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Berufungsentscheidung - Steuer (Referent), UFSI vom 15.07.2010, RV/0745-I/09

Prozesskosten einer (im Zivilprozess) unterlegenen beklagten Partei als außergewöhnliche Belastung

Entscheidungstext

Berufungsentscheidung

Der Unabhängige Finanzsenat hat über die Berufung des Berufungswerbers, vom gegen den Bescheid des Finanzamtes, vertreten durch Finanzanwalt, vom betreffend Einkommensteuer für das Jahr 2008 entschieden:

Die Berufung wird als unbegründet abgewiesen. Der angefochtene Bescheid bleibt unverändert.

Entscheidungsgründe

Der Abgabepflichtige begehrte in seiner Einkommensteuererklärung für das Jahr 2008 ua. die steuerliche Berücksichtigung von Prozesskosten in Höhe von 25.148,78 € als außergewöhnliche Belastung, da diese ihm zwangsläufig erwachsen seien. Sein Onkel habe ihm im Jahr 2005 ein Sparbuch über Betrag mit der Auflage, dieses erst nach dessen Tod zu realisieren, geschenkt, diese Schenkung jedoch im Jahr 2007 unter dem Einfluss seiner Lebensgefährtin widerrufen und unter Androhung gerichtlicher Schritte zurückgefordert. Nachdem rechtliche Beratungen des Notar und Rechtsanwalt_A von einem unwirksamen Widerruf und von einer erfolglosen Klagsführung ausgegangen seien, habe sich der Berufungswerber auf eine Prozessführung eingelassen. Im ersten Rechtszug habe er vor dem Landesgericht verloren, die Berufung an das Oberlandesgericht sei hingegen erfolgreich gewesen (Bestätigung, dass er das Sparbuch behalten dürfe). Der OGH habe der von der ehemaligen Lebensgefährtin, nunmehr Gattin des zwischenzeitlich verstorbenen Onkels als Alleinerbin eingebrachten Revision Folge gegeben, ihn zur Herausgabe des Sparbuchs und der Kostentragung auf beiden Seiten für drei Instanzen verpflichtet. Wenn ihm je etwas "zwangsläufig" erwachsen sei, dann sei dies der buchstäblich durch die Umstände und den dringenden Rat von Fachleuten und durch den Prozessverlauf selbst aufgezwungener Prozess. Es hätte niemand ahnen können, dass der OGH jenes ihm günstige Urteil aufheben würde, nur weil sich durch den zwischenzeitlichen Tod des Onkels in der "Qualität" der Prozesspartei (Lebensgefährtin bzw. Gattin des Onkels zuvor Zeugin, nunmehr Partei im Verfahren) jene Änderung ergeben habe, die den OGH ganz wider Erwarten an dem "wirklichen Wollen" des Onkels zweifeln ließ.

Das Finanzamt erkannte im Einkommensteuerbescheid für das Jahr 2008 (mit Ausfertigungsdatum ) obige Aufwendungen nicht als außergewöhnliche Belastungen mit der Begründung an, diese seien ihm weder aus tatsächlichen, rechtlichen noch sittlichen Gründen zwangsläufig erwachsen. In der hiergegen fristgerecht erhobenen Berufung vom führte der Abgabepflichtige aus, er habe die Prozesskosten weder veranlasst noch in irgendeiner zumutbaren Weise abwenden können. Aufwendungen im Zivilprozess seien nicht generell von einer steuerlichen Berücksichtigung ausgenommen, wenn dem Steuerpflichtigen die Prozessführung als beklagte Partei - wie im vorliegenden Fall gegeben - aufgezwungen werde (; ). Eine Annahme eines gegen den Abgabepflichtigen eröffneten Prozesses (anstatt der Anerkennung des gegnerischen Standpunktes) kann nicht als die Zwangsläufigkeit von Prozessen ausschließendes "Verhalten aus freien Stücken" bzw. ausschließende "vorsätzliche herbeigeführte Tatsache" qualifiziert werden. Der Gesetzgeber wird in erster Linie wohl jene Kosten verneinen wollen, die - meist auf Klägerseite - nur wegen einer Aufrechnung gegen die Steuer riskiert werden würden. Der Berufungswerber habe weder den Prozess ausgesucht noch gewünscht oder diesen angestrengt, sondern sich als Beklagter gegen die Wegnahme eines ihm geschenkten Sparbuches gegen seinen Willen (und in Wahrheit auch gegen den Willen des hilflosen und gänzlich von der Lebensgefährtin abhängigen Geschenkgebers) gewehrt. Der Prozess sei nicht geführt worden, weil er kein Prozessrisiko gehabt bzw. zu haben geglaubt habe, sondern weil er sich gegen einen perfiden Raubzug nicht anders wehren habe können. Und weil er auf Grund der Aussagen von allen befragten Rechtsanwälten, Notaren, sonstigen Fachleuten etc. nicht das geringste Prozessrisiko gesehen habe. Zivilprozesskosten können in der Regel nur dann (und zwar zwangsläufig) bei Unterliegen im Prozess entstehen. Wenn aber die Rechtsprechung Zivilprozesskosten als außergewöhnliche Belastung nicht grundsätzlich verneint, dann sind auch "verlorene" Prozesse nicht schon per se ausgeschlossen. Unbestreitbare und "lebensnahe" Tatsache sei, dass ein unselbständiger (Lohn-)Steuerzahler für solche Schicksalsschläge "steuerschonend" nur die außergewöhnliche Belastung (mit Selbstbehalt) habe, während bei einem Selbständigen so manche Honorarnote pauschal im betrieblichen Bereich "verschwinde". Die letztliche Revidierung eines eigenen Urteiles durch ein und dasselbe Gericht (Oberlandesgericht) auf ein und derselben Verfahrensstufe und im ein und denselben Verfahren sei ein keineswegs absehbares Unglück, durch welches er jedoch um den erwarteten und versprochenen Lohn für jahrelange Dienste beim kinderlosen "Schenker" dieses Sparbuches gebracht worden wäre. Ein Großteil der bezahlten Prozesskosten seien zudem staatliche Gerichtsgebühren, die dem Budget in voller Höhe zugeflossen seien.

Die abweisende Berufungsvorentscheidung vom begründete das Finanzamt ua. damit, der Abgabepflichtige habe dem Widerruf eine Anerkennung verweigert und somit freiwillig ein Verhalten gesetzt, dass in Folge zu den (damit nicht zwangsläufigen) Prozesskosten geführt habe. Mit Schreiben vom begehrte der Abgabepflichtige die Vorlage der Berufung an die Abgabenbehörde zweiter Instanz.

Über die Berufung wurde erwogen:

Bei der Ermittlung des Einkommens (§ 2 Abs. 2 EStG) eines unbeschränkt Steuerpflichtigen sind nach § 34 Abs. 1 EStG 1988 nach Abzug der Sonderausgaben (§ 18 EStG) außergewöhnliche Belastungen abzuziehen. Die Belastung muss folgende Voraussetzungen erfüllen: 1. Sie muss außergewöhnlich sein (Abs. 2). 2. Sie muss zwangsläufig erwachsen (Abs. 3). 3. Sie muss die wirtschaftliche Leistungsfähigkeit wesentlich beeinträchtigen (Abs. 4). Die Belastung darf weder Betriebsausgaben, Werbungskosten noch Sonderausgaben sein.

Die Belastung ist gemäß § 34 Abs. 2 EStG 1988 außergewöhnlich, soweit sie höher ist als jene, die der Mehrzahl der Steuerpflichtigen gleicher Einkommensverhältnisse und gleicher Vermögensverhältnisse erwächst. Die Belastung erwächst dem Steuerpflichtigen zwangsläufig, wenn er sich ihr aus tatsächlichen, rechtlichen oder sittlichen Gründen nicht entziehen kann (§ 34 Abs. 3 EStG 1988). Gemäß § 34 Abs. 4 EStG 1988 beeinträchtigt die Belastung wesentlich die wirtschaftliche Leistungsfähigkeit, soweit sie einen vom Steuerpflichtigen von seinem Einkommen (§ 2 Abs. 2 EStG in Verbindung mit Abs. 5) vor Abzug der außergewöhnlichen Belastungen zu berechnenden Selbstbehalt übersteigt. Alle Voraussetzungen müssen zugleich gegeben sein. Liegt beispielsweise das Merkmal der Zwangsläufigkeit nicht vor, so erübrigt sich eine Prüfung der Außergewöhnlichkeit.

Betreffend die vom Berufungswerber geltend gemachten Prozesskosten ergibt sich aus der Bestimmung des § 34 Abs. 3 EStG 1988 nach übereinstimmender Ansicht von herrschender Lehre und Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes, dass freiwillig getätigte Aufwendungen nach § 34 EStG 1988 ebenso wenig Berücksichtigung finden können wie Aufwendungen, die auf Tatsachen zurückzuführen sind, die vom Steuerpflichtigen vorsätzlich herbeigeführt wurden oder die sonst die unmittelbare Folge eines Verhaltens sind, zu dem sich der Steuerpflichtige aus freien Stücken entschlossen hat (; ) bzw. die Prozessführung lediglich eine direkte oder indirekte Verhaltensfolge darstellt (; ). Prozesskosten in einem Zivilrechtsstreit sind daher nicht als außergewöhnliche Belastung abzugsfähig, wenn sie lediglich Folge der Klagsführung durch den Steuerpflichtigen () oder sonst Folge eines vom Steuerpflichtigen gesetzten Verhaltens sind (Beklagtenstellung); davon ist auszugehen, wenn der Steuerpflichtige geklagt wird und im Prozess unterliegt (; ).

Lehre und Rechtsprechung vertreten bezüglich der Berücksichtigung von Kosten eines Zivilprozesses als außergewöhnliche Belastung weiters die Auffassung, dass im Allgemeinen davon auszugehen ist, dass Prozesskosten deshalb nicht zwangsläufig erwachsen, weil jede Prozessführung mit dem Risiko verbunden ist, die Kosten ganz oder teilweise selbst tragen zu müssen. Wenn sich in diesem Zusammenhang auch eine stets gültige Regel nicht aufstellen lässt, so ist die Zwangsläufigkeit jedenfalls dann immer zu verneinen, wenn ein Prozess letztlich nur die Folge eines Verhaltens ist, welches der Steuerpflichtige aus freien Stücken gesetzt hat (). Wer zB widerrechtlich eine Sache in Besitz genommen hat und zu deren Herausgabe verurteilt wurde, kann nicht behaupten, die aufgelaufenen Prozesskosten seien Aufwendungen, denen er sich nicht entziehen konnte (; Jakom/Baldauf, EStG, § 34 Rz. 90 unter "Prozesskosten"; Doralt, EStG11, § 34 Tz. 78 unter "Prozesskosten"; Hofstätter/Reichel, Die Einkommensteuer-Kommentar, § 34 EStG 1988 Einzelfälle, "Prozesskosten"; Quantschnigg/Schuch, Einkommensteuer-Handbuch, § 34 Tz. 38 "Prozesskosten").

Im vorliegenden Fall wurden vom Berufungswerber Prozesskosten (Rechtsanwaltskosten und Gerichtsgebühren) geltend gemacht, die im Zuge eines Rechtsstreites mit dem Geschenkgeber angefallen sind. In diesem Rechtsstreit ist der Geschenkgeber als klagende Partei aufgetreten, da der Berufungswerber den vom Geschenkgeber ausgesprochenen Widerruf der Schenkung eines Sparbuches nicht entsprochen und dieses nicht zurückgestellt hat. Der Zivilprozess auf Herausgabe des Sparbuches war somit die direkte Folge eines dem Berufungswerber zuzurechnenden Verhaltens (Nichtanerkennung des Widerspruches), das dieser aus freien Stücken gesetzt hat. Hätte der Abgabepflichtige den Widerruf anerkannt und wäre dieser seiner (zumutbaren, nach Ansicht des Zivilgerichtes gesetzesmäßigen) Verpflichtung auf Herausgabe des Sparbuches nachgekommen, wäre der Geschenkgeber nicht zur Erhebung der gegenständlichen Klage gezwungen gewesen. Damit hätten die geltend gemachten Kosten für Rechtsanwalt und Gerichtsgebühren vermieden werden können.

In diesem Zusammenhang wird ausdrücklich festgehalten, dass der Berufungswerber rechtskräftig zur Herausgabe des Sparbuches verpflichtet wurde, woran auch die zwischenzeitliche Klageabweisung durch das Oberlandesgericht nichts zu ändern vermag. Der Abgabepflichtige ist insoweit gänzlich in dem vom Geschenkgeber angestrengten Zivilprozess unterlegen. Entgegen den Ausführungen des Berufungswerbers kann aus dem während des anhängigen Zivilgerichtsverfahrens eingetretenen Todesfall des Onkels und Eintretens dessen (zwischenzeitlicher) Ehegattin als Klägerin kein Umstand erkannt werden, der Einfluss auf eine steuerrechtliche Beurteilung des gegenständlichen Falles nehmen kann, zumal doch vielmehr auf das die Prozesskosten auslösende Verhalten und das (freiwillige) Widersetzen des Abgabepflichtigen gegen die Herausgabeansprüche vor Verfahrensbeginn abzustellen ist.

Wie bereits das Finanzamt zu Recht ausgeführt hat, fehlt sohin den gegenständlichen Prozesskosten das Merkmal der Zwangsläufigkeit, da diese in Folge oben dargestellter freiwilliger Handlungen des Berufungswerbers begründet waren. Dem Abgabepflichtigen sind dadurch die Prozesskosten nicht zwangsläufig entstanden, da ihm der Prozess nicht aufgezwungen, sondern von ihm im Rahmen seiner privaten Entscheidungen der Lebensführung nach freien Stücken angenommen und geführt wurde. An dieser Beurteilung vermögen auch die dargelegten Rechtsauskünfte, ua. der Rechtsanwalt_A und Notar, nichts zu ändern, da nicht von hypothetischen, sondern ausschließlich von tatsächlichen Sachverhalten auszugehen ist. Für die gegenständliche Berufung ist damit auch ohne Belang, dass der Berufungswerber (und offensichtlich auch sein Rechtsbeistand) das streitgegenständliche Gerichtsurteil als nicht vorhersehbarer Unglücksfall ansehen und dessen Rechtmäßigkeit ("Fehlurteil") anzweifeln. Wenngleich für den Referenten das behauptete Vertrauen des Abgabepflichtigen auf den "dringlichen Rat von Fachleuten" nachvollziehbar ist, oblag das gesetzte Verhalten (Verweigerung der Herausgabe des Sparbuches sowie die Führung des zivilgerichtlichen Verfahrens) ausschließlich und alleinig der freien Entscheidung des Berufungswerbers.

Den Einwendungen des Berufungswerbers (unter Verweis auf Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes) im Schreiben vom , im vorliegenden Fall werde eine Zwangsläufigkeit eines aufgezwungen Prozesses verwirklicht, ist entgegen zu halten, dass diesbezüglich eine außergewöhnliche Belastung lediglich dann vorliegen könnte, wenn der Steuerpflichtige bei einem aufgezwungenen Zivilprozess auch obsiegen würde. Außergewöhnliche Belastungen könnten sohin zB bei keinem eintreibbaren Prozesskostenersatz, bei erfolgreicher Abwendung eines Schadenersatzanspruches, bei Obsiegen als Beklagter im Vaterschaftsprozess () oder bei einem durch Mehrheitsbeschluss einer Wohnungseigentümergemeinschaft veranlassten Prozess verwirklicht sein (Doralt, EStG11, § 34 Tz. 78 unter "Prozesskosten"). Derartige Umstände sind jedoch im vorliegenden Fall nicht gegeben, sondern wurde vom Abgabepflichtigen viel mehr durch Widersetzung des Widerrufes die angedrohte Prozessführung durch den Geschenkgeber mutwillig in Kauf genommen.

Weder der vom Abgabepflichtigen angedeutete Verdacht des "Verschwindens der Honorarnote im betrieblichen Bereich eines Selbständigen" noch die im gegenständlichen Betrag enthaltenen Gerichtsgebühren können der Berufung zu einem Erfolg verhelfen, hat doch die Entscheidung auf Grund der vorliegenden Rechtslage zu ergehen; hypothetische Überlegungen des Abgabepflichtigen für eine etwaige rechtswidrige steuerliche Geltendmachung der Kosten sind daher ohne Belang. Des Weiteren umfasst der Begriff der Verfahrenskosten alle einem Steuerpflichtigen durch eine Prozessführung, ein Straf- oder Verwaltungsverfahren entstandenen Kosten, gleichgültig, ob es sich um Gerichtsgebühren, Pauschalkostenbeiträge, anwaltliche Vertretungs- und Beratungskosten oder Sachverständigen- bzw. Zeugengebühren handelt (Thiele, Ertragsteuerliche Behandlung von Verfahrenskosten, RdW 2000/412), sodass auch die in den strittigen Aufwendungen enthaltenen, in das Budget eingeflossen Gerichtsgebühren als Teil der Prozesskosten keine außergewöhnliche Belastungen begründen können.

Da die geltend gemachten Aufwendungen in Höhe von 25.148,78 €, nämlich die Kosten des Rechtsstreites, als Folge eines vom Berufungswerbers freiwillig gesetzten Verhaltens und somit nicht als zwangsläufig erwachsen anzusehen sind, kommt deren Berücksichtigung als außergewöhnliche Belastung im Sinne des § 34 Abs. 1 EStG 1988 nicht in Betracht. Es war daher spruchgemäß zu entscheiden.

Innsbruck, am

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