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Berufungsentscheidung - Steuer (Senat), UFSL vom 15.04.2013, RV/0926-L/11

1.) Wiederaufnahmegründe: Tatsachen aus dem Veranlagungsverfahren des Gatten sind bei Beachtung der Individualbesteuerung im Veranlagungsverfahren der Gattin nicht per se als bekannt vorauszusetzen. 2.) Pauschale für Berufsausbildung eines Kindes außerhalb des Wohnorts steht nur 1x zu - keine "Doppelgewährung" bei 2 Unterhaltsverpflichteten. 3.) Keine vorläufige Abgabenfestsetzung bei Abwarten der Entscheidung des gleichen Rechtsproblems durch die Berufungsbehörde


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Miterledigte GZ:
RV/0927-L/11
RV/0457-L/11
RV/0558-L/12

Entscheidungstext

Berufungsentscheidung

Der Unabhängige Finanzsenat hat durch den Vorsitzenden HR Dr. Ludwig Kreil und die weiteren Mitglieder HR Dr. Ingrid Hinterdorfer, Dr. Ernst Grafenhofer und Johann Möslinger über die Berufung der Bw, vertreten durch Norbert Helmlinger, 4040 Linz, vom gegen die Bescheide des Finanzamtes Linz vom , vom und vom 3. Feber 2012 betreffend Wiederaufnahme des Verfahrens gemäß § 303 Abs. 4 BAO betreffend Einkommensteuer 2008 sowie Sachbescheide hinsichtlich Einkommensteuer 2008 bis 2010 nach der am in 4020 Linz, Bahnhofplatz 7, durchgeführten mündlichen Berufungsverhandlung entschieden:

Die Berufungen gegen die Bescheide betreffend Wiederaufnahme des Verfahrens gemäß § 303 Abs. 4 BAO hinsichtlich Einkommensteuer 2008 und betreffend die Einkommensteuer 2008 werden als unbegründet abgewiesen.

Diese Bescheide bleiben unverändert.

Der Berufung gegen die Bescheide betreffend Einkommensteuer 2009 und 2010 wird teilweise Folge gegeben.

Die Einkommensteuerbescheide betreffend 2009 und 2010 werden insoweit abgeändert, als die Festsetzung der Abgaben gem. § 200 Abs. 2 BAO endgültig erfolgt.

Die Bemessungsgrundlage und die Höhe der im angefochtenen Einkommensteuerbescheid 2009 angeführten Abgabe betragen, wie in der Berufungsvorentscheidung vom :


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Jahr 2009 - zu versteuerndes Einkommen:
37.834,89 €
Einkommensteuer:
10.659,87 €
anrechenbare Lohnsteuer:
-9.584,50 €
ergibt folgende festgesetzte Einkommensteuer:
1.075,37 €

Die Bemessungsgrundlage und die Höhe der im angefochtenen Einkommensteuerbescheid 2010 angeführten Abgabe betragen:


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Jahr 2010 - zu versteuerndes Einkommen:
36.246,16 €
Einkommensteuer:
9.970,37 €
anrechenbare Lohnsteuer:
-9.243,62 €
ergibt folgende festgesetzte Einkommensteuer:
726,75 €

Die Bemessungsgrundlage und die Berechnung der Abgabe sind dem als Beilage angeschlossenen Berechnungsblatt (2010) zu entnehmen und bilden einen Bestandteil dieses Bescheidspruches.

Entscheidungsgründe

Die Berufungswerberin (= Bw) bezog in den berufungsgegenständlichen Jahren Einkünfte aus nichtselbständiger Arbeit und V+V. Das Finanzamt nahm das Verfahren hinsichtlich der Einkommensteuer für das Jahr 2008 gemäß § 303 Abs. 4 BAO wieder auf. Im in der Folge ergangenen Einkommensteuerbescheid 2008 wurden Kosten für die auswärtige Berufsausbildung der Tochter in Höhe von 1.320,00 € nicht mehr als außergewöhnliche Belastung qualifiziert, die Begründung lautete: "Die außergewöhnliche Belastung wird durch Abzug eines Pauschbetrages von 110,00 € p.M. der Berufsausbildung berücksichtigt - dieser Pauschbetrag steht nur einmal pro Kind zu und ist bei mehreren Unterhaltspflichtigen im Verhältnis der tatsächlichen Kostentragung für die Berufsausbildung aufzuteilen; da der Pauschbetrag für die auswärtige Berufsausbildung der Tochter bereits anlässlich der Einkommensteuerveranlagung 2008 des Gatten der Bw unter Berücksichtigung seiner Kostentragung von 100 % berücksichtigt wurde, steht der Pauschbetrag bei der nunmehrigen Bw nicht zu." Gegen beide Bescheide wurde Berufung eingebracht. Darin wurde im Wesentlichen ausgeführt: a) Wiederaufnahme des Verfahrens: Als "neue Tatsache" habe das Finanzamt angegeben: "Der Pauschbetrag für die auswärtige Berufsausbildung der Tochter wurde bereits mit der Einkommensteuerveranlagung 2008 bei ihrem Ehegatten unter Angabe einer Kostentragung von 100 % berücksichtigt." - Diese Tatsache sei allerdings nicht neu hervorgekommen. Das Finanzamt habe den ursprünglichen Einkommensteuerbescheid 2008 am erlassen. In diesem Zeitpunkt war dem Finanzamt die behauptete Tatsache bereits bekannt, zumal der Einkommensteuerbescheid 2008 des Gatten der Bw bereits am erlassen wurde. Eine Wiederaufnahme des Verfahrens könne aber nach § 303 Abs. 4 EStG (wohl gemeint BAO) nicht auf Tatsachen oder Beweismittel gestützt werden, die bereits bei Erstellung des ursprünglichen Bescheides bekannt waren.

b) Pauschale für auswärtige Berufsausbildung eines Kindes gemäß § 34 Abs. 8 EStG: Unbestritten sei, dass der Gatte der Bw den Pauschbetrag in Höhe von 110,00 € pro Monat tatsächlich in Anspruch nahm. Das Pauschale stehe jedoch (im Gegensatz zur Meinung der Finanzverwaltung) jedem einzelnen Steuerpflichtigen zu, eine Aufteilung eines Pauschales auf zwei Unterhaltspflichtige bzw. das Zugestehen des Pauschales an nur einen der Unterhaltspflichtigen sei "nicht gedeckt": Die Bw zitiert § 34 Abs. 8 EStG auszugsweise und führt aus, dass dem "Wortlaut des § 34 Abs. 8 EStG nicht einmal andeutungsweise zu entnehmen ist, dass dieser Pauschbetrag zwischen verschiedenen Steuerpflichtigen aufzuteilen sei". Eine Wortinterpretation ergebe jedenfalls keine Aufteilung des Pauschbetrages. Auch aus dem Gesamtzusammenhang des Einkommensteuergesetzes ergebe sich keine andere Sicht, das Einkommensteuerrecht stehe "auf dem Boden der Individualbesteuerung". Sollte das EStG von diesem Grundsatz Ausnahmen machen wollen, so müsse das in der einzelnen Bestimmung angeordnet werden. Hätte der Gesetzgeber gewollt, dass der Pauschbetrag auf mehrere Personen aufzuteilen ist, hätte er dies im § 34 Abs. 8 EStG auch entsprechend angeordnet. Die Bw verweist auf die §§ 34 Abs. 9 und 106a EStG, wo eine Aufteilung zwischen den Eltern geregelt sei. Auch die Höhe des Pauschbetrages von bloß 110,00 € p.M. spreche eher dafür, dass der Pauschbetrag jedem Unterhaltspflichtigen zustehe, da allein die Wohnkosten der Tochter im Studentenheim 265,00 € p.M. betragen. Weiters wird in der Berufung auf die Entscheidung des , verwiesen, wonach in Summe die Abgeltungsbeträge gleich sein müssen, da es ansonsten in gleichheitswidriger Weise zu einer Bevorzugung von in einer aufrechten Partnerschaft Lebenden gegenüber Alleinerziehenden käme. - Diese Überlegungen des UFS seien nicht zwingend, da die Unterhaltspflicht nicht davon abhänge, ob die Unterhaltsverpflichteten in einer Partnerschaft leben. In den Fällen, wo ein Unterhaltsverpflichteter weggefallen sei, könne man die Problematik jedoch nicht so lösen, dass man den anderen den Freibetrag wegnehme. Die Bw beruft sich zusammenfassend auf die Höhe der monatlichen Heimkosten von 265,00 € und das monatliche Pauschale von bloß 110,00 €, allein diese Differenz spreche eher für die Interpretation, wonach jedem Steuerpflichtigen (wohl gemeint Unterhaltspflichtigen) das Pauschale zustehe. Dieselbe Begründung wurde im Vorlageantrag betreffend der Berufung gegen den Einkommensteuerbescheid 2009 (Berufung eingebracht wegen § 106a Abs. 2 EStG und mittels BVE stattgegeben) und in der Berufung gegen den Einkommensteuerbescheid 2010 angeführt.

c) Weiters wurden diese beiden letztgenannten Bescheide wegen der vorläufigen Festsetzung der Einkommensteuer (2009 und 2010) gemäß § 201 BAO angefochten: Der Sachverhalt sei dem Finanzamt zur Gänze bekannt gewesen, eine Ungewissheit diesbezüglich behaupte das Finanzamt auch nicht. Zweifel an der rechtlichen Beurteilung eines Sachverhaltes seien keine Ungewissheit gemäß § 200 Abs. 1 BAO.

Die Bw stellte den Antrag auf Abhaltung einer mündlichen Verhandlung vor dem gesamten Berufungssenat.

Aus dem Akteninhalt geht hervor, dass der ursprüngliche Einkommensteuerbescheid 2008 am erging, das Finanzamt erließ am einen Bescheid betreffend Aufhebung dieses Einkommensteuerbescheides gemäß § 299 BAO und in der Folge mit selben Datum einen neuen Sachbescheid betreffend die Einkommensteuer 2008. Dagegen wurde Berufung eingebracht. Der UFS gab mit Entscheidung vom , RV/0071-L/10, RV/0077-L/10 dieser Berufung Folge: Der angefochtene Aufhebungsbescheid wurde gemäß § 289 Abs. 2 BAO ersatzlos aufgehoben, der Einkommensteuerbescheid 2008 vom schied ex lege aus dem Rechtsbestand aus. In der Folge ergingen die nunmehr in Berufung gezogenen Bescheide vom gemäß § 303 Abs. 4 BAO betreffend Wiederaufnahme des Verfahrens hinsichtlich Einkommensteuer 2008 (Bescheid vom ) und in der Folge der neue Sachbescheid betreffend Einkommensteuer 2008. Aus dem Akteninhalt geht weiters hervor, dass der Gatte der Bw in den berufungsgegenständlichen Jahren den Pauschbetrag gem. § 34 Abs. 8 EStG 1988 betreffend die Tochter beansprucht und angab, dass er die bezüglichen Aufwendungen zu 100 % getragen habe. Außerdem ist aus dem Akteninhalt ersichtlich, dass der Einkommensteuerbescheid 2009 gemäß § 200 Abs. 1 BAO vorläufig erging. Die Begründung lautete: "Da die Vorlage betreffend der doppelten Anerkennung der Berufsausbildung des Kindes noch nicht entschieden ist, ergeht der Bescheid vorläufig." Nach Einbringung einer Berufung gegen diesen Bescheid wegen Nichtanerkennung der Kinderfreibeträge für zwei Kinder wurde mittels BVE vom stattgebend entschieden und die Einkommensteuer für 2009 vorläufig festgesetzt. Erst im in der Folge eingebrachten Antrag auf Entscheidung über die Berufung durch die Abgabenbehörde zweiter Instanz wurde der Bescheid wegen der vorläufigen Festsetzung der Einkommensteuer 2009 und wegen Nichtgewährung des Pauschales für auswärtige Berufsausbildung eines Kindes gemäß § 34 Abs. 8 EStG 1988 angefochten. Auch der Einkommensteuerbescheid 2010 erging gemäß § 200 Abs. 1 BAO vorläufig, eine diesbezügliche Begründung durch das Finanzamt fehlt.

In der am abgehaltenen mündlichen Berufungsverhandlung wurde ergänzend im Wesentlichen ausgeführt: Nach Befragen teilte der steuerliche Vertreter mit, dass der Gatte der Bw und die Bw die mit dem auswärtigen Studium der Tochter in Zusammenhang stehenden Kosten trugen, den jeweiligen Anteil der Unterhaltspflicht nicht ausrechneten und das Pauschale zu 100 % vom Gatten der Bw in Anspruch genommen wurde.

Für seine Argumentation spreche auch, dass in der VO 675/88 (für die Jahre 1985-1995) die Meinung der Behörde betreffend die Aufteilung der Kostentragung explicit beinhaltet war, die in der Folge ergangene VO 303/1996 kenne diese Bestimmung nicht mehr.

Weiters wurde beantragt, für 2010 den Kinderfreibetrag gem. § 106a Abs. 1 EStG 1988 für ein Kind zu berücksichtigen, da der Gatte der Bw dies vergessen hatte. Nach Überprüfung des Sachverhalts durch den Amtsbeauftragten erfolgten seinerseits keine Einwände gegen diesen Antrag. Der Amtsbeauftragte entgegnete das Berufungsbegehren mit Verweisen auf die Literaturmeinungen (Doralt, Fuchs) und entsprechende Entscheidungen des UFS.

Über die Berufung wurde erwogen:

ad a) Gemäß § 303 Abs. 4 BAO ist eine Wiederaufnahme des Verfahrens von Amts wegen ................. in allen Fällen zulässig, in denen Tatsachen oder Beweismittel neu hervorkommen, die im Verfahren nicht geltend gemacht worden sind und die Kenntnis dieser Umstände allein oder in Verbindung mit dem sonstigen Ergebnis des Verfahrens einen im Spruch anders lautenden Bescheid herbeigeführt hätte. Wie in Ritz, BAO4, § 303, Tz 13 ff ausgeführt, sind Wiederaufnahmegründe nur im Zeitpunkt der Bescheiderlassung existente Tatsachen, die später hervorkommen (nova reperta). - Laut Berufungsvorbringen war der Umstand, dass der Gatte der Bw den Pauschbetrag gemäß § 34 Abs. 8 EStG 1988 geltend gemacht hatte und auch eine diesem Antrag entsprechende Veranlagung ergangen war, zum Zeitpunkt der Bescheiderlassung () existent (der Einkommensteuerbescheid des Gatten wurde am erlassen). Für die Frage der Zulässigkeit einer Wiederaufnahme ist zu klären, ob die Existenz dieser Tatsache im berufungsgegenständlichen Verfahren als neu hervorgekommen zu beurteilen ist oder ob sie bei Erlassung des wiederaufgenommenen Bescheides bereits der den Bescheid erlassenden Behörde bekannt war. Da - wie von der Bw auch zutreffend im Berufungsverfahren ausgeführt - der Grundsatz der Individualbesteuerung anzuwenden ist, kann nicht davon ausgegangen werden, dass der Behörde im Veranlagungsverfahren der nunmehrigen Bw bekannt war, wie der die steuerliche Veranlagung ihres Gatten durchgeführt wurde. Der VwGH geht in seinem Erkenntnis vom , 83/14/0089, 0094 sogar bei der Veranlagung desselben Steuerpflichtigen davon aus, dass zB Kenntnisse des Lohnsteuerprüfers für die Einkommensteuerveranlagung neu hervorkommen können. Des Weiteren judiziert das Höchstgericht in ständiger Rechtsprechung, dass das Hervorkommen von Tatsachen und Beweismitteln aus der Sicht des jeweiligen Verfahrens zu beurteilen ist ( ua.). Es konnte daher nicht ohne Weiteres davon ausgegangen werden, dass die Geltendmachung des strittigen Pauschales durch den Gatten der Bw in dessen Veranlagungsverfahren den für die Veranlagung der Bw zuständigen Behördenorganen bei Erlassung des ursprünglichen ESt-Bescheides für 2008 (am ) bereits bekannt war. Dagegen spricht, dass die auf diesen Umstand gestützte Bescheidaufhebung gem. § 299 BAO erst am erfolgte. Daher wurde der angeführte Umstand den für die Veranlagung der Bw zuständigen Organen offenbar erst im August 2009 bekannt und stellt daher aus Sicht dieser Organe eine neu hervorgekommene Tatsache dar. Die strittige Wiederaufnahme des Verfahrens wurde somit auf einen tauglichen Wiederaufnahmegrund gestützt, die Berufung war daher in diesem Punkt abzuweisen.

ad b) Gemäß § 34 Abs. 8 EStG 1988 gelten Aufwendungen für eine Berufsausbildung eines Kindes außerhalb des Wohnortes dann als außergewöhnliche Belastung, wenn im Einzugsbereich des Wohnortes keine entsprechende Ausbildungsmöglichkeit besteht. Diese außergewöhnliche Belastung wird durch Abzug eines Pauschbetrages von 110,00 € pro Monat der Berufsausbildung berücksichtigt. Nach der Verwaltungspraxis (LStRL 878) ist dieser Pauschbetrag bei mehreren Unterhaltspflichtigen im Verhältnis der tatsächlichen Kostentragung für die Berufsausbildung des Kindes aufzuteilen. Laut Quantschnigg/Schuch, Einkommensteuerhandbuch, EStG 1988, § 34, Rz 29 ist der Pauschbetrag bei mehreren Unterhaltspflichtigen im Verhältnis dieser Verpflichtungen aufzuteilen (diese Meinung teilt auch der VwGH in seinen Erkenntnissen vom , 88/13/0145 und vom , 2000/14/0194). Eine doppelte Berücksichtigung des strittigen Pauschalbetrages sieht neben dem VwGH auch der UFS nicht vor (sh. Jakom, Baldauf EStG 2013, § 34, Rz 84). Es ist nun berufungsgegenständlich zu untersuchen, ob die Meinung der Bw, wonach der Pauschbetrag gemäß § 34 Abs. 8 leg.cit. bei beiden Elternteilen in voller Höhe berücksichtigt werden kann, im Gesetz gedeckt ist bzw. sich aus der VwGH-Judikatur ergibt: Aus dem Gesetzestext geht eindeutig hervor, dass Anknüpfungspunkt für die Gewährung des Pauschbetrages die "Aufwendungen für eine Berufsausbildung eines Kindes außerhalb des Wohnortes" sind, das heißt, dass alle Aufwendungen für die beschriebene Berufsausbildung des jeweiligen Kindes pauschal als außergewöhnliche Belastung abgegolten werden sollten. Dass die (pauschale) Abgeltung als außergewöhnliche Belastung sich nach der Zahl der Unterhaltsverpflichteten "vervielfachen" (verdoppeln) sollte, ist aus dem Gesetzestext weder bei wörtlicher noch teleologischer Interpretation abzuleiten. Nach dem Gesetzestext sind die auswärtigen Berufsausbildungskosten des jeweiligen Kindes durch den Pauschbetrag zur Gänze abgegolten. Wenn daher dieser Pauschbetrag bei der Veranlagung des Gatten der Bw über dessen Antrag und aufgrund seiner Angaben in den jeweiligen Steuererklärungen, dass er diese Aufwendungen zur Gänze trage, bereits in der gesetzlich vorgesehenen Höhe berücksichtigt wurde, kann er nicht ein weiteres Mal im Veranlagungsverfahren der Bw berücksichtigt werden. Die von der Bw gewünschte Gesetzesauslegung würde überdies zu einer vom Gesetzgeber nicht gewollten Ungleichbehandlung zwischen den Kindern mit nur einem/einer Unterhaltsverpflichteten gegenüber denen mit mehreren (zwei) Unterhaltsverpflichteten führen: Die Berufsausbildungskosten, die bei jedem Kind in vergleichbarer Höhe vorliegen (wie Heimplatz, Miete, Fahrtkosten uä.) würden beim Kind, das zwei Unterhaltsverpflichtete hat, im Weg der Pauschalierung bei jedem der zwei Unterhaltsverpflichteten und damit insgesamt zweimal berücksichtigt, während sie beim Kind, das nur einen Unterhaltsverpflichteten hat, im Weg der Pauschalierung bei eben nur dem einen Unterhaltsverpflichteten also nur einmal berücksichtigt würden. Da - w.o.a. - es offenkundig ist, dass die Kosten bei jedem Kind vergleichbar sind (und bei einem Kind mit zwei Unterhaltsverpflichteten nicht zwei Mal so hoch sind), würde dies zu einer Ungleichbehandlung führen, die ebenfalls gegen die von der Bw intendierte Auslegung der strittigen Gesetzesbestimmung spricht. Zur Stützung dieser Meinung wird verwiesen auf § 106a EStG 1988 (Regelung des Kinderfreibetrags), der zwischen Sachverhalten, in denen der Kinderfreibetrag nur von einer Person bzw. von einer weiteren Person geltend gemacht wird, unterscheidet. Hätte der Gesetzgeber diese normative Unterscheidung auch im Bereich des § 34 Abs. 8 EStG 1988 gewollt, hätte er vergleichbar zur oa. Diktion des § 106a EStG 1988 eine entsprechende Regelung formuliert. Auch die vom steuerlichen Vertreter in der mündlichen Verhandlung vorgebrachten Argumente zur Textierung der Verordnungen bringen in diesem Zusammenhang nichts für das Berufungsbegehren, da das Nichtbehandeln der Aufteilung der Kostentragung in der in Geltung stehenden Verordnung insoweit keinen Rückschluss auf den gesetzgeberischen Willen zulässt, als in der in Geltung stehenden VO zu §§ 34 und 35, BGBl. 1996/303 der Themenkreis "auswärtiges Studium eines Kindes" nicht behandelt wird, sondern sie vielmehr (nur) den Themenkreis Mehraufwendungen für Krankendiätverpflegung und bestimmte Aufwendung wegen einer Behinderung umfasst.

Was das von der Bw bemängelte Missverhältnis von Pauschbetrag und Berufsausbildungskosten betrifft so ist diesbezüglich auszuführen, dass es bei Beachtung des Art. 18 Abs. 1 BVG ("die gesamte staatliche Verwaltung darf nur aufgrund der Gesetze ausgeübt werden") der entscheidenden Behörde versagt ist, ohne entsprechende rechtliche Grundlage ein subjektiv vorliegendes Betragsmissverhältnis zu "reparieren". Es war aus den angeführten Gründen spruchgemäß zu entscheiden und die Berufungen gegen die Einkommensteuerbescheide 2008 und 2010 in diesem Punkt abzuweisen bzw. der Berufung gegen den Einkommensteuerbescheid 2009 insoweit teilweise stattzugeben, als zwei Kinderfreibeträge gemäß § 106a Abs. 2 EStG 1988 (wie in der BVE) berücksichtigt werden.

ad c) Gemäß § 200 Abs. 1 BAO kann die Abgabenbehörde die Abgabe vorläufig festsetzen, wenn nach den Ergebnissen des Ermittlungsverfahrens die Abgabepflicht zwar noch ungewiss, aber wahrscheinlich oder wenn der Umfang der Abgabepflicht noch ungewiss ist. Gemäß § 200 Abs. 2 leg.cit. ist, wenn die Ungewissheit (Abs. 1) beseitigt ist, die vorläufige Abgabenfestsetzung durch eine endgültige Festsetzung zu ersetzen. Laut Ritz, BAO4, § 200, Tz 3 ist Voraussetzung zur Erlassung eines vorläufigen Bescheides, dass eine Ungewissheit im Tatsachenbereich vorliegt, die derzeit im Ermittlungsverfahren nicht beseitigbar ist. Wie sich aus der Begründung des Einkommensteuerbescheides 2009 ergibt, war eine Ungewissheit im Tatsachenbereich nicht gegeben, sondern wartete man die Entscheidung über die Berufung gegen den Einkommensteuerbescheid 2008 ab; dass dieser Umstand (nämlich die Ungewissheit, wie eine Rechtsfrage von der Berufungsbehörde entschieden wird) nicht einer Ungewissheit im Tatsachenbereich entspricht, ist offenkundig und entspricht diese Qualifikation auch der VwGH-Judikatur (; , 2007/15/0054). Im Einkommensteuerbescheid 2010 fehlt - w.o.a. - eine Begründung der vorläufigen Festsetzung zur Gänze. Da Gründe für die vorläufige Festsetzung der Einkommensteuer 2009 und 2010 nicht vorliegen (bzw. hinsichtlich der Einkommensteuer 2010 aufgrund der fehlenden Begründung eine Nachvollziehung nicht möglich ist), war der Berufung diesbezüglich stattzugeben und die Einkommensteuerbescheide für die Jahre 2009 und 2010 insoweit abzuändern, als die Festsetzung der Einkommensteuer 2009 und 2010 endgültig erfolgt.

ad d) Hinsichtlich der in der mündlichen Verhandlung vor dem Berufungssenat beantragten Berücksichtigung des Kinderfreibetrags gem. § 106a Abs. 1 EStG 1988 ("Für ein Kind im Sinne des § 106 Abs. 1 steht ein Kinderfreibetrag zu. Dieser beträgt 220,00 € jährlich, sofern nicht ein Kinderfreibetrag nach Abs. 2 geltend gemacht wird oder nach Abs. 3 zusteht") für 2010 ist aufgrund des von der Abgabenbehörde erster Instanz überprüften Umstandes, wonach der Gatte der Bw diesen nicht beantragt hatte, dem Antrag stattzugeben.

Beilage: 1 Berechnungsblatt

Linz, am

Zusatzinformationen


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Materie
Steuer
Finanzstrafrecht Verfahrensrecht
betroffene Normen
§ 303 Abs. 4 BAO, Bundesabgabenordnung, BGBl. Nr. 194/1961
§ 201 BAO, Bundesabgabenordnung, BGBl. Nr. 194/1961
§ 200 Abs. 1 BAO, Bundesabgabenordnung, BGBl. Nr. 194/1961
§ 299 BAO, Bundesabgabenordnung, BGBl. Nr. 194/1961
§ 289 Abs. 2 BAO, Bundesabgabenordnung, BGBl. Nr. 194/1961
§ 34 Abs. 8 EStG 1988, Einkommensteuergesetz 1988, BGBl. Nr. 400/1988
Berufsausbildung eines Kindes außerhalb des Wohnortes, BGBl. Nr. 624/1995
§ 106a Abs. 2 EStG 1988, Einkommensteuergesetz 1988, BGBl. Nr. 400/1988
Verweise

Datenquelle: Findok — https://findok.bmf.gv.at

Fundstelle(n):
OAAAD-11504