Zuschlag zum Dienstgeberbeitrag (Kammerumlage II)
Entscheidungstext
Berufungsentscheidung
Der Unabhängige Finanzsenat hat über die Berufung der Bw., vertreten durch PwC PricewaterhouseCoopers, Wirtschaftsprüfung und Steuerberatung GmbH, in 1030 Wien, Erdbergstraße 200, vom gegen den Bescheid des Finanzamtes Wien 1/23 vom betreffend Festsetzung des Zuschlages zum Dienstgeberbeitrag (Kammerumlage gemäß § 122 Abs. 7 und 8 WKG) für den Zeitraum Jänner 2009 bis April 2009 wie folgt entschieden:
Die Berufung wird als unbegründet abgewiesen. Der angefochtene Bescheid bleibt unverändert.
Entscheidungsgründe
Mit Schriftsatz vom , und hat die Berufungswerberin (in der Folge Bw.) beantragt, die Kammerumlage II (Zuschlag zum Dienstgeberbeitrag) bescheidmäßig mit € 0,00 festzusetzen und diesen Antrag wie folgt begründet: Die Einhebung der Kammerumlage II widerspräche Art 43 Abs. 1 EGV (Niederlassungsfreiheit). Nach neuerer Rechtsprechung des EuGH sei Art 43 EGV nicht allein als Diskriminierungsverbot ausländischer Wirtschaftstreibender zu sehen; Art 43 EGV stelle vielmehr ein generelles Verbot von ungerechtfertigten Behinderungen der Niederlassungsfreiheit dar. Die Pflichtmitgliedschaft in einer Kammer im Zusammenwirken mit der verpflichtenden Entrichtung eines Kammerbeitrages stelle eine unzulässige Beschränkung der Niederlassungsfreiheit dar. Dies sei insbesondere dann der Fall, wenn der Kammerbeitrag im Vergleich zu den von der Kammer angebotenen Leistungen in einem groben Missverhältnis stehe. Die Kammerumlage II widerspräche dem Sachlichkeitsgebot des Art 7 B-VG. Die Bemessung der Kammerumlage nehme weder Rücksicht auf die Leistungsfähigkeit des Abgabepflichtigen (und widerspräche damit dem mittelbar im Verfassungsrang stehenden "Leistungsfähigkeitsprinzip") noch auf das Ausmaß der Leistungen, die der Abgabepflichtige allenfalls in Anspruch nehmen könne.
Mit Bescheid vom hat das Finanzamt den Zuschlag zum Dienstgeberbeitrag für die Kalendermonate Jänner bis April 2009 mit € 6.651,23 festgesetzt und diese Vorschreibung wie folgt begründet: 1. Niederlassungsfreiheit Nach ganz herrschender Auffassung sei das Institut der Pflichtmitgliedschaft (verbunden mit einer Beitragspflicht) mit der Niederlassungsfreiheit vereinbar (zB Kluth, Funktionale Selbstverwaltung, 1997, 334ff; Scheitmann, Wirtschafts- und berufsständische Kammern im europäischen Gemeinschaftsrecht, 2007, 118ff). Der EuGH habe im Jahre 1983 zur Pflichtmitgliedschaft in einer Tierärztekammer ausgesprochen, "dass das Erfordernis der obligatorischen Eintragung oder der Pflichtmitgliedschaft bei Berufsverbänden oder -korporationen ... als rechtmäßig anzusehen ist", und darüber hinaus formuliert, dass "die Rechtsvorschriften der Mitgliedstaaten, die die Pflichtmitgliedschaft in einer berufsständischen Kammer vorschreiben, ... als solche nicht unvereinbar mit dem Gemeinschaftsrecht" sind, vorausgesetzt die wesentlichen Grundsätze des Gemeinschaftsrechts wie insbesondere das Diskriminierungsverbot finden Anwendung (, Auer, Slg 1983, I-2727, Rz 18f). Die Niederlassungsfreiheit gebiete, anders als einzelne Vorbringen durchklingen ließen, nicht, Unternehmer eines Mitgliedstaates, die sich (auch) in einem anderen Mitgliedstaat niederlassen, in diesem besser zu behandeln, als die dort bereits niedergelassenen Unternehmer. Wäre es anders, so verstieße ja das jeweilige nationale Steuerrecht gegen die Niederlassungsfreiheit. 2. Beihilfenverbot Soweit eingewendet werde, das durch das WKG geschaffene System (Pflichtmitgliedschaft, Umlagen, Verwendung der Umlagen) würde gegen Art 87 EG (Beihilfenverbot) verstoßen, so werde folgendes festgehalten: Art 87 EG verbiete "staatliche oder aus staatlichen Mitteln gewährte Beihilfen", mit denen bestimmte Unternehmen oder Produktionszweige begünstigt würden, die den Wettbewerb verfälschten oder zu verfälschen drohten und die den Handel zwischen den Mitgliedstaaten beeinträchtigen würden. Soweit die Umlagen der Finanzierung der Aktivitäten im eigenen Wirkungsbereich dienten, sei die Staatlichkeit dieser Mittel auf dem Boden der Entscheidung des EuGH in der Rs C-379/98, PreussenElektra, umfassend zu verneinen. Einerseits würden nämlich diese von Privaten aufgebrachten Mittel den Kammern ohne staatliche Zugriffsmöglichkeit zufließen. Andererseits würden die Kammern in ihrem eigenen Wirkungsbereich autonom festgelegte, selbstgesetzte Ziele verfolgen. Dem Staat komme keine Möglichkeit zu, diese Ziele und damit die Mittelverwendung inhaltlich zu bestimmen. Auch das Merkmal der Selektivität (Begünstigung bestimmter Unternehmen oder Produktionszweige) werde durch die umlagenfinanzierten Tätigkeiten der Kammern nicht erfüllt, da diese - unbeschadet der branchenspezifischen Ausrichtung mancher Serviceleistungen - immer unterschiedslos allen Mitgliedern gegenüber erbracht würden. Überdies lägen die von den Wirtschaftskammern gegenüber ihren Mitgliedsunternehmen erbrachten Leistungen allesamt weiter unter dem - vor den Maßnahmen zur gegenwärtigen Wirtschafts- und Finanzkrise geltenden - De-minimis-Grenzwert von € 200.000,00 bezogen auf einen Zeitraum von drei Jahren. Aus diesem Grund gehe auch das Argument fehl, die Freigrenze des § 41 Abs. 4 FLAG sei eine Beihilfe, weil sie einen Ausnahmecharakter habe und bestimmte Unternehmen begünstige: Dieser Bestimmung zufolge verringere sich nämlich die Beitragsgrundlage dann um € 1.095,00, wenn sie in einem Kalendermonat den Betrag von € 1.460,00 nicht übersteige. Der De-minimis-Grenzwert werde damit nicht einmal annährend erreicht. 3. Verdrängung/Durchführungsverbot Dem (allfälligen) Vorbringen, dass § 122 Abs. 7 und 8 WKG im Umfang der Gemeinschaftsrechtswidrigkeit durch primäres Gemeinschaftsrecht verdrängt und daher nicht anzuwenden sei bzw. dass das Durchführungsverbot des Art 88 Abs. 3 EG den nationalen Behörden die Einhebung von Umlagen verbiete, aus denen - behaupteterweise - unzulässige Beihilfen gewährt würden, werde Folgendes entgegen gehalten: Der Anwendungsvorrang komme dann zum Tragen, wenn die innerstaatliche Vorschrift einer gemeinschaftsrechtlichen widerspräche, die selbst die Voraussetzung einer unmittelbaren Anwendbarkeit erfülle, also unbedingt und hinreichend genau sei. Abgesehen von der Frage, ob Niederlassungsfreiheit und Beihilfenverbot überhaupt ein Anwendungsvorrang zukommen könne, sei eine Verdrängung des § 122 Abs. 7 und 8 WKG deshalb nicht möglich, weil ein Widerspruch weder zur Niederlassungsfreiheit noch zum Beihilfenrecht vorliege. Und selbst wenn, was nicht der Fall sei, die Kammern rechtswidrige Beihilfen vergeben würden, so lägen doch die gemeinschaftsrechtlichen Voraussetzungen für die Sistierung der Umlagenerhebung nicht vor (dazu im Detail und C-262/01, Van Calster; , verbundene Rechtssachen C-266/04 bis C-270/05, C-276/04 und C-321/04 bis C-325/04; Nazairdis SAS, u.a.; ). 4. Gleichheitsgrundsatz Soweit vorgebracht werde, § 122 Abs. 7 WKG sei gleichheitswidrig, da bei der Bemessung der Kammerumlage weder auf die Leistungsfähigkeit des Abgabepflichtigen noch auf das Ausmaß der Leistungen Rücksicht genommen werde, die er allenfalls in Anspruch nehmen könne, bzw. nach § 122 Abs. 7 und 8 WKG werde nicht nach der Unternehmensgröße, sondern nach der Produktionsart (Anknüpfung an den Produktionsfaktor Arbeit) differenziert, werde Folgendes festgehalten: Kammerumlagen seien steuerähnliche Abgaben und keine Gebühren; sie müssten daher dem Prinzip der Nutzenäquivalenz nicht entsprechen (VfSlg 14.072/1995, 16.188/2001). In VfSlg 14.072/1995 habe der Verfassungsgerichtshof explizit zu dem vom Gesetzgeber zur Finanzierung der Wirtschaftskammern gewählten Mischsystem Stellung genommen und ausgeführt: "Er hat teilweise - wohl im Hinblick auf die Aufgaben der Wirtschaftskammern im arbeitsrechtlichen und kollektivvertraglichen Bereich - an die Lohnsumme, teilweise an den Umsatz (als Indikator für das Geschäftsvolumen), teilweise an branchenspezifisch bestimmte Anknüpfungspunkte und teilweise (in Art von Gebühren) an die konkrete Inanspruchnahme von Kammerleistungen durch Kammermitglieder angeknüpft. Der Gerichtshof kann nicht finden, dass der Gesetzgeber durch ein derartiges System das dem Gleichheitsgrundsatz innewohnende Sachlichkeitsgebot verletzt hätte. Weder ist verfassungswidrig, eine Kombination von Anknüpfungspunkten heranzuziehen, noch unter ihnen auch auf den Umsatz als einen Anknüpfungspunkt abzustellen". Wenn, wie der VfGH festgestellt habe, der Umsatz ein tauglicher Indikator für die Leistungsfähigkeit eines Unternehmens sei, dann sei es auch die Höhe der Lohnsumme und die davon abhängige Höhe des Dienstgeberbeitrages.
Ihre Berufung vom hat die Bw. wie folgt begründet: I) Gemeinschaftsrechtswidrigkeit Der Bescheid des Finanzamtes gründe sich auf eine gemeinschaftswidrige Bestimmung, nämlich auf § 122 Abs. 7 und 8 WKG. Diese Bestimmung sei im Umfang der Gemeinschaftswidrigkeit durch primäres Gemeinschaftsrecht verdrängt und daher nicht anzuwenden, weshalb der Bescheid an einer Rechtswidrigkeit des Inhaltes leide. 1. Verstoß gegen Art 43 EGV Ungerechtfertigte Behinderungen der Niederlassungsfreiheit seien nach Art 43 EGV jedenfalls verboten. Nach der Rechtsprechung des EuGH (schon , Kraus) seien darunter nicht nur diskriminierende Maßnahmen, also Maßnahmen die einen Unterschied zwischen Ausländern und Inländern machen, sondern auch nichtdiskriminierende Maßnahmen zu verstehen. Auch § 122 Abs. 7 und 8 WKG sei eine nichtdiskriminierende Maßnahme, die die Niederlassungsfreiheit ungerechtfertigt beeinträchtige. § 122 Abs. 7 und 8 WKG bestimme, dass alle Mitglieder der Wirtschaftskammer eine "weitere Umlage" (zusätzlich zur Umlage nach § 122 Abs. 1 WKG oder § 122 Abs. 2 WKG) an die Landeskammern und die Bundeskammer zu entrichten hätten. Wer Mitglied sei, bestimme sich nach § 2 WKG. In Verbindung mit dieser Bestimmung müssten daher alle Unternehmen, deren Tätigkeit der Gewerbeordnung unterlägen, unterschiedslos eine Umlage nach § 122 Abs. 7 und 8 WKG entrichten. Dieser Umlage werde die Beitragsgrundlage nach § 41 Familienlastenausgleichsgesetz 1967 ("FLAG") zu Grunde gelegt. Das sei die Summe der Arbeitslöhne, die jeweils in einem Kalendermonat an die im Bundesgebiet beschäftigten Dienstnehmer gezahlt würden, wobei ein ins Ausland entsendeter Dienstnehmer ebenfalls als im Bundesgebiet beschäftigt angesehen werde. Eine solche undifferenzierte nationale Bestimmung sei mit dem gemeinsamen Markt unvereinbar, da durch sie insbesondere Unternehmen, die grenzüberschreitend tätig seien, in mehreren Mitgliedstaaten mit Mitgliedsbeiträgen zu gesetzlichen Interessenvertretungen belastet werden könnten. § 122 Abs. 6 und 7 WKG stelle in keiner Weise darauf ab, ob das Mitglied auch in einem anderen Mitgliedstaat Mitglied einer gesetzlichen Interessenvertretung sei und in welcher Höhe eine Beitragsbelastung anfalle. Freilich liege es am europäischen Gesetzgeber ein System gesetzlicher Interessenvertretungen in Europa derart zu harmonisieren, dass ungerechtfertigte Doppelbelastungen von grenzüberschreitenden Unternehmen und somit eine Beeinträchtigung des Binnenmarktes vermieden würden. Eine fehlende Harmonisierung hindere den Normunterworfenen aber nicht, den Verstoß gegen die Niederlassungsfreiheit im Sinne der unmittelbaren Wirkung des Primärrechtes sofort aufzugreifen. Dies sei vor dem Hintergrund der enormen Belastungen denen die Unternehmen durch derartige Mitgliedsbeiträge in verschiedenen Mitgliedstaaten der Europäischen Union ausgesetzt seien, notwendig. 2. Verstoß gegen Art 87 EGV Nach Art 87 EGV seien staatliche oder aus staatlichen Mitteln gewährte Beihilfen gleich welcher Art, die durch die Begünstigung bestimmter Unternehmen oder Produktionszweige den Wettbewerb verfälschten oder zu verfälschen drohten, mit dem gemeinsamen Markt unvereinbar, soweit sie den Handel zwischen Mitgliedstaaten beeinträchtigten (, GEMO, Slg. 2003, I-0000, Rn 22 und die dort zitierte Rechtsprechung). Das Tätigwerden der nationalen Gerichte und Behörden im System der Kontrolle von staatlichen Beihilfen beruhe auf der unmittelbaren Wirkung, die dem in Art 88 Abs. 3 Satz 3 EGV ausgesprochenen Verbot, beabsichtigte Beihilfenmaßnahmen durchzuführen, zukomme. Dieses Verbot werde als Durchführungsverbot bezeichnet. Die Bekämpfung einer staatlichen Beihilfe müsse also nicht notwendigerweise durch Anrufung der Kommission oder des Europäischen Gerichtshofes geschehen, sondern könne direkt vor der nationalen Behörde erfolgen, welche Normadressat des Durchführungsverbotes sei. § 122 Abs. 7 und 8 WKG verstoße gleich in zweifacher Hinsicht gegen das Beihilfenverbot: a) Finanzierung von wirtschaftlichen Tätigkeiten der Wirtschaftskammern Aus den Mitgliedsbeiträgen nach § 122 Abs. 7 und 8 WKG (sowie aus anderen Mitgliedsbeiträgen) würden auch wirtschaftliche Tätigkeiten der Wirtschaftskammer finanziert. So betreibe die Wirtschaftskammer beispielsweise das "WIFI - Wirtschaftsförderungsinstitut der Wirtschaftskammer Österreichs". Die Wirtschaftskammer bewerbe selbst auf ihrer Internetseite, dass dieses Institut nicht nur in Österreich, sondern auch in Polen, Tschechien, Slowakei, Ungarn, Rumänien und Bulgarien tätig sei. Das Institut sei nach eigener Aussage eine "Plattform und Wissensvermittler auf den Gebieten Werbung, Public Relations, Internet, neue Bildungsprodukte, Technologien und Innovation". Es sei wohl amtsbekannt, dass diese Dienstleistungen auf entgeltlicher Basis angeboten würden. Damit stehe das WIFI aber in unmittelbarem Wettbewerb mit anderen Anbietern in Österreich und den genannten anderen Mitgliedstaaten. Die Mitglieder der Wirtschaftskammern würden somit aus ihren gesetzlichen Beiträgen grenzüberschreitende Tätigkeiten der Wirtschaftskammern finanzieren. Dies stelle eine staatliche Beihilfe dar, die mit dem gemeinsamen Markt unvereinbar sei, weil sie den Markt zwischen Mitgliedstaaten beeinträchtige. Die Behörde argumentiere, dass die Staatlichkeit von Umlagen, die der Finanzierung der Aktivitäten im eigenen Wirkungsbereich dienten, auf dem Boden der Entscheidung des EuGH in der Rs C-379/98, PreussenElektra, umfassend zu verneinen sei. Einerseits würden diese von Privaten aufgebrachten Mittel den Kammern ohne staatliche Zugriffsmöglichkeit zufließen und andererseits verfolgten die Kammern in ihrem eigenen Wirkungsbereich autonom festgelegte, selbstgesetzte Ziele. Dem Staat komme keine Möglichkeit zu, diese Ziele und damit die Mittelverwendung inhaltlich zu bestimmen. Dem sei zu entgegnen, dass Institutionen nach der Art der österreichischen Wirtschaftskammern im Sinne der Rechtsprechung des EuGH als staatliche Institutionen dem Staat zuzurechnen seien ( Verbundene Rechtssachen Epifanio Viscido, C-52/97, Mauro Scandella ua, C-53/97, und Massimiliano Terragnolo ua, C-54/97, gegen Ente Poste Italiane). Das bedeute, dass durch die Wirtschaftskammer an Unternehmen gewährte Beihilfen im Sinne dieser Rechtsprechung auch als staatliche Beihilfen anzusehen seien. Auf Grund des oben erwähnten Durchführungsverbotes des Art 88 Absatz 3 Satz 3 EGV sei es den nationalen Behörden verboten, Beiträge, mit denen staatliche Beihilfen gewährt werden, einzuheben. b) Begünstigung bestimmter Wirtschaftszweige (Beihilfe) Eine staatliche Maßnahme stelle dann eine Beihilfe dar, wenn sie bestimmte Unternehmen oder Produktionszweige begünstige. Prüfe man die steuerliche Regelung nach den Vorgaben der Europäischen Kommission so stelle man fest, dass sie Ausnahmecharakter habe, weil sie eine Ausnahme hinsichtlich jener Unternehmen mache, die sehr wenig oder gar kein Arbeitslöhne zahlten. Somit erfülle die Maßnahme das Kriterium, nicht auf alle Unternehmen und alle Produktionszweige anwendbar zu sein. Der Begriff der Beihilfe nach Art 87 EGV umfasse nicht nur positive Leistungen wie Subventionen selbst, sondern auch Maßnahmen, die in unterschiedlicher Form die Belastungen vermindern, die ein Unternehmen normalerweise zu tragen habe, und die somit zwar keine Subventionen im strengen Sinn des Wortes darstellten, diesen aber nach Art und Wirkung gleichstünden. Nach der Rechtsprechung des VwGH bedürfe es daher im Hinblick auf das Beihilfenverbot nach Art 87 EGV einer sachlichen Rechtfertigung für eine unterschiedliche steuerliche Belastung von Unternehmen (). Die Behörde vermeine, dass das Merkmal der Selektivität (Begünstigung bestimmter Unternehmen oder Produktionszweige) durch die umlagenfinanzierten Tätigkeiten der Kammern nicht erfüllt würden, weil diese - unbeschadet der branchenspezifischen Ausrichtung mancher Serviceleistungen - immer unterschiedslos allen Mitgliedern gegenüber erbracht würden. Demgegenüber vertrete die Bw. die Rechtsmeinung, dass das Abstellen des § 122 Abs. 7 und 8 WKG in Verbindung mit § 41 FLAG auf die Summe von Arbeitslöhnen als Beitragsgrundlage für die in Streit stehende Umlage bewirke, dass vor allem Unternehmen mit einem hohen Personalaufwand, also arbeitsintensive Produktionszweige; unverhältnismäßig stark mit Gebühren belastet würden. Auch durch die Freigrenze nach § 41 Abs. 4 letzter Satz FLAG werde eine Ausnahme zugunsten von Betrieben gemacht, die nur einen sehr geringen Personaleinsatz hätten. Dies verstärke den Effekt zu Lasten der arbeitsintensiven Produktionszweige noch zusätzlich. Dem entgegne die Behörde mit dem Argument, dass die von den Wirtschaftskammern gegenüber ihren Mitgliedsunternehmen erbrachten Leistungen allesamt weit unter dem De-minimis-Grenzwert von EUR 200.000,00 bezogen auf einen Zeitraum von drei Jahren lägen. Aus diesem Grund ginge das Argument fehl, die Freigrenze des § 41 Abs. 4 FLAG sei eine Beihilfe, weil sie einen Ausnahmecharakter habe und bestimmte Unternehmen begünstige. Dem sei entgegen zu halten, dass in den De-minimis-Grenzwert sämtliche staatliche Beihilfen einzubeziehen seien und nicht nur die von den Wirtschaftskammern erbrachten Leistungen, womit dieses Argument ins Leere gehe. Weiters sei festzuhalten, dass die Maßnahme auch nicht durch den inneren Aufbau des Steuer- und Abgabensystems gerechtfertigt sei, weil es kein Grund- und Leitprinzip des österreichischen Steuersystems darstelle, personalintensive Betriebe unverhältnismäßig stärker zu belasten als kapitalintensive Betriebe. (De lege ferenda sei an dieser Stelle angemerkt, dass es auch arbeitsmarktpolitisch nicht besonders erstrebenswert sei, den Faktor Arbeit durch zusätzliche Lohnnebenkosten enorm zu belasten, und damit gegenüber Produktionsfaktor Kapital ungerechtfertigt zu benachteiligen). Im Ergebnis sei daher festzuhalten, dass § 122 Abs. 7 und 8 WKG in Verbindung mit § 41 FLAG eine staatliche Beihilfe im Sinne des Art 87 EGV darstelle, weil sie Ausnahmecharakter habe und somit bestimmte Wirtschaftsteilnehmer ungerechtfertigt begünstige. Diese stünden unstrittig auch im unmittelbaren Wettbewerb mit ausländischen Anbietern, womit eine Beeinträchtigung des Handels zwischen den Mitgliedstaaten gegeben sei. Auf Grund des Durchführungsverbotes des Artikel 88 Absatz 3 Satz 3 EGV sei es der Behörde untersagt, diese Abgabe einzuheben. II) Verfassungswidrigkeit Der Bescheid leide auch deshalb an einer Rechtswidrigkeit, weil er sich auf § 122 Abs. 7 und 8 WKG stütze und diese Bestimmung durch ihren Verweis auf § 41 FLAG auch verfassungswidrig sei. § 122 Abs. 7 und 8 WKG diene der Finanzierung der Wirtschaftskammern. Die Verteilung dieser Finanzierungslast auf die Mitglieder müsse nach einem sachlichen Kriterium erfolgen. Dazu führe Beiser aus, dass eine unverhältnismäßige Belastung aufgrund einer insgesamt (im Verhältnis zu Aufgaben und Zweck nach § 1 WKG) überhöhten Umlagenlast, eine unverhältnismäßige Belastung (und somit Überforderung) einzelner Mitglieder oder eine unverhältnismäßige Verteilung der Umlagekosten unter den Kammermitgliedern mit dem Gebot einer gleichmäßigen Verteilung der Umlagelasten nach Art 7 B-VG nicht zu vereinbaren sei (Beiser, SWK 9/2008). Aus Art 7 B-VG werde nach herrschender Lehre abgeleitet, dass eine Differenzierung sachlich sein müsse. Das bedeute, dass die Kriterien, anhand deren Gleiches als gleich erachtet und gleich behandelt, und Ungleiches als ungleich erachtet und behandelt werde, sachlich sein müssten (Sachlichkeitsgebot). Der Bw. sei bekannt, dass der Verfassungsgerichtshof die Ansicht vertrete, dass ein Abstellen auf die Unternehmensgröße bei der Bemessung einer Abgabe kein unsachliches Kriterium darstelle (). Auf die in Streit stehende Abgabe treffe diese Rechtsprechung nicht zu. Durch die Umlage nach § 122 Abs. 7 und 8 WKG werde eben nicht nach der Unternehmensgröße, sondern nach der Produktionsart differenziert: Unternehmen, deren Produktion vor allem den Produktionsfaktor Arbeit benötigten, würden gegenüber Unternehmen benachteiligt, die keine Dienstnehmer beschäftigten oder nur sehr geringe Löhne zahlten. Dieses Kriterium sei unsachlich. Es gäbe keinen Grund, Unternehmen mit vielen Beschäftigten, die somit zur Sicherung der Arbeitsplätze beitragen würden, wesentlich höher mit einer bestimmten Abgabe zu belasten, als Unternehmen, die keine Beschäftigten anstellten, wenn diese Abgabe lediglich zur Finanzierung der Wirtschaftskammern dienen solle. Hier sei kein vernünftiger Zusammenhang zwischen dem Zweck der Abgabe (Finanzierung der Wirtschaftskammer) und dem Kriterium der Verteilung dieser Abgabe auf die Mitglieder erkennbar. Hinter § 122 Abs.7 und 8 WKG stehe auch kein bestimmtes politisches Ziel, das die Gestaltung rechtfertigen würde, weil es wie bereits oben erwähnt, kein Grund- oder Leitprinzip der österreichischen Steuerpolitik sei, den Produktionsfaktor Arbeit besonders hoch im Verhältnis zu anderen Produktionsfaktoren zu belasten. Es wäre geradezu widersinnig, dies dem Gesetzgeber zu unterstellen. Einer verfassungskonformen Interpretation sei § 122 Abs. 7 und 8 WKG nicht zugänglich, weil diese Bestimmung eindeutig unsachlich im dargelegten Sinn sei. Im Ergebnis verstoße § 122 Abs.7 und 8 WKG durch den Verweis auf die Beitragsgrundlage nach § 41 FLAG also gegen das dem Gleichheitssatz innewohnende Sachlichkeitsgebot des Art 7 B-VG, und sei daher verfassungswidrig, womit auch der Bescheid an einer Rechtswidrigkeit leide. Daran ändere auch Art 120c Abs. 2 B-VG in der Fassung des Bundesverfassungsgesetzes BGBl Nr. 2/2008 nichts, weil diese Bestimmung nur die Mitgliedschaft an sich, und nicht die Höhe und Lastenverteilung der Beiträge verfassungsgesetzlich regle.
Das Finanzamt hat die Berufung ohne Erlassung einer Berufungsvorentscheidung der Abgabenbehörde zweiter Instanz zur Entscheidung vorgelegt.
Über die Berufung wurde erwogen:
1) Verfassungswidrigkeit (Art 7 B-VG) Einen Verstoß gegen das dem Gleichheitsgrundsatz (Art 7 B-VG) innewohnende Sachlichkeitsgebot erblickt die Bw. zusammengefasst darin, dass die in § 122 Abs. 7 und 8 WKG iVm § 41 FLAG geregelte Bemessung der Kammerumlage II weder Rücksicht auf die Leistungsfähigkeit des Abgabepflichtigen, noch auf das Ausmaß der Leistungen, die der Abgabepflichtige allenfalls in Anspruch nehmen könne, nehme. § 122 Abs. 7 und 8 WKG sei aber auch deshalb verfassungswidrig, weil hier nach der Produktionsart differenziert werde: Unternehmen mit dem Produktionsfaktor Arbeit würden gegenüber Unternehmen, die keine Dienstnehmer beschäftigten oder nur sehr geringe Löhne zahlten, benachteiligt.
Vorbehaltlich des Umstandes, dass die Beurteilung der Verfassungskonformität einer gesetzlichen Bestimmung dem Verfassungsgerichtshof vorbehalten ist, ist dazu Folgendes auszuführen: Die Aufwendungen der Wirtschaftskammerorganisation werden - wie es dem System der Selbstverwaltung entspricht - vornehmlich durch finanzielle Leistungen der Selbstverwaltungsangehörigen bedeckt. Das WKG 1998 sieht hiefür verschiedene Abgaben und Gebühren vor: eine Grundumlage, die nach dem Gesetz an unterschiedliche, vom jeweiligen Organ der Selbstverwaltung nach sachlichen Gesichtspunkten festzulegende Kriterien anknüpfen kann (§ 123 WKG), eine umsatzabhängige Kammerumlage (§ 122 Abs. 1 bis 5 WKG) und eine lohnsummenabhängige Kammerumlage (§ 122 Abs. 7 und 8 WKG) sowie Eintragungsgebühren (§ 124 WKG) und Gebühren für Sonderleistungen (§ 125 WKG). Wenn die Bw. vermeint, die dem Verweis auf § 41 FLAG immanente Heranziehung des Produktionsfaktors Arbeit verletze die Verfassungssphäre, so ist ihr daher entgegenzuhalten, dass der Lohnaufwand keineswegs der einzige Anknüpfungspunkt für die Bestimmung jener Beträge ist, die ein Selbstverwaltungsangehöriger für die Finanzierung seiner Selbstverwaltungsorganisation zu leisten hat. Der Gesetzgeber hat nämlich - wie oben ausgeführt worden ist - die Summe der Arbeitslöhne nur als eines von mehreren, an verschiedene Kriterien anknüpfenden Finanzierungsmitteln vorgesehen. Im Erkenntnis vom , B 1933/94, hat der Verfassungsgerichtshof die zur vergleichbaren Bestimmung des § 57 HKG vorgebrachten verfassungsrechtlichen Bedenken gegen ein Mischsystem in der dargestellten Weise, nicht geteilt. Weiters hat er darin zum Ausdruck gebracht, dass er auch gegen die Heranziehung des Lohnaufwandes - "wohl im Hinblick auf die Aufgaben der Wirtschaftskammern im arbeitsrechtlichen und kollektivvertraglichen Bereich" - keine verfassungsrechtlichen Bedenken hegt. Die Berufungsbehörde schließt sich diesen Ausführungen vollinhaltlich an. Dem Einwand der Bw., die in § 122 Abs. 7 und 8 WKG iVm § 41 FLAG geregelte Bemessung der Kammerumlage II nehme keine Rücksicht auf das Ausmaß der Leistungen, die ein Abgabepflichtiger allenfalls in Anspruch nehmen könne, ist zu erwidern, dass das von der Bw. so angesprochene Äquivalenzprinzip für die Bemessung von Gebühren, nicht aber für die Festsetzung von Abgaben der Art einer der Gesamtfinanzierung einer Selbstverwaltungsorganisation (hier: der Wirtschaftskammern) dienenden Umlage gelten kann. Denn eine Zuordnung der zentralen Aufgaben der Kammern, die gemeinsame Interessen der in ihnen zusammengefassten Personen vertreten (vgl. § 1 WKG), lässt eine individuelle Zuordnung an einzelne Mitglieder naturgemäß gar nicht zu, weshalb die Kammerumlagen als steuerähnliche Abgaben, nicht aber als Gebühren zu verstehen sind (nochmals: ). Die von der Bw. behauptete Verfassungswidrigkeit liegt daher nach Auffassung der Berufungsbehörde nicht vor.
2) Verstoß gegen das Beihilfenverbot (Art 87 EGV) Die Bw. wendet einen Verstoß der Regelung des § 122 Abs. 7 und 8 WKG gegen Art 87 EG ein, der - nach Art 88 Abs. 3 EGV (Durchführungsverbot) - unmittelbar von den nationalen Behörden aufzugreifen sei. § 122 Abs. 7 und 8 WKG verstoße nach Auffassung der Bw. zweifach gegen das Beihilfenverbot: die Mitglieder der Wirtschaftskammer finanzierten grenzüberschreitende Tätigkeiten der Wirtschaftskammer (zB das Wifi), wobei ein Wettbewerb zu anderen Anbietern bestünde und der Markt beeinträchtigt sei. Zudem würden Unternehmen mit hohem Personalaufwand unverhältnismäßig stark belastet und Betriebe mit geringem Personaleinsatz entsprechend ungerechtfertigt begünstigt, was auch den Handel zwischen den Mitgliedstaaten beeinträchtige.
Dazu ist Folgendes auszuführen: Das von der Bw. angesprochene (unmittelbare) Tätigwerden der nationalen Gerichte und Behörden im System der Kontrolle von staatlichen Beihilfen beschränkt sich auf Neubeihilfen, gilt aber nicht für alle vor dem Stichtag bereits in Geltung stehenden gesetzlichen Maßnahmen, sog. "Altbeihilfen" (Sutter, Das EG-Beihilfenverbot und sein Durchführungsverbot in Steuersachen, S. 173 ff). Es ist daher vorweg zu klären ob es sich bei der Kammerumlage II - soweit überhaupt ein beihilfenrechtliches Problem gegeben ist - um eine Altbeihilfe oder um eine Neubeihilfe handelt. Im Erkenntnis vom , G 400/96, G 44/97, hat der Verfassungsgerichtshof klargestellt, dass sämtliche vor dem Stichtag bereits in Geltung stehenden gesetzlichen Maßnahmen zu den Altbeihilfen zu rechnen sind. Zum bezeichneten Stichtag waren die Regelungen des § 57 HKG bereits in Kraft und wurden praktisch unverändert in § 122 WKG übernommen. Die Berufungsbehörde gelangt daher zu dem Ergebnis, dass es sich bei der Kammerumlage II - soweit überhaupt ein beihilfenrechtliches Problem gegeben ist - nur um eine Altbeihilfe handeln kann, sodass der Berufung der Bw. auf Art 87 EGV iVm Art 88 Abs. 3 EGV der gewünschte Erfolg zu versagen war.
3) Verstoß gegen die Niederlassungsfreiheit (Art 43 EGV) Einen Verstoß gegen die in Art 43 EGV normierte Niederlassungsfreiheit erblickt die Bw. darin, dass § 122 Abs. 7 und 8 WKG in keiner Weise darauf abstelle, ob das Kammermitglied auch in einem anderen Mitgliedstaat Mitgliedsbeiträge zu gesetzlichen Interessensvertretungen zu leisten habe.
Dazu ist Folgendes auszuführen: Der Verwaltungsgerichtshof hat im Erkenntnis vom , Zl. 2004/04/0184, unter Verweis auf seine bisherige Rechtsprechung (Erkenntnis vom , Zl. 2001/04/0035) und unter Hinweis auf das Urteil des Gerichtshofes der Europäischen Gemeinschaften (EuGH) vom , in der Rechtssache C-271/82, Auer, ausgesprochen, dass die Rechtsvorschriften der Mitgliedstaaten, die die Pflichtmitgliedschaft in einer berufsständischen Kammer vorschreiben, als solche nicht unvereinbar mit dem Gemeinschaftsrecht seien. Voraussetzung für die Vereinbarkeit dieser Verpflichtung mit dem Gemeinschaftsrecht sei allerdings die Beachtung der wesentlichen Grundsätze des Gemeinschaftsrechtes, namentlich des Diskriminierungsverbotes. Im Erkenntnis vom hat der Verwaltungsgerichtshof noch Folgendes ausgeführt: § 2 Abs. 1 WKG 1998 knüpfe die Mitgliedschaft in der Wirtschaftskammer (unterschiedslos) an alle physischen und juristischen Personen sowie sonstige Rechtsträger, die zum selbständigen Betrieb der im Gesetz näher bezeichneten Unternehmungen berechtigt seien. Die (die Leistungen der Umlage begründende) Mitgliedschaft sei vom Herkunftsstaat des zum selbständigen Betrieb in Österreich Niedergelassenen unabhängig. Die - in diesem Verfahren von der beschwerdeführenden Partei geltend gemachte - verfassungswidrige Ungleichbehandlung sei damit nicht ersichtlich, weil das WKG 1998 (im Bereich der Niederlassungsfreiheit) zu keiner Schlechterstellung ("Inländerdiskriminierung") der beschwerdeführenden Partei im Verhältnis zu einem aus einem anderen Mitgliedstaat in Österreich niedergelassenen Unternehmer führe, der die Voraussetzungen des § 2 WKG 1998 erfülle. Die Berufungsbehörde schließt sich diesen Ausführungen vollinhaltlich an. Der von der Bw. behauptete Verstoß gegen die Niederlassungsfreiheit liegt daher nach Auffassung der Berufungsbehörde nicht vor.
Der angefochtene Bescheid entspricht somit der Sach- und Rechtslage, so dass wie im Spruch zu entscheiden war.
Wien, am
Zusatzinformationen
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Materie | Steuer Finanzstrafrecht Verfahrensrecht |
betroffene Normen | § 122 WKG, Wirtschaftskammergesetz 1998, BGBl. I Nr. 103/1998 |
Datenquelle: Findok — https://findok.bmf.gv.at