Pauschal zugerechnete Sicherheitszuschläge bilden keine tragfähige Basis für einen Vorsatzverdacht
Entscheidungstext
Beschwerdeentscheidung
Der Unabhängige Finanzsenat als Finanzstrafbehörde zweiter Instanz hat durch das Mitglied des Finanzstrafsenates Linz 1 in der Finanzstrafsache gegen AB, geb. X, Adresse, vertreten durch C, Steuerberater, Adresse1, wegen der Finanzvergehen der Abgabenhinterziehung gemäß § 33 Abs. 1 und der Finanzordnungswidrigkeit gemäß § 49 Abs. 1 lit. a des Finanzstrafgesetzes (FinStrG) über die Beschwerde des Beschuldigten vom gegen
1) den Bescheid über die Einleitung eines Finanzstrafverfahrens und
2) die Verständigung von der Einleitung eines Finanzstrafverfahrens
des Finanzamtes XY als Finanzstrafbehörde erster Instanz vom , StrNr. 1,
zu Recht erkannt:
1) Der Beschwerde wird Folge gegeben und der bekämpfte Bescheid aufgehoben.
2) Die Beschwerde wird als unzulässig zurückgewiesen.
Entscheidungsgründe
Mit Bescheid vom leitete die Finanzstrafbehörde Linz gegen den seit vielen Jahren im Gaststättenwesen tätigen Beschwerdeführer (in der Folge kurz: Bf.) das Finanzstrafverfahren wegen des Verdachtes ein, er habe vorsätzlich unter Verletzung einer abgabenrechtlichen Anzeige-, Offenlegungs- oder Wahrheitspflicht für die Jahre 2005 bis 2007 eine Verkürzung an Einkommensteuer in Höhe von insgesamt 1.632,08 € (2005: 534,91 €; 2006: 729,67 €; 2007: 367,50 €) und an Umsatzsteuer in Höhe von insgesamt 12.832,11 € (2005: 4.207,43 €; 2006: 4.339,39 €; 2007: 4.285,29 €) bewirkt und dadurch ein Finanzvergehen nach § 33 Abs. 1 FinStrG begangen. Zur Begründung verwies die Finanzstrafbehörde erster Instanz auf die Ergebnisse der Betriebsprüfung zu ABNr. 2, das Ergebnis der Schlussbesprechung vom sowie auf die dortigen Feststellungen, dass Grundaufzeichnungen vernichtet und Lohnauszahlungen nicht in der Buchhaltung erfasst worden seien und Belege gefehlt hätten.
Gleichzeitig wurde der Bf. unter Hinweis auf § 83 Abs. 2 FinStrG von der Einleitung des Finanzstrafverfahrens wegen des Verdachtes, er habe Abgaben, die selbst zu berechnen seien, (ergänze: vorsätzlich) nicht spätestens am fünften Tag nach Fälligkeit entrichtet und dadurch ein Finanzvergehen nach § 49 Abs. 1 lit. a FinStrG begangen, verständigt.
Die Erstbehörde verwies auf die Feststellungen der Lohnsteuerprüfung zu ABNr. 3 und die Schlussbesprechung vom sowie die Nachforderungen an Lohnsteuer 2005 bis 2007 in Höhe von je 3.373,04 €, an DB 2005 bis 2007 in Höhe von je 396,00 € und an DZ 2005 bis 2007 in Höhe von je 31,68 €.
In der dagegen fristgerecht erhobenen Beschwerde wandte der Bf. im Wesentlichen ein, dass die Behauptung einer vorsätzlichen Abgabenverkürzung zurückzuweisen sei. Dass Grundaufzeichnungen gefehlt hätten, sei nur insoweit richtig, als die Grundaufzeichnungen zwar in keiner Druck- und Exportdatei auf Datenträger gesichert worden seien, doch seien sehr wohl sämtliche Tageslosungen erfasst worden. Am Tagesende sei ein Abschlag gemacht worden, aus dem der Gesamttagesumsatz ersichtlich geworden sei. Diese Tagessummen hätten auf Richtigkeit und Vollständigkeit überprüft werden können, da der Bf. auch alle seinerzeit gedruckten Rechnungen in Zweitschrift ausgedruckt habe und diese jeweils die Tagessummen ergeben hätten. Diese seien durch das Prüfungsorgan auch kontrolliert worden und habe keine Abweichung der aufsummierten Einzelrechnungen pro Tag zu den Tageslosungssummen festgestellt werden können. Es sei unbestritten, dass der Bf. zwar keine dauerhaften Wiedergaben erstellt habe und somit keine Druckdateien und Exportfiles habe zur Verfügung stellen können, doch habe die Vollständigkeit der bonierten Rechnungen auf Grund der Gegenverprobung (Summe Einzelrechnungen je Tag = Tageslosung) sehr wohl nachgewiesen werden können.
Bei der in der Einleitung bemängelten Vernichtung von Grundaufzeichnungen gehe es um so genannte "Schmieraufzeichnungen", die als Grundlage für die Weiterverrechnung der Konsumation an die Gäste gedient hätten. Der Bf. habe diese "Schmieraufzeichnungen" nicht aufbewahrt, weil er der Meinung gewesen sei, dass diese nicht mehr aufbewahrungspflichtig seien, nachdem sie in die Kassa boniert worden seien. Dies auch deshalb, da, hätten diese nicht ihre Richtigkeit gehabt, es zu Beschwerden der Gäste wegen unrichtiger Rechnungsausstellung gekommen wäre.
Bei der in der Einleitung ebenfalls bemängelten Nichterfassung von Lohnzahlungen sei es darum gegangen, dass Personen wie "Franzi" oder "Sabine" (aufgezeichnet auf der ersten Seite im Reservierungsbuch mit Telefonnummern) ausgeholfen haben sollen und für diese weder Lohnzettel noch ein Ausgabenbeleg in der Belegsammlung vorgefunden worden seien. Dem Prüforgan sei sowohl von dem noch im Lokal Beschäftigten als auch vom Unternehmer bei der Befragung sofort mitgeteilt worden, wer dies gewesen sei. Die mit Vornamen genannten Personen seien zB der Schwager, der, da durch Krankenstände ein kurzfristiger Engpass im Personalbereich entstanden sei, dem Bf. für sehr kurze Zeit unentgeltlich behilflich gewesen sei. Der Bf. habe dem Prüforgan mitgeteilt, dass andere Vornamen, die angeblich nicht in der Ausgabenbelegsammlung vorgefunden worden seien, auch nicht in die Belegsammlung aufzunehmen gewesen seien. Dies deshalb, da zB einer der Namen einem Versicherungsvertreter zuzuweisen gewesen sei und dieser dem Bf. nie und nimmer in welcher Weise auch immer im Gastronomiebereich behilflich gewesen, sondern lediglich an der Bar gestanden sei. Weitere Namen hätten die zwei Töchter, den Bruder und die Ehefrau des Bf. betroffen.
Obige Darstellungen legten hoffentlich dar, dass der Bf. niemals vorsätzliche Abgabenverkürzungen begangen habe. Dies zeige auch die Tatsache, dass im Rahmen der durchgeführten Betriebsprüfung keine Kalkulationsdifferenzen hätten festgestellt werden können. Lediglich auf Grund der nicht eingehaltenen Formvorschriften (Exportfiles hätten nicht ausgelagert werden können) sei ein Sicherheitszuschlag verhängt worden.
In der Folge könne auch hinsichtlich der nachverrechneten Lohnabgaben 2005 bis 2007 kein Finanzvergehen gemäß § 49 Abs. 1 lit. a FinStrG unterstellt werden. Der Prüfer habe bezüglich des monatlichen Trinkgeldes lediglich eine andere Rechtsauffassung vertreten. Der Dienstnehmer, für den das Trinkgeld nachversteuert worden sei, sei der Chefkoch gewesen. In den familiär geführten Betrieb des Bf., der im gehobenen Gastronomiebereich tätig sei, kämen die Gäste wohl hauptsächlich wegen des Chefkochs. Bis dato sei das dem Chefkoch zugewiesene Trinkgeld daher als steuerbegünstigtes Trinkgeldpauschale ausbezahlt worden. Der Prüfer habe dagegen festgestellt, dass dieses steuerbegünstigte Trinkgeldpauschale dem Küchenpersonal grundsätzlich nicht zustehe. Dies sei zwar wahrscheinlich derzeit gesetzmäßig abgedeckt, doch aus Gleichheitsgrundsatzüberlegungen nicht nachvollziehbar. Ein Großteil des Umsatzes werde sicher durch den guten Namen des Chefkochs erwirtschaftet, und warum diesem kein Trinkgeldpauschale zustehe, sei nicht verständlich.
Die Ausführungen zeigten, dass weder vorsätzliches noch fahrlässiges Handeln unterstellt werden könne, sodass der Bescheid über die Einleitung des Strafverfahrens aufzuheben sei.
Zu seinen persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnissen gab der Bf. an, dass der vorläufige Verlust bis August 2009 (vor AfA) rund 9.000,00 € betrage. Die Betriebsschulden würden rund 100.700,00 € betragen. An Privatvermögen besitze er gemeinsam mit seiner Ehegattin die Liegenschaft D. Diesbezüglich hafteten Schulden in Höhe von 280.000,00 € aus. Sorgepflichten oder Vorstrafen habe er keine.
Zur Entscheidung wurde erwogen:
1) Gemäß § 82 Abs. 1 FinStrG hat die Finanzstrafbehörde erster Instanz die ihr zukommenden Verständigungen und Mitteilungen daraufhin zu prüfen, ob genügende Verdachtsgründe für die Einleitung eines Finanzstrafverfahrens gegeben sind. Das Gleiche gilt, wenn sie in anderer Weise, insbesondere aus eigener Wahrnehmung, vom Verdacht eines Finanzvergehens Kenntnis erlangt.
Ergibt die Prüfung gemäß Abs. 1, dass die Durchführung des Strafverfahrens nicht in die Zuständigkeit des Gerichtes fällt, so hat die Finanzstrafbehörde erster Instanz das Strafverfahren einzuleiten (Abs. 3 leg.cit.).
Für die Einleitung eines Finanzstrafverfahrens genügt es somit, wenn gegen den Bf. genügend Verdachtsgründe vorliegen, die die Annahme rechtfertigen, dass er als Täter eines Finanzvergehens in Frage kommt. Verdacht ist die Kenntnis von Tatsachen, aus denen nach der Lebenserfahrung auf ein Finanzvergehen geschlossen werden kann. Der Verdacht muss sich dabei sowohl auf den objektiven als auch den subjektiven Tatbestand erstrecken.
Ob im konkreten Einzelfall die Verdachtsgründe für die Einleitung eines Finanzstrafverfahrens ausreichen, ist aus der Summe der vorhandenen tatsächlichen Anhaltspunkte zu beurteilen.
Zu den Zuschätzungen, die im Rahmen einer die Jahre 2005 bis 2007 umfassenden Außenprüfung vorgenommen wurden, führte der Prüfer in der Niederschrift vom , Beilage A 1 bis A 3, im Wesentlichen aus, dass die Journale 2005 bis 2007 in einer Druck- oder Exportdatei auf Datenträgern nicht hätten zur Verfügung gestellt werden können. Im Jahr 2005 sei durch das Unternehmen des Bf. ein "Smart Touch Screen Terminal" angeschafft worden. Das Kassensystem sei laut Auskunft des zuständigen Ansprechpartners für das Kassensystem des Bf. auf Kundenwunsch nicht so programmiert worden, dass Daten hätten gespeichert werden können. Laut den dort näher angeführten Erlässen müsse es möglich sein, Druck- oder Exportdateien zur Verfügung zu stellen. Im Gesamtbild, bei Vorhandensein anderer Mängel, könne sich insgesamt ein Anlass zur Schätzung ergeben, da die Annahme nahe liege, dass einer, der Unterlagen nicht vorlege, damit etwas zu verschleiern habe (Punkt 1).
Weiters seien laut niederschriftlichen Aussagen bei einer Essensbestellung die Speisen auf einem Bierblock aufgenommen und dann dieser Zettel - mit der Tischnummer vermerkt - in die Küche gebracht worden. Diese "Schmieraufzeichnungen" hätten als Grundlage zur Weiterverrechnung der Essen an die Gäste gedient. Diese Zettel seien entweder in das Kassensystem oder auf handschriftliche Rechnungen (Vordrucke) übertragen worden. Diese "Schmieraufzeichnungen" seien jedoch zur Überprüfung nicht mehr zur Verfügung gestanden. Vernichtete Grundaufzeichnungen seien immer und in jedem Fall geeignet, die sachliche Richtigkeit der Bücher oder Aufzeichnungen in Zweifel zu ziehen und berechtigten bzw. verpflichteten die Behörde zur Schätzung (Punkt 2).
Vollständigkeitshalber sei zu erwähnen, dass in der Belegsammlung keine handschriftlichen Rechnungen, geschrieben auf Vordrucken mit dem Aufdruck "I", gefunden worden seien. Der Verdacht, dass es sich bei den handgeschriebenen Rechnungen um nicht erklärte Umsätze handle, liege daher nahe. Dieser Verdacht werde durch eine niederschriftliche Aussage noch weiter verstärkt (Punkt 3).
Bei der Sichtung der Belege seien keine Belege über Wareneinkäufe bei "L" und nur wenige Belege über Wareneinkäufe bei "M" und "N" gefunden worden. Die Wareneinkäufe bei "M" und "N" beträfen weniger Küchenware, sondern vielmehr Blumensträuße, Zigaretten uvm. Laut niederschriftlicher Aussage des Kochs werde in Notfällen (bei fehlenden Küchenutensilien) auch bei "N", "M" oder "L" eingekauft. Die niederschriftliche Aussage des Kochs und dass Belege der oa. Geschäfte in der Belegsammlung nicht aufschienen, decke sich mit einer vorliegenden Anzeige, in der behauptet werde, dass Lebensmittel teilweise bei "O", "L" und "N" eingekauft würden und der Erlös nicht im Belegwesen berücksichtigt werde (Punkt 4).
Laut niederschriftlicher Aussage hätten diverse Personen wie beispielsweise "S" oder "T" ausgeholfen. Weder ein Lohnzettel noch ein Ausgabenbeleg seien in der Belegsammlung vorgefunden worden (Punkt 5).
Zum Trinkgeld wurde ausgeführt, dass der ausschließlich als Koch Beschäftigte monatlich rund 800,00 € Trinkgeld vom Bf. erhalten habe. Aufzeichnungen über das Trinkgeld gebe es nicht. Der Koch habe niederschriftlich angegeben, dass die Kunden in manchen Monaten mehr Trinkgeld gegeben hätten, als zur Aufteilung gekommen sei. Der Überhang habe einen Ausgleich zu den Monaten gebildet, in denen weniger Trinkgeld kassiert worden sei.
Hinsichtlich der Trinkgeldzahlungen an den Koch sei festzuhalten, dass diese nicht steuerfrei bzw. steuerbegünstigt berücksichtigt werden könnten. Grundsätzlich seien Trinkgeldpauschalen im Gastgewerbe nur für das Servicepersonal (Kellner, etc.) und für das Personal, das in der Beherbergung tätig sei (Portier, Zimmerdienst, etc.). Das Küchenpersonal komme nicht in den Genuss eines steuerbegünstigten Trinkgeldpauschales. Die monatlichen Trinkgeldzahlungen seien beim Bf. als Einzelunternehmer als Umsatzerhöhung zu berücksichtigen (Punkt 6).
Auf Grund der dargestellten Feststellungen (Punkt 1 bis 5) rechnete der Prüfer von den erklärten Nettoumsätzen (10 % und 20 %) je 10 % als Nettosicherheitszuschlag zu. Das Trinkgeld (Punkt 6) wurde im Verhältnis der 10%igen und 20%igen Umsätze am Gesamtumsatz ebenfalls den erklärten Umsätzen zugerechnet (vgl. die Beilage B 1 der Niederschrift).
Nach § 184 Abs. 1 BAO hat die Abgabenbehörde die Grundlagen für die Abgabenerhebung zu schätzen, soweit sie diese nicht ermitteln oder berechnen kann.
Eine Schätzungsberechtigung als Folge formeller Mängel der Bücher bzw. Aufzeichnungen besteht nur dann, wenn die Mängel geeignet sind, die sachliche Richtigkeit der Bücher oder Aufzeichnungen in Zweifel zu ziehen.
Die Anwendung eines Sicherheitszuschlages gehört zu den Elementen einer Schätzung. Diese Schätzungsmethode geht davon aus, dass bei mangelhaften Aufzeichnungen wahrscheinlich ist, dass nicht nur nachgewiesenermaßen nicht verbuchte Vorgänge, sondern auch weitere Vorgänge nicht aufgezeichnet wurden.
Grundaufzeichnungen sind Aufzeichnungen, die Grundlage für die Verbuchung der Geschäftsvorfälle sind und bei denen es einen unmittelbaren Zusammenhang zwischen dem Geschäftsfall und seiner Erfassung gibt.
Abgesehen davon, dass die Nichtvorlage von Grundaufzeichnungen in der Regel triftige Gründe hat und zu berechtigten Zweifeln Anlass gibt, ist die sachliche Richtigkeit der Bücher in Zweifel zu ziehen, wenn Grundaufzeichnungen, die wesentliche Aufschlüsse über die Vollständigkeit und Richtigkeit der erklärten Einnahmen zu liefern geeignet sind, nachträglich vernichtet werden. Diesfalls ist die Behörde zur Schätzung der Besteuerungsgrundlagen berechtigt und verpflichtet (vgl. ).
Hingegen ergäbe sich alleine dadurch, dass zwar ohne Hilfsmittel lesbare, dauerhafte Wiedergaben (Ausdrucke) beigebracht, entsprechende Datenträger (§ 131 Abs. 3 BAO) aber trotz Aufforderung des Prüfers nicht zur Verfügung gestellt werden, keine Schätzungsberechtigung. Diese setzt nämlich voraus, dass die Abgabenbemessungsgrundlagen nicht ermittelt oder berechnet werden können, was im Hinblick auf die Vorlage der Ausdrucke (statt Datenträger) nicht der Fall ist (vgl. Ritz, BAO³, § 131 Tz 26).
Laut Feststellungen des Prüfers (Punkt 2 der Beilage A 1) wurden die Essensbestellungen auf einem Bierblock aufgenommen, dieser Zettel mit der Tischnummer versehen und in die Küche gebracht. Diese "Schmieraufzeichnungen" dienten als Grundlage zur Weiterverrechnung der Essen an den Gast und wurden entweder in das Kassensystem oder auf handschriftliche Rechnungen übertragen.
Diese so genannten "Schmieraufzeichnungen" waren somit die Grundlage für sämtliche weiteren Vorgänge und Aufzeichnungen und daher als Grundaufzeichnungen aufzubewahren.
Die Abgabenbehörde leitete aus den genannten Feststellungen eine Schätzungsberechtigung nach § 184 Abs. 3 BAO ab und verhängte die oa. Sicherheitszuschläge.
Die Abgabenbescheide blieben unangefochten und sind in Rechtskraft erwachsen.
Den Einwendungen des Bf., er sei der Meinung gewesen, diese "Schmieraufzeichnungen" seien nicht mehr aufbewahrungspflichtig, nachdem diese in die Kassa boniert worden seien, ist zu entgegnen, dass diese Zettel den Prüfungsfeststellungen zufolge entweder in das Kassensystem oder auf handschriftliche Rechnungen übertragen wurden; derartige handschriftliche Rechnungen in der Belegsammlung aber nicht enthalten waren.
Nach ständiger Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes stellen, da Verstöße gegen die Abgabenvorschriften nicht deshalb ungeahndet bleiben sollen, weil der Abgabepflichtige Aufzeichnungen nicht bzw. nicht ordnungsgemäß führt oder ursprünglich vorhandene Aufzeichnungen vernichtet und daher die Ermittlung der Besteuerungsgrundlagen mittels Schätzung zu erfolgen hat, Schätzungen nicht nur im Abgabenverfahren, sondern auch im Rahmen eines Finanzstrafverfahrens eine tragfähige Entscheidungsgrundlage dar (vgl. ). Allerdings trifft, anders als im Abgabenverfahren, in welchem der Abgabepflichtige, dessen Aufzeichnungen mangelhaft sind, das Risiko unvermeidbarer Schätzungsungenauigkeiten zu tragen hat, die Finanzstrafbehörde nach § 98 Abs. 3 FinStrG die Beweislast für die Richtigkeit der Schätzung in dem Sinn, dass der geschätzte Betrag mit der Wirklichkeit solcherart übereinstimmt, dass die Verantwortung des Beschuldigten - auch hinsichtlich der Verkürzungshöhe - so unwahrscheinlich ist, dass ihre Richtigkeit nach menschlichem Ermessen ausgeschlossen werden kann (vgl. ).
Nach § 98 Abs. 3 FinStrG hat die Finanzstrafbehörde unter sorgfältiger Berücksichtigung der Ergebnisse des Verfahrens nach freier Überzeugung zu beurteilen, ob eine Tatsache erwiesen ist oder nicht; bleiben Zweifel bestehen, so darf die Tatsache nicht zum Nachteil des Beschuldigten als erwiesen angenommen werden.
Die Tatsache, dass Geschäftsvorgänge nicht in die Buchhaltung aufgenommen wurden oder Mängel der Aufzeichnungen festzustellen waren, reicht für sich alleine aber noch nicht, Verkürzungsvorsatz anzunehmen, weil es vielmehr der Feststellung bedarf, welche finanzstrafrechtlich zu verantwortenden Vorgänge zum Verdacht geführt haben, Abgaben seien verkürzt worden (vgl. ).
Aus dem vorliegenden Arbeitsbogen zu ABNr. 2 ergeben sich - worauf die Beschwerde zu Recht hinweist - keine Hinweise auf festgestellte Kalkulationsdifferenzen. Vielmehr wurden auf Grund der angeführten Mängel die jeweiligen Umsätze pauschal um 10 % erhöht, ohne diese Zuschätzungen auch nur ansatzweise darzustellen oder deren Höhe zu erläutern.
Die niederschriftliche Aussage des Kochs, worauf in Punkt 4 der Beilage A 2 verwiesen wurde, befindet sich weder in dem vom Unabhängigen Finanzsenat angeforderten Arbeitsbogen noch im Finanzstrafakt. Auch die weiteren niederschriftlichen Aussagen (vgl. Punkt 2 der Beilage A 1 sowie Punkt 3 und 5 der Beilage A 2) waren in den genannten Unterlagen nicht auffindbar.
Welche Konsequenzen - die Verhängung eines pauschalen, hinsichtlich der Höhe unbegründet gebliebenen Sicherheitszuschlages ausgenommen - daher der Umstand hatte, dass keine Belege über Wareneinkäufe bei "L" und nur wenige Belege über Wareneinkäufe bei "M" und "N" und keine handschriftlichen Rechnungen gefunden wurden und welche Erklärung bzw. Rechtfertigung der Bf. dazu abgab, war aus den vorliegenden Akten ebenfalls nicht erkennbar.
Gegenständlich fehlen Rückschlüsse auf einzelne und konkrete, zu Abgabenverkürzungen führende Vorgänge, und finden die Sicherheitszuschläge keine Grundlage in festgestellten Kalkulationsdifferenzen oder sonstigen konkreten Sachverhaltsfeststellungen.
Alleine der Umstand, dass im Widerspruch zu einer - dem Unabhängigen Finanzsenat nicht vorliegenden - Niederschrift, wonach "in Notfällen" bei den genannten Handelsketten eingekauft worden sei, bzw. einer Anzeige, die den Einkauf bei diesen Handelsketten ebenfalls thematisierte, keine Belege über Wareneinkäufe bei "L" und nur wenige Belege über Wareneinkäufe bei "M" und "N" gefunden wurden, erlaubt noch nicht, von Vorsatz auszugehen, weil es vielmehr der Feststellung bedarf, welche finanzstrafrechtlich zu verantwortenden Vorgänge zum Verdacht der festgestellten Abgabenverkürzungen geführt haben. Diesbezügliche Anhaltspunkte - wie etwa das Ausmaß der Unregelmäßigkeiten oder dass die Aufzeichnungsmängel vom Willen des Bf. getragen waren, Abgaben zu verkürzen - können weder dem Prüfbericht noch dem Einleitungsbescheid entnommen werden.
Weshalb der Prüfer - und ihm folgend die Finanzstrafbehörde erster Instanz - auf Grund nur weniger gefundener Belege im Zusammenhang mit Einkäufen bei den genannten Handelsketten einen Verdacht auf Begehung vorsätzlicher Abgabenverkürzungen ableitete, obwohl der Koch geschildert hatte, bei diesen Handelsketten (nur) in Notfällen eingekauft zu haben (Punkt 4, Beilage A 2), wurde ebenfalls nicht näher erläutert.
Ebenso wenig ausreichend ist die allgemeine Feststellung, dass die - nachträglich vernichteten - Essensbestellungen zum Teil auf handschriftliche Rechnungen übertragen wurden, in der Belegsammlung des Bf. aber keine derartigen Belege vorhanden waren. Dieser Umstand vermag zwar zur Annahme berechtigen, der Bf. habe Einnahmen verkürzt, doch wurden auch in diesem Zusammenhang keine weiteren, detaillierteren Feststellungen getroffen. Explizite Ausführungen, wonach der Bf. vorsätzlich Einnahmen bzw. Erlöse nicht erklärt hätte, sind dem Betriebsprüfungsbericht nicht zu entnehmen. Insbesondere findet sich keinerlei Hinweis zum Umfang dieser handschriftlichen Rechnungen bzw. in welchem ungefähren prozentuellen Ausmaß die "Schmieraufzeichnungen" ins Kassensystem und in welchem Ausmaß auf handschriftliche Rechnungen übertragen wurden.
Eine Nachkalkulation der Umsätze bzw. Erlöse nahm der Prüfer - soweit aus dem Arbeitsbogen ersichtlich - nicht vor.
Wegen wenn auch nahe liegender, aber im Einzelnen nicht konkret nachweisbarer Erlösverkürzungen zugerechnete pauschale Sicherheitszuschläge sind in aller Regel nicht das Ergebnis eines den finanzstrafrechtlichen Vorschriften genügenden Beweisverfahrens, bei dem von der Unschuldsvermutung auszugehen ist; sie sind vielmehr von den Unsicherheitsmerkmalen einer notwendigerweise groben Schätzung gekennzeichnet und daher nicht geeignet, in ihrem Ausmaß eine Abgabenverkürzung als erwiesen anzunehmen (vgl. Fellner, FinStrG, § 33 Rz 24).
Die vorliegenden, pauschal zugerechneten Sicherheitszuschläge bilden daher keine tragfähige Basis für einen Vorsatzverdacht in einem von der Unschuldsvermutung auszugehenden Finanzstrafverfahren.
Auch die als strafrechtlich relevant erachteten Zurechnungen, die sich aus der Besteuerung des an den Koch bezahlten Trinkgeldes ergeben, reichen nach Ansicht des Unabhängigen Finanzsenates zur Rechtfertigung des im angefochtenen Bescheid formulierten Tatverdachtes nicht aus.
Vorsätzlich handelt, wer einen Sachverhalt verwirklicht, der einem gesetzlichen Tatbild entspricht; dazu genügt es, dass der Täter diese Verwirklichung, d.h. im Falle des § 33 Abs. 1 FinStrG sowohl die abgabenrechtliche Verletzung als auch (dem Grunde nach) die eingetretene Abgabenverkürzung, ernstlich für möglich hält und sich damit abfindet (§ 8 Abs. 1 FinStrG). Vorsatz bedeutet eine zielgerichtete subjektive Einstellung des Täters. Ausreichend ist, wenn der Täter die Verwirklichung des unrechtmäßigen Sachverhaltes zwar nicht anstrebt, ja nicht einmal mit Bestimmtheit mit dem verpönten Erfolgseintritt rechnet, dies jedoch als nahe liegend ansieht und den Erfolg hinzunehmen gewillt ist.
Das Beschwerdevorbringen ist darauf gerichtet, dass der Bf. nicht vorsätzlich gehandelt habe. Im Einleitungsbescheid wurde dem Bf. zwar vorsätzliches Handeln vorgeworfen, der Vorsatzverdacht aber nicht begründet.
Auf Grund welcher Überlegungen der Verdacht erhoben wurde, der Bf. habe seinem Koch vorsätzlich steuerfreie Trinkgelder ausbezahlt, wurde nicht dargelegt.
Die in der Beschwerde vertretene Auffassung des Bf., in den familiär geführten Betrieb, der im gehobenen Gastronomiebereich tätig sei, kämen die Gäste hauptsächlich wegen des guten Namens seines Chefkochs, sodass unverständlich sei, warum diesem kein (steuerfreies) Trinkgeldpauschale zustehe, ist insbesondere im Hinblick auf die Rz 92 f der Lohnsteuerrichtlinien, wonach Trinkgeld von dritter Seite auch vorliegt, wenn Trinkgeld von anderen Arbeitnehmern (zB Zahlkellnern) oder vom Arbeitgeber selbst entgegen genommen und an die Arbeitnehmer weiter gegeben wird, nicht von vornherein völlig von der Hand zu weisen, sodass eine ausreichende Begründung des Vorsatzverdachtes umso dringlicher geboten gewesen wäre.
Auch dem Gesetzestext des § 3 Abs. 1 Z 16a EStG, wonach ortsübliche Trinkgelder steuerfrei sind, die anlässlich einer Arbeitsleistung dem Arbeitnehmer von dritter Seite freiwillig und ohne dass ein Rechtsanspruch auf sie besteht, zusätzlich zu dem Betrag gegeben werden, der für diese Arbeitsleistung zu zahlen ist, ist ein Ausschluss der Steuerfreiheit von einem Koch bezahltem Trinkgeld nicht von vornherein zu entnehmen. Es hätte daher konkreter Feststellungen bedurft, aus welchen Gründen der Verdacht bestehe, der Bf. habe im Zusammenhang mit dem steuerfrei belassenen Trinkgeld an den Chefkoch vorsätzlich gehandelt.
Auch wenn im Stadium der Einleitung des Finanzstrafverfahrens das Vorliegen von Verdachtsgründen (sowohl zur objektiven als auch zur subjektiven Tatseite) genügt, wurde im vorliegenden Fall der Verdacht des objektiven Tatbestandes auf Grund der lediglich pauschalen Zurechnung eines in seiner Höhe nicht nachvollziehbaren Sicherheitszuschlages nicht ausreichend begründet.
In subjektiver Hinsicht enthält der Einleitungsbescheid keine Begründung.
Nach Ansicht des Unabhängigen Finanzsenates bestehen auf Grund der Aktenlage keine hinreichenden Verdachtsmomente, dass der Bf. eine vorsätzliche Verkürzung von Umsatz- und Einkommensteuer 2005 bis 2007 begangen und damit das Finanzvergehen nach § 33 Abs. 1 FinStrG verwirklicht hat.
Der angefochtene Bescheid war daher aufzuheben.
2) Die Beschwerde des Bf. wurde zwar dem Wortlaut nach als "Beschwerde gegen den Bescheid über die Einleitung des Strafverfahrens gemäß § 83 Abs. 2 FinStrG" bezeichnet, doch ist dem Beschwerdeinhalt zu entnehmen, dass der Bf. sich auch gegen die Verständigung von der Einleitung, die nachverrechnete Lohnabgaben 2005 bis 2007 zum Gegenstand hatte, wandte, weil diese seiner Ansicht nach kein Finanzvergehen nach § 49 Abs. 1 lit. a FinStrG darstellten.
Nach § 83 FinStrG (idF vor BGBl. I 104/2010) ist die Einleitung des Strafverfahrens aktenkundig zu machen (Abs. 1). Von der Einleitung des Strafverfahrens ist der Verdächtige unter Bekanntgabe der zur Last gelegten Tat sowie der in Betracht kommenden Strafbestimmung unverzüglich zu verständigen. Die Verständigung bedarf eines Bescheides, wenn das Strafverfahren wegen Verdachts eines vorsätzlichen Finanzvergehens, ausgenommen einer Finanzordnungswidrigkeit, eingeleitet wird (Abs. 2).
Einer derartigen Verständigung der Finanzstrafbehörde von der Einleitung eines Finanzstrafverfahrens wegen einer Finanzordnungswidrigkeit kommt somit keine normative Wirkung zu, sodass diese auch nicht mit Rechtschutzeinrichtungen, wie sie in Rechtsmitteln vorgesehen sind, bekämpft werden kann.
Wird daher, wie im vorliegenden Fall, ein Finanzstrafverfahren sowohl wegen vorsätzlicher Abgabenhinterziehung (§ 33 Abs. 1 FinStrG) als auch wegen einer Finanzordnungswidrigkeit (§ 49 Abs. 1 lit. a FinStrG) eingeleitet, so ist nur die Abgabenhinterziehung Gegenstand einer bescheidmäßigen Einleitung. Hinsichtlich der Finanzordnungswidrigkeit liegt nur eine Verständigung von der Einleitung vor, sodass die Beschwerde mangels bekämpfbaren Bescheides insoweit zurückzuweisen war.
Linz, am
Zusatzinformationen
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Materie | Finanzstrafrecht Verfahrensrecht |
betroffene Normen | § 82 Abs. 1 FinStrG, Finanzstrafgesetz, BGBl. Nr. 129/1958 |
Verweise |
Datenquelle: Findok — https://findok.bmf.gv.at
Fundstelle(n):
WAAAD-11108