Berufungsentscheidung - Steuer (Referent), UFSW vom 22.09.2009, RV/2039-W/09

Anspruch auf Familienbeihilfe nach dem PensionsharmonisierungsG, wenn ein Asylverfahren zum 1.1.2006 noch anhängig ist.

Entscheidungstext

Berufungsentscheidung

Der Unabhängige Finanzsenat hat über die Berufung der Bw., inU., vertreten durch Dr. Mario Züger, Rechtsanwalt, 1100 Wien, Favoritenstraße 217/37, vom gegen den Bescheid des Finanzamtes Baden Mödling, vom betreffend Abweisung eines Antrages auf Gewährung der Familienbeihilfe für die nachstehend angeführten Kinder sowie die jeweils beantragten Zeiträume


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Familien- und Vorname
SVNr.:
Zeitraum von - bis
I.Al.
a
Juni 2003-April 2004 Juni 2008-Sep. 2008
I.A.
b
Juni 2003-April 2004 Juni 2008-Sep. 2008

entschieden:

Der Berufung wird im eingeschränkten Umfang Folge gegeben.

Der angefochtene Bescheid vom wird dahingehend abgeändert, dass der Antrag auf Familienbeihilfe für den Zeitraum Juni 2003 bis April 2004 für I.Al. und Juni 2003 bis September 2003 für I.A. abgewiesen wird.

Entscheidungsgründe

Am brachte der Berufungswerber den Antrag auf Zuerkennung von Familienbeihilfe für den Zeitraum von Juni 2003 bis April 2004 sowie von Juni 2008 bis laufend für seine Kinder die mj. I.A., geb. x und den mj. I.Al., geb. xx ein.

Der Berufungswerber (Bw.) Bw., seine Gattin I.Z. und seine Tochter I.A., geb. x und sein Sohn I.Al., geb. xx sind Staatsangehörige der Republik Serbien. Der Bw., seine Gattin und seine Tochter sind am nach Österreich eingereist. Der Bw. stellte einen Asylantrag, seine Gattin und seine Tochter stellten Asylerstreckungsanträge. Der Asylantrag und die Asylerstreckungsanträge wurde vom Bundesasylamt am erstinstanzlich abgewiesen.

Für das am in Österreich geborene Kind wurde ein Antrag auf Internationalen Schutz gestellt, der am abgewiesen wurde.

Gegen sämtliche Abweisungsbescheide wurden Berufungen eingebracht, die vom Unabhängigen Bundesasylsenat mit Bescheiden vom abgewiesen wurde.

Der Bw. erhob daraufhin für sich und seinen Sohn Beschwerde beim Verwaltungsgerichtshof, welcher diesen Beschwerden mit Beschluss die aufschiebende Wirkung zuerkannte, sodass den Bw. und seinem Sohn weiterhin die Stellung von Asylwerbern zukomme. Das Beschwerdeverfahren ist derzeit noch offen.

Die Gattin des Bw. und die Tochter stellten am einen Antrag auf Internationalen Schutz. Mit Bescheiden vom wurde ihnen der Status subsidiär Schutzberechtigten zuerkannt. Daraufhin stellte auch der Bw. und sein Sohn am Anträge auf internationalen Schutz. Am wurde ihnen der Status subsidiär Schutzberechtigten zuerkannt. Die Beschwerdeverfahren beim Verwaltungsgerichtshof würden nach wie vor laufen, sodass dem Bw. und seinem Sohn neben dem Status von subsidiär Schutzberechtigten (auch) noch der Status von Asylwerbern (hinsichtlich der Anerkennung als Asylberechtigter und Flüchtlinge) zukomme.

In dem Antrag wurde weiters Folgendes ausgeführt:

"Sowohl der Antragsteller als auch die genannten Familienangehörigen hielten sich seit der Einreise nach Österreich (bzw. hinsichtlich des Sohnes I.Al. seit seiner Geburt) ständig und ohne Unterbrechung im Bundesgebiet auf und hatten in diesem ihren Lebensmittelpunkt. Sie führten in dieser Zeit in Österreich ein Familienleben iSv Art 8 EMRK und lebten, zuletzt an der Adresse inU., in einem gemeinsamen Haushalt, welchen die Ehegattin I.Z. führte. Weder der Antragsteller noch seine Familienangehörigen gingen einer Erwerbstätigkeit nach, sondern unterstanden der Bundesbetreuung bzw. der Grundversorgung. Erst seit ist der Antragsteller unselbständig erwerbstätig, sodass die Familie ab diesem Zeitpunkt keine Leistungen aus der Grundversorgung mehr erhalten wird.

Hinsichtlich des Anspruches auf Familienbeihilfe gilt - auch im Regelungsbereich des FLAG - der Grundsatz der "Zeitbezogenheit der Abgabengesetze". Danach sind im gegenständlichen Fall auf der Zeitschiene folgende Rechtslagen zu unterscheiden:

1. Von der Einreise des Antragstellers im Juni 2003 einschließlich April 2004 gelangt § 3 FLAG idF BGBl Nr. 367/1991 zur Anwendung. Gemäß § 3 Abs.2 FLAG in der genannten Fassung steht Familienbeihilfe -unabhängig von der Aufenthaltsdauer im Inland oder der Ausübung bzw. der Dauer einer Beschäftigung - Flüchtlingen im Sinne des Art 1 des Abkommens über die Rechtstellung der Flüchtlinge vom , BGBl. Nr. 55/1955, und des Protokolls über die Rechtstellung der Flüchtlinge, BGBl. Nr. 78/1974, zu.

Der Antragsteller ist seit Asylwerber, sodass er den Status eines Flüchtlings im Sinne der genannten völkerrechtlichen Vereinbarung hat. Gemäß § 3 Abs.2 FLAG idF BGBl Nr. 367/1991 besteht von Juni 2003 bis April 2004 ein Anspruch auf Familienbeihilfe für das Kind I.A. .

2. In der Zeit von Mai 2004 bis Dezember 2005 gelangt § 3 FLAG idF des Pensionsharmonisierungsgesetzes, BGBl I Nr. 142/2004 zur Anwendung. Danach knüpft die Gewährung von Familienbeihilfe nicht mehr länger an die Rechtstellung eines Flüchtlings im Sinne der Genfer Flüchtlingskonvention, sondern an die Gewährung von Asyl nach dem Asylgesetz 1997 an. Eine solche ist in Bezug auf den Antragsteller oder seine Familienangehörigen bis heute nicht erfolgt. Auch stand er (im genannten Zeitraum) weder in Beschäftigung, noch hatte er sich bereits mehr als sechzig Kalendermonate im Bundesgebiet aufgehalten. Von Mai 2004 bis Dezember 2005 steht dem Antragsteller daher keine Familienbeihilfe zu.

3. Ab gilt § 3 FLAG idF des Fremdenrechtspaketes 2005, BGBl I 100/2005. gemäß § 55 tritt § 3 idF des Fremderechtspaketes 2005 jedoch nur nach Maßgabe der Übergangsbestimmungen des NAG sowie des AsylG 2005 in kraft. Gemäß § 75 AsylG 2005 sind alle am anhängigen Verfahren nach den Bestimmungen des AsylG 1997 zu Ende zu führen.

Für alle Asylwerber, die - wie der Antragsteller - am (Inkrafttreten des Fremdenrechtspaketes 2005) ein offenes Verfahren nach dem Asyl- oder Fremdenrecht anhängig hatten, ist auf Grund der Übergangsbestimmungen § 3 FLAG daher nach wie vor in der Fassung des Pensionsharmonisierungsgesetzes anzuwenden ( siehe Punkt 2.)

Da dem Antragsteller weder Asyl nach dem Asylgesetz 1997 gewährt wurde, noch er beschäftigt war, noch sich (vor Juni 2008) länger als sechzig Kalendermonate im Inland aufgehalten hat, steht im Zeitraum Jänner 2006 bis Mai 2008 keine Familienbeihilfe zu.

4. Seit hält sich der Antragsteller jedoch länger als sechzig Kalendermonate ständig im Bundesgebiet auf. Seit Juni 2008 steht ihm daher Familienbeihilfe (für beide Kinder) zu. Die Abweisung seines Asylantrages durch den Unabhängigen Bundesasylsenat am ändert daran nichts, weil der Verwaltungsgerichtshof der dagegen erhobenen Beschwerde die aufschiebende Wirkung zuerkannt hat und dem Antragsteller daher (weiterhin) die Stellung eines Asylwerbers zukommt. Auch die Anträge auf internationalen Schutz für ihn selbst und seinen Sohn ändern daran nichts, weil davon die aufschiebende Wirkung der beim Verwaltungsgerichtshof anhängigen Beschwerde unberührt blieb und daher auf gegenständlichen Antrag nach wie vor die "alte" Rechtslage idF des Pensionsharmonisierungsgesetzes anwendbar ist.

5. Seit Oktober 2008 stünde dem Antragsteller aber auch nach der neuen Rechtslage (§ 3 Abs 4 FLAG idF BGBl I 168/2007) zu, weil er nunmehr als subsidiär Schutzberechtigter anerkannt und seit bei der Firma X unselbständig erwerbstätig ist, sodass er ab diesem Zeitpunkt keine Leistungen aus der Grundversorgung erhalten wird.

Im Antragszeitraum Juni 2003 bis April 2004 sowie seit Juni 2008 erzielten die Kinder weder eigene Einkünfte noch bezogen sie eine vergleichbare ausländische Familienbeihilfe.

Vor dem Hintergrund der anzuwendenden Rechtlage - hinsichtlich der auf die beiliegende Berufungsentscheidung des GZ RV/0481-S/07 mit ausführlicher Zitierung der einschlägigen höchstgerichtlichen Judikatur verwiesen wird - wird dem Antragsteller für beiden Kinder Familienbeihilfe im Zeitraum Juni 2003 bis April 2004 ( ein Kind) und von Juni 2008 bis laufend (zwei Kinder) zu gewähren sein."

Beigelegt wurden:

- Bescheide des Bundesasylamts vom18.8.2003 und vom über die Abweisung der Asylanträge

- Bescheide des Unabhängigen Bundesasylsenates vom über die Abweisung der Berufungen

- Beschlüsse der Verwaltungsgerichtshofs über die Eröffnung des Vorverfahrens und über die Gewährung von aufschiebender Wirkung

- Bescheide des Bundesasylamts vom und vom über die Gewährung von subsidiären Schutz

- Kopie der Aufenthaltskarte des Antragsteller über subsidiären Schutz

- Geburtsurkunde der Kinder

- Heiratsurkunde des Antragstellers

- Arbeitsbestätigung der Firma X vom

- Berufungsentscheidung vom RV/0481-S/07 vom

Das Finanzamt erließ einen abweisenden Bescheid.

Der Antrag auf Familienbeihilfe für die beiden Kinder I.Al., geb. xx , und I.A., geb. x für den Zeitraum Juni 2003 bis April 2004 und Juni 2008 bis Sept. 2008 wird abgewiesen.

Begründend wurde ausgeführt, dass bezüglich Zeitraum Juni 2003 bis April 2004 auf Grund der Stellung eines Asylantrages noch keine Flüchtlingseigenschaft bestehe. Diese werde erst im Asylverfahren festgestellt. Daher sei der Ausgang des Asylverfahrens abzuwarten.

Bezüglich des Zeitraumes Juni 2008 bis September 2008 wird ausgeführt, dass die Asylwerberaufgrund asylrechtlicher Bestimmungen lediglich ein vorläufiges Aufenthaltsrecht hätten. Der Tatbestand des § 3 Absatz 2 FLAG in der Fassung vor 2006, welcher einen ständigen Aufenthalt verlangt, könne daher von Asylwerbern nicht erfüllt werden. Daher bestehe für Asylwerber, auch wenn diese sich seit 60 Kalendermonaten im Bundesgebiet aufhalten, kein Anspruch auf Familienbeihilfe, da lediglich ein vorübergehender Aufenthalt und kein ständiger Aufenthalt vorliege.

Gegen den Abweisungsbescheid wurde Berufung mit folgender Begründung erhoben:

"1. Hinsichtlich des Sohnes I.Al. wurde ein Antrag für den Zeitraum von Juni 2003 bis April 2004 - und damit vor seiner Geburt am xx - gar nicht gestellt. Weil über den Parteiantrag hinausgehend, war die Abweisung diesbezüglich von vornherein unzulässig.

2. Betreffend den Zeitraum von Juni 2003 bis April 2004 (relevant für die am x geborene Tochter I.A. ) wird die Abweisung darauf gestützt, dass die Stellung eines Asylantrages noch keine Flüchtlingseigenschaft bewirkt, sondern dass diese erst im Asylverfahren festgestellt werden müsse. Daher sei der Ausgang des Asylverfahrens abzuwarten.

Diese Rechtsansicht des Finanzamtes ist klar rechtswidrig, weil die für diesen Zeitraum geltende Fassung des § 3 Abs.2 FLAG auf die Eigenschaft als Flüchtling im Sinne der Genfer Flüchtlingskonvention idF des Protokolls von New York abstellt. Nicht entscheidend ist das Vorliegen eines Bescheides über die Zuerkennung von Asyl. Die Abgabenbehörde hat das Vorliegen der Flüchtlingseigenschaft im Sinne von § 3 Abs.2 FLAG vielmehr selbständig materiell zu prüfen (/0228 und Verweis auf ).

Das Finanzamt hätte daher zu prüfen gehabt, ob im streitgegenständlichen Zeitraum die Flüchtlingseigenschaft für den Antragsteller und dessen Tochter vorlag. Die Flüchtlingseigenschaft entsteht bei Vorliegen von asylrelevanten Fluchtgründen bereits mit Verlassen des Herkunftsstaates und liegt daher - sofern ein Asylgrund fluchtauslösend war -jedenfalls bei Einreise ins Inland vor.

Der Antragsteller reiste zusammen mit seiner Tochter am nach Österreich ein. In dem noch am selben Tag eingebrachten Asylantrag brachte er vor, als Angehöriger der Minderheit der Goraner im Kosovo einer asylrelevanten Verfolgung zu unterliegen, weil er während des Kosovo-Krieges 1999 auf Seiten der jugoslawischen Armee zum Militärdienst mobilisiert wurde. Nach Ende des Krieges wurde ihm deswegen von Kosovo-Albanern vorgeworfen, mit dem ehemaligen Feind kollaboriert zu haben, und er wurde deshalb telefonisch bedroht. Das Bundesasylamt stellte fest, dass es in der fraglichen Zeit tatsächlich Anschuldigungen solcher Art gegeben hat und zahlreiche Goraner Opfer von Attacken mit Handgranaten und Sprengbomben wurden (Seite 9 des Bescheides des Bundesasylamtes vom , Zahl 03 15.983-BAS), verneinte aber in concreto die Asylrelevanz, weil sich der Antragsteller in keiner Weise "in politischer, religiöser oder ethnischer Natur" aus der Masse der Bevölkerung hervorgehoben habe, und führte ergänzend aus, dass Bedrohungen aufgrund von Kollaborationsvorwürfen keine quasistaatlichen Maßnahmen begründen würden, sondern von "unter" ausgegangen seien (Seite 11 des Bescheides vom ).

Damit verkannte das Bundesasylamt jedoch total den Kern des Flüchtlingsbegriffes, weil dieser eben auch Furcht vor "privater" Verfolgung umfasst, falls davor kein zureichender staatlicher Schutz gewährt wird, und es gerade nicht darauf ankommt, dass eine solche Verfolgungsgefahr nicht auch anderen Personen derselben Volksgruppe in gleicher oder ähnlicher Weise trifft. Die Rechtsanschauung des Bundesasylamtes liefe in absurder Weise darauf hinaus, dass eine - an sich asylgeneigte -Verfolgungsgefahr dann umso weniger zur Asylgewährung führt, je mehr Personen davon in ähnlicher Weise betroffen sind. Gerade bei den Goranern lag in jener Zeit aber de facto eine Gefährdungssituation vor, die an eine Gruppenverfolgung reicht und daher jeden Angehörigen dieser Volksgruppe erfasst.

Dies trat nach den sogenannten März-Pogromen in März 2004 in besonders deutlicher Weise hervor, als der Zorn der Albaner auf die Minderheiten im eigenen Land in pogromartiger Weise explodierte: Das Flüchtlingshilfswerk der Vereinten Nationen (UNHCR) empfahl den Mitgliedstaaten daraufhin eindringlich, den Goranern - wie auch anderen Minderheiten - internationalen Schutz (i.e. Asyl) zuzuerkennen und von einer Rückführung in den Kosovo abzusehen (Beweis: UNHCR-Position zur Schutzbedürftigkeit von Personen aus dem Kosovo im Lichte der jüngsten ethnisch motivierten Auseinandersetzungen vom und vom März 2005; der zuletzt genannte Bericht hält unter Nr. 16 ausdrücklich fest, dass "Personen, die der Kollaboration mit dem serbischen Regime nach 1990 verdächtigt werden, ... begründete Furcht vor Verfolgung aus einem der [Genfer Flüchtlings-]Konventionsgründe haben." Der Unabhängige Bundesasylsenat (UBAS) gewährte daraufhin in den Jahren 2004 bis etwa Ende 2005 Goranern serienweise Asyl (vgl. etwa die - willkürlich herausgegriffenen - Entscheidungen des UBAS vom , GZ 241.313/6-I/01/04, vom , GZ 217.064/6-X128/05 oder vom , GZ 223.702/0-X1/38/01).

Der Antragsteller hatte jedoch das "Pech", dass sein Fall - wegen der notorischen Überlastung des UBAS - nicht zur Verhandlung gelangte, sondern erst am eine Berufungsverhandlung angesetzt wurde, welche am fortgesetzt wurde. Zu diesem Zeitpunkt hatten sich die Verhältnisse im Kosovo jedoch wieder soweit beruhigt, dass eine Gefährdung wegen Kollaborationsvorwürfen nicht mehr in nennenswertem Ausmaß vorlag. Dies hängt einerseits mit dem zeitlichen Abstand zu den Kriegsgeschehnissen in 1999 zusammen, aber auch damit, dass die internationale Staatengemeinschaft (UNMIK = die von der UNO eingesetzte Zivilverwaltung und die KFOR als bewaffnete Schutztruppe) die Sicherheit wieder in ausreichendem Maße herstellen konnten. Aufgrund der geänderten Verhältnisse wies der UBAS daher den Asylantrag am ab.

Für gegenständliches Verfahren relevant ist jedoch, dass im Zeitraum Juni 2003 bis April 2004 sehr wohl noch eine asylrelevante Verfolgungsgefahr aus den vom Antragsteller vorgebrachten Gründen - und damit seine Flüchtlingseigenschaft - bestanden hat, welche aufgrund der dargestellten Änderung der Verhältnisse erst später wegfiel. Wann genau die Änderung der Verhältnisse eintrat, kann im gegebenen Zusammenhang dahingestellt bleiben, weil im April 2004 (unmittelbar nach den März-Pogromen 2004) jedenfalls noch eine Verfolgungsgefahr bestand (ja diese geradezu ihren Höhepunkt erlebte).

Die Abgabenbehörde wird daher - selbständig-materiell und unabhängig von den Asylbehörden - festzustellen haben, dass der Antragsteller bei seiner Einreise im Juni 2003 bis zumindest bis April 2004 Flüchtlingseigenschaft hatte. Zum Beweis dafür wird die zeugenschaftliche Befragung des für den Antragsteller zuständigen Asylrichters Mag. Elmar SAMSINGER, c/o Asylgerichtshof, Laxenburger Straße 36, 1100 Wien beantragt. Er wird bestätigen, dass Goraner während des Jahres 2004 alleine wegen ihres Zugehörigkeit zur Volksgruppe der Goraner Asyl erhielten und daher auch dem Antragsteller - wäre sein Fall zu jener Zeit verhandelt und entschieden worden - gewährt worden wäre. Zum weiteren Beweis dafür wird der Bescheid des UBAS vom , GZ 228.734/0-III/07/02 betreffend V.I., des Bruders des Antragstellers, vorgelegt, der noch im Juni 2005 Asyl erhielt. Die Bescheidbegründung macht deutlich, dass zu diesem Zeitpunkt Übergriffe wegen der Zugehörigkeit zur Minderheit der Goraner durch albanische Extremisten jedenfalls nicht ausgeschlossen werden konnten, zumal wenn diesem Minderheitsangehörigen der Vorwurf der Kollaboration mit den Serben gemacht werden konnte, und dass die im Kosovo tätigen Behörden gegen solche Übergriffe keinen zureichenden Schutz gewähren konnten (Bescheid S. 15). Zum weiteren Beweis möge das Gutachten des vom UBAS bestellten Sachverständigen Stephan Müller zur Situation der Gorani (Goranci) im Kosovo unter besonderer Berücksichtigung der Situation ehemaliger Angehöriger der Jugoslawischen Armee vom (hier insbesondere Punkt 4.) dienen. Die Entscheidung des Bundesasylamtes im Falle des Antragsteller erwies sich demnach (im Entscheidungszeitpunkt) als diametral falsch und wäre - im Jahre 2004 bzw. 2005 - mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit im Sinne einer Berufungsstattgebung - und Asylgewährung - geändert worden.

Für das gegenständliche Verfahren folgt daraus, dass dem Antragsteller im Zeitraum Juni 2003 (fluchtbedingte Einreise nach Österreich direkt aus dem Herkunftsstaat Serbien, Provinz Kosovo) bis März (?) 2004 die Eigenschaft eines Flüchtlings iSd Genfer Konvention zukam, sodass ihm aber auch - aufgrund der damals in Kraft stehenden Gesetzeslage - für diesen Zeitraum Familienbeihilfe für die Tochter I.A. zusteht.

3. Für den Zeitraum Juni 2008 bis September 2008 - relevant nunmehr für beide mj. Kinder - wird die Abweisung vom Finanzamt darauf gestützt, dass Asylwerber lediglich ein vorläufiges Aufenthaltsrecht hätten, § 3 Abs 2 (FLAG) in der Fassung vor 2006 aber einen ständigen Aufenthalt verlange, der daher von Asylwerbern nicht erfüllt werden könne. Daher bestehe für Asylwerber, auch wenn sie sich seit 60 Kalendermonaten im Bundesgebiet aufhalten, kein Anspruch auf Familienbeihilfe,

Das Finanzamt erkannte zu Recht, dass gegenständlich § 3 Abs 2 FLAG in der Fassung vor 2006 anzuwenden ist, der Personen, die - wie der Antragsteller und seine beiden Kinder - nicht die Voraussetzungen des § 3 Abs 1 FLAG erfüllen, dennoch einen Anspruch auf Familienbeihilfe einräumt, wenn sie "sich seit mindestens sechzig Monaten ständig im Bundesgebiet aufhalten".

Es verkennt aber die Rechtslage, wenn es vermeint, dass Asylwerber, welche lediglich ein vorläufiges Aufenthaltsrecht in Österreich (nämlich bis zum rechtskräftigen Abschluss ihres Asylverfahren) genießen, sich nicht - im Sinne dieser Gesetzesstelle - ständig im Bundesgebiet aufhalten könnten. Der verwendete Begriff des "ständigen Aufenthalts" entspricht nach der höchstgerichtlichen Rechtsprechung nämlich dem Begriff des "gewöhnlichen Aufenthalts" im Sinne des § 26 BAO ( sowie ). Nach § 26 Abs 2 BAO besteht aber kein Zweifel, dass Asylwerber während ihres Asylverfahrens - das sich, wie eben auch jenes des Antragstellers, über Jahre hinziehen kann - ihren gewöhnlichen Aufenthalt im Bundesgebiet erwerben können. Als Richtschnur wird sich die in § 26 Abs 2 Satz 2 BAO gezogene Grenze von sechs Monaten anbieten, weil danach die unbeschränkte Steuerpflicht - und zwar rückwirkend - eintritt. Ein (tatsächlicher, physischer) Aufenthalt von mehr als sechs Monate ist daher nach den Wertungen des Gesetzes nicht mehr ein bloß vorübergehender, sondern eben ein gewöhnlicher iSd § 26 BAO und somit auch ein ständiger iSd § 3 FLAG.

Dies gilt umso mehr im gegenständlichen Fall, da sich die Asylanträge (bzw. korrekt: die Anträge auf internationalen Schutz) letztlich als gerechtfertigt erwiesen und sowohl der Antragsteller als auch seine Ehegattin und die Kinder als subsidiär Schutzberechtigte anerkannt wurden und damit unter einem befristete (und verlängerbare, sohin auf Dauer angelegte) Aufenthaltsberechtigungen gemäß § 8 Abs 4 AsylG 2005 erworben haben. Da sie nunmehr ein auf Dauer angelegtes Aufenthaltsrecht inne haben, muss ihr Aufenthalt - auch wenn er zunächst nur auf einem vorläufigen asylrechtlichen Aufenthaltstitel beruhte - zumindest rückwirkend als mehr als bloß vorübergehend angesehen werden.

Dies steht im Einklang mit der Rechtssprechung des UFS, der zu Recht erkannte, dass es für die Beurteilung des ständigen Aufenthalts - entsprechend der nach § 26 Abs 2 BAO gebotenen Beurteilung - lediglich auf die körperliche Anwesenheit - und den nach § 2 Abs 8 FLAG zusätzlich erforderlichen - Mittelpunkt der Lebensinteressen ankommt und daher Asylwerber mit lediglich vorläufigem Aufenthaltsrecht auf asylrechtlicher Basis (UFS Wien vom , GZ RV/1349-W/06 sowie UFS Salzburg vom , GZ RV/0481-S/07), ja sogar Personen, die sich illegal in Österreich aufhalten (UFS Wien vom , GZ RV/3330-W/07 und vom , GZ RV/1349-W/06) ab fünfjährigem tatsächlichen Aufenthalt Anspruch auf Familienbeihilfe haben.

Der Antragsteller und seine Tochter halten sich seit Einreise nach Österreich am bis zum heutigen Tage ununterbrochen in Österreich auf; für den nachgeborenen Sohn I.Al. gilt das seit dem Tag seiner Geburt im Inland am xx . Mangels eines Reisedokuments konnten die Genannten Österreich gar nicht verlassen; das gilt auch nach Erteilung des Status von subsidiär Schutzberechtigten, weil dieser Status kein Reiserecht beinhaltet. Infolge der mehr als fünf Jahre dauernden, ununterbrochenen tatsächlichen körperlichen Präsenz im Inland hat der Antragsteller sowohl seinen ständigen Aufenthalt iSv § 3 Abs 2 FLAG als auch den Mittelpunkt der Lebensinteressen im Inland; dies gilt auch für die Tochter I.A. seit der Einreise am und den Sohn I.Al. seit der Geburt am xx.

Die belangte Behörde hätte die Tatsache der ununterbrochenen tatsächlichen körperlichen Präsenz im Bundesgebiet leicht durch Einsicht in das Melderegister und das AIS-System des Bundesasylamtes feststellen können. Zusätzlich wird die zeugenschaftliche Einvernahme von Herrn Ing. W., inU. , zzzz, beantragt, in dessen Flüchtlingspension sich der Antragsteller seit Sommer 2003 aufhielt, und zwar zum Beweis dafür, dass der Antragsteller ununterbrochen in U., NÖ, ortsanwesend war.

Bei ordnungsgemäßer Führung des Verfahrens hätte die Behörde feststellen müssen, dass der Antragsteller ab Juni 2008 seinen ständigen Aufenthalt iSv § 3 Abs 2 FLAG seit mehr als 60 Kalendermonaten im Bundesgebiet hatte und ihm daher ab diesem Zeitraum für die beiden Kinder I.A. und I.Al. Familienbeihilfe zustand."

In einem Ergänzungsschreiben wurde die Berufung eingeschränkt. Der Antrag auf Gewährung von Familienbeihilfe für die Tochter I.A. wird für den Zeitraum Juni 2003 bis September 2003 zurückgezogen; im übrigen Ausmaß (Oktober 2003 bis April 2004 und Juni 2008 bis September 2008) bleibt er aufrecht.

Über die Berufung wurde erwogen:

Der Entscheidung wird folgender Sachverhalt zu Grunde gelegt: Der Bw., seine Gattin, und seine zwei Kinder besitzen die Staatsbürgerschaft Serbien/Kosovo. Im Juni 2003 reisten der Bw., seine Gattin und seine Tochter nach Österreich ein. Sie stellten Anträge auf Asyl, die abgewiesen wurden. Die gegen die Abweisungsbescheide eingebrachten Berufungen wurden vom Unabhängigen Bundesasylsenat abgewiesen.

Den Beschwerden des Bw. und seines Sohnes betreffend die Abweisungsbescheide des Bundesasylsenates wurde vom Verwaltungsgerichtshof mit Beschluss die aufschiebende Wirkung zuerkannt; sie sind noch nicht entschieden.

Der Gattin des Bw. und seiner Tochter wurden auf Grund eines Antrages beim Bundesasylamt auf Internationalen Schutz vom am der Status des subsidiär Schutzberechtigten zuerkannt.

Dem Bw. und seinem Sohn wurden auf Grund eines Antrages auf internationalen Schutz vom am der Status des subsidiär Schutzberechtigten zuerkannt.

Der Sachverhalt gründet sich auf die im vorgelegten Finanzamtsakt befindlichen Unterlagen.

Über die Berufung wurde erwogen:

Wie der Verwaltungsgerichtshof wiederholt ausgesprochen hat, gilt der Grundsatz der "Zeitbezogenheit der Abgabengesetze" auch im Regelungsbereich des FLAG. Ob für einen bestimmten Zeitraum Familienbeihilfe zusteht, ist daher anhand der rechtlichen und tatsächlichen Gegebenheiten im Anspruchszeitraum zu beantworten (siehe das Erkenntnis vom , 95/14/0119, vom , 96/14/0139, vom , 2000/13/0104, vom , 96/14/0125, und vom , 2000/13/0103).

Anspruch auf Familienbeihilfe Oktober 2003 bis April 2004 für die Tochter:

Zur Anwendung gelangt § 3 FLAG 1967 idF. BGBl.Nr. 367/1991, welcher wie folgt lautet:

§ 3. (1) Personen, die nicht österreichische Staatsbürger sind, haben nur dann Anspruch auf Familienbeihilfe, wenn sie im Bundesgebiet bei einem Dienstgeber beschäftigt sind und aus dieser Beschäftigung Einkünfte aus nichtselbständiger Arbeit oder zufolge einer solchen Beschäftigung Bezüge aus der gesetzlichen Krankenversicherung im Bundesgebiet beziehen; kein Anspruch besteht jedoch, wenn die Beschäftigung nicht länger als drei Monate dauert. Kein Anspruch besteht außerdem, wenn die Beschäftigung gegen bestehende Vorschriften über die Beschäftigung ausländischer Arbeitnehmer verstößt.

(2) Abs. 1 gilt nicht für Personen, die sich seit mindestens sechzig Kalendermonaten ständig im Bundesgebiet aufhalten, sowie für Staatenlose und für Flüchtlinge im Sinne des Art. 1 des Abkommens über die Rechtsstellung der Flüchtlinge vom , BGBl. Nr. 55/1955, und des Protokolls über die Rechtsstellung der Flüchtlinge, BGBl. Nr. 78/1974.

(3) Ist der Elternteil, der den Haushalt überwiegend führt (§ 2a Abs. 1), nicht österreichischer Staatsbürger, genügt für dessen Anspruch auf Familienbeihilfe, wenn der andere Elternteil österreichischer Staatsbürger ist oder die Voraussetzungen nach Abs. 1 oder 2 erfüllt.

Der Verwaltungsgerichtshof führt im Erkenntnis vom , Zl 2001/15/0051, Folgendes aus: "Indem § 3 Abs.2 FLAG auf die Eigenschaft als Flüchtling im Sinne der Konvention über die Rückstellung der Flüchtlinge abstellt, verlangt es entgegen der Ansicht der belangten Behörde keine durch Bescheid des "Innenressorts" zuzuerkennende Flüchtlingseigenschaft. Das Fehlen eines solchen "Zuerkennungsbescheides" allein reicht nicht aus, einem Antragsteller die Flüchtlingseigenschaft zu versagen. Ein eigener Bescheid über die Feststellung der Flüchtlingseigenschaft war im Geltungsbereich des Asylgesetzes 1991 unzulässig (vgl. das hg. Erkenntnis vom , 95/01/0071, und Feßl/Holzschuster, Asylgesetz 1998, Praxiskommentar ², 243). Auch das Fehlen einer bescheidmäßigen Feststellung der Flüchtlingseigenschaft nach § 12 Asylgesetz 1997 hindert nicht die Prüfung dieser Frage im Verwaltungsverfahren betreffend dasjenige Recht, welches von der Flüchtlingseigenschaft abhängig ist (Vgl. auch Rohrböck, Das Bundesgesetz über die Gewährung von Asyl, Rz 119 zu § 1).Zu Recht rügt die Beschwerdeführerin daher, dass die belangte Behörde aus dem Fehlen eines die Flüchtlingseigenschaft zuerkennenden Bescheides (offenbar gemeint: Asylbescheid) auf das Fehlen der Flüchtlingseigenschaft geschlossen hat, obwohl § 3 Abs.2 FLAG nicht auf das Vorliegen eines Bescheides über die Zuerkennung von Asyl abstellt. Die belangte Behörde hätte das Vorliegen der Flüchtlingseigenschaft im Sinne des § 3 Abs. 2 FLAGselbständig materiell prüfen müssen."

Der Bw. ist als Angehörige der Minderheit der Goraner im Kosovo im Jahr 2003 mit seiner Familie aus dem Kosovo auf Grund von Verfolgungsgefahr nach Österreich geflüchtet und hat am den Asylantrag gestellt. Er hatte den Status eines Flüchtlings im Sinne des Abkommens über die Rechtsstellung der Flüchtlinge vom , BGBl. Nr. 55/1955, und des Protokolls über die Rechtsstellung der Flüchtlinge, BGBl. Nr. 78/1974. Gem. § 3 Abs.2 FLAG 1967 idF. BGBl.Nr. 367/1991 bestand daher in dieser Zeit ein Anspruch auf Familienbeihilfe.

Gemäß § 10 Abs.1 FLAG 1967 wird die Familienbeihilfe nur auf Antrag gewährt. Sie wird vom Beginn des Monats gewährt, in dem die Voraussetzungen für den Anspruch erfüllt werden (§ 10 Abs.2 FLAG).

Gemäß § 10 Abs.3 FLAG 1967 werden die Familienbeihilfe und die erhöhte Familienbeihilfe für ein erheblich behindertes Kind (§ 8 Abs.4) höchstens für fünf Jahre rückwirkend vom Beginn des Monats der Antragstellung gewährt.

Im gegenständlichen Fall hat der Bw. den Antrag auf Gewährung der Familienbeihilfe am beim Finanzamt gestellt. Die Familienbeihilfe steht für die Tochter daher für den Zeitraum Oktober 2003 bis April 2004 gemäß § 3 FLAG idF. BGBl. Nr. 367/1991, zu.

Zeitraum Juni 2008 bis September 2008 für seine Tochter und seinen Sohn:

Ab gilt § 3 FLAG idF des Fremdenrechtspaketes 2005, BGBl I 100/2005. Gemäß § 55 tritt § 3 idF des Fremdenrechtspaketes 2005 jedoch nur nach Maßgabe der Übergangsbestimmungen des NAG sowie des AsylG 2005 in Kraft. Gemäß § 75 AsylG 2005 sind alle am anhängigen Verfahren nach den Bestimmungen des AsylG 1997 zu Ende zu führen. Für alle Asylwerber, die - wie der Bw. - am (Inkrafttreten des Fremdenrechtspaketes 2005) ein offenes Verfahren nach dem Asyl- oder Fremdenrecht anhängig hatten, ist auf Grund der Übergangsbestimmungen § 3 FLAG daher nach wie vor in der Fassung des Pensionsharmonisierungsgesetzes anzuwenden. ( Zl. 2007/15/0170)

Da der Bw. ein am noch offenes anhängiges Asylverfahren hatte, kommen die Bestimmungen des § 3 FLAG 1967 idF. BGBl. I 142/2004 (Pensionsharmonisierungsgesetz) zur Anwendung.

Der Bw. und seine Familie halten sich seit der Einreise am ständig im Bundesgebiet auf.

Ab hält sich der Bw. somit länger als 60 Monat im Bundesgebiet auf. Da noch das Pensionsharmonisierungsgesetz - wie den vorstehenden Ausführungen zu entnehmen ist - zur Anwendung kommt, hat der Bw. für den Zeitraum Juni 2008 bis September 2008 Anspruch auf Gewährung der Familienbeihilfe für seine beiden Kinder.

Den Ausführungen in der Berufung folgend steht seit Oktober dem Bw. nach der Rechtslage § 3 Abs.4 FLAG idF BGBl I 168/2007 Familienbeihilfe zu, weil er nunmehr als subsidiär Schutzberechtigter anerkannt ist und seit unselbständig erwerbstätig ist, sodass er ab diesem Zeitpunkt keine Leistungen aus der Grundversorgung erhalten wird.

Wien, am

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