Keine Abänderung ohne Grundlagenbescheid
Entscheidungstext
Berufungsentscheidung
Der Unabhängige Finanzsenat hat über die Berufung der Bw, vertreten durch Mag. Franz Kellner, Rechtsanwalt, 1010 Wien, Kärntnerring 14, vom gegen den Bescheid des Finanzamtes Wien 2/20/21/22, vertreten durch Mag. Georg Ullmann, vom betreffend Einkommensteuer 2010 entschieden:
Der Berufung wird Folge gegeben.
Der Bescheid vom betreffend Einkommensteuer 2010 wird aufgehoben.
Entscheidungsgründe
Am erließ das Finanzamt einen gem. § 295 Abs. 1 BAO geänderten Bescheid betreffend Einkommensteuer für das Jahr 2010. Hierbei wurden bislang nicht berücksichtigte Einkünfte aus Gewerbebetrieb in Höhe von € 14.700,00 der Einkommensermittlung zugrunde gelegt, was eine Abgabenforderung von € 4.327,00 nach sich zog.
In der Bescheidbegründung wurde ausgeführt, dass die Änderung aufgrund der bescheidmäßigen Feststellung des Finanzamtes 2/20/21/22 zu St.Nr. xxx/xxxx vom erfolgt sei.
Am erhob die damalige rechtsfreundliche Vertreterin gegen diesen Bescheid das Rechtsmittel der Berufung und führte aus:
"...Gegen den Einkommensteuerbescheid 2010 vom erhebt die Einschreiterin durch ihre rechtsfreundliche Vertreterin binnen offener Frist nachstehende Berufung. Im Einkommensteuerbescheid wird festgehalten, dass die Einschreiterin Einkünfte aus Gewerbebetrieb in Höhe von € 14.700,00 im Jahr 2010 bezogen habe.
Dies ist unrichtig.
Richtigerweise sind diese Einkünfte der X KG, Herrn Y zuzurechnen. Die Einschreiterin bezog im Jahr 2010 keinerlei Einkünfte aus Gewerbebetrieb. Die Einschreiterin verfügte über keine Kontoberechtigung und konnte dem Betrieb des Herrn Y keine Gewinne entnehmen. Sie war in keiner Weise am Gewerbebetrieb -selbständig- beteiligt und floss der genannte Betrag von € 14.700,00 zur Gänze dem Unternehmen respektive Herrn Y zu.
Aus all diesen Gründen wird daher beantragt, den angefochtenen Einkommensteuerbescheid 2010 dahingehend zu ändern, dass vom festgesellten Einkommen im Jahr 2010 von € 23.498,00 die fälschlich hinzugeschlagenen Einkünfte aus Gewerbebetrieb in Höhe von € 14.700,00 in Abzug gebracht werden und die Einkommensteuer auf Basis des tatsächlichen Einkommens im Jahr 2010 neu berechnet wird".
Mit Berufungsvorentscheidung vom wies das Finanzamt die Berufung gegen den Einkommensteuerbescheid 2010 vom als unbegründet ab:
" § 252 BAO besagt: Liegen einem Bescheid Entscheidungen zugrunde, die in einem Feststellungsbescheid getroffen werden, so kann der Bescheid nicht mit der Begründung angefochten werden, dass die im Feststellungsbescheid getroffenen Entscheidungen unzutreffend sind. Wird dieser Feststellungsbescheid (zB auf Grund eines Berufungsverfahrens) abgeändert, wird auch die Abänderung Ihres Einkommensteuerbescheides gem. § 295 BAO veranlasst. Die Berufung war somit als unbegründet abzuweisen".
Am stellte der neue rechtsfreundliche Vertreter den Antrag die Berufung dem Unabhängigen Finanzsenat zur Entscheidung vorzulegen.
Mit Bericht vom legte das Finanzamt die Berufung vor. Beigeschlossen war der Bescheid über die Feststellung von Einkünften gem § 188 BAO für das Jahr 2010, der dem Einkommensteuerbescheid zugrunde gelegt wurde.
Als Bescheidadressat wurde im Feststellungsbescheid eine X KG ausgewiesen, die Zustellung erfolgte an Herrn Y als gem. § 81 BAO vertretungsbefugte Person mit dem Hinweis, dass dadurch die Zustellung an alle Beteiligten als vollzogen gälte (§ 101 Abs. 3 und 4 BAO).
Der im Feststellungsbescheid ausgewiesene Gewinnanteil der Bw beträgt € 14.7000,00.
Im Firmenbuch ist ersichtlich, dass die X KG am aufgelöst und gelöscht wurde und eine Vermögensübernahme gem. § 142 UGB durch Herrn Y als Einzelunternehmer erfolgte.
Über die Berufung wurde erwogen:
§ 188 BAO lautet:
"§ 188. (1) Festgestellt werden die Einkünfte (der Gewinn oder der Überschuß der Einnahmen über die Werbungskosten)
a) aus Land- und Forstwirtschaft,
b) aus Gewerbebetrieb,
c) aus selbständiger Arbeit,
d) aus Vermietung und Verpachtung unbeweglichen Vermögens,
wenn an den Einkünften derselben Einkunftsart mehrere Personen beteiligt sind.
(2) (Anm.: aufgehoben durch BGBl. I Nr. 144/2001 )
(3) Gegenstand der Feststellung gemäß Abs. 1 ist auch die Verteilung des festgestellten Betrages auf die Teilhaber.
(4) Die Vorschriften des Abs. 1 finden keine Anwendung, wenn
a) das unbewegliche Vermögen (Abs. 1 lit. a und d) nicht im Inland gelegen ist,
b) in den Fällen des Abs. 1 lit. b und lit. c die Personenvereinigung (Personengemeinschaft) ohne eigene Rechtspersönlichkeit weder ihre Geschäftsleitung, noch ihren Sitz, noch eine Betriebsstätte im Inland hat.
c) im Falle des Abs. 1 lit. d hinsichtlich aller Grundstücksanteile Wohnungseigentum besteht, sofern die Feststellung nur allgemeine Teile der Liegenschaft ( § 2 Abs. 4 Wohnungseigentumsgesetz 2002 ) betreffen würde, oder
d) sich der alleinige Zweck bei einer nach bürgerlichem Recht nicht rechtsfähigen Personenvereinigung (Personengemeinschaft) ohne eigene Rechtspersönlichkeit auf die Erfüllung eines einzigen Werkvertrages oder Werklieferungsvertrages beschränkt.
(5) Werden in einem Dokument, das Form und Inhalt eines Feststellungsbescheides hat, gemeinschaftliche Einkünfte auch Personen oder Personenvereinigungen (Personengemeinschaften) ohne eigene Rechtspersönlichkeit zugerechnet, die nicht oder nicht mehr rechtlich existent sind (insbesondere infolge Todes, Beendigung der Gesellschaft, Gesamtrechtsnachfolge) oder die nicht oder nicht mehr handlungsfähig sind (zB infolge Sachwalterbestellung), so gilt dies als Feststellung (Abs. 1) und steht der Wirksamkeit als Feststellungsbescheid nicht entgegen. Ein solcher Bescheid wirkt lediglich gegenüber den übrigen, denen Einkünfte zugerechnet werden."
§ 252 BAO lautet:
"§ 252. (1) Liegen einem Bescheid Entscheidungen zugrunde, die in einem Feststellungsbescheid getroffen worden sind, so kann der Bescheid nicht mit der Begründung angefochten werden, daß die im Feststellungsbescheid getroffenen Entscheidungen unzutreffend sind.
(2) Liegen einem Bescheid Entscheidungen zugrunde, die in einem Abgaben-, Meß-, Zerlegungs- oder Zuteilungsbescheid getroffen worden sind, so gilt Abs. 1 sinngemäß.
(3) Ist ein Bescheid gemäß § 295 Abs. 3 geändert oder aufgehoben worden, so kann der ändernde oder aufhebende Bescheid nicht mit der Begründung angefochten werden, daß die in dem zur Änderung oder Aufhebung Anlaß gebenden Bescheid getroffenen Entscheidungen unzutreffend sind."
§ 295 BAO lautet:
"§ 295. (1) Ist ein Bescheid von einem Feststellungsbescheid abzuleiten, so ist er ohne Rücksicht darauf, ob die Rechtskraft eingetreten ist, im Fall der nachträglichen Abänderung, Aufhebung oder Erlassung des Feststellungsbescheides von Amts wegen durch einen neuen Bescheid zu ersetzen oder, wenn die Voraussetzungen für die Erlassung des abgeleiteten Bescheides nicht mehr vorliegen, aufzuheben. Mit der Änderung oder Aufhebung des abgeleiteten Bescheides kann gewartet werden, bis die Abänderung oder Aufhebung des Feststellungsbescheides oder der nachträglich erlassene Feststellungsbescheid rechtskräftig geworden ist.
(2) Ist ein Bescheid von einem Abgaben-, Meß-, Zerlegungs- oder Zuteilungsbescheid abzuleiten, so gilt Abs. 1 sinngemäß.
(3) Ein Bescheid ist ohne Rücksicht darauf, ob die Rechtskraft eingetreten ist, auch ansonsten zu ändern oder aufzuheben, wenn der Spruch dieses Bescheides anders hätte lauten müssen oder dieser Bescheid nicht hätte ergehen dürfen, wäre bei seiner Erlassung ein anderer Bescheid bereits abgeändert, aufgehoben oder erlassen gewesen. Mit der Änderung oder Aufhebung des Bescheides kann gewartet werden, bis die Abänderung oder Aufhebung des anderen Bescheides oder der nachträglich erlassene andere Bescheid rechtskräftig geworden ist.
(4) Wird eine Berufung, die gegen ein Dokument, das Form und Inhalt eines
- Feststellungsbescheides (§ 188) oder eines
- Bescheides, wonach eine solche Feststellung zu unterbleiben hat,
gerichtet ist, als nicht zulässig zurückgewiesen, weil das Dokument kein Bescheid ist, so sind auf das Dokument gestützte Änderungsbescheide (Abs. 1) auf Antrag der Partei (§ 78) aufzuheben. Der Antrag ist vor Ablauf der für Wiederaufnahmsanträge nach § 304 maßgeblichen Frist zu stellen."
Wäre ein wirksamer Einkünftefeststellungsbescheid für das Jahr 2010 ergangen, wäre das Finanzamt im Recht, dass die im Feststellungsbescheid der Bw zugerechneten Einkünfteanteile dem Einkommensteuerbescheid 2010 zugrunde zu legen sind.
Wie oben ausgeführt, wurde die X KG am aufgelöst und Im Firmenbuch gelöscht wurde. Das Vermögen der X KG wurde gem. § 142 UGB durch Herrn Y als Einzelunternehmer übernommen.
Verbleibt nur mehr ein Gesellschafter, erlischt gem. § 142 UGB die Gesellschaft ohne Liquidation und geht das Gesellschaftsvermögen im Weg der Gesamtrechtsnachfolge auf diesen über.
Die X KG war somit im Zeitpunkt der Erlassung des Feststellungbescheides am voll beendigt.
Ist eine Personenvereinigung (Personengemeinschaft) ohne eigene Rechtpersönlichkeit im Zeitpunkt, in dem der Feststellungsbescheid ergehen soll, bereits beendigt, so hat gemäß § 191 Abs. 2 BAO der Bescheid an diejenigen zu ergehen, denen in den Fällen des § 191 Abs. 1 lit. c BAO gemeinschaftliche Einkünfte zugeflossen sind.
Der Feststellungsbescheid wäre daher an die ehemaligen Gesellschafter der zwischenzeitig beendigten KG zu richten gewesen (vgl. u. a. ; ; ; UFS Wien , RV/0620-W/06).
Mangels Vorliegen eines rechtswirksamen Feststellungsbescheides erfolgte die Abänderung des Einkommensteuerbescheides 2010 vom gemäß § 295 Abs. 1 BAO zu Unrecht.
Der Einkommensteuerbescheid 2010 vom war daher als zu Unrecht ergangen gemäß § 289 Abs. 2 BAO ersatzlos aufzuheben.
Damit gehört wiederum der Einkommensteuerbescheid 2010 vom dem Rechtsbestand an.
Wien, am
Zusatzinformationen
Tabelle in neuem Fenster öffnen
Materie | Steuer Finanzstrafrecht Verfahrensrecht |
betroffene Normen | § 295 Abs. 1 BAO, Bundesabgabenordnung, BGBl. Nr. 194/1961 § 252 BAO, Bundesabgabenordnung, BGBl. Nr. 194/1961 § 188 BAO, Bundesabgabenordnung, BGBl. Nr. 194/1961 § 142 UGB, Unternehmensgesetzbuch, dRGBl. S 219/1897 |
Verweise |
Datenquelle: Findok — https://findok.bmf.gv.at