Muss Finanzamt auf Möglichkeit von Stundungszinsen hinweisen?
Entscheidungstext
Berufungsentscheidung
Der unabhängige Finanzsenat hat über die Berufung der Bw., vom gegen den Bescheid des Finanzamtes Wien 4/5/10 vom betreffend Stundungszinsen entschieden:
Die Berufung wird als unbegründet abgewiesen.
Der angefochtene Bescheid bleibt unverändert.
Entscheidungsgründe
Mit Bescheid vom bewilligte das Finanzamt auf Grund eines Antrages vom eine Zahlungserleichterung in Form von 11 Raten in Höhe von monatlich € 670,00 beginnend mit und einer Schlussrate in Höhe von € 633,01. Diese Bewilligung umfasste den Abgabenrückstand in Höhe von € 2.908,64 zuzüglich bis zum Ablauf der Zahlungserleichterung zu belastende (Viertel-)Jahresbeträge an Einkommensteuer in Höhe von € 5.094,37 insgesamt somit einen Betrag von € 8.003,01.
Mit Bescheid vom bewilligte das Finanzamt auf Grund eines Antrages vom eine Zahlungserleichterung in Form von Raten.
Mit Bescheid vom setzte das Finanzamt für die Zeit vom bis Stundungszinsen in Höhe von € 66,09 mit der Begründung fest, dass diese für jene Abgabenschuldigkeiten von mehr als € 750,00 vorzuschreiben gewesen wären, für die aufgrund des Zahlungserleichterungsansuchens bzw. aufgrund der Bewilligung einer Zahlungserleichterung Zahlungsaufschub eingetreten sei.
In der gegen den Zinsenbescheid erhobenen Berufung führte die Berufungswerberin (Bw.) folgendes aus:
"Mit dem angeführten Bescheid wurden mir für den Zeitraum vom bis Stundungszinsen im Betrag von € 66,09 vorgeschrieben.
Diese Vorschreibung erfolgte rückwirkend über gewährte Zahlungserleichterungen vom und . Damals habe ich um Raten angesucht, die auch gewährt wurden in Kenntnis der Abgabenschuldigkeiten und ohne Stundungszinsen bei einem Schuldenstand von mehr als € 750,00 mit weiterer Aufstockung.
Ich habe allemir erteilten Auflagen pünktlich erfüllt und werde mit Ende des Jahres alle Rückstände abgestattet haben.
Was ist innerhalb eines Monats passiert?
Der Bescheid über die Festsetzung der Stundungszinsen ist lediglich aus dem Briefkopf des Formulars dem Finanzamt zuordenbar. Kein Hinweis, wer im Namen des Finanzamtes die Entscheidung getroffen habe und keine Unterschrift und aus welchem Anlass.
Ist das Willkür mit automatisierter Computerunterstützung?
Denn die Abgabenschuldigkeiten waren, wie aus Berechnungen ersichtlich, von Anfang an über € 750,00 gelegen und bekannt und ohne Veranlassung geblieben. Die Ratenzahlungen wurden genehmigt, ohne Stundungszinsen vorzuschreiben.
Es ist ein Gebot des Vertrauensgrundsatzes, dass abgegebene Entscheidungen auch eingehalten und nicht (willkürlich) widerrufen werden.
Wobei ein der Zahlungserleichterung beigelegtes Formblatt (nicht unterschrieben!!!) nach der Bescheidbegründung eine "Fortsetzung des Bescheidspruches" darstellen solle:
+ Diese Bewilligung kann jederzeit widerrufen werden.
+ Nichtanrechnung von Gutschriften
+ Weitere auflösende Bedingungen
+ Erläuterungen
+ Stundungszinsen.
Wie ein derartiger Bescheidspruchinhalt in Rechtskraft erwachsen könnte und ein neuer Bescheid in derselben Sache zum selben Gegenstand erfolgt, ist juristisch nicht erklärbar und nicht haltbar. Gleichzeitig wird in dem einen Satz der Begründung mitten im Bescheidspruch ausdrücklich darauf hingewiesen, dass in der Ratenbewilligung im Rahmen der Zahlungserleichterungen alle während deren Laufzeit fällig werdenden Zahlungen einbezogen wurden.
Besonders aufklärungsbedürftig ist, weshalb über die Stundungszinsen, wenn solche vorzuschreiben waren, dies erst nach einem Jahr, bzw. nach einem Monat nach einer Entscheidung über Zahlungserleichterungen erfolgt ist. Wollte man hier eine Rechtskraft abwarten?
Es liegt aber geradezu eine Irreführung vor, weil der Abgabenschuldner die Entscheidung im Hinblick auf keine Vorschreibung von Stundungszinsen die Entscheidung über die Zahlungserleichterungen in dieser Form zur Kenntnis genommen hat und sich andernfalls anders hätte entscheiden können, d.h. andere Finanzierungsmöglichkeiten erwogen hätte.
Ferner kann der "Hinweis" im "Spruch" des "Bescheides": "Diese Bewilligung kann jederzeit widerrufen werden." nicht weiter aufrecht bleiben, weil dafür nicht einmal eine Gesetzesbestimmung angeboten wurde und nach dem Verwaltungsrecht nicht möglich ist.
Aus diesen Gründen ersuche ich, der Berufung Folge zu geben und von der Festsetzung der Stundungszinsen Abstand zu nehmen, zumal ich bis Jahresende 2004 alle ausstehenden Beträge lt. bewilligtem Zahlungsplan abgestattet haben werde und neue nicht mehr anfallen werden, da ich wie bereits bekannt mit Ende September 2004 aus Pensionsgründen meine Berufstätigkeit beenden werde."
Mit Berufungsvorentscheidung vom wies das Finanzamt die Berufung als unbegründet ab und führte nach Zitierung des § 212 Abs. 2 BAO begründend aus, dass mit Bescheid vom auf Grund des Antrages der Bw. vom eine Ratenbewilligung gewährt. Nach dem Auslaufen dieser Zahlungserleichterung auf Grund einer neuerlichen gewährten Ratenbewilligung laut Bescheid vom seien gemäß der zitierten gesetzlichen Bestimmung Stundungszinsen zu berechnen und festzusetzen gewesen. Der angefochtene Bescheid sei damit zu Recht ergangen.
Zu den wesentlichen Punkten der Begründung der vorliegenden Berufung sei folgendes zu erläutern:
+ Keine Stundungszinsen bei einem Schuldenstand von mehr als € 750,00:
Die Abgabenbehörde sei in der Ausübung an die geltenden Gesetze gebunden. Der Wortlaut des zitierten § 212 Abs. 2 BAO erlaube dem Finanzamt keine Abweichung oder Ermessensentscheidung hinsichtlich der Festsetzung von Stundungszinsen.
Woraus die Bw. schließe, dass die bewilligte Zahlungserleichterung ohne Stundungszinsenvorschreibung genehmigt worden sei, könne nicht nachvollzogen werden, da im Zahlungserleichterungsbescheid auf die Möglichkeit einer Belastung an Stundungszinsen hingewiesen werde.
+ Form des Bescheides:
Gemäß § 96 BAO bedürften Ausfertigungen, die mittels automatisationsunterstützter Datenverarbeitung erstellt würden, weder einer Unterschrift, noch einer Beglaubigung und würden, wenn sie weder eine Unterschrift noch eine Beglaubigung aufweisen würden, als durch den Leiter der auf der Ausfertigung bezeichneten Abgabenbehörde genehmigt gelten.
+Widerruf:
Laut § 294 BAO könne die Abgabenbehörde unter Maßgabe der dort genannten Bedingungen Begünstigungstatbestände widerrufen. Im vorliegenden Fall sei diese Bestimmung nicht zur Anwendung gekommen, weshalb nicht weiter darauf einzugehen sei.
+ Während der Laufzeit fällig werdende Abgaben:
Aus dem Spruch des Bescheides gehe hervor, dass bis zum Ablauf der Zahlungserleichterung zu belastende (Viertel)Jahresbeträge an Einkommensteuer einbezogen sei. Hierbei könne nur der zum Zeitpunkt der Bescheiderstellung letzte Vorauszahlungsbescheid geltende Betrag an Einkommensteuervorauszahlung Berücksichtigung finden, was auch erfolgt sei.
Auch eine während der Laufzeit erfolgte Herabsetzung habe in der Stundungszinsenberechnung Eingang gefunden. Inwiefern dieser Teil des Spruches zu den angeführten weiteren Punkten des Bescheidspruches laut Bw. nicht juristisch erklärbar sein sollte, habe vom Finanzamt nicht nachvollzogen werden können.
+ Zeitpunkt des Ergehens des Stundungszinsenbescheides:
Wie aus dem, dem Bescheid beigelegten Stundungszinsenberechnungsblatt ersichtlich sei, seien die Zinsen tageweise vom jeweiligen für die Berechnung maßgeblichen Kontostand berechnet worden. Nach den Gesetzen der Logik könne somit eine Stundungszinsenberechnung erst nach Ablauf der Zahlungserleichterung erfolgen, da die für die Berechnung erforderlichen Daten vorher nicht feststehen würden.
+ Irreführung/Wahl der Finanzierungsmöglichkeit:
Auf Grund des Bescheidinhaltes sei die Möglichkeit einer Belastung an Stundungszinsen bekannt gewesen. Übrigens sei schon einmal, am auf Grund einer Zahlungserleichterung ein Stundungszinsenbescheid erlassen worden.
Nach § 212 Abs. 1 BAO dürfe eine Zahlungserleichterung nur bewilligt werden, wenn die sofortige Entrichtung der Abgaben für den Abgabepflichtigen mit erheblichen Härten verbunden wäre. Die Gewährung einer Ratenbewilligung werde vom Gesetzgeber nicht als Finanzierungsmöglichkeit, wie beispielsweise ein Kredit gesehen, sondern als Hilfestellung für den Abgabepflichtigen, wenn dieser nicht in der Lage sei, anderwärtig für die zeitgerechte Entrichtung seiner Abgaben Sorge zu tragen. Falls eine zum Zeitpunkt des Ansuchens um Zahlungserleichterung bestehende Finanzierungsmöglichkeit während der Laufzeit einer Zahlungserleichterung bekannt werde, wäre es der Abgabenbehörde gegeben, tatsächlich einen Widerruf nach § 294 BAO auszusprechen.
+ Hinweis betreffend Widerruf:
Hierbei sei ein Widerruf durch die Abgabenbehörde gemeint. Der Abgabepflichtige habe jederzeit die Möglichkeit, seinen Rückstand zur Gänze zu entrichten und somit die Höhe der Zinsenbelastung zu beeinflussen, bzw. diese zu verhindern.
Es werde noch darauf hingewiesen, dass einige Punkte der Berufungsbegründung, auf welche hier eingegangen worden sei, in einer Berufung gegen den der Stundungszinsenberechnung zugrunde liegenden Zahlungserleichterungsbescheid vorzubringen gewesen wären. Der Zahlungserleichterungsbescheid vom sei jedoch nicht angefochten worden und sei in Rechtskraft erwachsen. Somit seien die im Bescheid angeführten Bedingungen verbindlich, soweit kein Widerruf durch die Abgabenbehörde vorbehalten worden sei.
Um jedoch künftige Irrtümer bei der Entscheidung der Bw. hinsichtlich der Stellung von Zahlungserleichterungen vorzubeugen, seien diese Punkte trotzdem behandelt worden.
Aus den genannten Gründen habe die Begründung der vorliegenden Berufung dieser nicht zum Erfolg verhelfen können.
Dagegen beantragte die Bw. die Vorlage der Berufung an die Abgabenbehörde zweiter Instanz und führte aus, dass sie sich weitere Ausführungen vorbehalte und um Durchführung des Parteiengehörs ersuche.
Mit Vorhalt vom forderte der Unabhängige Finanzsenat die Bw. auf, sich mit den Ausführungen des Finanzamtes in der Berufungvorentscheidung auseinanderzusetzen und allfällige Ergänzungen des Berufungsvorbringens vorzunehmen.
Dieser Vorhalt wurde nicht beantwortet.
Über die Berufung wurde erwogen:
§ 212 Abs. 2 BAO lautet: Für Abgabenschuldigkeiten, die den Betrag von insgesamt 750 Euro übersteigen, sind,
a) solange auf Grund eines Ansuchens um Zahlungserleichterungen, über das noch nicht entschieden wurde, Einbringungsmaßnahmen weder eingeleitet noch fortgesetzt werden dürfen (§ 230 Abs. 3) oder
b) soweit infolge einer gemäß Abs. 1 erteilten Bewilligung von Zahlungserleichterungen ein Zahlungsaufschub eintritt,
Stundungszinsen in Höhe von viereinhalb Prozent über dem jeweils geltenden Basiszinssatz pro Jahr zu entrichten; Stundungszinsen, die den Betrag von 50 Euro nicht erreichen, sind nicht festzusetzen. Im Fall eines Terminverlustes gilt der Zahlungsaufschub im Sinn dieser Bestimmung erst im Zeitpunkt der Ausstellung des Rückstandsausweises (§ 229) als beendet. Im Fall der nachträglichen Herabsetzung einer Abgabenschuld hat auf Antrag des Abgabepflichtigen die Berechnung der Stundungszinsen unter rückwirkender Berücksichtigung des Herabsetzungsbetrages zu erfolgen.
Der Abgabenbehörde ist beim Vollzug der Bestimmungen des § 212 Abs. 2 BAO kein Ermessen eingeräumt (vgl. ).
Im Hinblick auf diese Rechtslage besteht daher nach Ansicht des Unabhängigen Finanzsenates keine Verpflichtung des Finanzamtes im Bescheid über die Bewilligung einer Zahlungserleichterung auf die Verpflichtung zur Entrichtung von Stundungszinsen hinzuweisen, zumal dieser Umstand dem Gesetz zu entnehmen ist. Davon abgesehen entsteht die Verpflichtung zur Entrichtung von Stundungszinsen bereits aufgrund des Ansuchens auf Zahlungserleichterung und nicht erst auf Grund der Bewilligung.
Faktum ist allerdings, dass die Bw. im Bescheid vom als Serviceleistung auf die Anforderung von Stundungszinsen aufmerksam gemacht wurde, wobei im Hinblick auf die dargelegte Rechtslage unerheblich ist, ob es sich bei diesem Hinweis um einen Bestandteil des Spruches handelt oder nicht.
Da gemäß § 4 BAO der Abgabenanspruch entsteht, sobald der Tatbestand verwirklicht ist, an dem das Gesetz die Abgabepflicht knüpft und der Stundungszinsenanspruch selbst LAUFEND, während jener Zeit, in der der Abgabepflichtige den Zahlungsaufschub in Anspruch nimmt, beginnend mit Antragstellung, entsteht, folgt, dass ein Zinsenbescheid nur für bereits angefallene Zinsen, nicht hingegen für zukünftig anfallende Zinsen, ergehen darf.
Der Hinweis auf das Gebot des Vertrauensgrundsatz geht schon deshalb ins Leere, da die Bw. von der Zinsenpflicht in Kenntnis war, zumal, wie in der Berufungsvorentscheidung dargelegt, bereits in der Vergangenheit () auf Grund einer Zahlungserleichterung ein Stundungszinsenbescheid erlassen wurde.
Davon abgesehen wurde nicht dargetan, dass aufgrund einer unrichtigen Auskunft des Finanzamtes ein Vertrauensschaden (Differenz zwischen gesetzmäßiger Steuerschuld und derjenigen Steuerbelastung, die aus dem steuerlichen Verhalten resultiert wäre, wäre die richtige Auskunft erteilt worden) entstanden ist. Das Erfüllungsinteresse wird jedoch durch den Grundsatz von Treu und Glauben grundsätzlich nicht geschützt.
Hinsichtlich der Berechnung der Zinsen hat die Bw. nichts vorgebracht.
Im Übrigen wird zur weiteren Begründung auf die Ausführungen in der Berufungsvorentscheidung verwiesen, wobei nochmals bemerkt wird, dass die Bw. diesen Ausführungen trotz Aufforderung nichts entgegengesetzt hat.
Es war daher spruchgemäß zu entscheiden.
Wien, am
Zusatzinformationen
Tabelle in neuem Fenster öffnen
Materie | Steuer Finanzstrafrecht Verfahrensrecht |
betroffene Normen | § 212 Abs. 2 BAO, Bundesabgabenordnung, BGBl. Nr. 194/1961 |
Schlagworte | Hinweispflicht Vertrauensgrundsatz Vertrauensschaden |
Datenquelle: Findok — https://findok.bmf.gv.at