Sonstiger Bescheid, UFSW vom 01.07.2010, RV/1221-W/10

Keine telefonische Verlängerung der Mängelbehebungsfrist

Entscheidungstext

Bescheid

Die Berufung der Bw., W.,Z-Gasse, vom gegen die Bescheide des Finanzamtes Wien 2/20/21/22 vom betreffend Haftung für Lohnsteuer 2007, Dienstgeberbeitrag zum Ausgleichsfonds für Familienbeihilfen und Zuschlag zum Dienstgeberbeitrag für den Zeitraum 2005 bis 2007 gilt gemäß § 85 Abs. 2 der Bundesabgabenordnung (BAO), BGBl Nr. 1961/194 idgF, als zurückgenommen.

Begründung

Folgender Sachverhalt liegt der Entscheidung zu Grunde:

Die Berufungswerberin (Bw.) ist eine Gesellschaft mit beschränkter Haftung. Die Agenden der Geschäftsführung werden unter anderem von Herrn CL wahrgenommen, der im Streitzeitraum an der Bw. auch wesentlich beteiligt war.

Im Zuge einer die Jahre 2005 bis 2007 umfassenden Lohnsteuerprüfung wurden die Bezüge des wesentlich beteiligten Gesellschafter-Geschäftsführers und die an Herrn SM und Frau HF bezahlten Honorare in die Bemessungsgrundlage für den Dienstgeberbeitrag und den Zuschlag zum Dienstgeberbeitrag einbezogen und für letztere die Bw. als Arbeitgeber für die Einbehaltung und Abfuhr der davon zu entrichtenden Lohnsteuer in Anspruch genommen.

Gegen die den Feststellungen der Lohnsteuerprüfung Rechnung tragenden Bescheide wurde fristgerecht das Rechtsmittel der Berufung erhoben und zur Beibringung der Berufungsbegründung um Setzung einer Nachfrist ersucht.

Der Bw. wurde mit Bescheid vom mitgeteilt, dass der Berufung vom eine Begründung fehle. Mit dem Hinweis, dass die Berufung nach fruchtlosem Ablauf der genannten Frist als zurückgenommen gelte, wurde die Bw. aufgefordert, den der Berufung anhaftenden Mangel bis spätestens zu beheben.

Mit Telefax vom wurde um Erstreckung der Frist zur Beibringung der Berufungsbegründung bis zum , mit Fax vom um Erstreckung der Frist bis zum , mit Fax vom um Erstreckung der Frist bis zum , mit Fax vom um Fristerstreckung bis zum ersucht.

Mit Bescheid vom wurde das Fristverlängerungsansuchens vom abgewiesen und in der Begründung ausgeführt, die Frist sei bereits mehrfach erstreckt worden. Auch wenn ein Berater durch Krankheit ausfalle, müsse es innerhalb von 5 Monaten möglich sein, eine Begründung beizubringen. Wenn die Berufungsbegründung bis spätestens beim Finanzamt einlange, gelte sie als fristgerecht nachgebracht; andernfalls gelte die Berufung als zurückgenommen.

Dieser Bescheid trägt folgenden handschriftlich angebrachten Vermerk: "Frist telefonisch bis 11-1-09 erstreckt" (gemeint wohl: )

Am wurde per Fax die Berufungsbegründung nachgereicht. Der Geschäftsführer erhalte gewinnabhängige Honorare und Herr SM sei als selbständiger Unternehmer für die Bw. tätig.

Rechtliche Würdigung:

Gemäß § 250 Abs. 1 BAO muss eine Berufung enthalten:

a) die Bezeichnung des Bescheides, gegen den sie sich richtet;

b) die Erklärung, in welchen Punkten der Bescheid angefochten wird;

c) die Erklärung, welche Änderungen beantragt werden;

d) eine Begründung.

Entspricht eine Berufung nicht den im § 250 Abs. 1 BAO umschriebenen Erfordernissen, so hat die Abgabenbehörde gemäß § 85 Abs. 2 leg. cit. (vormals: § 275 BAO) dem Berufungswerber die Behebung dieser inhaltlichen Mängel mit dem Hinweis aufzutragen, dass die Berufung nach fruchtlosem Ablauf einer gleichzeitig zu bestimmenden angemessenen Frist als zurückgenommen gilt.

Wird einem berechtigten Mängelbehebungsauftrag nicht, nicht zeitgerecht oder unzureichend entsprochen, so ist die Abgabenbehörde verpflichtet, einen Bescheid zu erlassen, mit dem die vom Gesetzgeber vermutete Zurücknahme der Berufung festgestellt wird. Der Zurücknahmebescheid ist feststellend (vgl. Ritz, BAO³, § 275 Tz 16 und die dort angeführte Judikatur des Verwaltungsgerichtshofs).

Die Abgabenbehörde kann die gesetzte Mängelbehebungsfrist verlängern. Der normative Abspruch darüber, dass die gesetzte Frist verlängert wird, ändert die den Steuerpflichtigen treffenden Verpflichtungen und stellt somit einen Bescheid iSd § 92 Abs. 1 lit a BAO dar. Die Erledigung wird allerdings erst dann als Bescheid wirksam, wenn sie dem Steuerpflichtigen nach den Vorschriften des § 97 BAO bekannt gegeben wird.

Im vorliegenden Fall wurde mit Bescheid vom über den Fristverlängerungsantrag vom abgesprochen und eine Frist zur Nachreichung der Berufungsbegründung bis zum gesetzt. Die telefonisch bis erfolgte Fristverlängerung wurde jedoch nicht als Bescheid wirksam, da § 97 BAO eine telefonische Bekanntgabe nicht vorsieht (vgl. ). Die Mängelbehebungsfrist zur Beibringung der Berufungsbegründung ist daher am abgelaufen. Die im Vertrauen auf die telefonische Mitteilung des Finanzamtes über die Verlängerung der Mängelbehebungsfrist erst am beigebrachte Berufungsbegründung ist daher verspätet, da die telefonische Verlängerung der Frist der Bw. gegenüber nicht wirksam iSd § 97 BAO geworden ist.

Ist die Frist versäumt, so kann die einmal eingetretene Sanktion des § 85 Abs. 2 BAO (§ 275 BAO) nicht nachträglich wieder beseitigt werden (vgl. Ritz, aaO Tz 16 u. 17).

Im Hinblick darauf, dass die Berufung der Bw. keine Begründung enthielt, erging der Mängelbehebungsauftrag zu Recht. Da diesem nicht bis spätestens nachgekommen wurde, ist die unverbesserte Berufung gemäß § 85 Abs. 2 BAO als zurückgenommen zu erklären.

Die Abgabenbehörde zweiter Instanz hat einen Zurücknahmebescheid auch dann zu erlassen, wenn die Abgabenbehörde erster Instanz den Mängelbehebungsauftrag erlassen, aber trotz des Umstandes, dass diesem nicht entsprochen wurde, nicht die Zurücknahme der Berufung gemäß § 85 Abs. 2 BAO (§ 275 BAO) festgestellt hat (vgl. ).

Da das Finanzamt nach fruchtlosem Ablauf der der Bw. gesetzten Frist zur Mängelbehebung keinen Zurücknahmebescheid im Sinne des § 85 Abs. 2 BAO erlassen hat, ist dafür nunmehr die Abgabenbehörde zweiter Instanz zuständig.

Wien, am

Zusatzinformationen


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Materie
Steuer
Finanzstrafrecht Verfahrensrecht
betroffene Normen
§ 250 Abs. 1 BAO, Bundesabgabenordnung, BGBl. Nr. 194/1961
§ 275 BAO, Bundesabgabenordnung, BGBl. Nr. 194/1961
BAO, Bundesabgabenordnung, BGBl. Nr. 194/1961
§ 97 BAO, Bundesabgabenordnung, BGBl. Nr. 194/1961
§ 85 Abs. 2 BAO, Bundesabgabenordnung, BGBl. Nr. 194/1961
Verweise

Datenquelle: Findok — https://findok.bmf.gv.at