Berufungsentscheidung - Steuer (Referent), UFSW vom 30.05.2012, RV/1117-W/11

Badezimmerumbau

Rechtssätze


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Stammrechtssätze
RV/1117-W/11-RS1
Grundsätzlich geht der unabhängige Finanzsenat davon aus, dass die Einrichtung eines zweiten Badezimmers in einem Einfamilienhaus keine Vermögensverminderung darstellt. Im Fall der Bw. konnte das Badezimmer im Erdgeschoss, so wie es bis zum Jahr 2009 vorzufinden war (mit Badewanne ohne Blindenhilfsmittel, mit Barrieren) aufgrund der fast völligen Erblindung und der schwerwiegenden Abnützung der beiden Kniegelenke nicht benützt werden.

Entscheidungstext

Berufungsentscheidung

Der Unabhängige Finanzsenat hat über die Berufung der B , vertreten durch Mag. Katharina Brodegger-Brandner, 9500 Villach, Italienerstraße 10b, vom gegen den Bescheid des Finanzamtes Baden Mödling vom betreffend Einkommensteuer für das Jahr 2009 entschieden:

Der Berufung wird teilweise Folge gegeben.

Der angefochtene Bescheid wird abgeändert.

Die Bemessungsgrundlagen und die Höhe der Abgabe sind dem als Beilage angeschlossenen Berechnungsblatt zu entnehmen und bilden einen Bestandteil dieses Bescheidspruches.

Entscheidungsgründe

A) Die Einkommensteuererklärung der Berufungswerberin (= Bw.) für das Jahr 2009 ist beim Finanzamt am auf elektronischem Weg eingelangt. In dieser Steuererklärung wurden drei bezugsauszahlende Stellen angegeben. Als Sonderausgaben wurden € 70,00 für den Kirchenbeitrag geltend gemacht, weiters € 555,00 für Spenden gemäß § 4a Z 3 EStG 1988 und € 192,00 für Steuerberatungskosten. Bei den außergewöhnlichen Belastungen wurde ein Behinderungsgrad von 100% angegeben, weiters der Umstand, dass die Bw. seit Jänner 2009 Pflegegeld bezieht. An Taxikosten wurden € 1.135,80 geltend gemacht, an zusätzlichen Kosten (KZ 476) € 10.615,44.

B) Mit Ergänzungsersuchen vom (OZ 1/2009) wurde die Bw. ersucht, die beantragten Taxikosten, die zusätzlichen Kosten und die Aufwendungen für Spenden mittels Aufstellung und Belegkopien nachzuweisen.

C) Mit Vorhaltsantwort vom (OZ 2 ff:/2009) wurden die Aufstellungen und Belegkopien nachgereicht. Bei den außergewöhnlichen Belastungen waren dies folgende Positionen: - Rechnung Nr. 309PPPPP vom der Fa. C, für Elektroinstallationen im Badezimmer über € 511,20. - Rechnung Nr. V/XXXX vom der Fa. D, für Badezimmerumbau (Wand/Boden behindertengerecht) über € 3.414,84. - Rechnung Nr. R09YYYY vom der Fa. E, für Umbau Badezimmer barrierefrei über € 6.656,00.

- Summe : € 10.582,04 (irrtümlich Bw. € 9.582,04 lt. OZ 4/2009).

D) Am wurde der Einkommensteuerbescheid für das Jahr 2009 (OZ 21 f./2009) erstellt. Dabei hat das Finanzamt die belegten zusätzlichen Kosten in der Höhe von € 9.582,04 als Sonderausgaben für Wohnraumschaffung/-sanierung gewertet. Dementsprechend sind Aufwendungen in der Höhe von € 730,00 als Topf-Sonderausgaben vom Gesamtbetrag der Einkünfte (€ 30.240,67) subtrahiert worden. Die Zuwendungen gemäß § 18 Abs. 1 Z 7 EStG 1988, der Kirchenbeitrag und die Steuerberatungskosten wurden erklärungsgemäß anerkannt. Bei den außergewöhnlichen Belastungen wurden als nachgewiesene Kosten aus eigener Behinderung € 2.433,08 vom Gesamtbetrag der Einkünfte abgezogen (€ 1.135,80 Taxikosten zuzüglich € 1.297,28 zusätzliche Kosten). Diese zusätzlichen Kosten setzen sich wie folgt zusammen: - Blindenhilfsmittel: € 1.033,40; - Eckablage: € 47,68; - Duschhocker: € 216,18; - Summe: € 1.297,26 (OZ 4/2009).

Das zu versteuernde Einkommen belief sich demnach auf € 26.260,59, die Einkommensteuer auf € 5.934,08. Davon wurde die anrechenbare Lohnsteuer von € 386,65 abgerechnet, sodass die festgesetzte Einkommensteuer € 5.547,43 ausmachte. Aus der Gegenüberstellung mit der bisher festgesetzten Einkommensteuer von € 5.054,39 resultierte eine Abgabennachforderung von € 493,04.

Zur Begründung dieses Bescheides wurde ausgeführt, dass gemäß der vorgelegten Rechnung das Bad saniert worden sei; dies stelle keine außergewöhnliche Belastung dar.

E) Mit Schreiben vom (OZ 28 f./2009) wurde seitens der Bw. gegen den Einkommensteuerbescheid für das Jahr 2009 Berufung erhoben. Dies wegen der Nichtberücksichtigung der behindertengerechten Ausstattung des Badezimmers als außergewöhnliche Belastung. Zur Begründung wurde Folgendes ausgeführt: Die Bw. sei erblindet. Ihre Sehkraft betrage wegen eines beiderseitigen Niederdruckglaukoms am rechten Auge 0,005 und am linken Auge Null. Sie sehe de facto nichts mehr. Außerdem sei sie wegen massiver Abnutzung beider Kniegelenke trotz einer Operation im Jahr 2009 nahezu gehunfähig und auf einen Rollstuhl angewiesen. Sie brauche rund um die Uhr Pflegehilfe und befinde sich derzeit in Pflegestufe 5.

Die Bw. habe ihr Schlaf- und Badezimmer im ersten Stock ihres Einfamilienhauses in Seibersdorf gehabt und es sei ihr unmöglich geworden, das Hindernis der Stiege zu überwinden. Es sei also unumgänglich notwendig geworden, das Schlaf- und das Badezimmer in das Erdgeschoss zu verlegen und behindertengerecht und barrierefrei auszustatten. Dazu sei es notwendig geworden, für die Brause einen barrierefreien Zugang ohne Stufen zu errichten, die Duschabtrennung behindertengerecht leicht bedienbar zu gestalten, die Erreichbarkeit sämtlicher Badeelemente mit dem Rollstuhl zu ermöglichen und ein Leitsystem mit Stangen einzubauen, um Waschbecken, Dusche und WC auch zu finden, ohne etwas sehen zu können.

Es werde daher der Antrag gestellt, den Einkommensteuerbescheid aufzuheben; dies auch wegen Verletzung verfahrensrechtlicher Bestimmungen gemäß §§ 115 und 161 Abs. 3 BAO.

F) Mit Berufungsvorentscheidung vom (OZ 33 f./2009) wurde der Einkommensteuerbescheid für das Jahr 2009 insoferne abgeändert, als bei den außergewöhnlichen Belastungen nunmehr € 2.482,04 (zusätzlich € 48,96) anerkannt wurden. Dies hatte eine Abgabengutschrift von € 21,15 zur Folge.

Anmerkung: In der Berufungsvorentscheidung wurde statt der Eckablage mit € 47,68 ein Wandhaltegriff mit € 96,66 anerkannt (siehe Rechnung F vom und OZ 20/2009).

In der gesonderten Begründung (OZ 36 f./2009) zu diesem Bescheid vom wurde Nachstehendes ausgeführt:

Die Erledigung weiche aus folgenden Gründen von dem Begehren der Bw. ab:

Gemäß § 34 Abs. 1 EStG 1988 seien bei der Ermittlung des Einkommens eines unbeschränkt Steuerpflichtigen außergewöhnliche Belastungen abzuziehen, sofern sie folgende Voraussetzungen erfüllten: - Die Belastung müsse außergewöhnlich sein (Abs. 2); - Sie müsse zwangsläufig erwachsen (Abs. 3); - Die Belastung müsse die wirtschaftliche Leistungsfähigkeit wesentlich beeinträchtigen.

Gemäß § 34 Abs. 6 letzter Satz EStG 1988 könne der Bundessminister für Finanzen mit Verordnung festlegen, in welchen Fällen und in welcher Höhe Mehraufwendungen aus dem Titel der Behinderung ohne Anrechnung auf einen Freibetrag nach § 35 Abs. 3 und ohne Anrechnung auf eine pflegebedingte Geldleistung zu berücksichtigen seien. Gemäß § 1 der Verordnung (VO) BGBl. Nr. 303/1996 idF BGBl. II 91/1998 seien bei einem Steuerpflichtigen, der u.a. Aufwendungen durch eine eigene körperliche Behinderung im Grad von mindestens 25% hat, die in den §§ 2 bis 4 der VO genannten Mehraufwendungen als außergewöhnliche Belastung zu berücksichtigen. Gemäß § 4 der VO seien nicht regelmäßig anfallende Aufwendungen für Hilfsmittel sowie Kosten der Heilbehandlung im nachgewiesenen Ausmaß zu berücksichtigen.

Hilfsmittel im Sinne des § 4 der VO des Bundesministers für Finanzen über außergewöhnliche Belastungen seien nicht regelmäßig anfallende Aufwendungen für Gegenstände oder Vorrichtungen, die geeignet seien, die Funktion fehlender oder unzulänglicher Körperteile zu übernehmen oder die mit einer Behinderung verbundenen Beeinträchtigung zu beseitigen (z.B. Rollstuhl, Hörgerät, Blindenhilfsmittel). Unter den Begriff "Hilfsmittel" fielen auch sanitäre Einrichtungsgegenstände, die auch oder ausschließlich für Behinderte konzipiert und bestimmt seien.

Aufwendungen für den Erwerb von Wirtschaftsgütern stellten dann keine außergewöhnliche Belastung dar, wenn durch sie ein entsprechender Gegenwert erlangt werde, wenn somit bloß eine Vermögensumschichtung und keine Vermögensminderung eintrete. Eine andere Beurteilung könne nur dann erfolgen, wenn Wirtschaftsgüter angeschafft würden, die infolge Verwendbarkeit für nur bestimmte individuelle Personen oder wegen ihrer spezifisch nur für Behinderte geeigneten Beschaffenheit oder nur einen sehr eingeschränkten allgemeinen Verkehrswert haben. Voraussetzung für den Abzug von derartigen Aufwendungen aus dem Titel der außergewöhnlichen Belastung sei, dass diese Aufwendungen ausschließlich durch die Behinderung bedingt seien.

Laut den Angaben seitens der Bw. sei behinderungsbedingt die Verlegung des Schlaf- und des Badezimmers vom ersten Stock ihres Einfamilienhauses in das Erdgeschoss erfolgt sowie eine behindertengerechte und barrierefreie Ausstattung dieser Räumlichkeiten. Es werde nicht bezweifelt, dass die Verlegung der Räumlichkeiten in das Erdgeschoss behinderungsbedingt notwendig geworden sei. Jedoch seien auch in einem Badezimmer, das barrierefrei und rollstuhlgerecht gestaltet worden sei, Standardeinrichtungsgegenstände enthalten.

Werde ein Bad oder WC behindertengerecht umgebaut, so seien die Aufwendungen der durch die Behinderung unmittelbar veranlassten Einbauten jedenfalls eine außergewöhnliche Belastung. Erfordere der Einbau der behindertengerechten Einrichtungen darüber hinaus weitere (mittelbare) Maßnahmen (z. B. Fliesenarbeiten), dann stellten auch die Kosten dafür eine außergewöhnliche Belastung dar. Seien hingegen behindertengerechte Einrichtungen auch ohne weitere (mittelbare) Maßnahmen installierbar (z. B. Montage behinderungs-bedingter zusätzlicher Haltegriffe), dann stellten die mittelbaren Maßnahmen keine außergewöhnliche Belastung dar.

Nach Durchsicht der vorgelegten Rechnungen stelle der geltend gemachte Aufwand keinen ausschließlich oder überwiegend behinderungsbedingten Mehraufwand dar. Die neu angeschafften Sanitäreinrichtungsgegenstände ließen nicht erkennen, dass diese behinderungsspezifisch konzipiert oder ausschließlich für Behinderte bestimmt wären. Ebenso könnten die übrigen Anschaffungen ebenfalls nicht als über das Ausmaß einer Standardausstattung eines "Nichtbehinderten" hinausgehend eingestuft werden.

Lediglich die Kosten für Position 9 Wandhaltegriff in Höhe von € 96,66 und Position 53 Duschhocker in Höhe von € 216,18 seien als Hilfsmittel anerkannt worden.

Die restlichen Kosten betreffend Fa. F., Fa. G und Fa. H in Höhe von € 10.269,20 seien als Sanierungsmaßnahmen gemäß § 18 Abs. 1 Z 3 EStG 1988 anerkannt worden.

G) Mit Schreiben vom (OZ 40/2009) wurde seitens der Bw. der Vorlageantrag gestellt.

H) Mit Ergänzungsersuchen vom wurde die Bw. ersucht, folgende Fragen zu beantworten und nachstehend genannte Unterlagen nachzureichen: 1) Es werde ersucht einen Gebäudeplan oder eine maßstabgetreue Zeichnung des berufungsgegenständlichen Einfamilienhauses nachzureichen und dabei den gegenwärtigen und allenfalls früheren Verwendungszweck der Räume dieses Gebäudes anzugeben.

2) Es seien die Zahlungs- oder Überweisungsbelege der geltend gemachten Rechnungen beizubringen.

3) Es sei der Bescheid des zuständigen Bundessozialamtes, mit dem über die Behinderungen der Bw. abgesprochen werde, beizubringen.

4) Es sei zu erläutern, warum das Pflegegeld der Pflegestufe 5 erst seit Jänner 2009 ausbezahlt werde. Seit wann sei die Bw. erblindet? Seit wann sei sie gehunfähig und auf den Rollstuhl angewiesen? Warum sei das Badezimmer im Erdgeschoss erst im Jahr 2009 gestaltet worden?

5) Auf die höchstgerichtliche Rechtsprechung , wonach Aufwendungen für den Erwerb von Wirtschaftsgütern dann keine außergewöhnliche Belastung darstellten, wenn durch sie ein entsprechender Gegenwert erlangt werde, wenn somit bloß eine Vermögensumschichtung und keine Vermögensminderung eintrete, werde hingewiesen (vgl. ; ). Um eine diesbezügliche Stellungnahme werde ersucht.

I) Mit Schreiben vom wurde seitens der Bw. das Ergänzungsersuchen vom wie folgt beantwortet:

Zur generellen Wohnsituation sei zu sagen, dass es bis zum Jahr 2009 ein großes Schlafzimmer im ersten Stock mit einem Badezimmer gegeben habe. Im Erdgeschoss befänden sich ein Vorraum, die Küche, ein Wohnzimmer, von Küche rechts ab: ein WC, Badezimmer mit Badewanne und noch ein kleineres Zimmer. Die Bw. sei zum damaligen Zeitpunkt nicht mehr in der Lage gewesen, in die Badewanne zu steigen. Der Umbau des Badezimmers sei im Jahr 2009 erfolgt, nachdem die Bw. nicht mehr habe Stiegen steigen können und die Gefahr bestanden habe, dass sie aufgrund ihrer manchmal auftretenden Orientierungslosigkeit dieselben hinabstürzen könnte. Dazu sei, wie aus den Beilagen ersichtlich eine Knietotalendoprothese rechts und eine schwere Arthrose des linken Kniegelenks gekommen, die es der Bw. unmöglich gemacht haben, weiter Stiegen zu steigen. Aus diesem Grund sei im Jahr 2009 das Badezimmer im Erdgeschoss behindertengerecht und barrierefrei umgebaut worden. Seit der zweiten Operation sei die Bw. alleine nicht mehr gehfähig und auf den Rollstuhl bzw. Begleitung angewiesen.

Die Erblindung sei aufgrund des Verlaufs ihrer Erkrankung am grünen Star nicht blitzartig, sondern graduell erfolgt und habe bis zum Jahr 2005 zur beinahe gänzlichen Erblindung geführt.

Durch den Umbau (des Badezimmers und WC) sei eindeutig eine Vermögensverminderung eingetreten und keine Vermögensumschichtung, intakte Sanitäreinheiten, die bei einer Veräußerung wertbestimmend gewesen wären, hätten wegen des Umbaus aufgrund der Behinderung vernichtet werden müssen.

Ein vorhandenes Gutachten zum Pflegegeld sei bei der Pensionsversicherungsanstalt angefordert worden und werde noch nachgereicht.

Folgende Beilagen wurden diesem Schreiben angeschlossen: - Gebäudeplan mit den Grundrissen von Erd- und Dachgeschoss; - Überweisungskopie betreffen F über € 6.656,00 vom ; - Zahlungsbestätigung der Fa. H , wonach die Bw. die Rechnung über € 3.414,84 am bezahlt habe; - Zahlungsbestätigung der Fa. G , wonach die Bw. die Rechnung über € 511,20 am bezahlt habe; - Bestätigung der Pensionsversicherungsanstalt vom Jänner 2009, wonach an die Bw. ein Pensionsbetrag von € 1.275,74 ausbezahlt werde (inkl. Pflegegeld von € 664,30). - Kopie des Ausweises vom Österreichischen Blindenverband; - Kopie des Parkausweises für Behinderte der zuständigen Bezirkshauptmannschaft; - Kopie des Befundes von Dr. M, Fachärztin für Orthopädie und orthopädische Chirurgie, vom ; - Kopie des Befundes des Krankenhauses der L vom (invasives Konsil Orthopädie); - Kopie des Befundes des Krankenhauses der L vom (Röntgenbefund Knie bds.); - Kopie des Befundes von Dr. Z, Facharzt für Augenheilkunde, vom .

J) Zur Vorhaltsantwort vom wurde seitens des Finanzamtes mit Schriftsatz vom wie folgt Stellung genommen:

Aufgrund des vorgelegten Wohnungsplanes sei ersichtlich, dass sich entgegen der bisherigen Behauptungen, wonach erst aufgrund des sich verschlechternden Gesundheitszustandes, das Schlaf- und Badezimmer in das Erdgeschoss hätten verlegt werden müssen, auch im Erdgeschoss ein Badezimmer und ein WC situiert sei bzw. sich schon befunden habe. Laut den Ausführungen in der Berufung und in der Vorhaltsbeantwortung sei das bereits bestehende Bad im Erdgeschoss barrierefrei umgestaltet worden, d. h. die Brause sei ohne Stufen mit leicht bedienbarer Duschabtrennung zugänglich gemacht worden, ein Leitsystem mit Stangen habe die Erreichbarkeit von Waschbecken, Dusche und WC ermöglicht. Aus der vorgelegten Rechnung des Installateurs vom gehe hervor, dass offenbar ein neues WC montiert worden sei, die Dusche in Form einer Duschrinne mit einer Dusch-Wannenhalterung eingebaut worden sei sowie der bestehende Heizkörper durch einen Handtuchheizkörper ausgetauscht worden sei. Die von der steuerlichen Vertreterin angeführte "leicht bedienbare Duschabtrennung" stelle sich als einfache Vorhangstange mit Duschvorhang dar.

Laut Abfragen im Internet handle es sich beim WC, der Duschrinne und dem Handtuchheizkörper um handelsübliche Produkte, die auch von nichtkranken Personen erworben würden. Es ergebe sich aus den vorhandenen Unterlagen kein Hinweis, dass es sich um ein rollstuhlgerechtes WC handle und ein unterfahrbarer Waschtisch eingebaut worden sei. Lediglich die Dusche wurde offenbar bodengleich errichtet. Ein Abbruch von Wänden oder eine Türvergrößerung habe offenbar nicht stattgefunden. Der geltend gemachte Aufwand stelle nach Ansicht des Finanzamtes keinen ausschließlich oder überwiegend behinderungsbedingten Mehraufwand dar. Die Sanitäreinrichtungsgegenstände wiesen keine behinderungsspezifische Merkmale auf und bewirkten daher keinen Wertverzehr, sondern schafften einen Gegenwert. Bei der gegenständlichen Gestaltung des Badezimmers handle es sich nicht um einen verlorenen Aufwand.

Zu den bisher anerkannten Kosten für den Wandhaltegriff in der Höhe von € 96,66 und dem Duschhocker in der Höhe von € 216,18 wären jedoch auch noch die Kosten für den Dusch-Wannenhandlauf in der Höhe von € 333,83 als behinderungsbedingter Mehraufwand zu berücksichtigen.

K) Mit vier E-Mails vom wurden seitens der Bw. 15 Farbfotos aus dem Badezimmer im Erdgeschoss übermittelt.

L) Das Finanzamt nahm mit Schreiben vom zu den Fotos wie folgt Stellung: Aus den vorgelegten Fotos sei ersichtlich, dass es sich bei den angeschafften Einrichtungsgegenständen um normale handelsübliche Sanitäreinrichtungsgegenstände handle. Lediglich die Haltestangen im Bereich der Toilette und in der Dusche seien als behinderungsbedingt einzu- stufen und sei deren steuerliche Absetzbarkeit unbestritten (siehe dazu Stellungnahme vom ). Das Finanzamt weiche daher auch aufgrund der übermittelten Fotos und der genauen Beschreibung des Raumes seitens der steuerlichen Vertreterin nicht von seiner bisherigen Rechtsansicht ab, dass die geltend gemachten Aufwendungen keine außergewöhnlichen Belastungen im Sinne des § 34 Abs. 1 EStG 1988 darstellten.

Über die Berufung wurde erwogen:

Strittig ist die Nichtanerkennung der Adaptierungsarbeiten beim zweiten Badezimmer im Erdgeschoss des Einfamilienhauses der Bw. als außergewöhnliche Belastung.

I) Der Sachverhalt ist durch folgende Umstände bestimmt:

a) Die im Jahr 1928 geborene Bw. ist am rechten Auge erblindet und ist am linken Auge ebenfalls fast ohne Augenlicht. Sie ist weiters wegen massiver Abnutzung beider Kniegelenke nahezu gehunfähig und deshalb auf einen Rollstuhl angewiesen. Die Bw. benötigt rund um die Uhr Pflegehilfe und bezieht Pflegegeld der Pflegestufe fünf. Die Bw. weist einen Behinderungsgrad von 100% auf.

b) Laut Gebäudeplan hat das Erdgeschoss eine Wohnnutzfläche von 70,68 m² und besteht aus einem Wohnraum mit 28,76 m², einer Küche und einem Essraum mit 19,60 m², einer Speisekammer mit 1,65 m², einem Flur von 3,75 m², einem Gästezimmer von 9,74 m², einem Bad von 3,57 m², einem WC von 1,50 m² und einem weiteren Flur von 1,50 m². Das Dachgeschoss hat eine Wohnnutzfläche von 56,95 m² und besteht aus einem Leseraum von 20,71 m², einem Vorraum von 6,90 m², einem Abstellraum von 4,48 m², zwei Schlafräumen von je 9,90 m² und einem Duschraum mit WC von 5,00 m².

c) Der Befund des Krankenhauses der L vom lautet:

Befund: Die Röntgenbilder wurden heute gemacht und zeigen eine schwere Valgusgonarthrose beiderseitig, rechts noch etwas mehr als links.

Zusammenfassung: Ich erkläre der Patientin die Indikation zur Knie-TEP-Op. Da sie nahezu blind ist und ihr die bisher durch ihren niedergelassenen Arzt verabreichten Infiltrationen immer wieder eine gute Schmerzlinderung gebracht haben, möchte sie vorerst keine Op.

d) Der Röntgenbefund des Krankenhauses der L vom lautet: Anamnese: Pat. hat seit einigen Monaten starke Knieschmerzen, v.a. beim Treppensteigen, rechts > links.

Zusammenfassung: ausgeprägte deformierende Valgusgonarthrose bds.

e) Der Befund des Facharztes für Augenheilkunde vom lautet:

Niederdruckglaukom beiderseits; Visus rechts, 0.005; Visus links 0. Augendruck normal.

II) einkommensteuerliche Beurteilung:

Gemäß § 34 Abs. 1 EStG 1988 sind bei der Ermittlung des Einkommens (§ 2 Abs. 2 ) eines unbeschränkt Steuerpflichtigen nach Abzug der Sonderausgaben (§ 18) außergewöhnliche Belastungen abzuziehen. Die Belastung muss folgende Voraussetzungen erfüllen: - Sie muss außergewöhnlich sein (Abs. 2); - Sie muss zwangsläufig erwachsen (Abs. 3); - Sie muss die wirtschaftliche Leistungsfähigkeit wesentlich beeinträchtigen (Abs. 4); - Sie darf weder Betriebsausgaben, Werbungskosten noch Sonderausgaben sein.

Alle diese Voraussetzungen müssen kumulativ vorliegen (vgl. Jakom, EStG², Kommentar, Tz 5 zu § 34).

Gemäß § 34 Abs. 6 letzter Satz EStG 1988 kann der Bundesminister für Finanzen mit VO festlegen, in welchen Fällen und in welcher Höhe Mehraufwendungen aus dem Titel der Behinderung ohne Anrechnung auf einen Freibetrag nach § 35 Abs. 3 und ohne Anrechnung auf eine pflegebedingte Geldleistung zu berücksichtigen sind (BGBl. 1996/201 ab ; BGBl. I 1998/9 ab ).

Gemäß § 1 Abs. 1 erster Teilstrich der VO BGBl. 1996/303 idF BGBl. II 91/1998 ab 1998 sind die in den §§ 2 bis 4 dieser VO genannten Mehraufwendungen als außergewöhnliche Belastungen zu berücksichtigen, falls der Steuerpflichtige Aufwendungen durch eine eigene körperliche oder geistige Behinderung hat.

Gemäß § 1 Abs. 2 dieser VO liegt eine Behinderung vor, wenn das Ausmaß der Minderung der Erwerbsfähigkeit (Grad der Behinderung) mindestens 25% beträgt.

Gemäß § 1 Abs. 3 dieser VO sind die Mehraufwendungen gemäß §§ 2 bis 4 dieser VO nicht um eine pflegebedingte Geldleistung (Pflegegeld, Pflegezulage oder Blindenzulage) oder um einen Freibetrag nach § 35 Abs. 3 EStG 1988 zu kürzen.

Gemäß § 4 dieser VO sind nicht regelmäßig anfallende Aufwendungen für Hilfsmittel (z. B. Rollstuhl, Hörgeräte, Blindenhilfsmittel) sowie Kosten der Heilbehandlung im nachgewiesenen Ausmaß zu berücksichtigen.

Unter Hilfsmittel sind in diesem Zusammenhang auch Ein- und Umbauten in Gebäuden sowie auch sanitäre Einrichtungsgegenstände, die auch oder ausschließlich für Behinderte konzipiert und bestimmt sind, unabhängig davon, ob sie mit dem Gebäude fest verbunden wurden oder nicht, zu verstehen (vgl. ).

Laut der Sachverhaltsfeststellung a) ergibt sich, dass die Bw. zu dem Personenkreis mit einem Grad der Behinderung von mindestens 25% gehört, wie er in den §§ 1 Abs. 1 erster Teilstrich und 2 der oben angeführten VO definiert ist.

Der unabhängige Finanzsenat nimmt im vorliegenden Fall an, dass die Bw. im Badezimmer im Erdgeschoss ihres Einfamilienhauses bestimmte Umbauarbeiten infolge ihrer gänzlichen Behinderung beim Sehen und Gehen benötigte. Diese Kosten fielen aus einer tatsächlichen Zwangslage heraus an, weshalb davon ausgegangen wird, dass hinsichtlich dieser Umbauarbeiten das Merkmal der Zwangsläufigkeit erfüllt ist, weil bezüglich der durch diese Umbauarbeiten verursachten Kosten keine Entscheidungsfreiheit der Bw. gegeben war (vgl. -K/02 sowie Thomas Kühbacher: Behindertengerechte Umbaumaßnahmen als außergewöhnliche Belastung; in SWK, Heft 15 aus 2011, S 645).

Unter Belastungen im Sinne des § 34 EStG 1988 sind nur vermögensmindernde Ausgaben, also solche zu verstehen, die mit einem endgültigen Verbrauch, Verschleiß oder sonstigen Wertverzehr verknüpft sind. Ihnen stehen die Ausgaben gegenüber, die nicht zu einer Vermögensminderung, sondern zu einer bloßen Vermögensumschichtung führen und die deshalb nicht als außergewöhnliche Belastung anerkannt werden (vgl. Hofstätter/Reichel, EStG 1988, Kommentar, Band III C, Tz 2 zu § 34 Abs. 1). Aufwendungen für den Erwerb von Wirtschaftsgütern stellen dann keine außergewöhnliche Belastung dar, wenn durch sie ein entsprechender Gegenwert erlangt wird, wenn somit bloß eine Vermögensumschichtung eintritt (vgl. ; ).

Ausgaben für den Erwerb eines Wirtschaftsgutes sind in der Regel von einer Berücksichtigung als außergewöhnliche Belastung ausgeschlossen. Eine andere Beurteilung kann nur dann geboten sein, wenn Wirtschaftsgüter beschafft werden müssen, die infolge spezifisch nur für bestimmte individuelle Personen oder wegen ihrer spezifisch nur für Behinderte geeigneten Beschaffenheit keinen oder einen sehr eingeschränkten allgemeinen Verkehrswert haben (vgl. ). Muss realistischerweise davon ausgegangen werden, dass behinderungsbedingte Aufwendungen für die Wohnung bei einer unterstellten Verwertung dieser Wohnung nicht abgegolten werden, dann kann von der Schaffung eines Gegenwertes nicht ausgegangen werden (vgl. ).

Grundsätzlich geht der unabhängige Finanzsenat davon aus, dass die Einrichtung eines zweiten Badezimmers in einem Einfamilienhaus keine Vermögensverminderung darstellt. Im Fall der Bw. konnte das Badezimmer im Erdgeschoss, so wie es bis zum Jahr 2009 vorzufinden war (mit Badewanne, ohne Blindenhilfsmittel, mit Barrieren), aufgrund der fast völligen Erblindung und der schwerwiegenden Abnutzung der beiden Kniegelenke nicht benützt werden. Der unabhängige Finanzsenat geht daher davon aus, dass bestimmte Einbauten und Einrichtungsgegenstände behinderungsbedingt vorzunehmen bzw. anzuschaffen waren und zusätzlich von den bisher vom Finanzamt im Erstbescheid und in der Berufungsvorentscheidung anerkannten Gegenständen von einem allfälligen Käufer als für ihn nicht badezimmernotwendige Anschaffungen beurteilen würde. Dies gilt für folgende Anschaffungen:

- Der Hewi Dusch-Wandhandlauf reinweiss in Höhe von € 333,83 für die blindengerechte Orientierung im Badezimmer (Fotos 2 und 3).

- Die Prisma Rita Wandhaltegriffe gerade beim WC in Höhe von € 96,66 (Foto 15).

- Die Hewi - Ablagebox reinweiss in Höhe von € 21,19, weil diese blindensicher gestaltet ist (Fotos 4 und 5). - Die Duschrinne mit Wandzarge in Höhe von € 780,84; - Die Abdeckung zur Duschrinne in Höhe von € 52,94;. - anteilige Arbeitskosten des Monteurs des Wasserinstallateurs geschätzt: € 150,00. - anteilige Umsatzsteuer 20%: € 335,63; - Rechnung des Fliesenlegers in Höhe von 3.414,84.

Bei den Fliesenarbeiten, die laut den Fotos 5 bis 8 nur soweit durchgeführt wurden, als sie durch die Ersetzung der Badewanne durch die Brause verursacht wurden, erblickt der unabhängige Finanzsenat mittelbare Maßnahmen für den Einbau behindertengerechter Einrichtungen. Insoferne stellen auch diese Aufwendungen außergewöhnlichen Belastungen gemäß den eingangs zitierten Gesetzesstellen dar (siehe Bernhard Renner: Behinderungsbedingte Umbaumaßnahmen als außergewöhnliche Belastungen; in SWK, Heft 6 aus 2010, S 275 f.).

Mit den übrigen Anschaffungen wie Handbrause, Badheizkörper, Flachspül-WC, Elektroinstallationen wurden Gegenwerte geschaffen, die für einen allfälligen, nicht behinderten Käufer des Gebäudes werthaltige Gebäudeinvestitionen darstellen und daher als Sonderausgaben betreffend Wohnraumsanierung angesetzt werden. Die Anschaffung eines Waschtisches scheint nicht in der Rechnung der Fa. F auf, woraus gefolgert wird, dass der bereits vorhanden gewesene unverändert an seinem Platz gelassen wurde.

Die außergewöhnlichen Belastungen, die der unabhängige Finanzsenat anerkennt, setzen sich demnach wie folgt zusammen:


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Art der außergewöhnlichen Belastung
Betrag in €
Taxikosten lt. Erstbescheid
1.135,80
Blindenhilfsmittel lt. Erstbescheid
1.033,40
Eckablage (netto) Position 52
47,68
Duschhocker (netto) Position 53
216,18
zwei Wandhaltegriffe á € 48,96 (netto) Position 9
96,66
Wandhandlauf (netto) Position 50
333,83
Duschrinne (netto) Position 7
780,84
Abdeckung der Duschrinne Position 8
52,94
Ablagebox weiß lt. UFS (netto) Position 51
21,19
anteilige Arbeitskossten für Montage geschätzt (netto) Position 55
150,00
anteilige Umsatzsteuer 20%
335,62
Rechnung des Fliesenlegers (brutto)
3.414,84
Summe außergewöhnliche Belastungen lt. UFS
7.618,98

Die Sonderausgaben für Wohnraumsanierung errechnen sich demnach wie folgt: - Sonderausgaben laut Erstbescheid: € 9.582,04; - Sonderausgaben laut UFS: € 4.132,26.

Damit war wie im Spruch ausgeführt zu entscheiden.

Beilage: 1 Berechnungsblatt

Wien, am

Zusatzinformationen


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Materie
Steuer
Finanzstrafrecht Verfahrensrecht
betroffene Normen
Schlagworte
Badezimmerumbau
behindertengerechte Adaptierung
Anmerkung
§§ 1 bis 4 VO BGBl. 1996/303 idF. BGBl. II 91/1998
Zitiert/besprochen in
ARD 6296/9/2013

Datenquelle: Findok — https://findok.bmf.gv.at