Sonstiger Bescheid, UFSW vom 29.06.2010, RV/2527-W/09

Kassation - begünstigte Auslandstätigkeit

Entscheidungstext

Bescheid

Der Unabhängige Finanzsenat hat über die Berufung des Bw, gegen den Bescheid des Finanzamtes XY betreffend Einkommensteuer (Arbeitnehmerveranlagung) für das Jahr 2008 entschieden:

Der angefochtene Bescheid wird gemäß § 289 Abs 1 der Bundesabgabenordnung (BAO), BGBl Nr. 1961/194 idgF, unter Zurückverweisung der Sache an die Abgabenbehörde erster Instanz aufgehoben.

Begründung

Der Berufungswerber (idF auch nur kurz Bw) war im Jahr 2008 bei der L. CEE GmbH (idF auch nur kurz L. CEE GmbH bzw Arbeitgeber) als Elektriker bzw Servicetechniker beschäftigt.

Mit Datum vom beantragte er die Durchführung der Arbeitnehmerveranlagung für das Jahr 2008. Unter Einem stellte der den "Antrag", den Jahreslohnzettel für das Jahr 2008 zu korrigieren. Er habe eine begünstigte Auslandstätigkeit iSd § 3 Abs 1 Z 10 EStG durchgeführt, die vom Arbeitgeber nicht berücksichtigt worden sei. Es handle sich dabei um die Zeiträume Mai und Juni 2008 sowie um Überstundenleistungen aus dem Monat Juni 2008, ausbezahlt im Juli 2008. Als Anlage zu seinem Anbringen legte der Bw ua eine Bestätigung des Arbeitgebers vor, der zufolge der Bw "die Monate Mai und Juni 2008 durchgehend als Servicetechniker" in der Niederlassung der L. CEE GmbH im Einsatz war. Ebenso legte er eine Aufstellung seiner Auslandsdienstreisen für den Zeitraum - jeweils nach Ankara sowie Lohnzettel für die Monate Mai bis Juli 2008 vor.

Das (bescheiderlassende) Wohnsitzfinanzamt übermittelte diese Unterlagen in Kopie an das Betriebsfinanzamt "zwecks LZ-Berichtigung" (Aktenvermerk vom , Aktenseite 16).

Mit E-Mail vom teilte das Betriebsfinanzamt dem Wohnsitzfinanzamt Folgendes mit:

"Wie im Rahmen einer schriftlichen Anfrage an den Arbeitgeber L. Central Eastern Europe GmbH durch Rückmeldung vom geklärt werden konnte, gibt es keine externen Auftragsunterlagen über das Projekt L. Ankara (Türkei), keinen Werks-, Entsendungs- oder Arbeitskräfteüberlassungsvertrag. Lt Dienstvertrag kann Herr ... [der Bw] bei Bedarf und zur Unterstützung eines der Betriebe, die zur L. CEE gehören, herangezogen werden. Es lag somit lediglich eine Dienstreise, bei welcher lt. Rücksprache mit der Lohnverrechnung die anfallenden Aufwendungen ersetzt worden sind, vor und nicht eine Entsendung zur Anlagenerrichtung für einen konkreten Projektauftrag. Seitens des Betriebsstättenfinanzamtes erfolgt daher keine Lohnzettelberichtigung im Sinne der Steuerfreistellung von Bezugsteilen."

Ohne dem Bw eine Möglichkeit zur Stellungnahme zu den Ermittlungsergebnissen des Betriebsfinanzamtes einzuräumen verweigerte das Wohnsitzfinanzamt in der Folge im angefochtenen Einkommensteuerbescheid vom die beantrage Steuerfreistellung. In der Bescheidbegründung führte es aus:

"Zu Ihrem dem Antrag bzgl. Arbeitnehmerveranlagung 2008 beigelegten Ansuchen auf Lohnzettelkorrektur wird wie folgt Stellung genommen: Laut Erhebungen des zuständigen Betriebsfinanzamtes der Firma L. handelt es sich bei Ihrer Tätigkeit in der Türkei weder um eine Entsendung, noch um eine Arbeitskräfteüberlassung durch den Dienstgeber, sondern lediglich um eine Dienstreise, die durch den Dienstgeber ersetzt wurde. Somit konnte seitens des Betriebsfinanzamtes keine Lohnzettelkorrektur betreffend begünstigter Auslandstätigkeit vorgenommen werden."

Gegen diesen Bescheid richtet sich die Berufung. Der Bw bringt darin zusammengefasst vor, seine Tätigkeit in Ankara sei zu Unrecht nicht als Tätigkeit iSd § 3 Abs 1 Z 10 EStG berücksichtigt worden. Er habe sich von 1.5. bis in der Türkei befunden, um Montagetätigkeiten durchzuführen.

Bescheide der Abgabenbehörde erster Instanz, denen ein Anbringen zu Grunde liegt, dem nicht voll entsprochen wird, haben nach § 93 Abs 3 lit a BAO eine Begründung zu enthalten. Von zentraler Bedeutung für die Tragfähigkeit der Begründung eines Bescheides ist die zusammenhängende Darstellung des von der Behörde festgestellten Sachverhaltes. Anzustreben ist eine leicht lesbare Erzählung, die knapp und dennoch vollständig, präzise und gleichzeitig anschaulich den rechtlich bedeutsamen Sachverhalt soweit beschreibt, dass ein des Falles Unkundiger weiß, was sich zugetragen hat ().

Es genügt daher nicht, wenn der Bescheid lediglich das Ergebnis einer rechtlichen Würdigung enthält, nicht jedoch in der erforderlichen, einer nachprüfenden Kontrolle durch den Steuerpflichtigen und die Abgabenbehörde zweiter Instanz zugänglichen Weise dargestellt wird, auf welchen Sachverhalt sich die einzelnen Feststellungen stützen (), welche Beweismittel herangezogen wurden und welche Ergebnisse die Würdigung der einzelnen Beweismittel erbracht hat (); es ist ferner darzulegen, was die Abgabenbehörde im Fall des Vorliegens allenfalls widerstreitender Beweisergebnisse bewogen hat, ein Beweismittel anderen Beweismitteln vorzuziehen bzw. gerade den von ihr angenommenen Sachverhalt als erwiesen anzunehmen (; uva).

Der angefochtene Bescheid enthält lediglich die Begründung, bei der Tätigkeit des Bw in der Türkei habe es sich weder um eine Entsendung, noch um eine Arbeitskräfteüberlassung durch den Dienstgeber, sondern lediglich um eine Dienstreise, die durch den Dienstgeber ersetzt worden sei, gehandelt. Auf welchen Sachverhalt und welche konkreten Ermittlungsergebnisse sich diese Feststellungen im Einzelnen stützen, wurde nicht dargelegt.

Aufgabe des behördlichen Ermittlungsverfahrens ist es, "Vermutungen" durch Fakten solange zu erhärten, bis der Sachverhalt auf Grund schlüssiger Wertung dieser Fakten in freier Beweiswürdigung als erwiesen angesehen werden kann (). Die Aufgabe, die tatsächlichen und rechtlichen Verhältnisse zu ermitteln, die für die Abgabepflicht und die Erhebung der Abgaben wesentlich sind (§ 115 Abs 1 BAO), kommt dabei in erster Linie der Abgabenbehörde erster Instanz zu. Zum einen hat diese eine Berufung erst "nach Durchführung der etwa noch erforderlichen Ermittlungen" der Abgabenbehörde zweiter Instanz vorzulegen (§ 276 Abs 6 erster Satz BAO); zum anderen geht der Gesetzgeber mit der Bestimmung des § 279 Abs 2 BAO erkennbar davon aus, dass eine Beweisaufnahme vor der Abgabenbehörde zweiter Instanz nur mehr darin bestehen soll, "notwendige Ergänzungen" des (bisherigen) Ermittlungsverfahrens vorzunehmen.

Aus dem angefochtenen Bescheid ist nicht nachvollziehbar, von welchem Sachverhalt die Abgabenbehörde erster Instanz ausgegangen ist.

Es wäre Aufgabe des Finanzamtes gewesen, in einer für den Steuerpflichtigen und die Berufungsbehörde nachvollziehbaren Weise darzustellen, warum es sachverhaltsbezogen zu der Ansicht gelangt ist, dass es sich im gegenständlichen Fall nicht um nach § 3 Abs 1 Z 10 EStG 1988 begünstigte Auslandsbezüge handelt.

Es kann nicht als Aufgabe der Abgabenbehörde zweiter Instanz angesehen werden, Ermittlungstätigkeiten (erstmals) vorzunehmen und dadurch den von der Abgabenbehörde erster Instanz angenommenen Sachverhalt zu ergründen. Der unabhängige Finanzsenat (als Abgabenbehörde zweiter Instanz) sieht es nicht als seine Aufgabe und Verpflichtung an, erstmals Sachverhaltsfeststellungen zu treffen und die gesamten Ergebnisse eines Beweisverfahrens erstmals selbst zur Darstellung zu bringen. Die Aufgabe des unabhängigen Finanzsenates besteht in der Überprüfung der angefochtenen Bescheide; durch die Vorgehensweise des Finanzamtes würde unzulässigerweise aber die Vornahme des durch die Abgabenbehörde erster Instanz durchzuführenden Ermittlungsverfahrens auf die Abgabenbehörde zweiter Instanz selbst verlagert. Dabei gilt es auch darauf Rücksicht zu nehmen, dass das mit novellierte Berufungsverfahren der BAO dem unabhängigen Finanzsenat die Rolle eines unabhängigen Dritten zuweist. Will der unabhängige Finanzsenat dieser Rolle gerecht werden, wird er sich im Wesentlichen auf die Funktion eines Kontroll- und Rechtsschutzorgans beschränken müssen (vgl Beiser, SWK 2003, 102 ff). Diese Aufgabe kann der unabhängige Finanzsenat aber nur dann nachkommen, wenn das Finanzamt einen vollständigen Verwaltungsakt vorlegt und klar ersichtlich ist, welche Ermittlungsschritte zu welchem, als feststehend angenommenen, Sachverhalt geführt haben.

Nach § 289 Abs 1 BAO kann die Abgabenbehörde zweiter Instanz, sofern sie keine das Verfahren abschließende Formalentscheidung zu treffen hat, die Berufung auch durch Aufhebung des angefochtenen Bescheides und allfälliger Berufungsvorentscheidungen unter Zurückverweisung der Sache an die Abgabenbehörde erster Instanz erledigen, wenn Ermittlungen (§ 115 Abs1 BAO) unterlassen worden sind, bei deren Durchführung ein anders lautender Bescheid hätte erlassen werden oder eine Bescheiderteilung hätte unterbleiben können.

Durch die Aufhebung des angefochtenen Bescheides tritt das Verfahren in die Lage zurück, in der es sich vor Erlassung des Bescheides befunden hat. Die Abgabenbehörde erster Instanz ist gehalten, nach Durchführung der für den vorliegenden Fall zweifellos noch erforderlichen Ermittlungs- und Dokumentationshandlungen in Bezug auf den entscheidungsrelevanten Sachverhalt neue Bescheide zu erlassen.

Es war daher wie im Spruch ausgeführt zu entscheiden.

Wien, am

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Materie
Steuer
Finanzstrafrecht Verfahrensrecht
betroffene Normen

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