Beschwerdeentscheidung - Strafsachen (Referent), UFSG vom 07.12.2004, FSRV/0009-G/03

Vorliegen hinreichender Verdachtsgründe für eine Abgabenhehlerei

Rechtssätze


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Stammrechtssätze
FSRV/0009-G/03-RS1
Eine unzulängliche Begründung des erstbehördlichen Bescheides ist im Falle seiner Bestätigung durch eine zulängliche Begründung der Finanzstrafbehörde zweiter Instanz zu ersetzen.
FSRV/0009-G/03-RS2
Für die Einleitung eines Finanzstrafverfahrens ist die Rechtskraft der Abgabenbescheide nicht Voraussetzung. Vor der Einleitung eines Finanzstrafverfahrens ist lediglich zu prüfen, ob bisher der Finanzstrafbehörde bekannt gewordene Umstände für einen Verdacht ausreichend sind oder nicht. Keinesfalls geht es dabei darum, die Ergebnisse des förmlichen Finanzstrafverfahrens gleichsam vorwegzunehmen ().

Entscheidungstext

Beschwerdeentscheidung

Der unabhängige Finanzsenat als Finanzstrafbehörde zweiter Instanz hat durch das Mitglied des Finanzstrafsenates 3, HR Dr. Wilhelm Pistotnig, in der Finanzstrafsache gegen S.A., als Beschwerdeführerin über die Beschwerde der Beschuldigten gegen den Bescheid über die Einleitung eines Finanzstrafverfahrens gemäß § 83 Abs. 1 des Finanzstrafgesetzes (FinStrG) des Hauptzollamtes Graz, vertreten durch Mag. Michael Richter-Kernreich, Zahl: aa,

zu Recht erkannt:

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Entscheidungsgründe

Mit Bescheid vom , Zahl: aa, hat das Hauptzollamt Graz als Finanzstrafbehörde erster Instanz gegen die Beschwerdeführerin (Bf.) zur SN: bb ein finanzstrafbehördliches Untersuchungsverfahren eingeleitet, weil der Verdacht bestehe, diese habe im Amtsbereich des Hauptzollamtes Graz am vorsätzlich einfuhrabgabepflichtige Waren, namentlich dreizehn Armketten, drei Armketten mit Tieranhänger und zwei Halsketten, alle in vierzehn Karat Gold 585 ausländischer Herkunft, somit Sachen, hinsichtlich welcher zuvor ein Schmuggel begangen worden sei und auf welchen Eingangsabgaben im Betrage von € 147,66 lasten würden, von einer unbekannten Person an sich gebracht und damit ein Finanzvergehen nach § 37 Abs. 1 lit. a FinStrG begangen.

Gegen diesen Bescheid richtet sich die fristgerechte Beschwerde der Beschuldigten, in welcher von ihr im Wesentlichen wie folgt vorgebracht wurde:

Aus den Ausführungen im Einleitungsbescheid, es stehe aufgrund der Ermittlungsergebnisse des Hauptzollamtes Graz als Finanzstrafbehörde I. Instanz und aufgrund der Aussage der Beschuldigten vom vor Organen des Hauptzollamts Wien als Finanzstrafbehörde I. Instanz fest, sie habe das Finanzvergehen in objektiver und subjektiver Hinsicht begangen, lasse sich in keiner Weise ableiten, worauf sich die Ansicht der ermittelnden Behörde stütze. Aus diesem Grund sei es ihr nicht möglich, konkrete Argumente anzuführen. Die Bezahlung der mit Bescheid des Hauptzollamtes Graz vom , Zahl: cc, vorgeschriebenen Abgaben sei nicht als Schuldeingeständnis zu werten. Ihr werde im Bescheid nicht vorgeworfen, die Ware selbst geschmuggelt zu haben. Es werde in der Begründung vielmehr ausgeführt, sie habe Ware, hinsichtlich welcher zuvor von einer nicht eruierbaren Person ein Schmuggel begangen worden sei, erworben.

Wenn ihr vorgeworfen werde, sie habe dadurch, dass sie möglicherweise nicht rechtmäßig ins Land gebrachte Ware erworben habe, unrechtmäßig gehandelt, so sei dazu auszuführen, dass nicht feststehe, die betreffende Ware sei unrechtmäßig ins Land gebracht worden. Es sei darauf zu verweisen, dass sie bei ihrer Vernehmung beim Hauptzollamt Wien ein Carnet ATA vorgewiesen habe, das belege, dass die betreffende Ware das Land verlassen und ordnungsgemäß wieder rückgeführt worden sei. Die Tatsache, dass die Ware eine Punzierung eines Nicht-EU-Landes aufweise, lasse nicht automatisch den Schluss zu, es handle sich bei der Ware um eine solche, die den Ursprung nicht in der EU hätte bzw. dass diese möglicherweise nicht ordnungsgemäß aus- und eingeführt worden sei.

Sie habe bei ihrer Vernehmung beantragt, einen Sachverständigen hinzuzuziehen. Wäre ihrem Ansuchen stattgegeben worden, so hätte ein Experte im Bereich Goldschmuck mit Sicherheit feststellen können, es handle sich um Ware aus italienischer Produktion, um hohle Ware, die mit einer speziellen Technologie (galvanisch - geschlossen) erzeugt worden sei, einer Technologie, die im ehemaligen Ostblock oder in GUS-Ländern nicht angewandt werde. Es stehe daher einwandfrei fest, es handle sich nicht um Erzeugnisse aus dem ehemaligen Ostblock oder aus GUS-Ländern.

Zum Vorwurf, unrechtmäßig Ware bedenklicher Herkunft übernommen und zum Verkauf gebracht zu haben, sei anzuführen, ihr könne, weil es sich eindeutig um italienische Ware handle, nicht vorgehalten werden, sie habe erkennen müssen, dass es sich möglicherweise um geschmuggelte Ware handle. Es sei für den Käufer einer Ware nicht möglich zu wissen, ob die Ware von einem vorherigen Besitzer ordnungsgemäß aus- und eingeführt worden sei. Im gegenständlichen Fall spreche sogar ein Carnet für die Tatsache, dass die Ware den Vorschriften entsprechend gehandhabt worden sei. Es könne ihr daher nicht vorgeworfen werden, leichtfertig einen bedenklichen Ankauf gemacht zu haben.

Bei den umfangreichen Ermittlungen sei festgestellt worden, lediglich achtzehn von mehr als tausend Stück Goldschmuck hätten eine ausländische Punzierung aufgewiesen. Sie habe die Ware bei der Übernahme stichprobenweise geprüft und bedauerlicherweise nicht erkannt, dass davon achtzehn Stück ausländisch punziert gewesen seien. Hätte sie dies erkannt, hätte sie solche Ware mit Sicherheit nicht angenommen. Es handle sich dabei um eine äußerst geringe Menge, deren Marktwert (Einkaufspreis beim Erzeuger) unter € 200,00 liege. Ihr sei es, wie sie dies den Zollbehörden durch eine Einkaufsrechnung nachgewiesen habe, möglich gewesen, direkt beim Erzeuger einzukaufen. Es würde für sie daher keinen Sinn machen, wissentlich geschmuggelte Ware anzukaufen.

Zur Entscheidung wurde erwogen:

Gemäß § 8 Abs. 1 FinStrG handelt vorsätzlich, wer einen Sachverhalt verwirklichen will, der einem gesetzlichen Tatbild entspricht; dazu genügt es, dass der Täter diese Verwirklichung ernstlich für möglich hält und sich mit ihr abfindet.

Gemäß § 37 Abs. 1 lit. a FinStrG macht sich der Abgabenhehlerei schuldig, wer vorsätzlich eine Sache oder Erzeugnisse aus einer Sache, hinsichtlich welcher ein Schmuggel, eine Verzollungsumgehung, eine Verkürzung von Verbrauchsteuern oder von Eingangs- oder Ausgangsabgaben begangen wurde, kauft, zum Pfand nimmt oder sonst an sich bringt, verheimlicht oder verhandelt.

Gemäß § 82 Abs. 1 FinStrG hat die Finanzstrafbehörde I. Instanz die ihr gemäß § 80 oder § 81 zukommenden Verständigungen und Mitteilungen darauf zu prüfen, ob genügende Verdachtsgründe für die Einleitung eines Finanzstrafverfahrens gegeben sind. Das Gleiche gilt, wenn sie in anderer Weise, insbesondere aus eigener Wahrnehmung, vom Verdacht eines Finanzvergehens Kenntnis erlangt. Die Prüfung ist nach den für die Feststellung des maßgebenden Sachverhalts im Untersuchungsverfahren geltenden Bestimmungen vorzunehmen. Ergibt diese Prüfung, dass die Durchführung des Strafverfahrens nicht in die Zuständigkeit des Gerichtes fällt, so hat die Finanzstrafbehörde I. Instanz nach der Anordnung des § 82 Abs. 3 FinStrG das Strafverfahren einzuleiten.

Dazu ist zunächst festzuhalten, dass nach der höchstgerichtlichen Rechtsprechung in der Einleitungsverfügung das einem Beschuldigten zur Last gelegte Verhalten, welches als Finanzvergehen erachtet wird, nur in groben Umrissen umschrieben werden muss (z.B. Zl. 89/16/0183; oder vom , Zl. 89/16/0201). Weiters reicht es für die Einleitung des Finanzstrafverfahrens aus, wenn gegen den Verdächtigen genügend Verdachtsgründe vorliegen, die die Annahme rechtfertigen, dass er als Täter eines Finanzvergehens in Frage kommt.

Ein Verdacht kann immer nur auf Grund einer Schlussfolgerung aus Tatsachen entstehen. Ohne Fakten - wie weit sie auch vom (vermuteten) eigentlichen Tatgeschehen entfernt sein mögen - gibt es keinen Verdacht. Ein Verdacht besteht, wenn hinreichende tatsächliche Anhaltspunkte die Annahme der Wahrscheinlichkeit des Vorliegens von bestimmten Umständen rechtfertigen. Es ist die Kenntnis von Tatsachen, aus denen nach der Lebenserfahrung auf ein Finanzvergehen geschlossen werden kann. Bloße Gerüchte und vage Vermutungen allein reichen für die Einleitung des Finanzstrafverfahrens nicht aus.

Eine unzulängliche Begründung eines erstbehördlichen Bescheides kann durch die Finanzstrafbehörde zweiter Instanz im Falle der Bestätigung des erstbehördlichen Bescheides durch eine zulängliche Begründung ersetzt werden (). Die Finanzstrafbehörde zweiter Instanz kann zur Verbreiterung der Entscheidungsgrundlagen selbst Ermittlungen durchführen und hat eine eigenständige Beurteilung der Sach- und Rechtslage vorzunehmen ().

Vor der Einleitung eines Finanzstrafverfahrens ist lediglich zu prüfen, ob die bisher der Finanzstrafbehörde bekannt gewordenen Umstände für einen Verdacht ausreichend sind oder nicht. Keinesfalls geht es dabei darum, die Ergebnisse des förmlichen Finanzstrafverfahrens gleichsam vorwegzunehmen. Bei der Beurteilung, also bei den entsprechenden Schlussfolgerungen, ob ausreichender Verdacht gegeben ist, ob hinreichende tatsächliche Anhaltspunkte die Annahme der Wahrscheinlichkeit des Vorliegens von Umständen rechtfertigen, die auf eine objektive und subjektive Begehung des Finanzvergehens durch die Bf. schließen lassen, ist im Gegenstand u.a. von folgenden Wahrnehmungen und Tatsachen auszugehen.

Die Bf. ist gewerbliche und handelsrechtliche Geschäftsführerin der G.H., die in S., N., O. und F. Standorte hat. Beamte des Gendarmeriepostens F. haben aus Anlass gewerberechtlicher Überprüfungen der Bf. als Betreiberin eines Geschäftes mit Goldwaren im Eurocenter in A. bei F. und in O. Erhebungen durchgeführt und dabei auch Goldwaren, vorwiegend in Kartons mit teilweise der Aufschrift Kasachstan, vorgefunden. Von den Beamten des Hauptzollamtes Graz als Finanzstrafbehörde I. Instanz wurden insgesamt achtzehn Stück Goldschmuck, der mit Punzen aus Drittstaaten versehen war, vorgefunden und beschlagnahmt.

F.M. hat als Verdächtiger angegeben, die Bf. handle mit Goldschmuck und Uhren, die sie zum Teil im italienischen Großhandel, sowie auch bei der Fa. E.E. Ges.m.b.H. eingekauft habe. Der beschlagnahmte Schmuck sei von der Fa. E.E. Ges.m.b.H. angekauft worden. Diese habe im November-Dezember 1999 eine Verkaufsausstellung in Kasachstan durchgeführt und einen Teil der Ware, die dort nicht verkauft worden sei, an den italienischen Lieferanten zurückgeliefert. In der Folge sei diese Ware - ca. dreißig Stück Ketten - von der G.H. in V. in Italien übernommen und durch ihn und die Bf. nach Österreich verbracht worden. Der gesamte Schmuck sei in der Folge der Punzierungsstelle in Wien vorgelegt worden. Die mit Drittlandspunzen versehene Ware sei nicht gestellt worden.

Beamte des Hauptzollamts Graz als Finanzstrafbehörde I. Instanz haben aus Anlass der Kontrolle in O. in einem Aktenvermerk u.a. festgehalten, die Bf. sei im Grunde der Ausführungen der Verkäuferin H.G. ca. eine Stunde vor dem Eintreffen der Beamten im Geschäft gewesen und habe eine größere Menge an Schmuckwaren aus den Schaukästen entnommen. Es habe sich F.M. im Hinblick auf Fragen nach dem Aufenthaltsort der Bf. in Widersprüche verstrickt. Er habe angegeben, ihm sei situationsbedingt keine andere Möglichkeit geblieben, als den tatsächlichen Aufenthaltsort seiner Lebensgefährtin zu verschweigen. F.M. und die Bf. hätten die Fahrzeuge gewechselt. Der in A. durch die Bf. abgeholte Schmuck sei umgeladen worden.

Die Bf. hat in ihrer schriftlichen Stellungnahme vom angegeben, die Fa. E.E. Ges.m.b.H. habe Musterausstellungen veranstaltet. Zu diesem Zweck habe sie Musterware aus italienischer Produktion in den GUS-Raum verbracht. Die Gesetzeslage im GUS-Raum sei jene, dass danach jeder, auch der auf Vormerk importierte Goldschmuck, der zum Zwecke einer Schaustellung in das Land verbracht werde, mit Landespunzen versehen werden müsse. Die betreffenden Goldketten seien mit Carnet ATA nach Ungarn und von Ungarn unter Vormerk weiter nach Kasachstan verbracht worden. In der Folge seien sie wieder nach Ungarn zurückgekommen und mit dem erwähnten Carnet ATA wieder in den EU-Raum rückgeführt worden. Die Bf. hat der Stellungnahme das Carnet ATA in Kopie angeschlossen.

Die Bf. hat am bei ihrer Einvernahme u.a. ausgeführt, Goldschmuck in einer Menge von 3.874,08 Gramm von der Fa. E.E. Ges.m.b.H. gekauft zu haben. Die Ware habe sie stichprobenweise kontrolliert und festgestellt, bei der Ware handle es sich aufgrund der Farbe des Goldes und der Verarbeitung um eine Produktion im EU-Raum, um in Italien produzierten Schmuck (gem. schriftlicher Eingabe der Bf. vom ). Ob es sich bei der im Carnet ATA erfassten Ware um die ihr von der Fa. E.E. Ges.m.b.H. angebotene gehandelt habe, könne sie nicht angeben. Laut Lieferschein vom wurden 3.874,08 Gramm Goldschmuck aus 14 Karat Gold erworben.

Das von der Wirtschaftskammer Wien für die Fa. E.E. Ges.m.b.H. ausgestellte und mit Datum als Wiederausfuhrfrist versehene Carnet ATA Nr. dd hat die vorübergehende Ausfuhr von 3.874,8 Gramm Goldschmuck aus 14 Karat Gold zu Ausstellungszwecken zum Inhalt. Das Carnet ATA besteht u.a aus einem Ausfuhrblatt (Zollamt Wien - ), einem Einfuhrblatt (Zollamt Hegyeshalom - ), einem Wiederausfuhrblatt (Zollamt Hegyeshalom - ) und einem Wiedereinfuhrblatt (Zollamt Nickelsdorf - ).

Aus dem Aktenvermerk vom ergibt sich, die Bf. habe im Grunde von Informationen seitens des zuständigen Finanzamtes in den letzten Jahren keine Steuererklärungen abgegeben und auch keine Steuern entrichtet.

Der allgemein beeidete gerichtlich zertifizierte Sachverständige Otto Starz führt in seinem Gutachten vom aus, er habe über Auftrag des unabhängigen Finanzsenates nochmals sämtliche Goldwaren eingehend begutachtet und keinerlei Hinweise - Punzen - feststellen können, die darauf hinweisen würden, dass diese Stücke italienischer Fertigung bzw. italienischen Ursprungs seien. In Italien sei es üblich, Schmuckwaren mit einer Feingehaltspunze und der Fabrikationsmarke des Erzeugers zu versehen, wobei aber die amtliche Punzierung nicht obligatorisch sei. Der begutachtete Schmuck sei eine maschinell gefertigte Massenware. Die Fertigung dieses Schmuckes könne überall dort erfolgen, wo diese Maschinen vorhanden seien. Es sei jedoch nicht auszuschließen, dass der Schmuck italienische Schwarzarbeit sei.

Die Bf. hatte Gelegenheit, sich zu den Ausführungen des Sachverständigen zu äußern. Ihre diesbezüglichen Ausführungen vom können nicht überzeugen. Die Ausführungen der Bf. können den Fakten nicht eindeutig zugeordnet werden. Die Bf. selbst hat ausgeführt, sie wisse nicht, ob der verfahrensgegenständliche Schmuck mit jenem, der vom Carnet ATA umfasst war, übereinstimmt. Das Carnet ATA selbst hatte als Vormerkschein eine Ausstellung in Ungarn zum Inhalt. Die Bf. betont, das Carnet ATA würde für die Tatsache sprechen, die Ware sei den Vorschriften entsprechend behandelt worden.

Gerade dafür spricht das Carnet ATA jedoch nicht. Wäre die Ware oder zumindest ein Teil der Ware des Carnet ATA entsprechend der Verantwortung des Bf. und in Entsprechung der gesetzlichen Bestimmungen weiter nach Kasachstan verbracht worden, müsste das Carnet ATA auch entsprechende Transitblätter enthalten. Am Standort O. wurden Kartons mit der Aufschrift Kasachstan vorgefunden.

Bei den immer globaler werdenden Wirtschaftsbeziehungen spricht eigentlich nichts dagegen, dass maschinell gefertigte Massenware überall dort produziert wird, wo entsprechende Maschinen aufgestellt werden. Es ist nicht unmöglich, nicht auszuschließen und auch nicht in hohem Maße unwahrscheinlich, dass industriell gefertigte Massenware europäischer Facon in den ehemaligen GUS-Staaten erzeugt wird und wurde.

Durch die Entrichtung der auf der Ware lastenden Abgaben darf zumindest objektiv vom Vorliegen einer Unregelmäßigkeit ausgegangen werden. F.M., der nach den Ausführungen der Bf. Musterausstellungen auch im GUS-Raum durchgeführt habe, hat angegeben, eine Gestellung und damit Zollbehandlung der mit drittländischen Punzen versehenen Ware habe nicht stattgefunden.

Zur subjektiven Tatseite bleibt anzumerken, dass zur Verwirklichung eines Finanzvergehens nach § 37 Abs. 1 lit. a FinStrG die Untergrenze des Vorsatzes, der bedingte Vorsatz (Eventualvorsatz) ausreicht. Wissentlichkeit ist danach nicht gefordert. Bei bedingtem Vorsatz erstrebt der Täter die Verwirklichung des Unrechtssachverhaltes nicht, sondern handelt um anderer Zwecke willen. Er rechnet auch nicht damit, dass er ihn bestimmt herstellen werde, hält es allerdings für möglich, dass seine Handlung neben dem, was er mit ihr anstrebt, den deliktischen Sachverhalt verwirklichen werde. Voraussetzung für die Annahme des Eventualvorsatzes ist nicht ein Wissen um eine Tatsache oder um ihre Wahrscheinlichkeit im Sinne eines Überwiegens der dafür sprechenden Momente, sondern es genügt das Wissen um die Möglichkeit. Unter Möglichkeit ist nicht das Bestehen eines abstrakten, sondern die Möglichkeit in einem konkreten Sinn zu verstehen.

Ein Ankauf von Schmuck von einem Unternehmen, das Geschäftsbeziehungen in GUS-Staaten hat, Schachteln mit der Aufschrift Kasachstan, in denen sich Schmuck befindet, müssen zumindest für gewerbliche und handelsrechtliche Geschäftsführer von Unternehmen, die mit Goldschmuck handeln, Anlass zu Bedenken und Zweifeln sein und hätten im Gegenstande zumindest eingehendere Prüfungen der angekaufter Ware erfordert.

Auf Grund der bisherigen Ermittlungsergebnisse und der in Teilen mit den Fakten nicht übereinstimmenden Verantwortung der Bf. bestehen Verdachtsgründe, die eine Einleitung des Strafverfahrens jedenfalls begründet erscheinen lassen. Die bescheidmäßige Einleitung des Finanzstrafverfahrens durch das Hauptzollamt Graz als Finanzstrafbehörde erster Instanz erfolgte zu Recht. Es liegen genügend Verdachtsgründe vor, die die Annahme rechtfertigen, die Bf. komme als Täter des ihr zum Vorwurf gemachten Finanzvergehens in Frage. Es sind ausreichend Verdachtsgründe gegeben, die dazu berechtigen, davon auszugehen, die Bf. könnte sowohl in objektiver als auch in subjektiver Hinsicht vorsätzlich einfuhrabgabepflichtige Waren, namentlich dreizehn Armketten, drei Armketten mit Tieranhänger und zwei Halsketten, je vierzehn Karat Gold 585 ausländischer Herkunft, somit Sachen, hinsichtlich welcher zuvor ein Schmuggel begangen worden ist, an sich gebracht und damit ein Finanzvergehen nach § 37 Abs. 1 lit. a FinStrG begangen haben.

Ob der Verdacht eines derzeit erst in groben Umrissen in seinen objektiven und subjektiven Tatbestandselementen erkennbaren Finanzvergehens zur Überzeugung der Finanzstrafbehörde führen wird, die Bf. habe das ihr zur Last gelegte Finanzvergehen gemäß § 37 Abs. 1 lit. a FinStrG tatsächlich begangen, bleibt dem durchzuführenden Finanzstrafverfahren vorbehalten.

Es war daher spruchgemäß zu entscheiden.

Graz, am

Zusatzinformationen


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Materie
Finanzstrafrecht Verfahrensrecht
betroffene Normen
Schlagworte
unzulängliche Begründung
erstbehördlicher Bescheid
zulängliche Begründung
Finanzstrafbehörde zweiter Instanz
Abgabenbescheid
Verdacht
förmliches Verfahren nicht vorwegnehmen
Verweise

Datenquelle: Findok — https://findok.bmf.gv.at