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Beschwerdeentscheidung - Strafsachen (Referent), UFSW vom 27.11.2006, FSRV/0023-W/06

Wiedereinsetzung in den vorigen Stand bei einer Einspruchsfrist gegen eine Strafverfügung

Entscheidungstext

Beschwerdeentscheidung

Der unabhängige Finanzsenat als Finanzstrafbehörde zweiter Instanz hat durch das Mitglied des Finanzstrafsenates 5, Hofrat Dr.MMag. Roland Schönauer, in der Finanzstrafsache gegen Bf., ohne Beschäftigung, geb. xxx, wohnhaft yyy, über die Beschwerde der Beschuldigten vom gegen den Bescheid des Zollamtes Wien vom , Zl. 100/91.382/2005-AFF/Tou, SN 100/2005/01055-002, dieses vertreten durch ORat Dr. Gerold Teibinger, betreffend Abweisung des Antrags auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand

zu Recht erkannt:

Die Beschwerde wird gemäß § 156 Abs.4 Finanzstrafgesetz (FinStrG) als nicht fristgerecht eingebracht zurückgewiesen.

Entscheidungsgründe

Mit Bescheid vom hat das Zollamt Wien als Finanzstrafbehörde erster Instanz einen Antrag der Bf. (Beschwerdeführerin, im folgenden Bf.) vom auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gemäß § 167 FinStrG mit der Begründung abgewiesen, dass bei der am in ungarischer Übersetzung zugestellten Strafverfügung die Rechtskraft der Entscheidung am eingetreten sei und die am beantragte "Wiedereinsetzung des Finanzstrafverfahrens" auf die Begründung gestützt war, die Bf. habe erst nach Kontaktaufnahme mit einer ungarischen Rechtsanwältin die Sachlage verstehen und gegen die Strafverfügung Einspruch erheben können. Das sei aber kein anzuerkennender Wiedereinsetzungsgrund nach einer Fristversäumnis aufgrund eines unvorhergesehenen oder unabwendbaren Ereignisses im Sinne von § 167 FinStrG.

Gegen diesen abweisenden Bescheid (Zustellung mit internationalem Rückschein am ) erhob die Bf. mit Schriftsatz vom , Postaufgabe , Beschwerde an die Finanzstrafbehörde II. Instanz. Begründend führte sie aus, dass sie wegen fehlender Rechts- und Sprachkenntnisse nicht in der Lage war, einen den §§ 56 Abs.2 und 153 FinStrG entsprechenden Einspruch ohne fachkompetente Hilfe abzufassen. Nachdem ihr bekannt geworden war, dass das Zollamt den Brief ihres Ehemannes vom nicht als Einspruch wertete und ihm einen Mängelbehebungsauftrag erteilt hatte, habe sie über einen Dolmetsch der ungarischen Zollfahndung eine ungarische Rechtsanwältin kontaktiert, die ihr den Rechtsfall erklärte, wonach sie dann binnen Monatsfrist nach Aufhören des Hindernisses den Einspruch unter Einhaltung des § 153 FinStrG erhob. Der Bescheid vom berücksichtige nicht, dass ein der deutschen Sprache nicht mächtiger EU-Bürger ein dem § 153 FinStrG, insbesondere dem Abs.1 lit.c) und d) dieser Bestimmung entsprechendes Rechtsmittel ohne fachkundigen Beistand mit Deutschkenntnissen und ohne Gewährung einer angemessenen Frist nicht einbringen könne. Die Bf. zog einen Vergleich zum ungarischen Recht, in dem beim Widerspruch gegen einen solchen Bescheid eine Begründung gar nicht nötig wäre. Jedenfalls war die angegebene Frist zur Beischaffung der Gesetzestexte (RIS sei nicht einmal an ungarischen Universitäten bekannt) und deren Übersetzung nicht ausreichend gewesen.

In dem Schriftsatz wurde weiters ein Antrag auf Wiederaufnahme des Verfahrens gemäß § 165 Abs.1 lit.b) wegen bisher nicht berücksichtigter Beweise zu ihren Einkommensverhältnissen und ihrer angenommenen Mittäterschaft gestellt. Weiters wurde Fr. N. als Zustellungsbevollmächtigte (§ 9 Abs.1 Zustellgesetz) benannt.

Zur Entscheidung wurde erwogen:

Dem Finanzstrafverfahren liegt der Sachverhalt zugrunde, dass am die 3 ungarischen Staatsbürger X., Bf. und Y. bei der Zollstelle Klingenbach betreten wurden, als sie in 2 Autos kommend, insgesamt 161 Stangen Zigaretten verschiedener Sorten ohne Anmeldung von Ungarn nach Österreich verbringen wollten. Die Zigaretten waren in unter Kleidungsstücken verdeckten Kunststofftaschen, in den Reserveradmulden, unter den Fußmatten und unter den Rücksitzbänken, in Werkzeugkisten mit doppeltem Boden sowie am Körper der 3 Personen unter Kleidungsstücken versteckt. Es wurde mit den 3 Personen eine Tatbeschreibung gemäß § 83 Abs.3 FinStrG aufgenommen, in der festgehalten wurde, dass ein serbischer Staatsbürger die Zigaretten zu den 3 Personen nach T. gebracht und den Auftrag erteilt hatte, sie zum Westbahnhof zu bringen und dort gemäß telefonischer Anweisung weiterzugeben. Die Tatbeschreibung wurde von den 3 Personen unterfertigt, die Zigaretten beschlagnahmt und die Finanzstrafbehörde I. Instanz verständigt. Von X wurde zur Sicherung von Geldstrafe und Verfahrenskosten ein Betrag in Höhe von 2.000,- € eingehoben.

Am erging an die 3 Personen jeweils eine Strafverfügung gemäß § 143 FinStrG, in denen ihnen für bewusstes und gewolltes Zusammenwirken bei den Delikten der vorsätzlichen Abgabenhehlerei und der vorsätzlichen Abgabenhinterziehung sowie des versuchten vorsätzlichen Eingriffs in die Rechte des Tabakmonopols jeweils eine Geldstrafe plus Kostenersatz in Höhe von 2.200,- € auferlegt und auf Verfall der Zigaretten erkannt wurde. Für den Nichteinbringungsfall der Geldstrafe wurde auf eine Ersatzfreiheitsstrafe von 7 Tagen erkannt. Die Strafverfügung enthielt eine ausführliche Belehrung über das binnen einem Monat auszuübende Einspruchsrecht gegen die Strafverfügung.

Die in die Muttersprache übersetzte Strafverfügung wurde der Bf. am mit internationalem Rückschein zugestellt. Die Einspruchsfrist währte daher gemäß §§ 56 Abs.2 und Abs.3 und 145 Abs.1 FinStrG bis zum Ablauf des .

Im Folgenden wurde zwischen dem Zollamt und dem Ehemann der Bf., X , ein Schriftverkehr geführt, der die Intention des X erkennen lässt, auch für die beiden anderen involvierten Personen des Verfahrens, also die Bf. und seinen Vater Y. zu sprechen. Ungeachtet des Umstandes, dass man im Finanzstrafverfahren als Beschuldigter für sich selbst oder durch einen gemäß § 77 FinStrG bestellten Verteidiger auftreten muss, führen dieser Schriftverkehr und die Argumentationen des X in Hinblick auf die beiden anderen Personen für diese zu keiner günstigeren Beurteilung im Wiedereinsetzungsverfahren und zum spruchgemäßen zurückweisenden Ergebnis dieser Beschwerdeentscheidung.

Mit Schreiben vom , zur Post gegeben am , führte X aus, dass er die beschriebene Tat und damit eine Rechtsverletzung begangen habe, wolle aber zu seiner Entschuldigung die schlechte wirtschaftliche Lage seiner Familie (also der 3 involvierten Personen) anführen, durch die sie in diese Lage geraten sind. Er kenne sich mit Rechtsregeln nicht aus, erbitte diesbezüglich Aufklärung und halte es für richtig, dass die Verantwortung und die Folgen nur bei ihm liegen. Er bitte daher, dass die Strafe nur gegen ihn verhängt und herabgesetzt sowie eine Ratenzahlung bewilligt werden möge.

Mit übersetztem Antwortschreiben vom , zugestellt am 2.11., erteilte ihm die Finanzstrafbehörde I. Instanz die gewünschten Auskünfte und belehrte auch darüber, dass im Verfahren die Anträge jeweils von der betreffenden Person selbst gestellt werden müssen. Zugleich erging dabei die Anfrage an X , ob sein Schreiben vom als Einspruch gegen die Strafverfügung zu verstehen sei. Für die Antwort wurde eine 14 - tägige Frist ab Zustellung gewährt.

Als Antwort übermittelte er im Faxweg am eine Zusammenstellung über die finanziellen Verhältnisse seiner Familie und am die Bf. einen am 14.12. abgefassten Schriftsatz mit der Überschrift "Wiedereinsetzungsantrag, Einspruch, ua." Darin stellte sie gemäß § 167 FinStrG einen Antrag auf Wiedereinsetzung in die Einspruchsfrist und erhob gleichzeitig Einspruch gegen die Strafverfügung vom . Dabei führt sie aus, ihren Ehemann nicht zu den Finanzvergehen bestimmt oder zu deren Ausführung beigetragen zu haben, weshalb § 11 FinStrG auf sie nicht anwendbar sei. Gemäß § 23 Abs.3 FinStrG seien die persönlichen Verhältnisse und die wirtschaftliche Leistungsfähigkeit eines Täters zu berücksichtigen und es gehe aus dem Brief ihres Ehegatten vom ihre triste Situation hervor. Daher sei die in Höhe von 2.000,- € verhängte Strafe nicht angemessen. Sie habe einen entsprechenden Einspruch ohne fachkompetente Hilfe nicht selbst verfassen können und daher zuerst den Rat einer durch einen Dolmetscher der ungarischen Zollfahndung vermittelten ungarischen Rechtsanwältin gesucht. Erst dann habe sie, binnen Monatsfrist nach Aufhören des Hindernisses, einen dem § 153 FinStrG entsprechenden Einspruch abfassen können. Weiters stellte sie den Antrag auf Bewilligung von Ratenzahlungen.

Der abweisende Bescheid der Finanzstrafbehörde I. Instanz vom wurde mit internationalem Rückschein am der Bf. zugestellt. Dagegen brachte die Bf. mit Schriftsatz vom im Wesentlichen mit denselben begründenden Argumenten wie im Wiedereinsetzungsantrag (s.o.) Beschwerde ein, die laut Poststempel am zur Post gegeben wurde und am beim unabhängigen Finanzsenat eintraf.

In finanzstrafrechtlicher Hinsicht sind im vorliegenden Verfahren folgende Bestimmungen von Belang:

§ 145 Abs.1 FinStrG: Der Beschuldigte und die Nebenbeteiligten können gegen die Strafverfügung binnen einem Monat nach der Zustellung bei der Finanzstrafbehörde I. Instanz, die die Strafverfügung erlassen hat, Einspruch erheben; sie können zugleich die der Verteidigung und der Wahrung ihrer Rechte dienlichen Beweismittel vorbringen.

§ 167 Abs.1 FinStrG : Gegen die Versäumung einer Frist oder einer mündlichen Verhandlung ist auf Antrag des Beschuldigten oder der Nebenbeteiligten eines anhängigen oder abgeschlossenen Finanzstrafverfahrens die Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zu bewilligen, wenn der Antragsteller durch die Versäumung einen Rechtsnachteil erleidet und glaubhaft macht, dass er durch ein unvorhergesehenes oder unabwendbares Ereignis verhindert war, die Frist einzuhalten oder zur Verhandlung zu erscheinen. Dass dem Beschuldigten oder dem Nebenbeteiligten ein Verschulden an der Versäumung zur Last liegt, hindert die Bewilligung der Wiedereinsetzung nicht, wenn es sich nur um einen minderen Grad des Versehens handelt.

Abs.2: Der Antrag auf Wiedereinsetzung muss binnen Monatsfrist nach Aufhören des Hindernisses bei der Behörde gestellt werden, bei der die Frist wahrzunehmen war oder die Verhandlung stattfinden sollte. Diese ist auch zur Entscheidung über den Antrag berufen.

Abs.3: Im Fall der Versäumung einer Frist hat der Antragsteller die versäumte Handlung gleichzeitig mit dem Wiedereinsetzungsantrag nachzuholen.

...

§ 108 Abs.1 BAO: Bei der Berechnung von Fristen, die nach Tagen bestimmt sind, wird der für den Beginn der Frist maßgebende Tag nicht mitgerechnet.

Abs.2: Nach Wochen, Monaten oder Jahren bestimmte Fristen enden mit dem Ablauf desjenigen Tages der letzten Woche oder des letzten Monats, der durch seine Benennung oder Zahl dem für den Beginn der Frist maßgebenden Tag entspricht. Fehlt dieser Tag in dem letzten Monat, so endet die Frist mit Ablauf des letzen Tages dieses Monats.

Abs.3: Beginn und Lauf einer Frist werden durch Samstage, Sonntage oder Feiertage nicht behindert. Fällt das Ende einer Frist auf einen Samstag, Sonntag oder gesetzlichen Feiertag, Karfreitag oder 24. Dezember, so ist der nächste Tag, der nicht einer der vorgenannten Tage ist, als letzter Tag der Frist anzusehen.

Abs.4: Die Tage des Postenlaufes werden in die Frist nicht eingerechnet.

Im vorliegenden Fall war die Beschwerde gegen den Bescheid vom schon aus dem formellen Grund der verspäteten Einbringung spruchgemäß zurückzuweisen. Für die Beurteilung der Rechtzeitigkeit ist nicht das in der Überschrift der Beschwerdeschrift aufscheinende Datum maßgebend, sondern jenes der Postaufgabe, das im Poststempel mit aufscheint. Nicht maßgeblich sind hingegen gemäß dem nach § 56 Abs.2 FinStrG auch im Finanzstrafverfahren geltenden § 108 Abs.4 BAO die anschließenden Tage des Postenlaufes, also die Zeit bis zum Eintreffen des Schriftstücks bei der Behörde, hier am . Das Zustelldatum des Bescheides vom scheint im Rückschein mit auf. Dieses Datum setzt die einmonatige Rechtsmittelfrist in Lauf, die gemäß § 108 Abs.2 BAO mit Ablauf des Donnerstags, endet. Somit erfolgte die Einbringung des Rechtsmittels der Beschwerde am Montag, dem verspätet. Die mit rechtskräftig gewordene Strafverfügung bleibt somit aufrecht und hat gemäß § 145 Abs.5 FinStrG die Wirkung eines rechtskräftigen Erkenntnisses.

Im Übrigen sei vermerkt, dass die geltend gemachten Gründe auch gar kein Wiedereinsetzungsgrund im Sinne des § 167 FinStrG sein konnten. Unter einem die Einhaltung einer Frist hindernden Ereignis ist ein im Voraus nicht berechenbares bzw. unüberwindliches Hindernis gemeint, mit dessen Eintritt normalerweise nicht gerechnet werden muss, weil es nur selten eintritt und das die Handlungsfähigkeit einer Person in einem Ausmaß behindert, das es der Person unmöglich macht, ihre verfahrensrechtlichen Handlungen vorzunehmen, wie z.B. plötzlich und schwer auftretende Krankheit. Nicht als Wiedereinsetzungsgrund in die Einspruchsfrist einer Strafverfügung kann hingegen der Umstand gelten, sich den Inhalt der Strafverfügung erst von einer rechtskundigen Person erläutern zu lassen, um dann einen Einspruch zu formulieren.

Vermerkt sei, dass der im Beschwerdeschreiben vom ebenfalls enthaltene Antrag auf Wiederaufnahme des Verfahrens gemäß § 165 FinStrG nicht Gegenstand dieser Beschwerdeentscheidung ist, sondern gemäß § 165 Abs.4 FinStrG bei der Finanzstrafbehörde einzubringen ist, die im abgeschlossenen Verfahren die Strafentscheidung in erster Instanz erlassen hat. Das ist durch Weiterleitung der Beschwerdeschrift vom an die Finanzstrafbehörde I. Instanz am erfolgt. Die Entscheidung über die Wiederaufnahme steht gemäß § 166 Abs.1 FinStrG der Finanzstrafbehörde zu, die in letzter Instanz die Strafentscheidung im abgeschlossenen Verfahren gefällt hat.

Wien, am

Zusatzinformationen


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Materie
Finanzstrafrecht Verfahrensrecht
betroffene Normen
§ 167 Abs. 1 FinStrG, Finanzstrafgesetz, BGBl. Nr. 129/1958
§ 108 BAO, Bundesabgabenordnung, BGBl. Nr. 194/1961
Schlagworte
Wiedereinsetzung in den vorigen Stand

Datenquelle: Findok — https://findok.bmf.gv.at