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Berufungsentscheidung - Steuer (Referent), UFSW vom 30.05.2012, RV/1260-W/12

Kein Familienbeihilfenanspruch bei Ausbildung eines Kindes in einem "Drittland". Ein einjähriger Auslandsaufenthalt etwa zum Zweck eines einjährigen Schulbesuches im Ausland ist als ständiger Aufenthalt im Ausland anzusehen (§ 5 Abs 3 FLAG).

Entscheidungstext

Berufungsentscheidung

Der Unabhängige Finanzsenat hat über die Berufung der CUCW, vertreten durch Mag. Johann Hanel, Wirtschaftstreuhänder & Steuerberater, 1150 Wien, Goldschlagstraße 8, vom gegen den Bescheid des Finanzamtes Wien 2/20/21/22 vom betreffend Abweisung eines Antrages auf Gewährung der Familienbeihilfe ab August 2010 für ihren Sohn TU, geboren am XX.XX.XXXX, entschieden:

Die Berufung wird als unbegründet abgewiesen.

Der angefochtene Bescheid bleibt unverändert.

Entscheidungsgründe

Die Berufungswerberin (Bw) - Frau CUC - ist allgemein beeidete und gerichtlich zertifizierte Dolmetscherin für die chinesische Sprache und beantragte für ihren Sohn TU, geboren am XX.XX.XXXX Familienbeihilfe ab August 2010. Zusammen mit dem Antrag auf Familienbeihilfe übermittelte die Bw eine Kopie und eine Übersetzung der "Admission Notice" (Zulassungsbestätigung) der Fudan Universität in Shanghai, Volksrepublik China vom , aus der hervorgeht, dass Herr TU als Sprachstudent der chinesischen Sprache vom bis immatrikuliert wird.

Mit Vorhalt vom wurde die Bw vom Finanzamt ersucht, mitzuteilen, wo ihr Sohn in China wohne, wer die anfallenden Kosten trage, wie hoch die Kosten seien, ob das Studium in Österreich anerkannt werde und eine Inskriptionsbestätigung zu übermitteln.

Mit Schreiben vom gab die Bw die Adresse ihres Sohnes in China (XYZ Shanghai) bekannt und teilte mit, dass die im Zusammenhang mit dem Studium ihres Sohnes in China anfallenden Kosten von ihr getragen würden, diese sich auf zirka 800 € pro Monat beliefen und die Fudan Universität (220 Handan Road, 200433 Shanghai) eine gemäß § 51 Abs 2 Z 1 Universitätsgesetz 2002 anerkannte ausländische postsekundäre Bildungseinrichtung sei.

Mit Abweisungsbescheid vom wurde der Antrag der Bw vom auf Familienbeihilfe für ihren Sohn CT (richtig: TU) ab August 2010 mit der Begründung abgewiesen, dass Besuche von Veranstaltungen oder Lehrgängen, die zB nur eine Erweiterung der Sprachkenntnisse vermittelten und damit nicht auf die Erlernung eines spezifischen Berufes, wie zB Dolmetsch, ausgerichtet seien, als Ausbildung für einen Beruf nicht gewertet werden könnten. Der volljährige Sohn der Bw absolviere an der Fudan Universität ein Sprachstudium, welches wohl Kenntnisse der chinesischen Sprache vermittle bzw intensiviere, dieses stelle aber keine Ausbildung in einem einschlägigen Beruf dar. Das vom Sohn der Bw absolvierte Sprachstudium könne daher nicht als Berufsausbildung angesehen werden, auch wenn es für eine spätere Berufsausbildung nützlich wäre.

In der Berufung vom präzisierte der steuerliche Vertreter der Bw den Sachverhalt dahingehend, dass der Sohn der Bw im August 2010 an der Fudan Universität einen Studienplatz in den Fächern "Betriebswirtschaftslehre und Internationale Wirtschaftsbeziehungen" beantragt habe. Obwohl er durch den Unterricht seiner Mutter (Bw), einer gebürtigen Chinesin und Dolmetscherin für die chinesische Sprache, gut Mandarin spreche, genügten seine Sprachkenntnisse nicht für das gewählte Studium. Der Sohn der Bw wurde daher angehalten, vom bis Chinesisch zu studieren. Diese Immatrikulation stelle den ersten Studienabschnitt dar; danach gehe die Berufsausbildung an der Fudan Universität weiter. Da der Sohn der Bw ohne Zweifel an der Fudan Universität eine Berufsausbildung anstrebe und ihm durch den Universitätsbesuch eine Berufsausübung unmöglich sei, stünden seiner Mutter - die die Kosten seines Studiums in China trage - die Familienbeihilfe zu.

Mit Schreiben vom teilte der steuerliche Vertreter der Bw mit, dass die finanzielle Abwicklung der Ausgaben vom Sohn der Bw in bar derart erfolge, dass er von der Bw bei seiner Reise nach China mit Barmitteln ausgestattet worden sei. Bei den jeweiligen Besuchen der Bw in China habe sie immer Bargeld für ihren Sohn mitgenommen. Außerdem wurden folgende Bestätigungen sowohl übersetzt als auch die Kopien der Originalunterlagen vorgelegt:

  • "Mietvertrag für Immobilien der Stadt Shanghai" vom , in dem Herr WM als Vermieter und Herr TU als Mieter aufscheinen, die Adresse der Wohnung mit Renmin Road XY, Bezirk Huanpu, Shanghai, die Wohnfläche mit 146,95 m2, der monatliche Mietzins mit 9.000 RMB und das Mietverhältnis von bis angegeben wurde,

  • "Meldezettel des temporären Wohnorts", dem zu entnehmen ist, dass Herr TU in Shanghai in der Renmin Road XY wohne und über eine Aufenthaltserlaubnis bis verfüge,

  • Semesterzeugnis (2010 - 2011, 1. Semester) der Fudan Universität, demzufolge Herr TU in den Fächern "Feinlesen", "Sprechen", "Hören", "Lesen" und "Schreiben" unterrichtet wurde und

  • Bescheinigung der Tongji Universität, in der bestätigt wird, dass Herr TU von Februar 2011 bis Juni 2011 das Fach Chinesisch an dieser Universität studiert habe.

Mit Schreiben vom urgierte der steuerliche Vertreter die Erledigung der Berufung und teilte mit, dass der Sohn der Bw ab September 2011 am Regent's College (European Business School) London studiere.

Mit Schreiben vom übermittelte der steuerliche Vertreter der Bw eine Inskriptionsbestätigung des Regent's College (European Business School) London vom , der zu entnehmen ist, dass der Sohn der Bw sein Studium am begonnen habe und dieses voraussichtlich bis dauern werde.

Mit Schreiben vom teilte der steuerliche Vertreter der Bw mit, dass der Sohn der Bw nun eine Ausbildung als Internationaler Business- bzw Finanzmanager am Regent's College (European Business School) London anstrebe und für dieses Berufsziel profunde Kenntnisse der chinesischen Sprache sehr nützlich seien. Als Beilage wurden ua die folgenden Schriftstücke übermittelt:

  • ein "Study Certificate" vom , dem zu entnehmen ist, dass Herr TU von August 2010 bis Jänner 2011 an der Fudan Universität Chinesisch studiert hat und

  • ein "Certificate of Study" vom , aus dem hervorgeht, dass Herr TU von Februar 2011 bis Juli 2011 an der International School of Tongji University in Shanghai Chinesisch studiert hat.

Mit Berufungsvorentscheidung vom wurde die Berufung vom mit der Begründung abgewiesen, dass der Besuch von im allgemeinen nicht auf eine Berufsausbildung ausgerichtete Veranstaltungen nicht als Berufsausbildung gewertet werden könne, selbst dann nicht, wenn diese Ausbildung für eine spätere spezifische Berufsausbildung Voraussetzung oder nützlich sei, worunter unter anderem auch der Besuch eines Sprachkurses falle. Da der Sohn der Bw seit einen Sprachkurs absolviert habe, der keine Berufsausbildung darstelle, sei die Berufung abzuweisen gewesen.

Im Vorlageantrag vom wird ausgeführt, dass der Sohn der Bw zweisprachig erzogen worden sei, Chinesisch daher seine zweite Muttersprache sei, er an der Tongji Universität in China das Fach Chinesisch belegt habe und von 100 Maximalpunkten zumindest 75 erreicht habe. Sein Studium der chinesischen Sprache sei daher als erfolgreich anzusehen. Weiters wurde die Meinung vertreten, dass im vorliegenden Fall kein Sprachkurs vorliege und das Studium von Herrn TU sehr wohl eine Berufsausbildung darstelle.

Über die Berufung wurde erwogen:

Folgender Sachverhalt wird der Entscheidung zu Grunde gelegt:

  • Die Bw beantragte Familienbeihilfe ab August 2010 für ihren Sohn TU, geboren am XX.XX.XXXX.

  • Laut "Study Certificate" vom hat Herr TU von August 2010 bis Jänner 2011 an der Fudan Universität in Shanghai Chinesisch studiert.

  • Laut "Certificate of Study" vom hat Herr TU von Februar 2011 bis Juli 2011 an der International School of Tongji University in Shanghai chinesisch studiert.

  • Ein "Mietvertrag für Immobilien der Stadt Shanghai" vom weist Herrn TU als Mieter aus und gibt die Dauer des Mietverhältnisses von bis an.

  • Dem "Meldezettel des temporären Wohnorts" vom ist zu entnehmen, dass die Aufenthaltserlaubnis von Herrn TU bis gültig war.

  • Laut Inskriptionsbestätigung vom studiert Herr TU seit am Regent's College (European Business School) in London.

Der festgestellte Sachverhalt ergibt sich aus dem Antrag auf Familienbeihilfe vom , einer Admission Notice (Zulassungsbestätigung) der Fudan Universität in Shanghai vom , einem "Study Certificate" der Fudan Universität vom , einem Semesterzeugnis (2010 - 2011. 1. Semester) der Fudan University vom , einem "Certificate of Study" der Tongji Universität in Shanghai vom , einer Bescheinigung der Tongji Universität in Shanghai vom , einem "Mietvertrag für Immobilien der Stadt Shanghai" vom , dem "Meldezettel des temporären Wohnorts" vom und der Inskriptionsbestätigung vom des Regent's College (European Business School) London.

Der Sachverhalt ist in folgender Weise rechtlich zu würdigen:

Gemäß § 2 Abs 1 lit b Familienlastenausgleichsgesetz (FLAG) 1967 haben Personen, die im Bundesgebiet einen Wohnsitz oder ihren gewöhnlichen Aufenthalt haben, Anspruch auf Familienbeihilfe für volljährige Kinder, die das 26. Lebensjahr noch nicht vollendet haben und die für einen Beruf ausgebildet oder in einem erlernten Beruf in einer Fachschule fortgebildet werden, wenn ihnen durch den Schulbesuch die Ausübung ihres Berufes nicht möglich ist.

Anspruch auf Familienbeihilfe für ein Kind hat nach § 2 Abs 2 FLAG die Person, zu deren Haushalt das Kind gehört.

§ 2 Abs 5 FLAG lautet:

"(5) Zum Haushalt einer Person gehört ein Kind dann, wenn es bei einheitlicher Wirtschaftsführung eine Wohnung mit dieser Person teilt. Die Haushaltszugehörigkeit gilt nicht als aufgehoben, wenn

a) sich das Kind nur vorübergehend außerhalb der gemeinsamen Wohnung aufhält,

b) das Kind für Zwecke der Berufsausübung notwendigerweise am Ort oder in der Nähe des Ortes der Berufsausübung eine Zweitunterkunft bewohnt,

c) . . ."

Gemäß § 5 Abs 3 FLAG besteht für Kinder, die sich ständig im Ausland aufhalten, kein Anspruch auf Familienbeihilfe.

Nach § 26 Abs 2 BAO hat jemand den gewöhnlichen Aufenthalt dort, wo er sich unter Umständen aufhält, die erkennen lassen, dass er an diesem Ort oder in diesem Land nicht nur vorübergehend verweilt. Wenn Abgabenvorschriften die unbeschränkte Abgabepflicht an den gewöhnlichen Aufenthalt knüpfen, tritt diese jedoch stets dann ein, wenn der Aufenthalt im Inland länger als sechs Monate dauert. In diesem Fall erstreckt sich die Abgabepflicht auch auf die ersten sechs Monate.

Nach ständiger Rechtsprechnung des Verwaltungsgerichtshofes ist der ständige Aufenthalt im Sinne des § 5 Abs 3 FLAG unter den Gesichtspunkten des Vorliegens eines gewöhnlichen Aufenthaltes nach § 26 Abs 2 BAO zu beurteilen (vgl das Erkenntis des sowie Nowotny in Csaszar/Lenneis/Wanke, Familienlastenausgleichsgesetz, Rz 9 zweiter Absatz zu § 5).

Dem Wortlaut des § 26 Abs 2 erster Satz BAO ist zunächst zu entnehmen, dass ein nicht nur vorübergehendes Verweilen in einem Land keinen eigenen Begriff darstellt, sondern als ständiger Aufenthalt zu sehen ist.

Die Frage des ständigen Aufenthaltes iSd § 5 Abs 3 FLAG ist nicht nach subjektiven Gesichtspunkten, sondern nach den objektiven Kriterien der grundsätzlichen körperlichen Anwesenheit zu beantworten (vgl das erwähnte Erkenntnis des sowie Nowotny, aaO, Rz 9 erster Absatz zu § 5). Auf eine allfällige Absicht des Sohnes der Bw, nach dem Auslandsjahr nach Österreich zurückzukehren, kommt es demnach nicht an.

Ein Aufenthalt ist nicht schon dann vorübergehend im Sinne der genannten Rechtsprechung zu § 5 Abs 3 FLAG, wenn er zeitlich begrenzt ist (vgl das Erkenntnis des ), weshalb auch bei der im Zuge der vorzunehmenden ex-ante Betrachtung des Auslandsaufenthaltes des Sohnes der Bw die auch nach objektiven Gesichtspunkten als annähernd gewiss anzunehmende Rückkehr nach Österreich nach dem Auslandsjahr nicht entscheidend ist.

Lassen objektive Gesichtspunkte erkennen, dass ein Aufenthalt nicht nur vorübergehend währen wird, dann liegt schon ab dem Vorliegen dieser Umstände, allenfalls ab Beginn des Aufenthaltes, ein ständiger Aufenthalt vor.

Im erwähnten Erkenntnis vom hat der Verwaltungsgerichtshof bei den in jenem Beschwerdefall gegebenen Rahmenbedingungen eine Aufenthaltsdauer von fünfeinhalb Monaten im Ausland gerade noch als vorübergehenden Aufenthalt angesehen. Ein einjähriger Auslandsaufenthalt etwa zum Zweck eines einjährigen Schulbesuches im Ausland ist nach Ansicht des Verwaltungsgerichtshofes als ständiger Aufenthalt im Ausland anzusehen (vgl Kuprian, Kein Familienbeihilfenanspruch bei Ausbildung eines Kindes in einem "Drittland", in UFS Journal 2011/10, 371 sowie ).

Der Sohn der Bw hat nachweislich von August 2010 bis Jänner 2011 an der Fudan University und von Februar 2001 bis Juli 2011 an der International School of Tongji University in Shanghai, China studiert. Wie aus dem Mietvertrag hervorgeht, war von vornherein ein Aufenthalt in Shanghai für den Zeitraum August 2010 bis Juli 2011 geplant. Da sich der Aufenthalt des Sohnes der Bw in China, und damit in einem Drittstaat (Nicht-EU-/Nicht-EWR-Land bzw der Schweiz), über einen Zeitraum von mehr als sechs Monate erstreckte, hatte er - entsprechend der obigen Ausführungen - in dieser Zeit seinen ständigen Aufenthalt in diesem Land, weshalb für diesen Zeitraum gemäß § 5 Abs 3 FLAG kein Anspruch auf Familienbeihilfe besteht.

Das Finanzamt hat somit die Familienbeihilfe ab August 2010 zu Recht nicht gewährt.

Es war daher spruchgemäß zu entscheiden.

Die Entscheidung über die Gewährung von monatlich wiederkehrenden Leistungen ist ein zeitraumbezogener Abspruch. Ein derartiger Ausspruch gilt mangels eines im Bescheid festgelegten Endzeitpunktes für den Zeitraum, in dem die rechtlichen und tatsächlichen Verhältnisse keine Änderung erfahren, jedenfalls aber bis zum Zeitpunkt der Erlassung des Bescheides (vgl etwa die Erkenntnisse vom , 91/08/0004, vom , 2000/11/0015, und vom , 2007/15/0067).

Da laut Inskriptionsbestätigung vom der Sohn der Bw - Herr TU - seit am Regent's College (European Business School) in London studiert und somit ab diesem Zeitpunkt (September 2011) die tatsächlichen Verhältnisse eine Änderung dahingehend erfahren haben, dass der Sohn der Bw ab September 2011 nicht mehr in einem Drittland, sondern im EU-Ausland (Großbritannien) studiert, besteht für die Bw die Möglichkeit einen Antrag auf Familienbeihilfe für ihren Sohn ab September 2011 zu stellen.

Wien, am

Zusatzinformationen


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Materie
Steuer
FLAG
Finanzstrafrecht Verfahrensrecht
betroffene Normen
Schlagworte
Familienbeihilfe
Ausbildung eines Kindes
Auslandsaufenthalt
Drittland
ständiger Aufenthalt
Verweise

Nowotny in Csaszar/Lenneis/Wanke, FLAG, Rz 9 zweiter Absatz zu § 5
Nowotny, aaO, Rz 9 erster Absatz zu § 5

Kuprian, Kein Familienbeihilfenanspruch bei Ausbildung eines Kindes in einem "Drittland", in UFS Journal 2011/10, 371


Datenquelle: Findok — https://findok.bmf.gv.at