Pendlerpauschale verfassungswidrig?
Rechtssätze
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Stammrechtssätze | |
RV/0575-G/05-RS1 | Mit dem Verkehrsabsetzbetrag und dem Pendlerpauschale sind gemäß §16 Abs.1 Z 6 EStG 1988 alle Aufwendungen für Fahrten zwischen Wohnung und Arbeitsstätte abgegolten. Der Berücksichtigung der tatsächlichen PKW-Kosten für diese Fahrten steht daher der klare Wortlaut der genannten Bestimmung entgegen (vgl. , und ). |
Entscheidungstext
Berufungsentscheidung
Der unabhängige Finanzsenat hat über die Berufung des ST, vertreten durch ECO-WT Wirtschafts- und Steuerberatungs-GmbH, 8010 Graz, Einspinnergasse 1/II, vom gegen die Bescheide des Finanzamtes Graz-Umgebung vom betreffend Einkommensteuer 2002 und 2003 sowie Festsetzung von Vorauszahlungen an Einkommensteuer für das Jahr 2005 entschieden:
Die Berufung wird als unbegründet abgewiesen.
Die angefochtenen Bescheide bleiben unverändert.
Entscheidungsgründe
Der Berufungswerber (Bw.) machte in seinen Einkommensteuererklärungen für die Jahre 2002 und 2003 ua. Werbungskosten bei den Einkünften aus nichtselbständiger Arbeit in Höhe von 4.084,68 € (2002) bzw. in Höhe von 3.903,07 € (2003) für Fahrten zwischen Wohnung und Arbeitsstätte geltend. Der Verkehrsabsetzbetrag sowie das große Pendlerpauschale gemäß § 16 Abs. 1 Z 6 lit. c EStG 1988 in Höhe von 2.100,00 € jährlich waren bereits von seinem Arbeitgeber berücksichtigt worden. Bei den im Veranlagungsverfahren geltend gemachten Werbungskosten handelte es sich laut Bw. um jene Aufwendungen, die ihm durch die Benützung seines PKW für Fahrten zwischen Wohnung und Arbeitsstätte entstanden seien. Für das Jahr 2003 legte der Bw. eine detaillierte Aufstellung dieser Kosten vor.
Das Finanzamt ließ diese zusätzlich geltend gemachten Werbungskosten nicht zum Abzug zu, weil diese Aufwendungen bereits mit dem Verkehrsabsetzbetrag und dem großen Pendlerpauschale zur Gänze abgegolten seien. § 16 Abs. 1 Z 6 EStG 1988 enthalte diesbezüglich eine abschließende Regelung.
Im Berufungsverfahren wurde vorgebracht, der Bw. habe im Jahr 1991 infolge des Konkurses seines Arbeitgebers seine Stelle als Entwicklungsingenieur verloren. Nach zwei Jahren verzweifelter, österreichweiter Arbeitssuche habe er in SP einen neuen Arbeitsplatz gefunden. Er sei damals 48 Jahre alt gewesen und habe keine andere Wahl gehabt als diesen Arbeitsplatz anzunehmen und damit von seinem Wohnort X, wo er mit seiner Familie wohne, täglich nach SP zu pendeln. Durch das Pendeln seien ihm in Relation zur Höhe seines Arbeitslohnes exorbitant hohe Kosten erwachsen, die durch die bei der Ermittlung der Steuer pauschal berücksichtigten Fahrtkosten nur zu einem geringen Teil abgegolten worden seien. Zu bedenken sei auch, dass sich die Arbeitswelt seit der Zeit, in der die genannten Pauschalierungen aus verwaltungstechnischen Gründen eingeführt worden seien, wesentlich verändert habe. Heute sei es nicht mehr ungewöhnlich, dass man als Arbeitnehmer derart weite Arbeitswege in Kauf nehmen müsse. Darüber hinaus sehe er in der Tatsache, dass Selbständige bzw. Gewerbetreibende ihre tatsächlichen Fahrtkosten als Betriebsausgaben geltend machen können, eine Verletzung des Gleichheitsgrundsatzes. Abschließend führte der Bw. aus, er habe den Eindruck, dass im ausländischen EU-Raum wesentlich günstigere steuerliche Regelungen für Pendler bestehen. Er frage sich daher, ob nicht im Zuge der Harmonisierung der europäischen Steuergesetzgebung längst bessere steuerliche Rahmenbedingungen festgelegt worden seien, die an und für sich auch für österreichische Pendler gelten, aber nur noch nicht in nationales Recht umgesetzt worden seien.
Über die Berufung wurde erwogen:
Ausgaben eines Steuerpflichtigen für Fahrten zwischen Wohnung und Arbeitsstätte sind gemäß § 16 Abs. 1 Z 6 EStG 1988 Werbungskosten. Diese Ausgaben sind bei einer einfachen Fahrtstrecke zwischen Wohnung und Arbeitsstätte bis 20 km grundsätzlich durch den Verkehrsabsetzbetrag abgegolten. Ist dem Arbeitnehmer im Lohnzahlungszeitraum überwiegend die Benützung eines Massenbeförderungsmittels zwischen Wohnung und Arbeitsstätte zumindest hinsichtlich der halben Fahrtstrecke nicht zumutbar und beträgt die einfache Fahrtstrecke mehr als 60 km, dann war in den Streitjahren zusätzlich (zum Verkehrsabsetzbetrag) ein Pauschbetrag von 2.100,00 € jährlich zu berücksichtigen.
Die Voraussetzungen für die Zuerkennung der genannten Pauschbeträge waren beim Bw. in den Streitjahren erfüllt, weil die einfache Fahrtstrecke unbestrittenermaßen mehr als 60 km betrug und die reine Fahrzeit vom Wohnort zum Arbeitsort des Bw. mit öffentlichen Verkehrsmitteln laut Fahrplanauskunft knapp drei Stunden dauerte. Selbst bei einer Kombination von PKW und öffentlichem Verkehrsmittel hätte der Bw. jedenfalls mehr als zweieinhalb Stunden für die gesamte Fahrtstrecke benötigt.
Mit dem Verkehrsabsetzbetrag und dem oa. Pauschbetrag sind gemäß § 16 Abs. 1 Z 6 EStG 1988 alle Ausgaben für Fahrten zwischen Wohnung und Arbeitsstätte abgegolten. Dem Antrag des Bw., die von ihm aufgelisteten tatsächlichen Aufwendungen für die Benützung des PKW für die Fahrten zwischen Wohnung und Arbeitsstätte als Werbungskosten anzuerkennen, steht somit der klare Wortlaut der genannten Bestimmung entgegen (vgl. , und ).
Hinsichtlich der vom Bw. angesprochenen verfassungsrechtlichen Bedenken wegen der Abgeltung der Fahrtkosten mit einem Pauschbetrag sowie wegen der Ungleichbehandlung von Arbeitnehmern und selbständig Tätigen wird auf die in den oa. Erkenntnissen wiedergegebenen Ausführungen des Verfassungsgerichtshofes hingewiesen. Demnach hat der Verfassungsgerichtshof mit Beschlüssen vom , B 21/95 und B 3056/95 und vom , B 1615/01, die Behandlung von die Verfassungswidrigkeit des § 16 Abs. 1 Z 6 EStG 1988 behauptenden Beschwerden abgelehnt. Er hat dabei auf seine ständige Rechtsprechung zur Zulässigkeit von Pauschalierungen und zur Zulässigkeit unterschiedlicher Behandlung von selbständigen und unselbständigen Einkommen verwiesen. Vor dem Hintergrund dieser Rechtsprechung teilt der unabhängige Finanzsenat die vom Bw. vorgetragenen verfassungsrechtlichen Bedenken gegen § 16 Abs. 1 Z 6 EStG 1988 nicht.
Dem abschließenden Hinweis des Bw. auf das angebliche Bestehen von wesentlich günstigeren Regelungen für Pendler im ausländischen EU-Raum ist entgegenzuhalten, dass es eine Harmonisierung der Ertragsteuern im EU-Raum (bisher noch) nicht gibt. Für die steuerliche Beurteilung von Sachverhalten ohne Auslandsbezug hat die Frage, ob in einem anderen EU-Staat eine für den Betroffenen günstigere steuerliche Regelung besteht, daher keine rechtliche Auswirkung.
Es war daher wie im Spruch ersichtlich zu entscheiden.
Graz, am
Zusatzinformationen
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Materie | Steuer Finanzstrafrecht Verfahrensrecht |
betroffene Normen | § 16 Abs. 1 Z 6 EStG 1988, Einkommensteuergesetz 1988, BGBl. Nr. 400/1988 |
Schlagworte | Pendlerpauschale Verfassungswidrigkeit |
Verweise | |
Zitiert/besprochen in | UFSaktuell 2006, 24 |
Datenquelle: Findok — https://findok.bmf.gv.at