Berufungsentscheidung - Steuer (Referent), UFSF vom 21.05.2012, RV/0151-F/12

Für die Familienbeihlife maßgebliches Studium bei Doppel- oder Mehrfachstudium

Rechtssätze


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Folgerechtssätze
RV/0151-F/12-RS1
wie RV/2201-W/02-RS1
Für den Fall der gleichzeitigen Absolvierung mehrerer Studien besteht Anspruch auf Familienbeihilfe für ein Studium, wobei die Wahl des Studiums, für das Familienbeihilfe beantragt wird, dem Studierenden freisteht. Jede Änderung dieser Entscheidung gilt als Studienwechsel. (Ein Studienwechsel liegt dann vor, wenn der Studierende an Stelle des bisher angegebenen Studiums ein anderes von ihm betriebenes Studium benennt. VwGH 98/12/0163 v. ). Wurden zwei voneinander unabhängige Studien­richtungen gleichzeitig begonnen und das für den Anspruch auf Familienbeihilfe gewählte Studium wird nach dem vierten Semester ausgetauscht, liegt mit dem Wechsel zur anderen Studienrichtung jedenfalls ein schädlicher Studienwechsel i.S. des § 17 Abs. 1 StudFG 1992 vor. Ob das Erststudium auch nach dem Studienwechsel noch weiter betrieben wurde oder sofort abgebrochen wurde, ist dabei unerheblich.

Entscheidungstext

Berufungsentscheidung

Der Unabhängige Finanzsenat hat über die Berufung des DMF, vertreten durch Winkler & Partner, Wirtschaftstreuhand- und Steuerberatungs- GmbH, 6890 Lustenau, Alpstraße 23, vom gegen den Bescheid des Finanzamtes Feldkirch vom betreffend Rückforderung von Familienbeihilfe und Kinderabsetzbeträgen für den Zeitraum März 2009 bis September 2011 entschieden:

Der angefochtene Bescheid wird abgeändert.

Es werden zu Unrecht bezogene Beträge an Familienbeihilfe und Kinderabsetzbetrag für die Monate Oktober 2009 bis Jänner 2011 gemäß § 26 Abs. 1 FLAG 1967 iVm § 33 Abs. 4 lit. a EStG 1988 zurückgefordert.

Entscheidungsgründe

Der Berufungswerber begründete seine Berufung gegen den Rückforderungsbescheid damit, dass seine am XXYYZZZZ geborene Tochter S im Zeitraum März 2009 bis September 2011 nach wie vor studiert und sich somit in Berufsausbildung befunden habe.

Seitens des Finanzamtes wurde in der Folge eine Berufungsvorentscheidung erlassen, die hinsichtlich des Zeitraumes Oktober 2010 bis September 2011 stattgebend war. Betreffend den Zeitraum März 2009 bis September 2010 wurde ausgeführt:

SF studiere seit Oktober 2007 an der Universität I. Die Hauptstudienrichtung sei laut schriftlicher Erklärung das Studium der Rechtswissenschaften. Von Oktober 2007 bis September 2010 habe sie auch das Diplomstudium der Romanistik, Französisch und Spanisch, betrieben. Ebenso studiere sie seit Oktober 2007 am X-er Landeskonservatorium das "zentrale künstlerische Fach Trompete".

Aus dem Studienerfolgsnachweis für das Studium Rechtswissenschaften könne ersehen werden, dass sie im Zeitraum Februar 2009 bis September 2010 zu keiner Prüfung angetreten sei. Zu einer Berufsausbildung iS des § 2 Abs. 1 lit. b FLAG gehöre aber ein zielstrebiges Bemühen um den Studienerfolg. Ein solches sei nach den vorliegenden Unterlagen für den genannten Zeitraum nicht erkennbar.

Der Berufungswerber brachte durch seinen steuerlichen Vertreter einen Antrag auf Entscheidung über seine Berufung durch die Abgabenbehörde II. Instanz ein. Er führte dazu aus:

Seine Tochter habe im Wintersemester 2007/08 die Prüfung Rechtsgeschichte, im Sommersemester 2008 die Prüfung Wirtschaft absolviert. Darüber hinaus "wurden noch weitere Prüfungen abgelegt". Für das erste Studienjahr lägen daher die erforderlichen Voraussetzungen vor. Daraus abgeleitet bestehe gemäß § 2 Abs. 1 lit. b FLAG für das zweite Studienjahr, das sich aus dem Wintersemester 2008/09 und dem Sommersemester 2009 zusammensetzt, der Anspruch auf Familienbeihilfe. Im Wintersemester 2008/09 seien die Prüfungen Straf- und Strafverfahrensrecht sowie Römisches Privatrecht abgelegt worden. Der Abschnitt sei "in der erforderlichen Zeit" abgeschlossen worden. Da somit auch für das zweite Studienjahr die Anspruchsvoraussetzungen vorlägen, bestehe für das dritte Jahr, dieses zerfalle in das WS 2009/10 und das SS 2010, der Anspruch auf Familienbeihilfe.

Im dritten Studienjahr könnten keine Prüfungen nachgewiesen werden, weil viel Zeit für die Aneignung eines umfassenden rechtlichen Grundwissens erforderlich gewesen sei. Zudem sei für die Prüfung aus bürgerlichem Recht eine lange Vorbereitungszeit notwendig. Im WS 2010/11 seien schließlich die Teilprüfungen aus Arbeitsrecht und aus bürgerlichem Recht erfolgreich absolviert worden, ebenso Prüfungen im SS 2011. Familienbeihilfe und Kinderabsetzbetrag stünden für den gesamten Zeitraum zu.

SF habe nicht nur das Studium der Rechtswissenschaften, sondern auch das Diplomstudium "Zentrales künstlerisches Fach Trompete" betrieben und dabei stets die erforderliche ECTS - Punkte erreicht. Was angerechnete Prüfungen betreffe, sei hier der Zeitpunkt der Anrechnung maßgeblich.

Selbst wenn man davon ausginge, dass das Studium der Rechtswissenschaften nicht ernsthaft und zielstrebig betrieben worden sei, lägen diese Voraussetzungen jedenfalls für das Fach Trompete vor. Im Studienjahr 2007/08 sei die "Vorbereitung Trompete" belegt worden, ab WS 2008/09 das Diplomstudium. Sollte dies für das Vorliegen der Anspruchsvoraussetzungen zweckdienlich sein, müsse man ab dem WS 2007/08 das Diplomstudium "Zentrales künstlerisches Fach Trompete" als Hauptstudium ansehen.

Eine Schlechterstellung von Studierenden, die mehreren Studien nachgingen, gegenüber solchen, die einen Studienwechsel vollzögen, wäre bei gleichem Studienerfolg eine unsachliche Differenzierung.

Über die Berufung wurde erwogen:

Gemäß § 2 Abs. 1 lit. b Familienlastenausgleichsgesetz (FLAG) 1967 haben Personen Anspruch auf Familienbeihilfe für volljährige Kinder, die das 26. Lebensjahr (gemäß BudBG 2011, BGBl. I 2010/11 mit Wirkung ab das 24. Lebensjahr) noch nicht vollendet haben und die für einen Beruf ausgebildet oder in einem erlernten Beruf in einer Fachschule fortgebildet werden, wenn ihnen durch den Schulbesuch die Ausübung ihres Berufes nicht möglich ist.

Bei Kindern, die eine in § 3 des Studienförderungsgesetzes 1992, BGBl.Nr. 305, genannte Einrichtung besuchen, ist eine Berufsausbildung nur dann anzunehmen, wenn sie die vorgesehene Studienzeit pro Studienabschnitt um nicht mehr als ein Semester oder die vorgesehene Ausbildungszeit um nicht mehr als ein Ausbildungsjahr überschreiten. Wird ein Studienabschnitt in der vorgesehenen Studienzeit absolviert, kann einem weiteren Studienabschnitt ein Semester zugerechnet werden. Die Studienzeit wird durch ein unvorhergesehenes oder unabwendbares Ereignis (z.B. Krankheit) oder nachgewiesenes Auslandsstudium verlängert. Dabei bewirkt eine Studienbehinderung von jeweils drei Monaten eine Verlängerung der Studienzeit um ein Semester. ........ Bei einem Studienwechsel gelten die in § 17 Studienförderungsgesetz 1992, BGBl. Nr 305, angeführten Regelungen auch für den Anspruch auf Familienbeihilfe. Die Aufnahme als ordentlicher Hörer gilt als Anspruchsvoraussetzung für das erste Studienjahr. Anspruch ab dem zweiten Studienjahr besteht nur dann, wenn für ein vorhergehendes Studienjahr die Ablegung einer Teilprüfung der ersten Diplomprüfung oder des ersten Rigorosums oder von Prüfungen aus Pflicht- oder Wahlfächern des betriebenen Studiums im Gesamtumfang von acht Semesterwochenstunden oder im Ausmaß von 16 ECTS-Punkten nachgewiesen wird. Der Nachweis ist unabhängig von einem Wechsel der Einrichtung oder des Studiums durch Bestätigungen der im § 3 des Studienförderungsgesetzes 1992 genannten Einrichtungen zu erbringen. Für eine Verlängerung des Nachweiszeitraumes gelten die für die Verlängerung der Studienzeit genannten Gründe sinngemäß.

Die zitierte Gesetzesbestimmung gibt somit eindeutig vor, unter welchen Voraussetzungen ein Studium als Berufsausbildung im Sinn des § 2 Abs. 1 lit. b FLAG 1967 anzusehen ist.

Gemäß § 10 Abs. 2 FLAG 1967 erlischt der Anspruch auf Familienbeihilfe mit Ablauf des Monates, in dem eine Anspruchsvoraussetzung wegfällt oder ein Ausschließungsgrund hinzukommt. Nach § 26 FLAG 1967 ist zu Unrecht bezogene Familienbeihilfe zurückzuzahlen. § 26 leg. cit. gilt gemäß § 33 Abs. 4 Z 3 lit. a EStG 1988 auch für den zu Unrecht bezogenen Kinderabsetzbetrag.

Für den Fall der Absolvierung mehrerer Studien besteht Anspruch auf Familienbeihilfe für nur ein Studium, wobei die Wahl des Studiums, für das Familienbeihilfe beantragt wird, dem/der Studierenden freisteht. Jede Änderung dieser Entscheidung gilt als Studienwechsel. Werden zwei voneinander unabhängige Studienrichtungen gleichzeitig begonnen und das für den Anspruch auf Familienbeihilfe gewählte Studium nach dem vierten Semester ausgetauscht, so liegt mit dem Wechsel zur anderen Studienrichtung jedenfalls ein schädlicher Studienwechsel iS des § 17 Abs. 1 StudFG 1992 vor (vgl. mit Verweis auf ).

Im Streitfall hat die Studierende selbst stets das Studium der Rechtswissenschaften als Hauptstudium angegeben und ist dies auch für die Referentin des Unabhängigen Finanzsenates die glaubwürdige Version. Wenn erstmals im Vorlageantrag der steuerliche Vertreter im oder ab dem dritten Studienjahr das Studium der Trompete als maßgeblich für die Familienbeihilfengewährung sehen möchte, wäre damit aber auch ohnehin nichts zu gewinnen, zumal darin ein familienbeihilfenschädlicher Studienwechsel nach dem vierten Semester zu erblicken wäre. In concreto bedeutet dies, dass Wartezeiten wie im Absatz 4 des § 17 StudFG 1992 umschrieben, in Kauf zu nehmen wären.

Als Anspruchsvoraussetzung für das erste Studienjahr genügt die Aufnahme als ordentliche Hörerin oder als ordentlicher Hörer. Die Erbringung des Studienerfolgsnachweises aus diesem ersten Studienjahr ist aber Voraussetzung für den Anspruch ab dem zweiten Studienjahr.

Gemäß § 6 Abs. 1 Universitäts-Studiengesetz idF BGBl. I Nr. 48/1997 besteht das Studienjahr aus dem Wintersemester, dem Sommersemester und der lehrveranstaltungsfreien Zeit. Es beginnt am 1. Oktober und endet am 30. September.

Die Tochter des Berufungswerbers nahm ihre Studien an der Universität I im Wintersemester 2007/08 auf, wobei das Studium der Rechtswissenschaften als Hauptstudium festgelegt wurde. Für das erste Studienjahr wurde die Familienbeihilfe zu Recht bezogen, weil als Anspruchsvoraussetzung gemäß § 2 Abs. 1 lit. b FLAG die Inskription genügt. Grundsätzlich ist der Studienerfolg für jeweils ein Studienjahr nachzuweisen. Richtigerweise wurde die Familienbeihilfe für SF ab Oktober 2008 (2. Studienjahr) weiter ausbezahlt, weil sie für das vorangegangene Studienjahr den Erfolgsnachweis über abgelegte Prüfungen im Ausmaß von 30 ECTS-Punkten erbracht hatte. Im zweiten Studienjahr erzielte sie aus dem für die Zuerkennung der Familienbeihilfe maßgeblichen Hauptstudium der Rechtswissenschaften 28 ECTS-Punkte, was grundsätzlich zum weiteren Familienbeihilfenbezug berechtigte. Da aber - im Nachhinein betrachtet - die Studentin im dritten Studienjahr (WS 2009/10 - SS 2010) den erforderlichen Studienerfolg aus dem für die Zuerkennung der Familienbeihilfe maßgeblichen Studium nicht erreichte, besteht zunächst für das vierte Studienjahr (WS 2010/11 - SS 2011) kein Anspruch auf Familienbeihilfe und liegen - soweit die Familienbeihilfe und der Kinderabsetzbetrag dennoch ausbezahlt wurden - die Voraussetzungen für eine Rückforderung gemäß § 26 FLAG 1967 ab Beginn des Wintersemesters 2009/10, dh ab Oktober 2009, vor.

Bei Sachlagen wie der geschilderten steht die Familienbeihilfe für die restlichen Monate des laufenden Studienjahres ab Beginn des Monats, in dem der erforderliche Studienerfolg erreicht wurde, wieder zu (vgl. ). Nach Durchsicht der "Bestätigung des Studienerfolges" der Universität I vom hat SF in ihrem vierten Studienjahr am mit Ablegung der Prüfung "Bürgerliches Recht und Internationales Privatrecht, mündlicher Teil" wieder die erforderliche ECTS-Punkte-Anzahl (16 ECTS) erreicht bzw. überschritten:

  • Übung bürgerliches Recht, , 2 ECTS

  • Übung bürgerliches Recht , 2 ECTS

  • Übung Finanzrecht , 2 ECTS

  • Teilprüfung bürgerliches Recht und internationales Privatrecht, schriftlicher Teil, und

  • Teilprüfung bürgerliches Recht und internationales Privatrecht, mündlicher Teil, , zusammen 28 ECTS

Zusammenfassend ist festzustellen, dass die in Streit stehende Rückforderung für das dritte Studienjahr, dh Oktober 2009 bis September 2010 zu Recht erfolgte, ebenso für Oktober 2010 bis Jänner 2011. Für März 2009 bis September 2009 sind die Anspruchsvoraussetzungen erfüllt, weil im zweiten Studienjahr die erforderliche Zahl an ECTS-Punkten aus dem maßgeblichen Studium der Rechtswissenschaften erreicht wurde.

Der Information halber wird bemerkt, dass dem Arbeitspensum eines Studienjahres prinzipiell 60 ECTS-Punkte entsprechen. Bei dem laut FLAG erforderlichen Leistungsnachweis von 16 ECTS-Punkten für ein Studienjahr handelt es sich bloß um wenig mehr als die Hälfte des für ein Semester festgelegten Aufwandes. Dem Zweck der Familienbeihilfe entsprechend sind die Anforderungen des Leistungsnachweises - im Vergleich zum StudFG - geringer, handelt es sich doch um eine Familienleistung im klassischen Sinn und nicht um eine unmittelbare Form der Studienförderung (Wimmer in Csaszar/Lenneis/Wanke, FLAG, § 2, Rz 70).

Ein Eingehen auf die vorgebrachten Entschuldigungsgründe erübrigt sich, zumal für die Annahme eines ernsthaft und zielstrebig betriebenen Studiums ausschließlich die gesetzliche Beweisregel nach § 2 Abs. 1 lit. b FLAG 1967 ausschlaggebend ist.

Es war daher wie im Spruch zu entscheiden.

Feldkirch, am

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Datenquelle: Findok — https://findok.bmf.gv.at