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Berufungsentscheidung - Steuer (Referent), UFSI vom 16.04.2013, RV/0510-I/12

Abweisung eines Stundungsansuchens wegen Verstreichens des begehrten Stundungszeitraumes im Entscheidungszeitpunkt.

Entscheidungstext

Berufungsentscheidung

Der Unabhängige Finanzsenat hat über die Berufung der Bw., vertreten durch Mag. Dr. V., vom gegen den Bescheid des Finanzamtes Kitzbühel Lienz vom betreffend Abweisung eines Zahlungserleichterungsansuchens entschieden:

Die Berufung wird als unbegründet abgewiesen. Der angefochtene Bescheid bleibt unverändert.

Entscheidungsgründe

Die Berufungswerberin (kurz: Bw.) brachte am ein Zahlungserleichterungsansuchen ein, mit welchem sie um Stundung einer sich aus der Umsatzsteuervoranmeldung für Dezember 2011 ergebenden Nachforderung (65.924,73 €) bis "vorläufig" ersuchte. Ausgeführt wurde, dass die Bw. nicht in der Lage sei, die aus Vorsteuerberichtigungen herrührende Umsatzsteuer zu entrichten. Die Bw. habe bei mehreren Bauvorhaben in Wien mit der im Jahr 2007 insolvent gewordenen P-GmbH zusammengearbeitet. Die Masseverwalterin im Konkurs über das Vermögen dieser Gesellschaft habe gegen die Bw. mehrere Klagen beim Handelsgericht Wien eingebracht. Da der Bw. erhebliche Kosten zur Abwehr unberechtigter Forderungen bzw. zur Geltendmachung von Gegenforderungen erwachsen seien, seien die zur Verfügung gestandenen Geldmittel verbraucht worden. Da die betreffenden Prozesse noch anhängig seien und die gerichtlich geltend gemachten Forderungen nach Ansicht der Bw. nicht berechtigt seien, sei mit erheblichen Kostenersätzen an die Bw. zu rechnen, sodass dann wieder Geldmittel für die Abgabenentrichtung zur Verfügung stünden.

Mit Bescheid vom wies das Finanzamt das Zahlungserleichterungsansuchen mit der Begründung ab, dass in der sofortigen vollen Entrichtung von selbst zu berechnenden Abgaben keine erhebliche Härte zu erblicken sei. Weiters wurde die Bw. zur Vermeidung von Einbringungsmaßnahmen aufgefordert, die rückständige Abgabenschuldigkeit unverzüglich zu entrichten.

In der Berufung gegen diesen Bescheid wurde vorgebracht, dass die Ansicht des Finanzamtes, die sofortige Entrichtung der Umsatzsteuer stelle auch bei einem vorübergehenden Liquiditätsengpass keine erhebliche Härte dar, rechtswidrig und wirklichkeitsfremd sei. Eine erhebliche Härte liege vor, wenn die sofortige Entrichtung einem Abgabepflichtigen, gemessen an seinen sonstigen Verbindlichkeiten und unter Berücksichtigung seiner anzuerkennenden berechtigten Interessen an der Erhaltung und am Bestand seiner Erwerbsquelle nicht zugemutet werden könne (; ). Bei Ermessensentscheidungen sei unter Berücksichtigung aller in Betracht kommenden Umstände sowohl auf Erwägungen der Billigkeit als auch auf solche der Zweckmäßigkeit Bedacht zu nehmen. Auch Selbstbemessungsabgaben seien "ratenzahlungsfähig"; es sei lediglich ein strenger Maßstab anzulegen. Dabei müsse jedoch differenziert werden, ob die Erlöse (und damit auch die Umsatzsteuer) bereits zugeflossen seien bzw. ob die Umsatzsteuer nach dem Soll-System verrechnet werde. Die Abgabenbehörden seien gehalten, in begründeten Fällen auch die Umsatzsteuer zu stunden (RAE, Rz 242). Im vorliegenden Fall sei die Steuerschuld durch sehr komplexe Vorsteuerrückverrechnungen gemäß § 12 Abs. 10 UStG entstanden. Wie aus einer angeschlossenen Aufstellung hervorgehe, seien gegen die Bw. zwölf Prozesse beim Handelsgericht Wien anhängig, wobei sich die Prozessrisiken auf zirka 1,1 Million Euro bei Prozesskosten von rund 250.000 Euro beliefen. Die Bw. habe sämtliche Ansprüche bestritten; sie sei der Ansicht, dass alle Klagebegehren abgewiesen werden würden. In einem weiteren Verfahren sei die Bw. klagende Partei. Sie habe den Eindruck, dass die Abgabenbehörde "bei dieser Prozesslawine noch krisenverschärfend" agiere, indem das Zahlungserleichterungsansuchen in Kenntnis der fehlenden Mittel zur Abgabenentrichtung abgewiesen worden sei. Hätte das Finanzamt die Liquiditätslage und die Prozessaussichten geprüft, wäre es zu einer anderen Entscheidung gelangt. Da der Sachverhalt nicht genau geprüft worden sei, liege ein schwerer Verfahrensmangel vor. Hervorzuheben sei auch, dass die Bw. in der Vergangenheit ihren abgabenrechtlichen Verpflichtungen vollständig nachgekommen sei und "volle Zahlungsbereitschaft" bestehe. Beantragt werde die Stundung der Umsatzsteuer laut Antrag, wobei zumindest bis Sommer 2012 der Prozessausgang abgewartet werden möge. Eine sofortige Vermögensverwertung stelle für die Bw. einen unverhältnismäßigen Nachteil dar.

Das Finanzamt legte die Berufung ohne Erlassung einer Berufungsvorentscheidung der Abgabenbehörde zweiter Instanz zur Entscheidung vor.

Über die Berufung wurde erwogen:

Gemäß § 212 Abs. 1 BAO kann die Abgabenbehörde auf Ansuchen des Abgabepflichtigen für Abgaben, hinsichtlich derer ihm gegenüber auf Grund eines Rückstandsausweises (§ 229) Einbringungsmaßnahmen für den Fall des bereits erfolgten oder späteren Eintrittes aller Voraussetzungen hiezu in Betracht kommen, den Zeitpunkt der Entrichtung der Abgaben hinausschieben (Stundung) oder die Entrichtung in Raten bewilligen, wenn die sofortige oder die sofortige volle Entrichtung der Abgaben für den Abgabepflichtigen mit erheblichen Härten verbunden wäre und die Einbringlichkeit der Abgaben durch den Aufschub nicht gefährdet wird. Eine vom Ansuchen abweichende Bewilligung von Zahlungserleichterungen kann sich auch auf Abgaben, deren Gebarung mit jener der den Gegenstand des Ansuchens bildenden Abgaben zusammengefasst verbucht wird (§ 213), erstrecken.

Nach Lehre und Rechtsprechung sind Zahlungserleichterungsbescheide antragsgebundene Verwaltungsakte (vgl. Ritz, BAO4, § 212, Tz 1, mwN). Somit ist die zur Entscheidung berufene Behörde an den Inhalt des Antrages des Abgabepflichtigen - insbesondere auch in zeitlicher Hinsicht - gebunden. Weiters hat der Verwaltungsgerichtshof wiederholt ausgesprochen, dass eine durch Bescheid, auch durch eine Abgabenbehörde zweiter Instanz in einer Berufungsentscheidung bewilligte Stundung ex nunc wirkt. Dies bedeutet, dass die Abgabenbehörde zweiter Instanz die Stundung nach Verstreichen des Termins, bis zu welchem die Stundung begehrt wurde, nicht mehr (rückwirkend) gewähren kann (vgl. ; ).

Da im vorliegenden Berufungsfall der begehrte Stundungszeitraum (bis ) bereits verstrichen ist, ist das Stundungsbegehren als gegenstandslos zu betrachten.

Da die Berufung schon aus den dargelegten Gründen abzuweisen war, konnte eine nähere Auseinandersetzung mit den gesetzlichen Voraussetzungen für die Gewährung von Zahlungserleichterungen (Vorliegen einer erheblichen Härte und Nichtvorliegen einer Gefährdung der Einbringlichkeit) unterbleiben.

Abschließend wird noch darauf hingewiesen, dass die in der Berufung gestellten Anträge auf Entscheidung durch den gesamten Berufungssenat und Durchführung einer mündlichen Verhandlung mit Telefax des steuerlichen Vertreters vom zurückgezogen wurden.

Somit war spruchgemäß zu entscheiden.

Innsbruck, am

Zusatzinformationen


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Materie
Steuer
Finanzstrafrecht Verfahrensrecht
betroffene Normen
§ 212 Abs. 1 BAO, Bundesabgabenordnung, BGBl. Nr. 194/1961
Verweise
Ritz, BAO/4, § 212, Tz 1


Datenquelle: Findok — https://findok.bmf.gv.at