Beschwerdeentscheidung - Strafsachen (Referent), UFSW vom 15.11.2007, FSRV/0116-W/07

Akteneinsicht bei Auskunftseinholung im Ermittlungsverfahren.

Rechtssätze


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Stammrechtssätze
FSRV/0116-W/07-RS1
Nach § 79 i.V. 75 FinStrG steht nur einem Beschuldigten bzw. einer Person, gegen die eine Verfolgungshandlung nach § 14 Abs.3 FinStrG gesetzt wurde, zur Verfolgung abgaben- bzw. finanzstrafrechtlicher Interessen eine Akteneinsicht zu. Auskunftsersuchen nach § 99 Abs.1 FinStrG von Finanzstrafbehörden zur Aufhellung von möglicherweise strafrelevanten Sachverhalten im Rahmen von ersten Vorerhebungen ohne Konkretisierung eines bestimmten Tatverdachtes gegen eine bestimmte Person stellen keine derartigen Verfolgungshandlungen dar. Ein allgemein gehaltenes Auskunftsersuchen einer Finanzstrafbehörde nach § 99 Abs.1 FinStrG an eine Gastwirtin, ob eine bestimmte Person an einem bestimmten Tag bei ihr gearbeitet habe und wenn ja, aufgrund welcher Rechtsgrundlage und wie oft, richtet sich nicht unmittelbar gegen die Person, die dort gearbeitet haben soll, mit einem Verdacht einer durch diese verwirklichten Finanzstraftat. Mangels einer Verfolgungshandlung gegen den potentiellen Arbeitnehmer hat dieser daher kein Recht auf Einsichtnahme in den diesbezüglichen (Teil)akt der Finanzstrafbehörde.

Entscheidungstext

Beschwerdeentscheidung

Der Unabhängige Finanzsenat als Finanzstrafbehörde zweiter Instanz hat durch das Mitglied des Finanzstrafsenates 3, HR Dr. Michaela Schmutzer, in der Finanzstrafsache gegen H.B., (Bf.) vertreten durch Dr. Johann Kuzmich, RA, 7304 Nebersdorf, Lange Gasse 14, über die Beschwerde des Beschuldigten, vom gegen den Bescheid des Finanzamtes für den 8., 16. und 17. Bezirk vom , AZ 1/2007, betreffend Zurückweisung eines Antrages auf Akteneinsicht

zu Recht erkannt:

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Entscheidungsgründe

Mit Bescheid vom hat das Finanzamt für den 8., 16. und 17. Bezirk als Finanzstrafbehörde erster Instanz den Antrag des Bf. auf Akteneinsicht als unzulässig zurückgewiesen.

Gegen diesen Bescheid richtet sich die fristgerechte Beschwerde des Beschuldigten vom , in welcher vorgebracht wurde, dass Anlass für das Einschreiten der Finanzstrafbehörde erster Instanz offensichtlich ein Schreiben gewesen sei, welches an das Finanzamt gerichtet war und in welchem Behauptungen aufgestellt worden seien, dass der Einschreiter/Verdächtige/Nebenbeteiligte Bf. öfters "schwarz" einer Beschäftigung nachgegangen sei. Auf Grund dieses Schreibens habe das Finanzamt ein Auskunftsersuchen an die Gastwirtin K. übermittelt, welches eine Verfolgungshandlung nach § 14 Abs.3 FinStrG darstelle. Der Einschreiter und zumindest Nebenbeteiligte sei in diesem Schreiben namentlich erwähnt und damit in das Finanzstrafverfahren einbezogen. Um seine abgabenrechtlichen Pflichten zu erfüllen, sei daher dem Nebenbeteiligten und Einschreiter die Kenntnis des Akteninhaltes zu ermöglichen. Es werde daher beantragt, den Bescheid vom dahingehend abzuändern, dass dem Bf. Akteneinsicht gewährt, eine komplette Aktenabschrift erstellt und dem Verteidiger übermittelt werde.

Zur Entscheidung wurde erwogen:

Gemäß § 79 Abs. 1 FinStrG hat die Finanzstrafbehörde dem Beschuldigten in jeder Lage des Verfahrens und auch nach dessen Abschluss die Einsicht und Abschriftnahme der Akten oder Aktenteile zu gestatten, deren Kenntnis zur Geltendmachung oder Verteidigung ihrer finanzstrafrechtlichen oder abgabenrechtlichen Interessen oder zur Erfüllung solcher Pflichten erforderlich ist; sie kann ihnen statt dessen auch Abschriften (Ablichtungen) ausfolgen.

Abs.2 Von der Akteneinsicht ausgenommen sind Beratungsprotokolle, Amtsvorträge, Erledigungsentwürfe und sonstige Schriftstücke (Mitteilungen anderer Behörden, Meldungen, Berichte und dergleichen), deren Einsichtnahme eine Schädigung berechtigter Interessen dritter Personen herbeiführen würde.

Abs.3 Im Untersuchungsverfahren können Aktenstücke vorläufig von der Einsichtnahme ausgenommen werden, wenn besondere Umstände befürchten lassen, dass durch eine sofortige Kenntnisnahme die Untersuchung erschwert werden könnte; die Einsichtnahme ist jedoch noch vor Abschluss des Untersuchungsverfahrens zu gestatten.

Abs.4 Gegen die Verweigerung der Akteneinsicht ist ein abgesondertes Rechtsmittel nicht zulässig.

Vorweg ist im Hinblick auf die Bestimmung des § 79 Abs. 4 leg. cit., wonach gegen die Verweigerung der Akteneinsicht ein abgesondertes Rechtsmittel nicht zulässig ist, darauf hinzuweisen, dass ein außerhalb eines anhängigen Verfahrens gestellter Antrag auf Akteneinsicht ein Sachbegehren darstellt, auf dessen bescheidmäßige Erledigung ein Rechtsanspruch besteht. Dieser Bescheid unterliegt als solcher auch dem nach den Bestimmungen des § 152 Abs. 1 FinStrG vorgesehenen administrativen Rechtszug.

Wenn man demnach zu dem Schluss kommt, dass kein Finanzstrafverfahren gegen den Bf. anhängig ist, dann war über den Antrag mit rechtsmittelfähigem Bescheid abzusprechen.

Gemäß § 75 FinStrG ist Beschuldigter die im Verdacht eines Finanzvergehens stehende Person (Verdächtiger) vom Zeitpunkt der Verständigung über die Einleitung des Strafverfahrens (§ 83 Abs. 2) oder der ersten Vernehmung gemäß § 83 Abs. 3 bis zum rechtskräftigen Abschluss des Strafverfahrens. Die für den Beschuldigten geltenden Bestimmungen sind auch auf den Verdächtigen anzuwenden, wenn gegen ihn schon vor der Einleitung des Strafverfahrens eine Verfolgungshandlung (§ 14 Abs. 3) gerichtet wurde.

Gemäß § 99 Abs.1 FinStrG ist die Finanzstrafbehörde berechtigt, von jedermann Auskunft für Zwecke des Finanzstrafverfahrens zu verlangen. Die Auskunft ist wahrheitsgemäß nach bestem Wissen und Gewissen zu erteilen. Die Verpflichtung zur Auskunftserteilung schließt die Verbindlichkeit in sich, Urkunden und andere Unterlagen, die für das Finanzstrafverfahren von Bedeutung sind, vorzulegen oder die Einsichtnahme in diese zu gestatten. Es war daher spruchgemäß zu entscheiden.

Gemäß § 99 Abs.1 FinStrG besteht eine allgemeine Auskunftspflicht auch bereits im Vorfeld, aber nicht losgelöst von einem konkreten Strafverfahren ().

Auskunftsersuchen dienen der Prüfung, ob hinreichende Verdachtsgründe für die Einleitung eines Finanzstrafverfahrens gegeben sein können.

Auskunftsperson ist jeder, der von Tatsachen oder Umständen Kenntnis haben kann, die für die Verfolgung oder Aufdeckung von Finanzvergehen von Bedeutung sind. Auskunftsersuchen dienen der Ermittlung, ob ein bestimmter Tatbestand erfüllt wurde, sie richten sich nicht unmittelbar und ausschließlich gegen eine Person, die einen Tatbestand verwirklicht haben könnte.

Auskunftsersuchen sind somit immer dann zu stellen, wenn es um die erste Abklärung von Verdachtsmomenten geht, oder wenn erst erforscht werden muss, welche Person über bestimmte Sachverhalte Bescheid wissen oder für die Aufklärung notwendige Unterlagen besitzen könnte.

Das Auskunftsersuchen muss sich ausdrücklich auf § 99 Abs.1 FinStrG berufen, damit die Auskunftsperson erkennen kann, dass es sich um ein Ersuchen im Dienste der Strafrechtspflege handelt.

Gemäß § 14 Abs. 3 FinStrG ist Verfolgungshandlung jede nach außen erkennbare Amtshandlung eines Gerichtes, einer Finanzstrafbehörde oder eines im § 89 Abs. 2 genannten Organs, die sich gegen eine bestimmte Person als den eines Finanzvergehens Verdächtigen, Beschuldigten oder Angeklagten richtet, und zwar auch dann, wenn das Gericht, die Finanzstrafbehörde oder das Organ zu dieser Amtshandlung nicht zuständig war, die Amtshandlung ihr Ziel nicht erreicht oder die Person, gegen die sie gerichtet war, davon keine Kenntnis erlangt hat.

Verfolgungshandlungen sind hingegen nur solche Akte, die nach ihrer Art und Bedeutung die Absicht des Gerichtes oder der Finanzstrafbehörde erkennen lassen, den gegen eine bestimmte Person wegen einer bestimmten Tat bestehenden konkreten Verdacht auf eine in den Verfahrensvorschriften vorgesehene Weise zu prüfen ().

Unbestritten ist dem Bf. kein Bescheid und keine Verständigung über die Einleitung eines Finanzstrafverfahrens gegen seine Person zugekommen .

Es bleibt daher zu überprüfen, ob die Zusendung eines Auskunftsersuchens an K. als Verfolgungshandlung zu werten ist und dem Bf. daraus ein Recht auf Akteneinsicht zukommt.

Das Schreiben von wird mit Auskunftsersuchen gemäß § 99 Abs.1 FinStrG bezeichnet, verweist auf finanzstrafrechtliche Erhebungen ohne Nennung eines Namens eines Tatverdächtigen und enthält die Anfrage, ob der Bf. am im Gasthaus der Auskunftsperson gearbeitet habe, sowie das Ersuchen, sollte die Anfrage bejaht werden, bekannt zu geben, ob die Arbeit im Rahmen eins Dienstverhältnisses oder im Rahmen eines Werkvertrages erfolgt sei und wie oft der Bf. für die Auskunftspersonen gearbeitet habe.

In diesem Schreiben wird kein konkreter Tatverdacht eines bestimmten Finanzvergehens, das durch den Bf. begangen worden sein sollte geäußert, daher kommt ihm nicht die Qualifikation einer Verfolgungshandlung zu.

Da nach § 79 FinStrG jedoch nur Beschuldigten und Personen, gegen die eine Verfolgungshandlung mit Sinne des § 14 Abs.3 FinStrG gesetzt wurde ein Recht auf Akteneinsicht zukommt, war der Antrag mangels gesetzlicher Anspruchsberechtigung als unzulässig zurückzuweisen.

Die Berufung gegen den Zurückweisungsbescheid war spruchgemäß als unbegründet abzuweisen.

Wien, am

Zusatzinformationen


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Materie
Finanzstrafrecht Verfahrensrecht
betroffene Normen
Schlagworte
Akteneinsicht
Auskunftseinholung im Ermittlungsverfahren
fehlende Beschuldigtenstellung
Zitiert/besprochen in
UFSaktuell 2007, 319

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