Berufungsentscheidung - Steuer (Referent), UFSI vom 08.07.2010, RV/0134-I/09

Schaden eines Einbruchdiebstahles als außergewöhnliche Belastung

Rechtssätze


Tabelle in neuem Fenster öffnen
Stammrechtssätze
RV/0134-I/09-RS1
Die außergewöhnliche Belastung dient der Berücksichtigung von Aufwendungen der privaten Lebensführung, die das Einkommen eines Kalenderjahres überverhältnismäßig belasten. Reine Vermögensverluste, die ohne den Willen des Steuerpflichtigen eintreten (wie hier der Diebstahl von Bargeld, Schmuck und Goldmünzen) belasten nicht das Einkommen des Steuerpflichtigen und stellen daher keine außergewöhnliche Belastung dar, die unter Bedachtnahme auf das Leistungsfähigkeitsprinzip bei der Bemessung der Einkommensteuer zu berücksichtigen ist.

Entscheidungstext

Berufungsentscheidung

Der Unabhängige Finanzsenat hat über die Berufung des Bw, vom gegen den Bescheid des Finanzamtes Kufstein Schwaz vom betreffend Einkommensteuer (Arbeitnehmerveranlagung) für 2008 entschieden:

Die Berufung wird als unbegründet abgewiesen.

Der angefochtene Bescheid bleibt unverändert.

Entscheidungsgründe

Bei einem Einbruch im Jahr 2008 in das vom Berufungswerber (Bw) und seiner Ehegattin bewohnte Einfamilienhaus sind von unbekannten Tätern Bargeldbestände, Schmuck und Goldmünzen im Gesamtwert vom 29.221,70 € gestohlen worden. Davon ist dem Bw und seiner Ehegattin von ihrer Versicherung ein Betrag von 10.467,34 € ersetzt worden, sodass sie letztlich einen Schaden von 18.754,36 € zu tragen hatten.

In der Erklärung zur Arbeitnehmerveranlagung für 2008 machte der Bw die Hälfte des von ihm und seiner Ehegattin getragenen Schadens aus dem Einbruchdiebstahl, somit 9.377,18 €, als Katastrophenschaden (ohne Selbstbehalt) als außergewöhnliche Belastung geltend (die andere Hälfte wurde von seiner Ehegattin geltend gemacht).

Im Einkommensteuerbescheid vom erkannte das Finanzamt den geltend gemachten Betrag nicht als außergewöhnliche Belastung an. In der Bescheidbegründung wurde dazu ausgeführt, die im Zusammenhang mit dem Einbruch stehenden Aufwendungen seien keine Katastrophenschäden im Sinne des Einkommensteuergesetzes.

In der gegen diesen Bescheid eingebrachten Berufung vom beantragte der Bw die Anerkennung des Schadens aus dem Einbruch, da es sich hierbei um eine zwangsläufige Vermögensverminderung im Sinne des Einkommensteuergesetzes handle.

Mit Berufungsvorentscheidung vom wies das Finanzamt die Berufung als unbegründet ab und führte in der Begründung dazu aus, eine Belastung im Sinne des § 34 EStG setze grundsätzlich Geldausgaben des Steuerpflichtigen voraus. § 34 knüpfe jedoch, wie der Gesetzeswortlaut mehrfach zeige, nicht an den Begriff der Ausgabe sondern an den der Aufwendung an. Darunter seien nicht nur Ausgaben zu verstehen, sondern schlechthin der Abfluss von Gütern beim Steuerpflichtigen. Unter dem Begriff der Aufwendungen im Sinne des § 34 EStG würden nur bewusste oder gewollte Vermögensverwendungen fallen. Reine Vermögensverluste, die ohne den Willen des Steuerpflichtigen eintreten würden (wie z.B. beim Diebstahl) stellten keine außergewöhnliche Belastung dar.

Mit Schreiben vom stellte der Bw den Antrag auf Entscheidung über die Berufung durch die Abgabenbehörde zweiter Instanz und führte ergänzend aus, in der Nichtberücksichtigung der zwangsläufigen Vermögensverminderung durch den Einbruchsdiebstahl sehe er eine Ungleichbehandlung gegenüber Einbrüchen im gewerblichen Bereich. Gleichzeitig stelle er die Anfrage, ob bei einem Nachkauf der gestohlenen Gegenstände der Schaden absetzbar sei. Für ihn würden die Einbruchsfolgen sehr wohl eine große außergewöhnlich Belastung darstellen.

Über die Berufung wurde erwogen:

Gem. § 34 Abs. 1 EStG 1988 sind bei Ermittlung des Einkommens (§ 2 Abs. 2) eines unbeschränkt Steuerpflichtigen nach Abzug der Sonderausgaben (§ 18) außergewöhnliche Belastungen abzuziehen. Voraussetzung für die Abzugsfähigkeit ist, dass die Belastung außergewöhnlich ist (Z 1), zwangsläufig erwachsen ist (Z 2) und die wirtschaftliche Leistungsfähigkeit wesentlich beeinträchtigt wird (Z 3). Weiters darf die Belastung weder Betriebsausgaben, Werbungskosten noch Sonderausgaben sein.

Die Belastung ist außergewöhnlich, soweit sie höher ist als jene, die der Mehrzahl der Steuerpflichtigen gleicher Einkommensverhältnisse, gleicher Vermögensverhältnisse erwächst (§ 34 Abs. 2 leg.cit). Die Belastung erwächst dem Steuerpflichtigen zwangsläufig, wenn er sich ihr aus tatsächlichen, rechtlichen oder sittlichen Gründen nicht entziehen kann (§ 34 Abs. 3 leg.cit). Die Belastung beeinträchtigt wesentlich die wirtschaftliche Leistungsfähigkeit, soweit sie einen vom Steuerpflichtigen von seinem Einkommen vor Abzug der außergewöhnlichen Belastungen zu berechnenden Selbstbehalt übersteigt (§ 34 Abs. 4 leg.cit).

Gemäß § 34 Abs. 6 erster Teilstrich EStG 1988 können Aufwendungen zur Beseitigung von Katastrophenschäden, insbesondere Hochwasser-, Erdrutsch-, Vermurungs- und Lawinenschäden ohne Berücksichtigung des Selbstbehaltes im Ausmaß der erforderlichen Ersatzbeschaffungskosten abgezogen werden.

Eine Steuerermäßigung wegen außergewöhnlicher Belastung kommt nur dann in Betracht, wenn sämtliche Voraussetzungen des § 34 Abs. 1 EStG 1988 vorliegen (vgl. Jakom/Baldauf EStG, 2010, § 34 Rz 58; ).

Die außergewöhnliche Belastung ist als Einkommensermittlungsvorschrift konzipiert. Dies ergibt sich aus § 34 Abs. 1 EStG und den darin enthaltenen Verweis auf die Einkommensermittlung nach § 2 Abs. 2 EStG (Doralt, EStG11, § 34 Tz 1). Mit dem Einkommen als Steuergegenstand will die Einkommensteuer die wirtschaftliche Leistungsfähigkeit des Steuerpflichtigen erfassen. Je höher das disponible Einkommen, desto höher ist auch die wirtschaftliche Leistungsfähigkeit.

Entsprechend dem auch dem EStG zu Grunde liegenden Leistungsfähigkeitsprinzip ist unter Bedachtnahme auf das so genannte subjektive Nettoprinzip dafür zu Sorgen, dass dem Steuerpflichtigen das zur Abdeckung des notwendigen Lebensbedarfes verfügbare Einkommen steuerfrei bleibt. Dies wird einerseits durch die Berücksichtigung des allgemeinen Existenzminimums im Rahmen der Tarifvorschriften des EStG gewährleistet (die ersten 10.000 € pro Kalenderjahr werden nach § 33 EStG in für das Berufungsjahr geltenden Fassung nicht besteuert) und andererseits für Fälle besonderer Ausnahmesituationen, in die Steuerpflichtige bei ihrer Lebensführung geraten können, durch die Vorschriften über die außergewöhnliche Belastung (§§ 34, 35). Belastungen die den Einzelnen zwangsläufig erwachsen, können nach dem subjektiven Nettoprinzip von der Bemessungsgrundlage der Einkommensteuer abgezogen werden (Fuchs in Hofstätter/Reichel, Die Einkommensteuer, Kommentar, § 34 Abs. 1, Tz 1; Beiser, Steuern6, 28ff, 60).

Die außergewöhnliche Belastung dient daher der Berücksichtigung von Aufwendungen der privaten Lebensführung, die das Einkommen eines Kalenderjahres belasten, bei der Erstellung des auf durchschnittliche Verhältnisse angelegten Einkommensteuertarifs aber unberücksichtigt bleiben. Es können daher nur Aufwendungen abgezogen werden, die das Einkommen des Steuerpflichtigen überverhältnismäßig belasten. Die Ausgaben müssen, weil sie zu Lasten der Allgemeinheit gehen, zwangsläufig erwachsen (vgl. Jakom/Baldauf EStG, 2010, § 34 Rz 1).

In aller Regel werden Aufwendungen als Geldleistungen erbracht, sie können aber auch in Sachleistungen bestehen, die dann entsprechend zu bewerten sind. Allerdings ist nicht jede Vermögensverminderung eine Aufwendung, sondern nur bewusste und gewollte Einkommens- und Vermögensverwendung (vgl. Herrmann/Heuer/Raupach, dt. Kommentar zur Einkommensteuer und Körperschaftssteuer, § 33 Anm. 34).

Zu Aufwendungen in diesem Sinn, die das Einkommen des Bw belasten, ist es im streitgegenständlichen Fall nicht gekommen. Reine Vermögensverluste, die ohne den Willen des Steuerpflichtigen eintreten (wie z.B. durch Diebstahl, Brand, Unfall, Kursverluste von Wertpapieren usw.) belasten nicht das Einkommen des Steuerpflichtigen und stellen daher keine außergewöhnliche Belastung dar, die unter Bedachtnahme auf das oben angesprochene Leistungsfähigkeitsprinzip bei der Bemessung der Einkommensteuer zu berücksichtigen ist (vgl. Doralt, EStG11, § 34 Tz 26 f, 37).

Der Vermögensschaden den der Bw durch den Diebstahl von Bargeld, Schmuck und Goldmünzen erlitten hat, stellt daher - mangels Belastung des Einkommens - von vornherein keine außergewöhnliche Belastung dar. Eine Steuerermäßigung kommt daher nicht in Betracht (vgl. ). Insofern erübrigt sich auch die übrigen Voraussetzungen für eine Steuerbegünstigung näher zu prüfen.

Aber auch der im Vorlageantrag angesprochene Nachkauf der gestohlenen Gegenstände - den der Bw aber nicht vorgenommen hat - würde im gegenständlichen Fall zu keiner außergewöhnlichen Belastung führen. Aufwendungen, die zur Wiederbeschaffung untergegangener Wirtschaftsgüter des Privatvermögens getätigt werden, führen grundsätzlich zu keiner außergewöhnlichen Belastung (Hofstätter/Reichel, Die Einkommensteuer, Kommentar, § 34 Abs. 1, Tz 2). Dies gilt beispielsweise idR auch für die Wiederbeschaffungskosten für durch Diebstahl des Reisegepäcks abhanden gekommene Kleidungsstücke (vgl. ). Eine Zwangsläufigkeit von Aufwendungen unterstellt der Verwaltungsgerichtshof bei zerstörten Wirtschaftsgütern des Privatvermögens nur dann, wenn dem Steuerpflichtigen die weitere Lebensführung ohne Wiederbeschaffung der zerstörten Wirtschaftsgüter nicht zuzumuten ist, wie dies beispielsweise bei der Zerstörung einer Wohnungseinrichtung durch Brand der Fall sein könnte (vgl. ).

Entsprechend dieser Rechtsprechung können daher auch bei gestohlenen Vermögensgegenständen die Aufwendungen für eine Ersatzbeschaffung nur dann als außergewöhnliche Belastung abgezogen werden, wenn die gestohlenen Gegenstände zur Lebensführung unerlässlich sind. Solche Gegenstände liegen aber im streitgegenständlichen Fall zweifelsfrei nicht vor.

Soweit der Bw den Vermögensschaden aus den Einbuchdiebstahl als Katastrophenschaden (ohne Selbstbehalt) geltend macht, ist grundsätzlich darauf hinzuweisen, dass auch bei Katastrophenschäden sämtliche allgemeinen Voraussetzungen des § 34 EStG vorliegen müssen (vgl. Jakom/Baldauf EStG, 2010, § 34 Rz 58), die - wie bereits aufgezeigt - im gegenständlichen Fall nicht vorliegen. Abgesehen davon ist ein Einbruch nicht als Katastrophe im Sinne der § 34 Abs. 6 EStG anzusehen. Zudem ist auch im Katastrophenfall nicht der Vermögensschaden an sich sondern nur die das Einkommen belastenden Kosten zur Beseitigung der Katastrophenschäden abzugsfähig, zu denen auch Ersatzbeschaffungen der zur üblichen Lebensführung erforderlichen Gegenstände gehören (vgl. Doralt, EStG11, § 34 Tz 78, Stichwort: Katastrophenschäden, Pkt. 3).

Eine - wie im Vorlageantrag eingewendet - sachlich nicht begründete Ungleichbehandlung gegenüber Vermögensschäden auf Grund von Einbrüchen im gewerblichen Bereich vermag der Unabhängige Finanzsenat nicht zu erkennen. Wirtschaftsgüter des Privatvermögens sind im Gegensatz zu den Wirtschaftsgütern des Betriebsvermögens grundsätzlich nicht steuerhängig, es sind daher weder Vermögensgewinne noch Vermögensverluste zu erfassen, demgegenüber werden im betrieblichen Bereich sowohl Vermögensgewinne als auch Vermögensverluste erfasst.

Es war daher spruchgemäß zu entscheiden.

Innsbruck, am

Ergeht auch an: Finanzamt als Amtspartei

Zusatzinformationen


Tabelle in neuem Fenster öffnen
Materie
Steuer
Finanzstrafrecht Verfahrensrecht
betroffene Normen
Schlagworte
außergewöhnliche Belastung
Diebstahl
Verweise
Zitiert/besprochen in

Datenquelle: Findok — https://findok.bmf.gv.at