Berufungsentscheidung - Steuer (Referent), UFSW vom 30.05.2012, RV/0666-W/10

Mehraufwendungen bei Behinderung (für Ehegattin) als außergewöhnliche Belastung

Entscheidungstext

Berufungsentscheidung

Der Unabhängige Finanzsenat hat über die Berufung der Bw, gegen den Bescheid des Finanzamtes Amstetten Melk Scheibbs vom betreffend Einkommensteuer (Arbeitnehmerveranlagung) 2008 entschieden:

Der angefochtene Bescheid wird abgeändert.

Die Bemessungsgrundlage und die Höhe der Abgabe sind dem als Beilage angeschlossenen Berechnungsblatt zu entnehmen und bilden einen Bestandteil dieses Bescheidspruches.

Entscheidungsgründe

Die Berufungswerberin beantragte in ihrer Erklärung zur Arbeitnehmerveranlagung für 2008 die Berücksichtigung des Alleinverdienerabsetzbetrages sowie den Abzug folgender außergewöhnlicher Belastungen auf Grund der Behinderung ihres Ehegatten:

- Pauschaler Freibetrag wegen einer Behinderung von 60 %,

- pauschaler Freibetrag für das eigene Kraftfahrzeug wegen Behinderung,

- nicht regelmäßige Ausgaben für Hilfsmittel sowie Kosten der Heilbehandlung in Höhe von 427,20 €.

Mit Bescheid vom setzte das Finanzamt die Einkommensteuer für 2008 ohne Berücksichtigung des Alleinverdienerabsetzbetrages und der geltend gemachten außergewöhnlichen Belastungen fest. In der Begründung wurde ausgeführt, der Alleinverdienerabsetzbetrag habe nicht berücksichtigt werden können, da die steuerpflichtigen Einkünfte des Ehepartners höher als der maßgebliche Grenzbetrag von 2.200,00 € seien. Da die Berufungswerberin keinen Anspruch auf den Alleinverdienerabsetzbetrag habe, hätten auch die außergewöhnlichen Belastungen auf Grund der Behinderung ihres Ehepartners steuerlich nicht berücksichtigt werden können.

Gegen den Einkommensteuerbescheid 2008 erhob die Berufungswerberin Berufung, in welcher sie Folgendes ausführte:

Ihr Ehegatte sei seit 1993 Inhaber eines Behindertenpasses mit einem eingetragenen Grad der Behinderung von 60 %. Darüber hinaus verfüge er über einen Parkausweis für Behinderte.

Nach Randziffer 870 der Lohnsteuerrichtlinien hätte sie Anspruch auf Berücksichtigung folgender Krankheitskosten (Kennzahl 730 des Erklärungsformulars) für ihren Ehegatten: Pauschaler Freibetrag wegen einer Behinderung von 60 % in Höhe von 294,00 €, pauschaler Freibetrag für ein Kraftfahrzeug wegen Behinderung in Höhe von 1.836,00 €, nicht regelmäßige Ausgaben für Hilfsmittel sowie Kosten der Heilbehandlung in Höhe von 427,20 €, insgesamt somit 2.557,20 €.

Mit Berufungsvorentscheidung vom wies das Finanzamt die Berufung mit folgender Begründung ab:

"Die Aussage der Randziffer 870 der Lohnsteuerrichtlinien, wonach das Tragen von Krankheitskosten des Ehegatten eine rechtliche Unterhaltsverpflichtung ist, betrifft nur die tatsächlich angefallenen Kosten für Krankheit und Behinderung. Pauschalbeträge gemäß § 35 EStG 1988 dürfen für den Ehepartner, wenn kein Alleinverdienerabsetzbetrag zusteht, nicht als Krankheitskosten unter Anrechnung auf den Selbstbehalt unter Kennzahl 730 berücksichtigt werden. In Ihrem Fall übersteigen die verbleibenden tatsächlichen Kosten nicht den Selbstbehalt gemäß § 34 Abs. 4 EStG 1988, daher ist aus diesem Grund die Berufung abzuweisen."

Gegen die Berufungsvorentscheidung stellte die Berufungswerberin den Antrag auf Entscheidung über die Berufung durch die Abgabenbehörde zweiter Instanz, in welchem sie Folgendes ausführte:

Gemäß Randziffer 870 der Lohnsteuerrichtlinien sei das Tragen von Krankheitskosten des Ehegatten eine rechtliche Unterhaltsverpflichtung. Eine Differenzierung in Pauschalbeträge gemäß § 35 EStG 1988 bzw. Pauschalbeträge gemäß der Verordnung des BM für Finanzen über außergewöhnliche Belastungen (BGBl 1996/303) und tatsächlich angefallene Kosten für Krankheit und Behinderung sei hier keinesfalls ersichtlich. Auch in der bisherigen Judikatur zu den Krankheitskosten im Zusammenhang mit der Unterhaltspflicht werde eine solche Differenzierung nicht vorgenommen (vgl. ; ).

Nach den Ermittlungen des unabhängigen Finanzsenates hat der Ehegatte der Berufungswerberin im Berufungsjahr 2008 (laut Lohnzettel der Pensionsversicherungsanstalt) steuerpflichtige Bezüge in Höhe von 9.299,46 € bezogen. Hievon wurde keine Lohnsteuer einbehalten. Neben der Pension hat der Ehegatte weder weitere Einkünfte noch pflegebedingte Geldleistungen bezogen.

Über die Berufung wurde erwogen:

Nach § 34 Abs. 1 EStG 1988 sind bei der Ermittlung des Einkommens außergewöhnliche Belastungen abzuziehen. Die Belastung muss folgende Voraussetzungen erfüllen:

1. Sie muss außergewöhnlich sein (Abs. 2).

2. Sie muss zwangsläufig erwachsen (Abs. 3).

3. Sie muss die wirtschaftliche Leistungsfähigkeit wesentlich beeinträchtigen (Abs. 4).

Gemäß § 34 Abs. 4 EStG 1988 beeinträchtigt die Belastung wesentlich die wirtschaftliche Leistungsfähigkeit, soweit sie einen vom Steuerpflichtigen von seinem Einkommen (§ 2 Abs. 2 in Verbindung mit Abs. 5) vor Abzug der außergewöhnlichen Belastungen zu berechnenden Selbstbehalt übersteigt. Der Selbstbehalt beträgt bei einem Einkommen von höchstens 7.300 Euro 6 %, bei mehr als 7.300 Euro bis 14.600 Euro 8 %, bei mehr als 14.600 Euro bis 36.400 Euro 10 % und bei mehr als 36.400 Euro 12 %.

Sind im Einkommen sonstige Bezüge im Sinne des § 67 enthalten, dann sind gemäß § 34 Abs. 5 EStG 1988 als Einkünfte aus nichtselbständiger Arbeit für Zwecke der Berechnung des Selbstbehaltes die zum laufenden Tarif zu versteuernden Einkünfte aus nichtselbständiger Arbeit, erhöht um die sonstigen Bezüge gemäß § 67 Abs. 1 und 2, anzusetzen.

Gesetzliche Unterhaltsleistungen kommen grundsätzlich als außergewöhnliche Belastungen in Betracht, weil es sich um Belastungen handelt, denen sich der Steuerpflichtige aus rechtlichen Gründen nicht entziehen kann. § 34 Abs. 7 EStG 1988 schließt allerdings Unterhaltsleistungen im Wesentlichen als außergewöhnliche Belastungen aus. Nur Aufwendungen, die beim Unterhaltsberechtigten selbst eine außergewöhnliche Belastung darstellen würden, sind nach § 34 Abs. 7 Z 4 EStG 1988 beim Verpflichteten abzugsfähig. Darunter fallen zB Krankheits-, Pflege- oder Betreuungskosten der Kinder, des (Ehe)Partners oder eines Elternteiles (vgl. Doralt, EStG11, § 34 Tz 56 und 60; Jakom/Baldauf EStG, 2012, § 34 Rz 68).

§ 35 Abs. 1 EStG 1988 lautet:

Hat der Steuerpflichtige außergewöhnliche Belastungen

- durch eine eigene körperliche oder geistige Behinderung,

- bei Anspruch auf den Alleinverdienerabsetzbetrag durch eine Behinderung des (Ehe)Partners (§ 106 Abs. 3) oder

- bei Anspruch des Steuerpflichtigen selbst oder seines (Ehe)Partners auf den Kinderabsetzbetrag durch eine Behinderung des Kindes (§ 106 Abs. 1 und 2), für das keine erhöhte Familienbeihilfe gemäß § 8 Abs. 4 des Familienlastenausgleichsgesetzes 1967 gewährt wird,

und erhält weder der Steuerpflichtige noch sein (Ehe)Partner noch sein Kind eine pflegebedingte Geldleistung (Pflegegeld, Pflegezulage oder Blindenzulage), so steht ihm jeweils ein Freibetrag (Abs. 3) zu.

Nach § 35 Abs. 3 EStG 1988 wird bei einer Minderung der Erwerbsfähigkeit (einem Grad der Behinderung) von - wie im Berufungsfall - 60 % ein jährlicher Freibetrag von 294 Euro gewährt.

§ 1 Abs. 1 der Verordnung über außergewöhnliche Belastungen (BGBl 1996/303 idgF) lautet:

Hat der Steuerpflichtige Aufwendungen

- durch eine eigene körperliche oder geistige Behinderung,

- bei Anspruch auf den Alleinverdienerabsetzbetrag durch eine Behinderung des (Ehe)Partners (§ 106 Abs. 3 EStG 1988) oder

- bei Anspruch des Steuerpflichtigen selbst oder seines (Ehe)Partners auf den Kinderabsetzbetrag oder den Unterhaltsabsetzbetrag, durch eine Behinderung des Kindes (§ 106 Abs. 1 und 2 EStG 1988), für das keine erhöhte Familienbeihilfe gemäß § 8 Abs. 4 des Familienlastenausgleichsgesetzes 1967 gewährt wird,

so sind die in den §§ 2 bis 4 dieser Verordnung genannten Mehraufwendungen als außergewöhnliche Belastung zu berücksichtigen.

Nach § 3 Abs. 1 der Verordnung über außergewöhnliche Belastungen ist für Körperbehinderte, die zur Fortbewegung ein eigenes Kraftfahrzeug benützen, zur Abgeltung der Mehraufwendungen für besondere Behindertenvorrichtungen und für den Umstand, dass ein Massenbeförderungsmittel auf Grund der Behinderung nicht benützt werden kann, ein Freibetrag von 153 Euro monatlich zu berücksichtigen.

Nach § 4 der Verordnung über außergewöhnliche Belastungen sind nicht regelmäßig anfallende Aufwendungen für Hilfsmittel (zB Rollstuhl, Hörgerät, Blindenhilfsmittel) sowie Kosten der Heilbehandlung im nachgewiesenen Ausmaß zu berücksichtigen.

Der Behindertenfreibetrag (§ 35 Abs. 3 EStG 1988) steht dem Steuerpflichtigen somit für eine Behinderung des Ehepartners dann zu, wenn er Anspruch auf den Alleinverdienerabsetzbetrag hat. Wird - wie im vorliegenden Fall - die für den Alleinverdienerabsetzbetrag maßgebende Einkommensgrenze überschritten, können die behinderungsbedingten Mehraufwendungen im Rahmen der Unterhaltsverpflichtung als außergewöhnliche Belastungen mit Selbstbehalt geltend gemacht werden (vgl. Doralt, EStG15, § 35 Tz 2). Dies gilt in gleicher Weise für die Pauschalbeträge gemäß der Verordnung über außergewöhnliche Belastungen.

§ 34 Abs. 7 Z 4 EStG 1988 schließt den Abzug von pauschalierten Aufwendungen weder vom Wortlaut noch vom Sinn und Zweck her aus (vgl. auch ; ; -F/11).

Da das Einkommen des Ehegatten der Berufungswerberin unter dem steuerlichen Existenzminimum gemäß § 33 Abs. 1 EStG 1988 (11.000 € jährlich) liegt, sind nach der - für den unabhängigen Finanzsenat wenn auch nicht bindenden - Verwaltungspraxis (vgl. Lohnsteuerrichtlinien 2002, Rz 870) die in der Berufung geltend gemachten Beträge (pauschaler Freibetrag wegen einer Behinderung von 60 % in Höhe von 294,00 €, pauschaler Freibetrag für ein Kraftfahrzeug wegen Behinderung in Höhe von 1.836,00 €, nicht regelmäßige Ausgaben für Hilfsmittel sowie Kosten der Heilbehandlung in Höhe von 427,20 €, insgesamt somit 2.557,20 €) bei der Berufungswerberin dem Grunde nach zur Gänze, jedoch unter Berücksichtigung des Selbstbehaltes gemäß § 34 Abs. 4 EStG 1988 in Höhe von 1.618,46 € in Abzug zu bringen.

Der angefochtene Bescheid wird dementsprechend abgeändert.

Beilage: 1 Berechnungsblatt

Wien, am

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