Berufungsentscheidung - Steuer (Referent), UFSI vom 21.11.2006, RV/0420-I/06

Kosten für den praktischen Teil der Ausbildung zum Psychotherapeuten als Betriebsausgaben in einem Jahr, in dem noch keine Einnahmen erzielt wurden

Rechtssätze


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Stammrechtssätze
RV/0420-I/06-RS1
Aufwendungen vor Beginn einer betrieblichen (werbenden) Tätigkeit können Betriebsausgaben sein, wenn die Eröffnung eines Gewinnbetriebes tatsächlich beabsichtigt ist und ein ausreichender Zusammenhang mit den künftigen Betriebseinnahmen besteht.

Entscheidungstext

Berufungsentscheidung

Der unabhängige Finanzsenat hat über die Berufung der Bw, vom gegen den Bescheid des Finanzamtes vom betreffend Einkommensteuer 2003 entschieden:

Der Berufung wird Folge gegeben. Der angefochtene Bescheid wird abgeändert. Die Abgabenfestsetzung erfolgt gemäß § 200 Abs. 1 BAO vorläufig.

Die Bemessungsgrundlagen und die Höhe der Abgabe sind dem als Beilage angeschlossenen Berechnungsblatt zu entnehmen und bilden einen Bestandteil dieses Bescheidspruches.

Entscheidungsgründe

Die Abgabepflichtige erzielte im Berufungsjahr Lohneinkünfte als Lehrerin an der Höheren Bildungslehranstalt (HBLA) in K. Sie unterrichtet Biologie, Chemie und Labor. In der Erklärung zur Arbeitnehmerveranlagung für 2003 beantragte sie u.a. nachstehende Ausgaben für die Ausbildung zur Psychotherapeutin als Werbungskosten zu berücksichtigen:


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Kosten für die Ausbildung zur Psychotherapeutin
7.518,08 €
Mitgliedsbeitrag BÖP (Berufsverband österreichischer Psychologen)
232,50 €
Mitgliedsbeitrag GLE (Gesellschaft für Logotherapie und Existenzanalyse)
60,00 €
Fachliteratur:
Skriptum GLE
30,50 €
Lust am Leben
25,50 €
Handbuch der klinischen psychologischen Behandlung
49,00 €
Supervision
20,50 €
Neid und Eifersucht
8,80 €
Summe
7.944,88 €

Die Position "Ausbildung zur Psychotherapeutin" setzt sich wie folgt zusammen:


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Kongress Hamburg und Waidhofen
583,00
BÖP Curriculum
2.736,08
GLE Seminare
2.850,00
Kurs Selbsterfahrung
940,00
Supervision
409,00
Summe
7.518,08

Mit dem am ausgefertigten Einkommensteuerbescheid für 2003 wurde dem Antrag nicht entsprochen. Da die geltend gemachten Aufwendungen für eine psychotherapeutische Ausbildung nicht in Verbindung mit den unterrichteten Fächern Biologie, Chemie und Labor stünden, komme ein Abzug als Werbungskosten nicht in Betracht.

Die Abgabepflichtige erhob am Berufung. Sie habe bereits 2001 das Diplomstudium "Psychologie" an der Universität Innsbruck abgeschlossen und den Titel "Magistra der Naturwissenschaften" erworben. Inzwischen sei sie ausgebildete Klinische Psychologin und Gesundheitspsychologin. Diese Tätigkeit sei der Logotherapie sicher so nahe verwandt wie die Tätigkeit einer Pastoralassistentin zu einer Therapeutin in systematischer Familientherapie (Hinweis auf RZ 358 LStR 2002). Derzeit sei sie Psychotherapeutin in Ausbildung unter Supervision für Existenzanalyse und Logotherapie. Seit dem Jahr 2005 erziele sie durch diese Tätigkeit Einkünfte vom Psychiatrischen Krankenhaus in Hall sowie Honorare von Patienten. Sie beantrage daher, die angeführten Kosten antragsgemäß zu berücksichtigen. Sie finde sich ungerecht behandelt, wenn bei jedem Gewerbetreibenden Vorlaufkosten zur Eröffnung seines Betriebes anerkannt, bei einer angehenden Psychotherapeutin dies jedoch abgelehnt werde.

In der abweisenden Berufungsvorentscheidung vom führte das Finanzamt aus, die Abzugsfähigkeit von Ausbildungskosten sei dann gegeben, wenn ein Zusammenhang mit einer konkret ausgeübten oder einer damit verwandten Tätigkeit bestehe. Maßgebend sei die konkrete Einkunftsquelle. Es bestehe kein Zusammenhang zwischen den geltend gemachten Aufwendungen und der im Jahr 2003 ausgeübten Tätigkeit.

Über die Berufung wurde erwogen:

Nach § 16 Abs. 1 Z 10 EStG 1988 in der für das Berufungsjahr gültigen Fassung BGBl I 2002/155 sind auch Aufwendungen für Aus- und Fortbildungsmaßnahmen im Zusammenhang mit der vom Steuerpflichtigen ausgeübten oder einer damit verwandten beruflichen Tätigkeit und Aufwendungen für umfassende Umschulungsmaßnahmen, die eine Tätigkeit in einem neuen Berufsfeld ermöglichen, Werbungskosten. Keine Werbungskosten stellen (von Studienbeiträgen abgesehen) Aufwendungen dar, die im Zusammenhang mit dem Besuch einer allgemein bildenden (höheren) Schule oder im Zusammenhang mit einem ordentlichen Universitätsstudium stehen.

Während Ausbildungskosten als "Aufwendungen zur Erlangung von Kenntnissen, die eine Berufsausübung ermöglichen" bzw. als "Aufwendungen zur Erlernung eines Berufes" definiert werden, dienen Fortbildungskosten "der Verbesserung der Kenntnisse und Fähigkeiten im bisher ausgeübten Beruf" bzw. dazu, "im bereits ausgeübten Beruf auf dem laufenden zu bleiben und den jeweiligen Anforderungen gerecht zu werden" (z.B. , ÖStZB 1994, 406 und , ÖStZB 1996, 369).

Die Berufungswerberin hat auf dem Gebiet der Psychotherapie folgenden Werdegang vorzuweisen:

  • Ablegung der 1. Diplomprüfung im Jahr 1994

  • Ablegung der 2. Diplomprüfung und Abschluss des Studiums der Psychologie an der Universität Innsbruck im Jahr 2001; Erwerb des Titels "Magistra der Naturwissenschaften"

  • Eintragung in die Liste der klinischen Psychologen und Eintragung in die Liste der Gesundheitspsychologen am

  • Erwerb der Berechtigung zur eigenständigen psychotherapeutischen Tätigkeit unter Supervision von GLE Österreich (Gesellschaft für Logotherapie und Existenzanalyse) am

Die geltend gemachten Aufwendungen sind nach Abschluss des Universitätsstudiums im Rahmen des praktischen Teiles der Ausbildung zum Psychotherapeuten angefallen. Dieser hat u.a. zu umfassen:

  • die begleitende Teilnahme an einer Praktikumssupervision in der Dauer von zumindest 20 Stunden im Rahmen des psychotherapeutischen Propädeutikums (§ 3 Abs. 2 Z 3 PsychotherapieG, BGBl. 361/1990 idgF) und

  • im Rahmen des psychotherapeutischen Fachspezifikums - die begleitende Teilnahme an einer Praktikumssupervision in der Dauer von zumindest 30 Stunden (§ 6 Abs. 2 Z 3 PsychotherapieG) sowie die psychotherapeutische Tätigkeit mit verhaltensgestörten oder leidenden Personen in der Dauer von mindestens 600 Stunden, die unter begleitender Supervision in der Dauer von zumindest 120 Stunden zu erfolgen hat (§ 6 Abs. 2 Z 4 PsychotherapieG).

Es mag zutreffen, dass die erworbenen Kenntnisse auch im Rahmen der Lehrtätigkeit vorteilhaft und verwertbar sein mögen. Eine Verwertbarkeit von Kenntnissen der Psychologie besteht aber bei nahezu jeder Berufstätigkeit, bei der es zum Kontakt mit Menschen kommt. Entscheidend für die Frage, ob Fortbildung im bisherigen (Lehr)Beruf oder Ausbildung in einem neuen Beruf vorliegt, ist, dass die aufgezeigten Bildungsmaßnahmen weit über die bloße Fortentwicklung der im bisherigen Beruf erworbenen Kenntnisse hinaus gehen. Durch den Abschluss des Studiums wurde die Grundlage für die künftige Tätigkeit als Psychotherapeutin geschaffen. Es liegt daher keine Fortbildung im ausgeübten Beruf als Lehrerin für Biologie und Chemie vor, sondern eine Ausbildung zur Psychotherapeutin.

Ausbildungskosten sind dann als Werbungskosten abzugsfähig, wenn sie im Zusammenhang mit der ausgeübten oder einer damit verwandten beruflichen Tätigkeit stehen. Dies trifft nach Ansicht des Senates hinsichtlich der Lehrtätigkeit an der HBLA nicht zu, ist es doch Aufgabe einer Lehrerin, die Schüler zu unterrichten. Eine unterrichtende Tätigkeit dient der Wissensvermittlung und ist nicht mit einer therapeutischen Tätigkeit vergleichbar. Dem Finanzamt ist daher insofern zuzustimmen, als ein Abzug bei den Einkünften aus der Lehrtätigkeit an der HBLA in K nicht in Betracht kommt, sind Werbungskosten doch bei der Einkunftsart abzuziehen, bei der sie erwachsen sind (vgl. § 16 Abs. 1 EStG 1988).

Das Einkommensteuerrecht kennt auch den Begriff der "vorweggenommenen Werbungskosten". Vorweggenommene Werbungskosten liegen vor, wenn vor Erzielung von Einnahmen aus einer Tätigkeit Aufwendungen anfallen, die durch die spätere Einnahmenerzielung konkret veranlasst sind. Dazu führt der VwGH in seinem Erkenntnis vom , 97/15/0148, aus, vorweggenommene Werbungskosten können vorliegen, wenn sie sich mit der angestrebten "auf Einkunftserzielung gerichteten Tätigkeit" in einem ausreichend bestimmten Zusammenhang befinden. Es muss mit einem entsprechenden Maß an Gewissheit anzunehmen sein, dass der neue Beruf ausgeübt werden kann.

Entsprechend können Aufwendungen vor Beginn einer betrieblichen (werbenden) Tätigkeit Betriebsausgaben sein, wenn die Eröffnung eines Gewinnbetriebes tatsächlich beabsichtigt ist. Die Abzugsfähigkeit setzt voraus, dass ein ausreichender Zusammenhang mit den künftigen Betriebseinnahmen besteht (vgl. Doralt, Kommentar, § 4, Tz 235 mit Hinweisen auf die Rechtsprechung).

Neben der geschilderten Ausbildung hat die Berufungswerberin weitere Maßnahmen gesetzt, die ihre Absicht, künftig als Psychotherapeutin tätig zu sein, bereits im Berufungsjahr 2003 erkennen lassen. Sie hat die Aufnahme dieser Tätigkeit in der Schule, bei praktischen Ärzten, bei Psychotherapeuten und in zwei näher bezeichneten Krankenhäusern öffentlich bekannt gemacht (vgl. Vorhaltbeantwortung vom ). Weiters hat sie vier Internetadressen (z.B. www.psyonline.at oder www.gle.at) mitgeteilt, wo nach Eingabe bestimmter Suchkriterien (Name, Bundesland, Ort etc.) näheres über ihre Tätigkeit und ihr Angebot zu erfahren ist. Die Tätigkeit als Psychotherapeutin übt sie in einer Gemeinschaftspraxis aus. Adresse und Telefonnummer der Praxisräumlichkeiten sind im Telefonbuch (Branchenverzeichnis: Psychotherapie) eingetragen.

Es besteht somit ein ausreichend konkreter und unmittelbarer wirtschaftlicher Zusammenhang zwischen den geltend gemachten Aufwendungen und der (zwischenzeitlich bereits aufgenommenen) Tätigkeit als Therapeutin. Auch im Jahr 2003 gab es ausreichend Hinweise, dass die Berufungswerberin eine Tätigkeit als Therapeutin anstrebte und die absolvierten, eindeutig berufsspezifisch ausgerichteten Kurse auf die Ausübung der Tätigkeit abzielten. Die strittigen Aufwendungen sind daher als Betriebsausgaben abzugsfähig. Die (negativen) Einkünfte aus selbständiger Arbeit errrechnen sich daher für 2003 mit -7.945 € (Einnahmen sind im Jahr 2003 noch nicht zugeflossen). Darin sind u.a. die bisher bei den Lohneinkünften berücksichtigten Ausgaben für Fachliteratur enthalten (lt. bekämpftem Bescheid 693,08 €). Um einen Doppelabzug zu vermeiden waren daher die Einkünfte aus nicht selbständiger Arbeit durch entsprechende Kürzung der Werbungskosten zu berichtigen.

Die bisher als Psychotherapeutin erzielten Einnahmen teilte die Berufungswerberin wie folgt mit:

  • Honorarnote vom über 490 €

  • Honorarnote vom über 70 €

  • Dienstverhältnis beim Psychiatrischen Krankenhaus in Hall im Zeitraum Juni und Juli 2005. Die Entlohnung betrug 70 € monatlich. Das Dienstverhältnis wurde laut Krankenhaus Hall im Juli 2005 wieder beendet.

  • Honorarnoten vom - im Gesamtbetrag von 1.230 €.

Ergänzend gab sie an, "voraussichtlich in drei Jahren als Lehrerin in Pension" zu gehen. Ab diesem Zeitpunkt werde sie mehr Klienten betreuen und die Umsätze steigern können.

Die Frage, ob die Tätigkeit als Psychotherapeutin eine steuerlich relevante Einkunftsquelle darstellt, kann auf Grund dieser bisher vorliegenden Ergebnisse und der nur kurzen Dauer (erstmalige Einkunftserzielung im Jahr 2005) nicht abschließend beantwortet werden. Die Berufungsentscheidung wurde daher gemäß § 200 Abs. 1 BAO vorläufig erlassen.

Es war daher wie im Spruch ausgeführt zu entscheiden.

Beilage: 1 Berechnungsblatt

Innsbruck, am

Zusatzinformationen


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Materie
Steuer
Finanzstrafrecht Verfahrensrecht
betroffene Normen
Schlagworte
Ausbildung
Fortbildung
vorweggenommene Werbungskosten bzw. Betriebsausgaben

Datenquelle: Findok — https://findok.bmf.gv.at