Berufungsentscheidung - Steuer (Referent), UFSS vom 06.07.2010, RV/0016-S/09

Abgabennachsicht; keine Unbilligkeit; persönliche Unbilligkeit; sachliche Unbilligkeit; Erbschaftssteuer

Entscheidungstext

Berufungsentscheidung

Der Unabhängige Finanzsenat hat über die Berufung des JH., M-Dorf vom gegen den Bescheid des Finanzamtes Salzburg-Land vom betreffend Nachsicht gemäß § 236 BAO entschieden:

Die Berufung wird als unbegründet abgewiesen.

Der angefochtene Bescheid bleibt unverändert.

Entscheidungsgründe

Mit Ansuchen vom beantragte JH. die Nachsicht gem. § 236 BAO der Abgabenschuldigkeiten in Höhe von € 7.713,24, welche aus dem Erbfall GH. resultierten. Seitens des Nachsichtswerbers wurde das Vorliegen einer sachlichen und einer persönlichen Unbilligkeit vorgebracht und folgendermaßen begründet. a) zur sachlichen Unbilligkeit: bei dem gegenständlichen Abgabenrückstand handle es sich um Erbschaftsteuer für das Jahr 2005 resultierend aus dem Erbfall GH. in Höhe von € 7.713,24. Der VfGH habe mittlerweile wesentliche Teile des Erbschaftsteuergesetzes als verfassungswidrig beurteilt und werde die Erbschaftsteuer gar nicht mehr erhoben. Da der VfGH dem Gesetzgeber eine ausreichend lange Frist zur Sanierung der Erbschaftsteuer gesetzt habe und diese Möglichkeit zur Sanierung durch den Gesetzgeber nicht genutzt wurde, könne man davon ausgehen, dass es sich bei der Anwendung der Erbschaftsteuer mittlerweile offenbar um ein vom Gesetzgeber nicht beabsichtigtes Ereignis handle. In gleichgelagerten Fällen, die nach dem auftreten, würde keine Erbschaftsteuer erhoben, sodass es durch die Einhebung der Steuer zu einer anormalen Belastungswirkung und verglichen mit diesen anderen Fällen zu einem atypischen Vermögenseingriff komme. Dazu komme, dass nach dem Erbschaftsteuergesetz (nur) jener Teil einer Besteuerung unterworfen werde, der das Vermögen des Steuerpflichtigen erhöhe. Im Gegenstandsfall sei ein überschuldeter KG-Anteil und eine dazu gehörige Liegenschaft des Sonderbetriebsvermögens vererbt worden. Den KG-Anteil habe der UFS in der Berufungsentscheidung mit € 0.-bewertet. Die Liegenschaft sei mit dem dreifachen Einheitswert bewertet worden und damit Vermögen (Grundstück im Sonderbetriebsvermögen) und Verbindlichkeiten (Bankschuld) wirtschaftlich gesehen künstlich getrennt worden. Da die Liegenschaften durch Hypotheken für Schulden Dritter belastet seien, sei eine Minderung der Bemessungsgrundlage nicht vorgenommen worden. In ähnlich gelagerten Fällen, bei denen das Grundvermögen mit Schulden des Eigentümers belastet sei, bestehe ein wirtschaftlicher Zusammenhang zwischen Vermögen und Schuld und eine Minderung der Bemessungsgrundlage sei möglich. Verglichen mit diesen Fällen komme es hier zu einer anormalen Belastungswirkung und einem atypischen Vermögenseingriff. Im Ergebnis sei der Nachsichtswerber nicht bereichert worden.

b) zur persönlichen Unbilligkeit: Der Nachsichtswerber betreibe einen Beherbergungsbetrieb in MK. Die Vermietbarkeit der Zimmer sei begrenzt und vorrangig auf Schülergruppen und Gäste aus dem Niedrigpreissegment beschränkt. Die wirtschaftliche Situation stelle sich aufgrund der allgemeinen Geschäftslage als äußerst schwierig dar. Das Gebäude sei bereits in den 80iger Jahren errichtet worden und entspreche nicht mehr dem heutigen Stand eines Wellnesshotels. Aus diesem Grund sei es auch unmöglich die Liegenschaft zu einem akzeptablen Preis zu veräußern. Der Betrieb sei die einzige Einkunftsquelle des Nachsichtswerbers. In den letzten Jahren hätte aus dieser Quelle nur sehr geringe positive Ergebnisse erzielt werden können

Mit Bescheid vom hat das Finanzamt Salzburg-Land dieses Ansuchen mit der wesentlichen Begründung abgewiesen, dass weder eine persönliche noch eine sachliche Unbilligkeit vorliege. Die Erstinstanz hat festgehalten, dass die Unbilligkeit im Bereich der Einhebung vorliegen müsse und nicht im Bereich des materiellen Rechtes. Eine Auswirkung der allgemeinen Rechtslage könne nicht zu Nachsichtsmaßnahmen führen. Zur persönlichen Unbilligkeit verwies das Finanzamt auf das Vorhandensein gebundener Vermögenswerte. Vorübergehenden Liquiditätsproblemen sei mit Zahlungserleichterungen zu begegnen.

In der dagegen rechtzeitig erhobenen Berufung wird zunächst das bisherige Vorbringen wiederholt. Ergänzend wird vorgebracht, dass in den letzten Jahren aus dem operativen Geschäft nur geringe Gewinne erwirtschaftet wurden. Ohne die Veräußerung von Vermögen sei kein angemessenes Ergebnis zu erzielen gewesen. Es könne nicht von vorübergehenden Liquiditätsproblemen gesprochen werden, es handle sich um eine nachhaltig äußerst schwierige finanzielle Situation, die die Existenz gefährde. Die Argumentation des Finanzamtes, dass die Möglichkeit zur Veräußerung (Verschleuderung) von gebundenem Vermögen nicht zur Existenzgefährdung führe, entspreche nicht der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes. Das Finanzamt sei auf das Argument der Nichtbereicherung nicht eingegangen. Zudem handle es sich nicht um eine Gesetzesänderung sondern habe der VfGH wesentliche Teile des Erbschaftsteuergesetzes als verfassungswidrig aufgehoben. Der UFS habe wirtschaftlich gesehen eine künstliche Aufteilung von Vermögen (Grundstück) und Verbindlichkeiten vorgenommen. Da der Berufungswerber im Ergebnis nicht bereichert wurde und ihm trotzdem Erbschaftsteuer vorgeschrieben wurde, handle es sich bei diesem Einzelfall bei der Anwendung des Gesetzes um ein vom Gesetzgeber nicht beabsichtigtes Ergebnis, das zu einer anormalen Belastungswirkung und, verglichen mit ähnlich gelagerten Fällen, zu einem atypischen Vermögenseingriff geführt habe.

Das Finanzamt verzichtete auf die Herausgabe einer Berufungsvorentscheidung und legte diese Berufung dem Unabhängigen Finanzsenat zur Entscheidung vor.

Über die Berufung wurde erwogen:

Gemäß § 236 BAO können auf Antrag des Abgabepflichtigen fällige Abgabenschuldigkeiten ganz oder zum Teil durch Abschreibung nachgesehen werden, wenn ihre Einhebung nach Lage des Falles unbillig wäre. Das Nachsichtsverfahren zerfällt nach Lehre und Rechtsprechung in zwei voneinander getrennte Abschnitte. Zunächst ist in einer ersten Verfahrensphase zu prüfen, ob der maßgebliche Begriff der "Unbilligkeit der Einhebung" im Sinne des § 236 BAO zu bejahen ist. Bei der Prüfung dieser Frage darf der Zweck dieser Rechtsvorschrift nicht außer acht gelassen werden: durch das Rechtsinstitut der Nachsicht soll der Abgabenbehörde die Möglichkeit eingeräumt werden, eine im Einzelfall eingetretene besondere Härte oder vom Gesetzgeber nicht beabsichtigte Strenge der Abgabenvorschriften durch Billigkeitsmaßnahmen zu beseitigen oder zu mildern. Nach der Rechtsprechung kann die Unbilligkeit der Einhebung einer Abgabe nach Lage des Falles eine persönliche oder eine sachliche sein (). Eine persönliche Unbilligkeit ergibt sich aus der wirtschaftlichen Situation des Antragstellers. Sie besteht bei einem wirtschaftlichen Missverhältnis zwischen der Einhebung der Abgabe und den im Bereich des Abgabepflichtigen entstehenden Nachteilen. Eine sachliche Unbilligkeit liegt vor, wenn im Einzelfall bei Anwendung des Gesetzes ein vom Gesetzgeber offenbar nicht beabsichtigtes Ergebnis eintritt (). Dabei muss es im Vergleich zu ähnlichen Fällen zu einer anormalen Belastungswirkung kommen.

Der Berufungswerber argumentiert in beide Richtungen. Zur sachlichen Unbilligkeit ist zunächst festzuhalten, dass eine solche dann nicht vorliegt, wenn sie ganz allgemein die Auswirkung genereller Normen ist. Materiellrechtlich legistisch bedingte Unzulänglichkeiten ("Ungerechtigkeiten") sind keine Unbilligkeit iSd. § 236 BAO (Stoll, BAO-Kommentar, 2421). Die Unbilligkeit muss sich aus der Einhebung der Abgabe ergeben, nicht aus den Umständen der Festsetzung. In der allgemeinen Auswirkung einer generellen Norm ist keine sachliche Unbilligkeit gelegen. Eine sachliche Unbilligkeit der Abgabeneinhebung ist grundsätzlich in Fällen anzunehmen, in denen das ungewöhnliche Entstehen einer Abgabenschuld zu einem unproportionalem Vermögenseingriff beim Steuerpflichtigen führt. Der in der anormalen Belastungswirkung und verglichen mit ähnlichen Fällen, im atypischen Vermögenseingriff gelegene offenbare Widerspruch der Rechtsanwendung zu den vom Gesetzgeber beabsichtigten Ergebnissen muss seine Wurzel in einem außergewöhnlichen Geschehensablauf haben, der auf eine vom Steuerpflichtigen nach dem gewöhnlichen Verlauf nicht beeinflussbare Weise eine nicht zu erwartende Abgabenschuld ausgelöst hat, die zudem auch ihrer Höhe nach unproportional zum auslösenden Sachverhalt ist (, 2002/15/0002). Eine solche Unbilligkeit liegt etwa vor, wenn eine vom Gesetzgeber nicht gewollte Doppelbesteuerung eintritt oder wenn es durch die Inanspruchnahme von Bilanzierungswahlrechten zur einer Besteuerung eines Gewinnanteiles eines Gesellschafters von mehr als 200 % kommt ( ).

Von derartigen oder in ihrer Auswirkung vergleichbaren Konstellationen kann im Gegenstandsfall nicht die Rede sein. Der zugrunde liegende Erbfall ist im Jahr 2005 eingetreten, die teilweise Aufhebung des Erbschaftsteuergesetzes durch den Verfassungsgerichtshof ist erst Jahre später erfolgt. Erst ab unterliegen vergleichbare Erwerbsvorgänge nicht mehr der Erbschaftsbesteuerung. Daraus kann aber nicht abgeleitet werden, dass hinsichtlich aller früher verwirklichten Sachverhalte die Einhebung der rechtmäßig entstandenen Abgabenschuldigkeiten zu einer Unbilligkeit der Einhebung führen würde. Nach ständiger Rechtsprechung des VwGH führt eine Änderung der Rechtsprechung bei unveränderter Gesetzeslage bzw. eine Änderung in der materiellen Rechtslage insbesondere durch Novellierung von Abgabengesetzen nicht zur Annahme der Unbilligkeit. Würde man der vom Berufungswerber vertretenen Auffassung folgen, so läge immer dann, wenn der Gesetzgeber durch legistische Maßnahmen Unzulänglichkeiten bestehender Normen beseitigt, in den vor Inkrafttreten der gesetzlichen Neuregelung verwirklichten Fällen eine sachliche Unbilligkeit vor. Damit würde aber materielles Abgabenrecht in all diesen Fällen durch Maßnahmen der Abgabeneinhebung, nämlich Verzichte, korrigiert. Dies kann nicht Aufgabe des § 236 BAO sein. Daher lässt eine Gesetzesänderung, die generell erst ab ihrem Inkrafttreten wirkt, eine Abgabeneinhebung auf Grund von Sachverhalten, die noch unter der früheren Rechtslage verwirklicht wurden, nicht nach der Lage des Falles unbillig erscheinen (). Nicht anders ist der Fall zu beurteilen, wenn eine gesetzliche Bestimmung nach Aufhebung durch den Verfassungsgerichtshof aus dem Rechtsbestand ausscheidet. Nach den verfassungsrechtlichen Bestimmungen kommen nur Anlassfälle in den Genuss der Aufhebung, auf alle anderen (früheren) Sachverhalte ist die aufgehobene Norm weiterhin anzuwenden.

Die sich aus einer Gesetzesänderung ergebenden Unterschiede in der Belastung, je nachdem, ob die entsprechenden Sachverhalte vor oder nach dieser Änderung verwirklicht wurden, können zu subjektiv empfundenen Härten führen; sie treten aber in gleichen Lagen, sohin allgemein, ein und sind deswegen nicht Unbilligkeiten des Einzelfalles (; ).

Die Berufungsausführungen zur UFS-Entscheidung in der zugrunde liegenden Abgabensache können ebenso wenig eine Unbilligkeit aufzeigen. Es ist verfahrensrechtlich nicht zulässig im Nachsichtsverfahren Berufungsentscheidungen gleichsam nachträglich zu überprüfen bzw. zu korrigieren. Die angesprochene Entscheidung des UFS ist Folge der Rechtslage und folgt der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes, die Besteuerung ist Ergebnis der Auftrennung von KG - Anteil und Liegenschaftseigentum. Vom Abgabepflichtigen gewählte Gestaltungsmöglichkeiten können nicht deswegen zur Annahme einer Unbilligkeit in der Einhebung führen, weil sie zu einer Abgabenbelastung führen, die sich bei einer anderen Ausgestaltung vermeiden hätten lassen. Richtig ist, dass eine Minderung der Bemessungsgrundlage möglich ist, wenn Liegenschaften mit Hypotheken des Eigentümers belastet sind. Da im Gegenstandsfall die Liegenschaften mit Hypotheken für Schulden Dritter belastet sind, war eine Minderung der Bemessungsgrundlage nicht vorzunehmen. Dies führt aber zu keiner anormalen Belastungswirkung und zu keinem atypischen Vermögenseingriff, sondern ist Folge der allgemeinen Rechtslage.

Eine persönliche Unbilligkeit ergibt sich aus der wirtschaftlichen Situation des Antragstellers. Sie besteht bei einem wirtschaftlichen Missverhältnis zwischen der Einhebung der Abgabe und den im Bereich des Abgabepflichtigen entstehenden Nachteilen. Eine solche Unbilligkeit wird stets gegeben sei, wenn die Einhebung die Existenz des Angabepflichtigen oder seiner Familie gefährdet. Es genügt aber für die Annahme einer persönlichen Unbilligkeit, wenn die Abstattung der Abgabenschuld mit wirtschaftlichen Auswirkungen verbunden wäre, die außergewöhnlich sind, z.B. wenn die Abgabenschuld nur unter Verschleuderung von Vermögenswerten entrichtet werden könnte (). Nach dem Parteienvorbringen stellt sich die wirtschaftliche Lage des Bw. als sehr schwierig dar.

Aus dem Parteienvorbringen und den eingesehenen Steuerakten ist ersichtlich, dass sich der Nachsichtswerber in einer angespannten wirtschaftlichen Lage befindet. Die Einkünfte aus Gewerbebetrieb liegen in den vergangenen Jahren zwischen einem Gewinn von rund € 15.000.-(2005) und einem Gewinn von rund € 470.-(2004). Die Umsatzentwicklung ist rückläufig; die vorgebrachten Argumente zur touristischen Entwicklung in MK treffen sicher zu und werden nicht bestritten.

Dennoch liegt nach Beurteilung des Unabhängigen Finanzsenates eine persönliche Unbilligkeit nicht vor. Die Belastung an Erbschaftsteuer stellt keine solche außergewöhnliche Belastung dar, dass sie die oben dargestellten Kriterien erfüllen würde. In Relation zu den sonstigen Betriebsausgaben stellt die vom Nachsichtsansuchen umfasste Abgabenschuldigkeit betragsmäßig keine herausragende Größe dar. Das geforderte Missverhältnis zwischen der Einhebung der Abgabe und dem im Bereich des Abgabepflichtigen entstehenden Nachteilen ist nicht gegeben. Dem Finanzamt ist zuzustimmen, dass die Entrichtung der Abgabenschuld im Wege von Zahlungserleichterungen möglich sein sollte.

In verfahrensrechtlicher Hinsicht ist festzuhalten, dass im Parallelverfahren zu RV/17-S/09 mit Eingabe vom der Antrag auf Entscheidung durch den gesamten Berufungssenat und der Antrag auf mündliche Berufungsverhandlung zurückgezogen wurde. Da in beiden Verfahren eine völlig idente Sach- und Rechtslage gegeben ist, konnte der Referent auch im gegenständlichen Berufungsverfahren ohne Durchführung einer mündlichen Verhandlung über die Berufung absprechen .

Zusammenfassend ist daher festzustellen, dass die Unbilligkeit der Einhebung als wesentliche Tatbestandsvoraussetzung des § 236 BAO nicht gegeben ist, sodass die Berufung gegen den Abweisungsbescheid aus Rechtsgründen als unbegründet abzuweisen war. Mangels Vorliegens dieser Unbilligkeit konnte die Rechtsmittelbehörde auch nicht in die Ermessensentscheidung eintreten.

Es war daher spruchgemäß zu entscheiden.

Salzburg, am

Zusatzinformationen


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Materie
Steuer
Finanzstrafrecht Verfahrensrecht
betroffene Normen
§ 236 BAO, Bundesabgabenordnung, BGBl. Nr. 194/1961

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