Rückforderung von Familienbeihilfe bei Vorbereitung auf die Matura-Wiederholungsprüfung
Entscheidungstext
Berufungsentscheidung
Der Unabhängige Finanzsenat hat über die Berufung des Bw., F., gegen den Bescheid des Finanzamtes Neunkirchen Wr. Neustadt betreffend Rückforderung von Familienbeihilfe und Kinderabsetzbeträgen für den Zeitraum bis entschieden:
Die Berufung wird als unbegründet abgewiesen.
Der angefochtene Bescheid bleibt unverändert.
Entscheidungsgründe
Der Berufungswerber (Bw.) bezog für seinen Sohn C., geb. 1992, bis März 2011 Familienbeihilfe.
Im Zuge der Überprüfung der Anspruchsvoraussetzungen forderte das Finanzamt die für den Zeitraum November 2010 bis März 2011 bezogenen Beträge mit Bescheid vom mit der Begründung zurück, dass Bw. trotz mehrmaliger Aufforderung keine Bestätigung vorgelegt habe, aus der ersichtlich sei, ob sein Sohn beim Prüfungstermin im März 2011 angetreten sei.
Der Bw. erhob gegen den Rückforderungsbescheid fristgerecht Berufung und machte folgende Ausführungen:
"Ich habe umgehend jedes Schreiben von Ihnen wahrheitsgemäß beantwortet, habe Ihnen Kopien von sämtlichen gewünschten Unterlagen übersandt und aufgrund dessen haben Sie über den Bezug entschieden.
Ich habe Ihnen auch mitgeteilt, dass mein Sohn, der ja, wie Sie wissen, bei der Matura im letzten Jahr in einem Gegenstand durchgefallen ist, bei 2 Terminen zur Nachprüfung nicht antreten konnte - einmal aus beruflichen Gründen und einmal aus gesundheitlichen (Bestätigung des Arztes liegt in Kopie diesem Schreiben bei). Im Moment absolviert er bis Dezember 2011 den Zivildienst, aber im Herbst diesen Jahres wird er die Matura endgültig komplettieren.
Da ich mir keiner Schuld bewusst bin, Ihnen jemals falsche oder unzureichende Angaben gemacht zu haben, erhebe ich hiermit Einspruch gegen den geforderten Betrag und werde notfalls von meinem Recht Gebrauch machen, rechtliche Schritte dagegen zu unternehmen."
Das Finanzamt wies die Berufung mit Berufungsvorentscheidung vom mit folgender Begründung ab:
"Gemäß § 2 Abs. 1 lit. b des Familienlastenausgleichsgesetzes (FLAG) 1967 haben Personen für ihre volljährigen Kinder, die das 24. bzw. 25. Lebensjahr noch nicht vollendet haben und die für einen Beruf ausgebildet werden, Anspruch auf Familienbeihilfe.
Die Ablegung der Matura ist grundsätzlich eine Berufsausbildung.
Ihr Sohn ist nach dem Nebentermin im Oktober 2010 zum weiteren Termin im März 2011 und im Juni 2011 nicht angetreten.
Sie führen in der Berufungsschrift aus, dass er den Maturatermin einmal aus beruflichen und einmal aus gesundheitlichen Gründen nicht wahrnehmen konnte. Als Beweis legen Sie eine Bestätigung von Dr. R. vor, worin bestätigt wird, dass C. aus gesundheitlichen Gründen zur Matura im Juni 2011 nicht antreten konnte.
Laut Sozialversicherungsauszug war C. vom bis als Angestellter bei der Fa. E.GmbH beschäftigt.
Eine Berufsausbildung ist nur dann gegeben, wenn eine ernsthafte und zielstrebige Vorbereitung anzunehmen ist.
Aus diesen Gründen hätte er andere Tätigkeiten wie die Berufstätigkeit in den Hintergrund treten lassen müssen, um eine gezielte Vorbereitung auf die Matura im März 2011 zu gewährleisten.
Die Berufung war daher abzuweisen."
Das vom Bw. mit "Einspruch gegen oben genannte Berufungsvorentscheidung" bezeichnete Schreiben vom wurde vom Finanzamt als Vorlageantrag gewertet und der Abgabenbehörde zweiter Instanz zur Entscheidung vorgelegt.
Der Bw. führt darin Folgendes aus:
"Mein Sohn C.... hat die Matura im Mai 2010 in einem Gegenstand nicht bestanden. Das habe ich Ihnen aufgrund Ihres Ersuchens um Ergänzung mitgeteilt. Mir war absolut klar, dass ich mit Beendigung des Schuljahres den Anspruch auf Familienbeihilfe verliere. Sie jedoch, haben mir unaufgefordert das Geld weiter bewilligt und ausbezahlt.
Es kamen nach und nach Schreiben von Ihnen, in denen Sie nach Kopien des Reifezeugnisses verlangten und die ich Ihnen immer wahrheitsgemäß beantwortet habe. Mit keinem Wort haben Sie mich darauf hingewiesen, dass mein Sohn verpflichtet ist, in einem von Ihnen anscheinend vorgegebenen Zeitraum die Matura abzulegen. Laut Gesetz hätte er dazu bis zu 5 Jahre Zeit gehabt.
Schon nach dem ersten verstrichenen Maturatermin hätten Sie die Familienbeihilfe ohne Wenn und Aber streichen müssen, Sie jedoch haben das Geld weiter ausbezahlt. So ging es die ganzen Monate, bis mein Sohn im Oktober 2010 ( Anm.: richtig 2011 ) zur Matura angetreten ist und diese auch bestanden hat.
Erst danach kamen Sie dahinter, dass Ihnen anscheinend ein Fehler unterlaufen ist, den ich jetzt mittels Rückzahlung beheben soll. So geht das aber nicht! Ich habe Sie nie um Geld gebeten, dass meinem Sohn nicht zugestanden wäre, die Bewilligungen gingen von Ihnen aus, nachdem ich Ihnen sämtliche Schreiben wahrheitsgemäß beantwortet habe!
Deshalb erhebe ich hiermit erneut Einspruch und werde, wenn Sie von Ihrer Forderung nicht abgehen, meinen priv. Rechtsschutz einschalten."
Folgende Unterlagen liegen im Akt auf:
"Schulbestätigung" ausgestellt von Dr.med. JR am . In dieser bestätigt Dr. R., dass C. wegen akuter psychischer Belastungsreaktion in seiner Behandlung steht und zur Reife-Wiederholungsprüfung "am heutigen Tage" nicht antreten konnte.
Bestätigung des Bundes-Oberstufenrealgymnasiums W. vom , dass C. den Reifeprüfungstermin im März 2011 aufgrund familiärer Angelegenheiten nicht einhielt. Eine Bestätigung hierfür gebe es nicht.
Reifeprüfungszeugnis, datiert mit auf, demzufolge C. die Matura bestanden hat.
Versicherungsauszug vom , aus dem hervorgeht, dass C. vom bis bei der E.GmbH beschäftigt war.
Bescheid der Zivildienstserviceagentur vom über die Verrichtung des Zivildienstes vom bis .
Strittig ist im Berufungsfall somit ausschließlich, ob im Streitzeitraum November 2010 bis März 2011 für C. ein Familienbeihilfeanspruch wegen Berufsausbildung bestanden hat (ein anderer Titel ist nicht ersichtlich), und ob - für den Fall, dass dies verneint werden muss - die Rückforderung zu Recht erfolgte.
Über die Berufung wurde erwogen:
1. Gesetzliche Bestimmungen:
Nach der Bestimmung des § 2 Abs. 1 lit. b FLAG 1967 in der für den Streitzeitraum geltenden Fassung haben Anspruch auf Familienbeihilfe Personen, die im Bundesgebiet einen Wohnsitz oder ihren gewöhnlichen Aufenthalt haben, für volljährige Kinder, die das 26. Lebensjahr noch nicht vollendet haben und die für einen Beruf ausgebildet oder in einem erlernten Beruf in einer Fachschule fortgebildet werden, wenn ihnen durch den Schulbesuch die Ausübung ihres Berufes nicht möglich ist.
Gemäß § 26 Abs. 1 FLAG 1967 hat derjenige, der Familienbeihilfe zu Unrecht bezogen hat, die entsprechenden Beträge zurückzuzahlen. Gleiches gilt für zu Unrecht bezogene und gemeinsam mit der Familienbeihilfe ausbezahlte Kinderabsetzbeträge (§ 33 Abs. 3 EStG 1988 iVm § 26 FLAG 1967).
2. Feststehender Sachverhalt:
Im gegenständlichen Fall steht unbestritten fest, dass der Sohn des Bw. im Juni 2010 am Bundes-Oberstufenrealgymnasium W. zur Matura antrat und dabei in einem Fach negativ beurteilt wurde. Zum nächstfolgenden Termin im Oktober 2010 bestand C. die Prüfung auch nicht. Den Wiederholungstermin im März 2011 konnte C. laut Bestätigung des Bundes-Oberstufenrealgymnasiums W. auf Grund familiärer Angelegenheiten nicht einhalten. Zur Reife-Wiederholungsprüfung am konnte C. laut Bestätigung von Dr.med. JR, Arzt für Allgemeinmedizin, wegen akuter psychischer Belastungsreaktion ebenfalls nicht antreten. C. bestand schließlich die Matura am .
Weiters steht fest, dass C. nach dem Sozialversicherungsauszug vom vom bis bei der E.GmbH vollbeschäftigt war und laut Bescheid der Zivildienstserviceagentur vom vom bis Zivildienst verrichtete.
3. Rechtliche Würdigung:
3.1 Berufsausbildung
Nach der Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes weist jede anzuerkennende Berufsausbildung ein qualitatives und ein quantitatives Element auf: Entscheidend ist sowohl die Art der Ausbildung als auch deren zeitlicher Umfang; die Ausbildung muss die volle Zeit des Kindes in Anspruch nehmen.
Zum zeitlichen Umfang führt Lenneis in Csaszar/Lenneis/Wanke, FLAG, § 2 Rz 39f, Folgendes aus:
"Hier ist zu differenzieren zwischen Ausbildungsmaßnahmen, die im Rahmen einer schulischen oder kursmäßigen Ausbildung erfolgen, und solchen, bei denen dies nicht der Fall ist, die Vorbereitung auf Prüfung(en) also im Wege des Selbststudiums erfolgt.
Beiden Ausbildungsmaßnahmen ist gemeinsam, dass sie die volle Zeit des Auszubildenden in Anspruch nehmen müssen. Was hierunter zu verstehen ist, ist weder im Gesetz geregelt noch trifft die Judikatur des VwGH diesbezüglich eine klare Aussage.
Auch im Fall des Besuches einer Maturaschule führt der VwGH nur allgemein aus, das ernstliche und zielstrebige, nach außen erkennbare Bemühen um den Ausbildungserfolg manifestiere sich im Antreten zu den erforderlichen Vorprüfungen. Zwar sei nicht (nur) der Prüfungserfolg ausschlaggebend, der Maturaschüler müsse aber durch das Antreten zu Prüfungen innerhalb angemessener Zeit versuchen, die Voraussetzungen für die Zulassung zur Reifeprüfung zu erlangen (s zB ).
Ist das Ziel der Ausbildung die Ablegung der Matura, wie etwa auch bei der Berufsreifeprüfung, ist nach der Judikatur des UFS als Vergleichsmaßstab regelmäßig der für den Besuch einer AHS oder BHS erforderliche Zeitaufwand heranzuziehen, also mindestens 30 Wochenstunden (s zB -F/07 ; ; ), wobei im Übrigen dazu regelmäßig noch der Aufwand für die Vorbereitung zu Hause kommt..."
Legt man diesen Maßstab auf den Berufungsfall an, so ergibt sich, dass die Berufsausbildung nicht die volle Zeit des Sohnes des Bw. in Anspruch genommen hat.
Dass für die Vorbereitung zur Wiederholungsprüfung in einem einzigen Fach - wie dies hier der Fall ist - ein Zeitaufwand von rund 30 Wochenstunden erforderlich ist, dies über einen Zeitraum von ca. fünf Monaten (= Zeit zwischen den einzelnen Wiederholungsterminen), kann nach den Erfahrungen des täglichen Lebens nicht angenommen werden.
Hierzu kommt, dass der Sohn des Bw. gerade im Streitzeitraum vollbeschäftigt im einem Dienstverhältnis gestanden ist. Dass er daneben Zeit gefunden hätte, sich im geforderten Umfang seiner Prüfungsvorbereitung anzunehmen, ist völlig auszuschließen. Auch der Bw. hat diesbezüglich nichts Gegenteiliges vorgebracht, es sei ihm vielmehr klar gewesen, dass er mit Beendigung des Schuljahres den Anspruch auf Familienbeihilfe verliere.
3.2 Rückforderung
Somit war nur mehr zu klären, ob die Rückforderung der im Streitzeitraum zu Unrecht bezogenen Familienbeihilfe und Kinderabsetzbeträgen zu Recht erfolgte.
Der Bw. führt hierzu aus, dem Finanzamt sei ein Fehler unterlaufen, den er jetzt mittels Rückzahlung beheben solle. Er habe aber das Finanzamt nie um Geld gebeten, das seinem Sohn nicht zugestanden wäre. Die Bewilligungen seien vom Finanzamt ausgegangen, nachdem der Bw. sämtliche Schreiben wahrheitsgemäß beantwortet habe.
Dem ist zu entgegnen, dass sich aus § 26 Abs. 1 FLAG 1967 eine objektive Erstattungspflicht zu Unrecht bezogener Familienbeihilfe ergibt. Subjektive Momente, wie Verschulden, Gutgläubigkeit oder die Verwendung der Familienbeihilfe, sind nach ständiger Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes für die Verpflichtung zur Rückerstattung unrechtmäßiger Beihilfenbezüge unerheblich. Entscheidend ist lediglich, ob der Empfänger die Beträge zu Unrecht erhalten hat (sh. zB ).
Das Finanzamt hat somit zu Recht Familienbeihilfe und Kinderabsetzbeträge für den Zeitraum November 2010 bis März 2011 rückgefordert.
Wien, am
Zusatzinformationen
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Materie | |
betroffene Normen | § 2 Abs. 1 lit. b FLAG 1967, Familienlastenausgleichsgesetz 1967, BGBl. Nr. 376/1967 § 26 Abs. 1 FLAG 1967, Familienlastenausgleichsgesetz 1967, BGBl. Nr. 376/1967 |
Verweise | -F/07 |
Datenquelle: Findok — https://findok.bmf.gv.at