Bescheidaufhebung bei Verletzung von EU-Recht nur innerhalb der Verjährung
Entscheidungstext
Berufungsentscheidung
Der Unabhängige Finanzsenat hat über die Berufung des Bw, vertreten durch Stb, vom gegen die Bescheide des Finanzamtes XY vom , mit denen der Antrag vom auf Aufhebung der Einkommensteuerbescheide 1997 und 1999 gemäß § 299 BAO zurückgewiesen wurde, entschieden:
Die Berufung wird als unbegründet abgewiesen.
Die angefochtenen Bescheide bleiben unverändert.
Entscheidungsgründe
Mit Schreiben vom beantragte der ausgewiesene steuerliche Vertreter des Berufungswerbers (= Bw.) die Aufhebung der Einkommensteuerbescheide 1997 und 1999. Der EuGH habe mit Urteil vom , C-315/02, Lenz, ausgesprochen, dass die Verweigerung der einkommensteuerlichen Endbesteuerungswirkungen für ausländische Kapitalerträge mit der gemeinschaftsrechtlichen Kapitalverkehrsfreiheit in Widerspruch stehe. Für nachfolgend angeführte Jahre werde beantragt, die Bescheide aufzuheben und eine Neuveranlagung nach Berücksichtigung der Endbesteuerungsvariante für Begünstigte ausländische Kapitalerträge wie folgt durchzuführen: Jahr 1997: Dividende von deutscher A GmbH 352.707,00 S (siehe Beilage) Jahr 1999: Dividende von deutscher A GmbH 531.860,00 S (siehe Beilage).
Jeweils mit den Bescheiden vom wurde der Antrag auf Aufhebung des Einkommensteuerbescheides 1997 sowie des Einkommensteuerbescheides 1999 vom zurückgewiesen. Zur Begründung wurde im Wesentlichen ausgeführt, dass gemäß § 299 Abs. 1 BAO die Behörde erster Instanz auf Antrag der Partei oder von Amts wegen einen Bescheid der Abgabenbehörde erster Instanz aufheben könne, wenn sich der Spruch des Bescheides als nicht richtig erweise. Gemäß § 302 Abs. 2 lit. c BAO seien Aufhebungen nach § 299 BAO, die wegen Widerspruch mit zwischenstaatlichen abgabenrechtlichen Vereinbarungen oder mit Gemeinschaftsrecht der Europäischen Union erfolgen würden, bis zum Ablauf der Verjährungsfrist oder wenn der Antrag auf Aufhebung innerhalb dieser Frist eingebracht werde, auch nach Ablauf dieser Frist zulässig. In weiterer Folge legte die Abgabenbehörde erster Instanz detailliert dar, dass die Verjährungsfrist für die berufungsgegenständlichen Jahre abgelaufen sei.
Mit Schriftsatz vom wurde ein Vorlageantrag (offensichtlich gemeint: Berufung) eingebracht. Es wurde das Vorbringen lt. Schreiben vom wiederholt. Ergänzend wurde vorgebracht, dass mit Bescheidbegründung vom auf die neuen Verjährungsfristen verwiesen werde, weshalb keine Wiederaufnahme des Verfahrens erfolgt sei. Gemäß Erlass des Bundesministeriums für Finanzen vom würden innerstaatliche Verjährungsfristen nicht die Umsetzung von Verständigungsverfahren behindern. Nachdem die Umsetzung von Verständigungsergebnissen über DBA-Besteuerungsfälle innerstaatlichen Verjährungsfristen nicht entgegenstehen würden, jedoch EU-widrige Besteuerungsfälle unter die neuen Verjährungsfristen fallen sollten, liege eine Verletzung des Gleichheitsgrundsatzes vor. Es werde daher nochmals beantragt, die Einkommensteuerbescheide 1997 und 1999 aufzuheben und eine neue Veranlagung, wie oben dargestellt, durchzuführen. Als Beilage wurde dem Schriftsatz der Erlass des Bundesministeriums für Finanzen vom , BMF - 010221/0019-IV/4/2006 angeschlossen.
Mit Schriftsatz vom wurde die Berufung dem Unabhängigen Finanzsenat zur Entscheidung vorgelegt.
Über die Berufung wurde erwogen:
Gemäß § 299 Abs. 1 BAO kann die Abgabenbehörde erster Instanz auf Antrag der Partei oder von Amts wegen einen Bescheid der Abgabenbehörde erster Instanz aufheben, wenn der Spruch des Bescheides sich als nicht richtig erweist.
Für Aufhebungen wegen Widerspruches mit zwischenstaatlichen abgabenrechtlichen Vereinbarungen oder mit Gemeinschaftsrecht der Europäischen Union ergibt sich die Antragsfrist aus § 302 Abs. 2 lit. c BAO. Danach sind Aufhebungen nach § 299 BAO, die wegen Widerspruchs mit zwischenstaatlichen abgabenrechtlichen Vereinbarungen oder mit Gemeinschaftsrecht der Europäischen Union erfolgen, bis zum Ablauf der Verjährungsfrist oder wenn der Antrag auf Abhebung innerhalb dieser Frist eingebracht ist, auch nach Ablauf dieser Frist zulässig.
Gemäß § 207 Abs. 2 BAO beträgt die Verjährungsfrist bei Verbrauchsteuern, bei den festgesetzten Stempelgebühren nach dem II. Abschnitt des Gebührengesetzes 1957, weiters bei den Gebühren gemäß § 17a des Verfassungsgerichtsgesetzes 1953 und § 24 des Verwaltungsgerichtshofgesetzes 1985 drei Jahre, bei allen übrigen Abgaben fünf Jahre. Soweit eine Abgabe hinterzogen ist, beträgt die Verjährungsfrist sieben Jahre. Das Recht, einen Verspätungszuschlag, Anspruchszinsen oder Abgabenerhöhungen festzusetzen, verjährt gleichzeitig mit dem Recht auf Festsetzung der Abgabe.
Daraus ergibt sich, dass die Bemessungsverjährung für die Einkommensteuer fünf Jahre beträgt. Aus § 208 Abs. 1 lit. a BAO ergibt sich, dass die Verjährung mit Ablauf des Jahres beginnt, in dem der Abgabenanspruch entstanden ist.
§ 209 Abs. 1 BAO regelt die Verlängerung der Verjährungsfrist: "Werden innerhalb der Verjährungsfrist (§ 207) nach außen erkennbare Amtshandlungen zur Geltendmachung des Abgabenanspruches oder zur Feststellung des Abgabepflichtigen (§ 77) von der Abgabenbehörde unternommen, so verlängert sich die Verjährungsfrist um ein Jahr. Die Verjährungsfrist verlängert sich jeweils um ein weiteres Jahr, wenn solche Amtshandlungen in einem Jahr unternommen werden, bis zu dessen Ablauf die Verjährungsfrist verlängert ist."
Für den gegenständlichen Fall bedeuten die wiedergegebenen gesetzlichen Regelungen Folgendes: Die Bemessungsverjährung für die Einkommensteuer 1997 beginnt am und endet grundsätzlich am . Die Erlassung des Erstbescheides am sowie die Bescheiderlassung gemäß § 293 BAO am stellen jeweils Unterbrechungshandlungen dar, sodass die Verjährungsfrist um ein Jahr verlängert wird und für das Jahr 1997 daher am abgelaufen ist. Beginn der Bemessungsverjährung für die Einkommensteuer 1999 ist der , die Verjährung würde daher grundsätzlich am enden. Die Erlassung des Erstbescheides am stellt eine Unterbrechungshandlung im Sinne des § 209 BAO dar, sodass sich die Verjährungsfrist um ein Jahr verlängert und am abgelaufen ist.
Der Antrag vom auf Bescheidaufhebung der Einkommensteuerbescheide 1997 und 1999 ist daher sowohl für das Veranlagungsjahr 1997 als auch für das Veranlagungsjahr 1999 nach Ablauf der Verjährungsfrist eingebracht worden. Wenn die Abgabenbehörde erster Instanz den Antrag als verspätet zurückweist, handelt sie völlig im Einklang mit den entsprechenden gesetzlichen Regelungen.
Abschließend sei darauf hingewiesen, dass der vorgelegte Erlass des Bundesministeriums für Finanzen vom über die Umsetzung von Verständigungsverfahren nach Ablauf der Verjährung aufgrund des klaren Wortlautes der herangezogenen Gesetzesstellen keine andere Entscheidung zu begründen vermag. Die wiedergegebene Rechtsansicht des Bundesministeriums für Finanzen ist für den Unabhängigen Finanzsenat als verfassungsmäßig weisungsfrei gestellte und unabhängige Verwaltungsbehörde (vgl. § 1 Abs. 1 UFSG) keine bindende Rechtsquelle. Somit besteht auch für die gegenständliche Entscheidung keine Bindung daran. Ob die erlassmäßige Regelung, die zweifelsohne eine "Abweichung" der Gesetzeslage zum Inhalt hat, eine Gleichheitswidrigkeit nach sich ziehen könnte oder nicht, erweist sich für den gegenständlichen Fall von keiner Relevanz.
Somit war spruchgemäß zu entscheiden.
Linz, am
Zusatzinformationen
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Materie | Steuer Finanzstrafrecht Verfahrensrecht |
betroffene Normen | § 207 BAO, Bundesabgabenordnung, BGBl. Nr. 194/1961 § 208 BAO, Bundesabgabenordnung, BGBl. Nr. 194/1961 § 209 BAO, Bundesabgabenordnung, BGBl. Nr. 194/1961 § 302 Abs. 2 BAO, Bundesabgabenordnung, BGBl. Nr. 194/1961 § 299 BAO, Bundesabgabenordnung, BGBl. Nr. 194/1961 |
Schlagworte | Bescheidaufhebung Verjährung Unterbrechungshandlung Widerspruch mit EU-Recht |
Zitiert/besprochen in | taxlex 2009/23 |
Datenquelle: Findok — https://findok.bmf.gv.at