Berufungsentscheidung - Steuer (Referent), UFSG vom 15.09.2009, RV/0608-G/07

Rechtfertigen die von der erblichen Nichte für die Erblasserin erbrachten Pflegeleistungen deren Einordnung in die Steuerklasse I?

Entscheidungstext

Berufungsentscheidung

Der Unabhängige Finanzsenat hat über die Berufung der Berufungswerberin, vertreten durch Mag. Gerlinde Goach, Rechtsanwältin, 8101 Gratkorn, Andreas-Leykam-Platz 2/2/19, vom gegen den Bescheid des Finanzamtes Graz-Umgebung vom betreffend Erbschaftssteuer entschieden:

Die Berufung wird als unbegründet abgewiesen.

Der angefochtene Bescheid bleibt unverändert.

Entscheidungsgründe

Im Verlass nach der am verstorbenen A.P. gab die erbliche Nichte, M.G., zu einem Drittel des Nachlasses auf Grund des Testaments die unbedingte Erbserklärung ab. Im Inventar der Verlassenschaft waren unter den Aktiven unter anderem Liegenschaftsanteile mit einem Einheitswert von € 10.700 enthalten. Unter den Passiven wurden Kosten im Zusammenhang mit dem Todesfall und eine offene Darlehensforderung des Landes Steiermark angeführt.

Das Finanzamt schrieb der Berufungswerberin mit Bescheid vom Erbschaftssteuer in Höhe von insgesamt € 2.197,66 vor. In der Berufung gegen den Erbschaftssteuerbescheid wurde auf das Erkenntnis des Verfassungsgerichtshofes vom hingewiesen. Mit diesem Erkenntnis sei die Bestimmung des § 1 Abs. 1 Z 1 ErbStG aufgehoben worden, weshalb der angefochtene Bescheid mit materieller Rechtswidrigkeit behaftet sei.

Die Berufungswerberin sei die Nichte der kinderlosen Erblasserin gewesen. Von Anbeginn habe zwischen den beiden ein einem Eltern Kind Verhältnis gleich zu haltendes Verhältnis bestanden. Die Berufungswerberin habe die Erblasserin gemeinsam mit den beiden anderen Erben bis zu deren Tod gepflegt, weshalb die Anwendung der Steuerklasse I geboten erscheine.

Auf Grund des im Verlassverfahren geschlossenen Erbübereinkommens sei verfügt worden, dass die erblasserischen Anteile der Berufungswerberin nicht zu einem Drittel zufließen sollten, sondern sei die Einverleibung des gesamten Grundvermögens zu Gunsten M.R. vereinbart worden. Der Berufungswerberin sei daher (noch) kein Vermögen zugeflossen. Dieser Fall trete erst bei Verkauf der Eigentumswohnung und anschließender Aufteilung des Erlöses ein. Ein bedingter Erwerb eines Vermögensgegenstandes unterliege wegen des Zufluss- und Bereicherungsprinzips nicht der Steuer.

Mit Berufungsvorentscheidung vom wurde die Berufung als unbegründet abgewiesen. Dagegen wurde rechtzeitig der Vorlageantrag gestellt.

Über die Berufung wurde erwogen:

Eingangs wird festgestellt, dass die am zu G 54/06 erfolgte Aufhebung des § 1 Abs. 1 Z 1 ErbStG durch den Verfassungsgerichtshof erst mit Ablauf des in Kraft trat, sodass die verfassungswidrige Bestimmung auf die zuvor verwirklichten Tatbestände- mit Ausnahme der Anlassfälle und jener Rechtssachen, auf die der Verfassungsgerichtshof die Anlassfallwirkung gemäß Art 140 Abs. 4 zweiter Satz B-VG ausgedehnt hat- weiterhin anzuwenden ist. Auf Grund des Legalitätsprinzips ist der UFS als Verwaltungsbehörde sowohl an die als verfassungswidrig aufgehobene Bestimmung als auch an die übrigen Bestimmungen des Erbschaftssteuergesetzes gebunden. Ist ein Gesetz wegen Verfassungswidrigkeit aufgehoben worden, so sind gemäß Art. 140 Abs.7 B-VG alle Gerichte und Verwaltungsbehörden an den Spruch des Verfassungsgerichtshofes gebunden.

Auf die vor der Aufhebung verwirklichten Tatbestände mit Ausnahme des Anlassfalles ist das Gesetz jedoch weiterhin anzuwenden, sofern der VfGH in seinem Erkenntnis nichts anderes ausspricht. Hat der VfGH in seinem aufhebenden Erkenntnis eine Frist gesetzt, so ist das Gesetz auf alle bis zum Ablauf dieser Frist verwirklichten Tatbestände mit Ausnahme des Anlassfalles anzuwenden (siehe dazu ).

Dem gegenständlichen Fall kommt zweifelsfrei keine Anlassfallwirkung zu. Zum Zeitpunkt der Erlassung des obigen VfGH - Erkenntnisses war gegenständlich weder eine Berufung noch eine Beschwerde bei den Höchstgerichten anhängig.

Wie bereits ausgeführt sind mit Ausnahme der bestimmten Anlassfälle auf alle anderen, vor der Aufhebung bzw. bis zum Ablauf der Frist am verwirklichten Tatbestände die Bestimmungen des bis zum in Geltung gestandenen Erbschaftssteuergesetzes 1955 unverändert anzuwenden.

Die wichtigsten gesetzlichen Bestimmungen in der im entscheidungsmaßgeblichen Zeitraum gültigen Fassung lauten:

Nach § 7 Abs. 1 ErbStG gehören unter anderen zur Steuerklasse IV 3. die Abkömmlinge ersten Grades von Geschwistern. In die Steuerklasse V fallen alle übrigen Erwerber, somit alle Erwerber die nicht in den Steuerklassen I-IV genannt sind ().

Dem Vorbringen, im gegenständlichen Fall sei die Erbschaftssteuer nicht nach einer formellen Betrachtungsweise auf Basis der Steuerklasse IV festzusetzen, wird entgegengehalten, dass die Steuer unabhängig von allfällig erbrachten Pflegeleistungen ausschließlich nach dem persönlichen Verhältnis des Erwerbers, also nach dem Verwandtschaftsverhältnis zur Erblasserin erhoben wird. Die Steuerklassen des § 7 ErbStG spiegeln weitgehend die Grundsätze der zivilrechtlichen Erbfolge wieder. Zur Steuerklasse IV zählen die Abkömmlinge ersten Grades von Geschwistern. Dabei ist auf § 41 ABGB zu verweisen, wonach sich der Grad der Verwandtschaft nach der Anzahl der sie vermittelnden Zeugungen richtet. Unter Abkömmlingen ersten Grades sind die Kinder des Bruders oder der Schwester, also die leiblichen Neffen oder Nichten des Erblassers zu verstehen.

An der Tatsache, dass für die Einordnung in die jeweilige Steuerklasse im Sinne des § 7 Abs. 1 ErbStG und damit für die Höhe des Steuersatzes die persönlichen Verhältnisse des Erwerbers gegenüber dem Erblasser im Zeitpunkt der Entstehung der Steuerschuld maßgebend sind, vermögen daher die von der Berufungswerberin ins Treffen geführten Pflege- und Beistandsleistungen nichts zu ändern. Die Einordnung der Berufungswerberin als Nichte der Verstorbenen in die Steuerklasse IV erfolgte daher zu Recht.

Wenn die Berufungswerberin schließlich einwendet, auf Grund des Erbteilungsübereinkommens sei ihr kein Vermögen zugeflossen, übersieht diese, dass bei einer zwischen Erben getroffenen Vereinbarung über die Aufteilung des Nachlasses nach Abgabe der Erbantrittserklärung der Grundsatz, dass die Erbschaftssteuer grundsätzlich vom Erbanfall zu bemessen ist, nicht berührt wird. In ständiger Rechtsprechung vertritt der Verwaltungsgerichtshof die Ansicht, dass im Fall eines Erbübereinkommens der Anteil am steuerlich bewerteten Nachlassvermögen und nicht der effektiv zugeteilte Vermögensgegenstand als angefallen gilt (,0022 ua.).

Bei der im vorliegenden Fall getroffenen Vereinbarung, dass die Realisierung und der Verkauf der erblichen Eigentumswohnung nicht durch die Berufungswerberin, sondern durch M.R. erfolgen soll, handelt es sich um ein bereits unter Lebenden abgeschlossenes Rechtsgeschäft. Im Hinblick darauf, dass es nicht entscheidend ist, welchem Erben letztendlich die einzelnen Nachlassgegenstände zukommen, hat die Besteuerung entsprechend der Erbquoten zu erfolgen.

Gemäß § 12 Abs. 1 Z 1 ErbStG entsteht die Steuerschuld bei Erwerben von Todes wegen mit dem Tode des Erblassers. § 12 ErbStG beruht auf dem Bereicherungsprinzip, wonach die Erbschaftssteuerschuld jeweils in dem Zeitpunkt entsteht, zu dem die Bereicherung tatsächlich eingetreten ist. Umfang und Zusammensetzung des erworbenen Vermögens sind im Zeitpunkt des Entstehens der Steuerschuld zu beurteilen. Änderungen in der Zusammensetzung des Nachlassvermögens, die nach dem Zeitpunkt des Todes des Erblassers eintreten, sind für die Erbschaftsbesteuerung grundsätzlich ohne Bedeutung (, 82/15/0145). Der Umstand, dass im konkreten Fall die erbliche Eigentumswohnung entsprechend der Vereinbarung von einem Miterben verkauft wird und der Verkaufserlös quotenmäßig aufgeteilt wird, ändert nichts daran, dass für die Berufungswerberin durch die Abgabe der Erbantrittserklärung für den Erwerb von Todes wegen die Steuerschuld mit dem Tode der Erblasserin entstanden ist.

Da die gesetzlichen Bestimmungen, die das Finanzamt bei Erlassung des berufungsgegenständlichen Bescheides anzuwenden hatte eindeutig sind und die Festsetzung der Erbschaftssteuer gesetzeskonform erfolgte, konnte dem Berufungsbegehren nicht entsprochen werden, weshalb spruchgemäß zu entscheiden war.

Graz, am

Zusatzinformationen


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Materie
Steuer
Finanzstrafrecht Verfahrensrecht
betroffene Normen
Schlagworte
Erbübereinkommen

Datenquelle: Findok — https://findok.bmf.gv.at