Einleitung wegen Hinterziehung von lohnabhängigen Abgaben bei Werkverträgen
Entscheidungstext
Beschwerdeentscheidung
Der Unabhängige Finanzsenat als Finanzstrafbehörde zweiter Instanz hat durch das Mitglied des Finanzstrafsenates 1, JG, in der Finanzstrafsache gegen Herrn WK vertreten durch W-GmbH, wegen des Finanzvergehens der Abgabenhinterziehung gemäß § 33 Abs. 2 lit. b des Finanzstrafgesetzes (FinStrG) über die Beschwerde des Beschuldigten vom gegen den Bescheid über die Einleitung eines Finanzstrafverfahrens gemäß § 83 Abs. 1 des Finanzstrafgesetzes (FinStrG) des Finanzamtes Waldviertel als Finanzstrafbehörde erster Instanz vom , StrNr. x, zu Recht erkannt:
Der Beschwerde wird stattgegeben und der bekämpfte Einleitungsbescheid aufgehoben.
Entscheidungsgründe
Mit Bescheid vom hat das Finanzamt Waldviertel als Finanzstrafbehörde erster Instanz gegen den Beschwerdeführer (Bf) zur StrNr. x ein Finanzstrafverfahren eingeleitet, weil der Verdacht bestehe, dass dieser im Amtsbereich des Finanzamtes Waldviertel vorsätzlich unter Verletzung der Verpflichtung zur Führung von dem § 76 des Einkommensteuergesetzes 1988 entsprechenden Lohnkonten eine Verkürzung von Lohnsteuer für 2004 bis 2006 in Höhe von € 16.040,00 und Dienstgeberbeiträgen für 2004 bis 2006 in Höhe von € 5.748,00 bewirkt und dies nicht nur für möglich, sondern für gewiss gehalten und hiermit ein Finanzvergehen nach § 33 Abs. 2 lit. b FinStrG begangen habe.
Gegen diesen Bescheid richtet sich die fristgerechte Beschwerde des Beschuldigten vom , in welcher im Wesentlichen wie folgt vorgebracht wurde:
Der Bf vertrete in Bezug auf die erhaltenen Bezüge des Werkvertragsnehmers und dessen Gehilfen eine zur Finanz abweichende, aber sehr wohl zu vertretende Rechtsansicht. Der Werkvertragnehmer habe sowohl im vertraglichen Bereich - als auch im tatsächlichen Wirtschaftsleben folgende Tatbestandsmerkmale, welche für die abweichende Rechtsansicht des Bf sprechen: Es gebe einen Werkvertrag mit einem deutschen Unternehmer, welcher für die Befüllung von Wursthäuten zuständig gewesen sei. Es sei jederzeit möglich gewesen, dass dieser sich vertreten hätte lassen können, was er regelmäßig auch getan habe. Er habe sich seinerseits Gehilfen bedienen können, auch dies sei gegeben gewesen. Der Werkvertragnehmer habe nicht nur das Bemühen, sondern auch den Erfolg geschuldet, was auch durch Schadensrechnungen des Bf nachgewiesen worden sei. Zudem sei der Werkvertragsnehmer nicht nach Zeit, sondern ausschließlich nach Kilogramm entlohnt worden, ganz egal wie lange er für sein Werk gebraucht habe und ob er sich Gehilfen bedient habe oder nicht. Die Rechtsansicht des Bf, dass es sich in dieser Konstellation um einen Werkvertrag gemäß § 1165 ABGB gehandelt habe, könne daher nicht als unvertretbare Rechtsansicht gesehen werden. Bei einer - wie hier vorliegenden - vertretbaren Rechtsansicht könne jedoch keine Wissentlichkeit subsumiert werden. Wissentlich - und damit zumindest bedingt vorsätzlich - handle nur jemand, wer den Eintritt der Abgabenverkürzung für gewiss halte.
Verstärkend dazu sei noch anzuführen, dass die Gebietskrankenkasse bisher noch nicht entschieden habe, wie die Verträge und Arbeitsleistungen des Werkvertragnehmers aus ihrer Sicht zu qualifizieren seien. Ein vorsätzliches Handeln des Bf könne daher keinesfalls unterstellt werden, wenn selbst sogar die Behörden noch nicht sicher seien, welche Rechtsansicht sie vertreten.
Auch wenn sich herausstellen sollte, dass die Rechtsansicht der Abgabenbehörde richtiger zu sehen sei, als die des Bf, so könne ihm maximal Fahrlässigkeit betreffend die nicht ordnungsgemäße Führung der Konten vorgeworfen werden, da er über die Arbeitnehmereigenschaft geirrt habe. Werden Selbstbemessungsabgaben fahrlässig nicht vollständig entrichtet, entfalle jede Strafbarkeit. Die Einleitung des Strafverfahrens gemäß § 83 Abs. 2 FinStrG sei daher ersatzlos aufzuheben.
Über den weiteren Antrag, der Beschwerde aufschiebende Wirkung zuzuerkennen, hat die Finanzstrafbehörde erster Instanz bereits mit Bescheid vom zuständigkeitshalber abgesprochen.
Zur Entscheidung wurde erwogen:
Gemäß § 82 Abs. 1 FinStrG hat die Finanzstrafbehörde erster Instanz die ihr gemäß §§ 80 oder 81 zukommenden Verständigungen und Mitteilungen darauf zu prüfen, ob genügend Verdachtsgründe für die Einleitung eines Finanzstrafverfahrens gegeben sind. Das Gleiche gilt, wenn sie in anderer Weise, insbesondere aus eigener Wahrnehmung, vom Verdacht eines Finanzvergehens Kenntnis erlangt.
Gemäß § 82 Abs. 1 in Verbindung mit § 83 FinStrG hat die Finanzstrafbehörde erster Instanz, sofern genügend Verdachtsgründe für die Einleitung wegen eines Finanzvergehens gegeben sind, das Finanzstrafverfahren einzuleiten.
Gemäß § 83 Abs. 2 FinStrG bedarf dieVerständigung eines Bescheides, wenn das Strafverfahren wegen Verdachts eines vorsätzlichen Finanzvergehens, ausgenommen einer Finanzordnungswidrigkeit, eingeleitet wird.
Nach ständiger Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes genügt es für die Einleitung eines Finanzstrafverfahrens, wenn gegen den Verdächtigen genügende Verdachtsgründe vorliegen, die die Annahme rechtfertigen, dass er als Täter eines Finanzvergehens in Betracht kommt. Ein derartiger Verdacht, der die Finanzstrafbehörde zur Einleitung eines Finanzstrafverfahrens verpflichtet, kann immer nur auf Grund einer Schlussfolgerung aus Tatsachen entstehen. Ein Verdacht ist die Kenntnis von Tatsachen, aus denen nach der Lebenserfahrung auf ein Finanzvergehen geschlossen werden kann (vgl. beispielsweise ).
Im vorliegenden Fall hat die Finanzstrafbehörde erster Instanz die Feststellungen der Außenprüfung für den Zeitraum bis zum Anlass genommen, um gegen den Bf ein Finanzstrafverfahren einzuleiten. Nach den Feststellungen des GPLA-Prüfers wurden im Zeitraum bis die im Betrieb des Bf für Wurstabfüllarbeiten als selbstständige Einkünfte abgerechneten Tätigkeiten des M und H als Einkünfte aus nichtselbständiger Tätigkeit qualifiziert und nachverrechnet.
Laut den niederschriftlichen Angaben des Bf erledige M seit ca. 3 Jahren die Wurstfüllarbeiten für ihn auf Kilobasis. M sei deutscher Staatsbürger und habe immer wieder Personen dabei, die wiederum für ihn selbstständig tätig seien. Die vorgelegten Wochenrechnungen seien immer ungefähr gleich hoch.
M gab zu Protokoll, seit ca. 2 Jahren für die Fa. K zu arbeiten, eine UID-Nummer zu haben, Arbeitskleidung selbst bereitzustellen und die Rechnungen in Deutschland zu versteuern. Er habe sich in Deutschland erkundigt, ob er Leute nach Österreich zum Arbeiten mitnehmen dürfe, was ihm auch zugesagt worden sei. H sei ebenfalls in Deutschland selbstständig tätig und arbeite für ihn als Subunternehmer, wobei dieser eine Rechnung lege und er ihn dafür bezahle.
Aus den Akten geht ferner hervor, dass nach Ansicht des Arbeitsmarktservice Horn die Tätigkeit des H eine arbeitnehmerähnliche Beschäftigung darstelle und es sich im gegenständlichen Fall damit um eine unzulässige Beschäftigung im Sinne des Ausländerbeschäftigungsgesetzes handle.
Gemäß § 76 EStG 1988 ist der Arbeitgeber verpflichtet, für jeden Arbeitnehmer ein Lohnkonto zu führen. Die Lohnkonten sind die Grundlage für die Berechnung sowohl der Lohnsteuer als auch der Dienstgeberbeiträge zum Ausgleichsfonds für Familienbeihilfen. In diesen Aufzeichnungen müssen sämtliche für die Berechnung der genannten Abgaben erforderlichen im § 76 EStG 1988 taxativ aufgezählten Angaben enthalten sein.
Werden Lohnkonten überhaupt oder nur unvollständig - d.h. nicht dem § 76 EStG 1988 entsprechend - geführt und Lohnsteuer und Dienstgeberbeiträge nicht abgeführt, so ist die Abgabenverkürzung im Sinne des § 33 Abs. 2 lit. b FinStrG in objektiver Hinsicht bewirkt.
Zur objektiven Tatseite ist ferner festzustellen, dass in den im Spruch des Einleitungsbescheides angeführten Zeiträumen Bezüge zu Unrecht als Werkvertragshonorare ausbezahlt wurden, obwohl es sich um Dienstentgelte handelte, sodass diesbezüglich die Abfuhr von Lohnsteuer und Dienstgeberbeiträgen unterblieben ist. Da auch die Höhe der Abgaben im Zuge der Beschwerde nicht bestritten wurde und auch anzumerken ist, dass die aufgrund dieser Prüfung ergangen Haftungs- und Abgabenbescheide seitens des Bf nicht bekämpft wurden, ist daher von der Verwirklichung der objektiven Tatseite auszugehen.
Der Bf bekämpft den Einleitungsbescheid jedoch im Wesentlichen damit, dass er hinsichtlich der erhaltenen Bezüge des Werkvertragsnehmers und dessen Gehilfen eine andere Rechtsansicht vertrete und damit vorsätzliches Handeln in Abrede stelle.
Gemäß § 33 Abs. 2 lit. b FinStrG macht sich einer Abgabenhinterziehung schuldig, wer vorsätzlich unter Verletzung der Verpflichtung zur Führung von dem § 76 des Einkommensteuergesetzes 1972 entsprechenden Lohnkonten eine Verkürzung von Lohnsteuer oder Dienstgeberbeiträgen zum Ausgleichsfonds für Familienbeihilfen bewirkt und dies nicht nur für möglich, sondern für gewiss hält.
Gemäß § 8 Abs. 1 FinStrG handelt vorsätzlich, wer einen Sachverhalt verwirklichen will, der einem gesetzlichen Tatbild entspricht; dazu genügt es, dass der Täter diese Verwirklichung ernstlich für möglich hält und sich mit ihr abfindet.
Für die subjektive Tatseite nach § 33 Abs. 2 lit. b FinStrG muss sich die Wissentlichkeit des Täters auf das Bewirken der Verkürzung der Abgaben (Lohnsteuer und Dienstgeberbeitrag) richten, für die Verletzung der abgabenrechtlichen Pflicht zur Lohnkontenführung reicht bedingter Vorsatz aus.
Der Bf führt im Einzelnen aus, dass sowohl im vertraglichen Bereich, als auch im tatsächlichen Wirtschaftsleben die für einen Werkvertrag wesentlichen Tatbestandsmerkmale vorlägen und sich auch die Gebietskrankenkasse bis dato nicht entschieden habe, wie die Verträge und Arbeitsleistungen des Werkvertragsnehmers aus ihrer Sicht zu qualifizieren seien.
Wer als Unternehmer tätig wird, hat laut Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes die damit verbundenen abgabenrechtlichen Verpflichtungen zu beachten. Bei Aufnahme einer unternehmerischen Tätigkeit ist es Aufgabe des Unternehmers, sich mit den einschlägigen Vorschriften vertraut zu machen und im Zweifel bei der Behörde nachzufragen oder sich bei einem befugten Parteienvertreter kundig zu machen (vgl. ).
Es ist der Aktenlage nicht zu entnehmen, ob sich der Bf. (richtigerweise) bei seiner Interessensvertretung, bei seinem zuständigen Finanzamt oder einem Steuerberater über die richtige Vorgangsweise erkundigt hat. Aufgrund der sich aus dem gegenständlichen Verfahren ergebenden Frage der Bewertung der Personen als Dienstnehmer oder Personen mit Werkvertrag ist dem Bf daher allenfalls vorzuwerfen, sich nicht vor Aufnahme der Arbeiten bei den zuständigen Stellen umfangreich und vollständig über die rechtliche Beurteilung und die damit zusammenhängenden Verpflichtungen zur Führung von Lohnkonten einerseits und Abzug und Entrichtung der Lohnabgaben andererseits erkundigt zu haben. Dieses Nichterkundigen als Sorgfaltsverletzung ist jedoch in einem Finanzstrafverfahren nur als fahrlässige Begehungsweise einzustufen, sodass Hinweise auf eine Wissentlichkeit des Bf hinsichtlich einer Verkürzung der verfahrensgegenständlichen Lohnabgaben aus dem bisherigen Akteninhalt nicht abgeleitet werden können.
Auch die bereits gegen den Bf. geführten Finanzstrafverfahren lassen keinen Schluss darauf zu, dass der Bf über die von ihm vertretene Rechtsansicht zur Frage der Einstufung als Werkverträge bzw. Dienstnehmereigenschaft der für ihn tätigen Wurstabfüller hinaus Kenntnis von der allfälligen Unrichtigkeit seiner Rechtsmeinung hatte.
Zusammenfassend ist daher dem Bf zu folgen, dass ausgehend von der von ihm vertretenen - falschen - Rechtsmeinung sich somit eine für das Vorliegen der subjektiven Tatseite einer Abgabenhinterziehung gemäß § 33 Abs. 2 lit. b FinStrG geforderte Wissentlichkeit aus dem vorliegenden Akteninhalt nicht ableiten lässt, sodass der Beschwerde stattzugeben und der angefochtene Bescheid aufzuheben war.
Es war daher spruchgemäß zu entscheiden.
Wien, am
Zusatzinformationen
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Materie | Finanzstrafrecht Verfahrensrecht |
betroffene Normen | § 33 Abs. 2 lit. b FinStrG, Finanzstrafgesetz, BGBl. Nr. 129/1958 § 83 FinStrG, Finanzstrafgesetz, BGBl. Nr. 129/1958 |
Datenquelle: Findok — https://findok.bmf.gv.at