (RSa-Rückscheines) am rechtswirksam durch Hinterlegung gem. § 17 ZustellG. Es bedurfte daher keines weiteren Zustellvorganges, denn, ist ein Dokument zugestellt, so würde die neuerliche Zustellung des gleichen Dokumentes keine Rechtswirkungen auslösen (§ 6 ZustellG).
Es war daher spruchgemäß zu entscheiden.
Klagenfurt am Wörthersee, am
Zusatzinformationen
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Materie | FLAG Finanzstrafrecht Verfahrensrecht |
betroffene Normen | § 77 Abs. 1 FinStrG, Finanzstrafgesetz, BGBl. Nr. 129/1958 § 9 Abs. 1 ZustG, Zustellgesetz, BGBl. Nr. 200/1982 |
Verweise |
Datenquelle: Findok — https://findok.bmf.gv.at