keine Wiederaufnahme des Verfahrens bei der Übernahme offensichtlicher Unrichtigkeiten aus Abgabenerklärungen
Rechtssätze
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Stammrechtssätze | |
RV/1797-W/04-RS1 | Bestehen offensichtliche Divergenzen zwischen den Angaben im Erklärungsvordruck und den diesem Vordruck angeschlossenen Beilagen, liegt eine offensichtliche Unrichtigkeit iSd §293b BAO vor, die die Abgabenbehörde bei ordnungsgemäßer Prüfung der Abgabenerklärung hätte erkennen müssen (vgl. ).
Hat die Behörde aber im Erstverfahren die der Abgabenerklärung beigeschlossenen Beilagen nicht berücksichtigt, nicht für wesentlich erachtet oder unzutreffend ausgewertet, so bildet dieser Umstand daher nicht den Wiederaufnahmsgrund des neu hervorgekommenen Beweismittels (vgl. ).
Umso mehr können daher die Voraussetzungen für eine Bescheidberichtigung nach §293b BAO infolge der Übernahme offensichtlicher Unrichtigkeiten aus Abgabenerklärungen gegeben sein. |
Entscheidungstext
Berufungsentscheidung
Der unabhängige
Finanzsenat hat über die Berufung der Bw., geb. xx.xx.19xx, 1xxx Wien,
B-Straße 4x, vom gegen die Bescheide des
Finanzamtes für den 23. Bezirk, vom betreffend amtswegige
Wiederaufnahme des Verfahrens gemäß
§ 303 Abs. 4 BAO
betreffend Einkommensteuer 2000 bis 2002 entschieden:
Der Berufung
gegen die Bescheide betreffend amtswegige
Wiederaufnahme des Verfahrens
gemäß
§ 303 Abs. 4 BAO
betreffend Einkommensteuer
2000 bis 2002 wird Folge gegeben.
Die angefochtenen Bescheide
werden aufgehoben.
Entscheidungsgründe
Die Berufungswerberin (im
Folgenden mit Bw. bezeichnet) war seit einzelvertretungsbefugte
Alleingeschäftsführerin der bereits im Firmenbuch gelöschten
H1-GmbH (im Folgenden H-GmbH) mit Sitz in T., über deren Vermögen mit
Beschluss des Landesgerichtes T. vom x.xxxx.19xx ein Konkursantrag mangels
Vermögens abgelehnt wurde.
Anlässlich der mit anberaumten Hauptverhandlung beim Landesgericht T. wurde die Bw.
mit vorliegender gekürzter Urteilsausfertigung für schuldig befunden,
als Alleingesellschafterin der H-GmbH in der Zeit vom bis Ende
1992 deren Zahlungsunfähigkeit fahrlässig herbeigeführt zu haben.
Für das Vergehen der fahrlässigen Krida wurde die Bw. als leitende
Angestellte gemäß
§ 159 Abs. 1 StGB zu einer
Freiheitsstrafe von 1 Monat verurteilt, die gemäß
§ 43
Abs. 1 StGB bedingt auf 3 Jahre mit nachstehender Begründung
nachgesehen wurde:
Die Bw. habe in der Zeit von
bis Ende 1992 fahrlässig die Zahlungsunfähigkeit der
H-GmbH herbeigeführt, indem sie den Geschäftsbetrieb ohne
hinreichendes Eigenkapital aufgenommen und fortgeführt,
unverhältnismäßig Kredit benutzt habe und durch die Ausrichtung
auf ein einziges, technisch unzuverlässiges Produkt (Scanner) und die
daraus resultierende Abhängigkeit von einem einzigen Lieferanten gewagte
Geschäfte abgeschlossen habe, die mit den Vermögensverhältnissen
der H-GmbH in auffallendem Widerspruch gestanden seien.
In der Zeit von Anfang 1993 bis
habe sie in Kenntnis bzw. fahrlässiger Unkenntnis der
Zahlungsunfähigkeit der H-GmbH die Befriedigung der Firmengläubiger
dadurch vereitelt bzw. geschmälert, dass sie neue Schulden eingegangen sei,
andere Schulden bezahlt und die Eröffnung des Konkurses nicht rechtzeitig
beantragt habe.
Nebst dem Konkurs über das
Vermögen der H-GmbH hat die Bw. im November 1999 aufgrund der aus ihrer
betrieblichen Tätigkeit stammenden Schulden einen Privatkonkurs angemeldet,
für den ebenfalls ein Zahlungsplan zur Tilgung der Verbindlichkeiten
genehmigt wurde.
Im Zuge der Einreichung der
Einkommensteuererklärungen der Jahre 2000 bis 2002 erklärte die Bw.
unter Kennziffer 320 der Steuererklärungen - mit Verweis auf die
jeweils beigelegten Beilagen "A1 bis A5" - die nachstehend bezeichneten
Verluste als Beteiligte an der H-GmbH zu St.Nr. 1xx/xxxx:
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Jahr. | Bezeichnung: |
Betrag: | Jahresbetrag: |
2000 | H-GmbH -
Beilagen A1 - A5: | -
60.329,99 | |
-
54.982,62 | -115.312,00 | ||
2001 | H-GmbH -
Beilagen A1 - A5: | -
60.447,93 | |
-
60.447,92 | -120.896,00 | ||
2002 | H-GmbH -
Beilagen A1 - A2 in €: | -
8.785,84 € | -
8.785,84 € |
Den in den
Einkommensteuererklärungen der Jahre 2000 bis 2002 unter der Kennziffer
"320" ausgewiesenen Verluste aus selbständiger Tätigkeit liegen lt.
den Beilagen die nachstehend angeführten Beträge zu
Grunde:
Beilagen A4 und A5 zu
Einkommensteuererklärung 2000:
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Beilage
A4 und A5 - Zahlungsbestätigungen: | Jahr
2000: |
K-GmbH: |
21.093,07 |
S-GmbH: |
3.469,17 |
S-AG: | 12.291,63 |
FA
xx.Bezirk: | 1.876,97 |
E-KG -
H-GmbH: | 4.779,87 |
V-GmbH: | 3.056,88 |
Bw.: | 4.081,00 |
Bw.: | 4.190,86 |
D-Bank | 5.491,54 |
D-Bank-Online
System: | 51.925,74 |
D-Bank-Online
System: | 3.056,88 |
GESAMTBETRAG
- 2000: | 115.312,62 |
Beilagen A4
und A5 zu Einkommensteuererklärung 2001:
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Beilagen
A4, A5 - 3. und 4. RATE: | Jahr
2001: |
D-Bank: | 5.491,54 |
D-Bank: | 4.190,86 |
D-Bank: | 4.081,00 |
K-GmbH: | 21.579,20 |
E-KG: | 4.778,87 |
FA
xx.Bezirk: | 1.508,78 |
S-AG: | 12.291,63 |
S-GmbH: | 3.469,17 |
D-Bank: | 3.056,88 |
Summe 3.
Rate: | 60.447,93 |
Summe 4. Rate
(Teilbeträge wie 3. Rate): | 60.447,93 |
SUMME
lt. Beilagen A4 und A5: | 120.895,86 |
Beilage A2 zu
Einkommensteuererklärung 2002:
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Beilage
A2: | Jahr
2002: |
---|---|
D-Bank: | 399,09
€ |
D-Bank: | 304,56
€ |
D-Bank: | 296,58
€ |
D-Bank: | 222,15
€ |
E-AG: | 1.568,22
€ |
E-KG: | 347,29
€ |
FA
xx.Bezirk: | 109,65
€ |
S-AG: | 893,27
€ |
S-GmbH: | 252,11
€ |
SUMME 1. Rate
2002: | 4.392,92
€ |
SUMME 2. Rate
2002 (Beträge wie 1. Rate): | 4.392,92
€ |
SUMME
lt. Beilage A2: | 8.785,84
€ |
Den
Einkommensteuererklärungen der Jahre 2000 bis 2002 legte die Bw. jeweils
die nachstehend bezeichneten Unterlagen als Beilagen bei:
Protokollsvermerk und gekürzte Urteilsausfertigung;
Beschluss des Bezirksgerichtes M. vom betreffend Privatkonkurs von Bw.;
Beschluss des Bezirksgerichtes M. vom 15. Feber 2000 betreffend Feststellung der Schlussrechnung und Verteilung im Insolvenzverfahren;
Aufstellung der Gläubiger mit jeweiliger Höhe der Rate;
halbjährliche Zahlungsbestätigungen für jeden einzelnen Gläubiger
Im
Zuge der Veranlagung der Bw. zur Einkommensteuer für die Jahre 2000 bis
2002 wurde die Bw. erklärungsgemäß veranlagt und dabei jeweils
die unter der Kennziffer "320" ausgewiesenen negativen Einkünfte aus
"selbständiger Arbeit" in Höhe von -S 115.312,-- (2000),
-S 120.896,-- (2001) und -€ 8.785,84
berücksichtigt.
Bei der Einreichung der
Einkommensteuererklärung für das Jahr 2003 erklärte die Bw. unter
Kennziffer "320" negative Einkünfte aus selbständiger Tätigkeit
in Höhe von -€ 8.785,84, wobei in der beigelegten Beilage "E 106"
diese als 50%-Ertragsanteil der von Personengesellschaften und Gemeinschaften
erwirtschafteten Einkünfte ausgewiesen wurden.
Mit Vorhalt vom
ersuchte das Finanzamt die Bw. um Bekanntgabe, hinsichtlich welcher
Mitunternehmerschaften die Bw. in den Jahren 2000 bis 2003 beteiligt gewesen sei
und wie sich die Beteiligungsverluste zusammensetzen würden.
Mit Eingabe vom
werden von der Bw. die für das Jahr 2003 erklärten und in der
Kennziffer "320" ausgewiesenen Verluste aus selbständiger Arbeit damit
erklärt, dass diese Verluste die Tätigkeit der Bw. als
Alleingeschäftsführerin der H-GmbH betreffen würde, an deren
Stammkapital sie zu 50% beteiligt gewesen sei. Für die H-GmbH habe sie im
Juni 2003 Konkurs anmelden müssen und sei dafür wegen des Vergehens
der fahrlässigen Krida als leitende Angestellte verurteilt
worden.
Im November 1999 habe die Bw.
aufgrund der sehr hohen, ausschließlich aus ihrer betrieblichen
Tätigkeit resultierenden Schulden Privatkonkurs angemeldet, hinsichtlich
deren Tilgung ihr ein Zahlungsplan (s. Beilagen A2 und A3) genehmigt worden sei.
Die eingetragene Summe entspreche exakt den Rückzahlungen an ihre
betrieblichen Gläubiger (s. Beilagen A4 bis A6). Alle diese Beilagen habe
sie auch den Einkommensteuererklärungen der Jahre 2000 bis 2002
beigelegt.
Im Gefolge der Eingabe vom wurde hinsichtlich der Bescheide betreffend Einkommensteuer 2000 bis
2002 das Verfahren von Amts wegen gemäß
§ 303 Abs. 4 BAO
wiederaufgenommen und neue Sachbescheide erlassen. Dabei wurden für die
Jahre 2000 bis 2002 die unter der Kennziffer "320" ausgewiesenen Verluste aus
selbständiger Tätigkeit in Höhe von S 115.312,-- (2000),
S 120.896,-- (2001) und € 8.785,84 (2002) nicht
anerkannt.
Begründend wurde
ausgeführt, die amtswegige Wiederaufnahme des Verfahrens gemäß
§ 303 Abs. 4 BAO sei erforderlich gewesen, da durch das Schreiben
der Bw. vom neue Tatsachen hervorgekommen seien, die in Kenntnis
dieser Umstände zu einem im Spruch anderslautenden Bescheid geführt
hätten.
In den eingereichten
Einkommensteuererklärungen für die Jahre 2000, 2001 und 2002 seien von
der Bw. unter den Einkünften aus selbständiger Tätigkeit stets
Beteiligungsverluste an der H-GmbH, St.Nr. 1xx/xxxx angeführt worden und
die Erstbescheide auf Grund der von der Bw. bekannt gegebenen
Beteiligungsverluste ergangen.
Erst aufgrund des Schreibens
der Bw. vom sei dem Finanzamt bekannt geworden, dass es sich bei
diesen Verlusten nicht um einen Beteiligungsverlust an einer in- oder
ausländischen Gesellschaft handle, sondern dass diese Beträge die von
Ihnen an ihre Gläubiger zu leistenden Beiträge darstellen, zu denen
sie aufgrund der fahrlässigen Krida und des Konkurses als
Gesellschafts-Geschäftsführerin verurteilt worden seien. Diese
Zahlungen würden jedoch keine Einkünfte im Sinne des
Einkommensteuergesetzes, sondern Kosten der privaten Lebensführung
darstellen. Auf keinen Fall handle es sich um Verluste aus einer Beteiligung.
Aus diesem Grund haben diese Gläubigerzahlungen steuerlich nicht anerkannt
werden können.
Gegen die Bescheide betreffend
die amtswegige Wiederaufnahme des Verfahrens gemäß
§ 303
Abs. 4 BAO betreffend Einkommensteuer 2000 bis 2002 sowie die im Zuge der
amtswegigen Wiederaufnahme des Verfahrens gemäß
§ 303
Abs. 4 BAO erlassenen Einkommensteuerbescheide 2000 bis 2002 wurde mit
Eingabe vom fristgerecht berufen und eine Veranlagung mit den
erklärten Negativeinkünften aus selbständiger Arbeit beantragt.
Diese Berufung wurde wie folgt begründet:
Den Ausführungen des
Finanzamtes zufolge sei erst aus dem Schreiben der Bw. vom
hervorgegangen, dass es sich bei den strittigen Zahlungen nicht um
Beteiligungsverluste an der H-GmbH handle, sondern um geleistete Beiträge
an die Gläubiger aufgrund der fahrlässigen Krida und des Konkurses als
Gesellschafts-Geschäftsführerin. Diese Begründung des Finanzamtes
sei unrichtig, da die Bw. in den Jahren 2000 bis 2003 folgende Unterlagen der
Einkommensteuererklärung beigelegt und auf der
Einkommensteuererklärung bei jedem Betrag exakt auf die Beilagen
hingewiesen habe:
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1. | Protokollsvermerk und
gekürzte Urteilsausfertigung bezüglich ihrer Verurteilung wegen
fahrlässiger Krida als Geschäftsführerin der H-GmbH (Beilage
A1); |
2. | Beschluss des Bezirksgerichts M.
bezüglich der Konkurssache der Bw. (ihr Privatkonkurs als Beilage
A2); |
3. | Feststellung der Schlussrechnung
und Verteilung im Insolvenzverfahren bezüglich der Konkurssache "Bw.", aus
der jeder Gläubiger und die Höhe der Restschuld abzulesen sei (Beilage
A3); |
4. | Aufstellung der Gläubiger
mit der Höhe der Rate (Beilage A4); |
5. | Halbjährliche
Zahlungsbestätigungen für jeden einzelnen Gläubiger mit dem
Hinweis auf die Aktennnummer ihres Privatkonkurs-Beschlussses (Beilagen A5 und
A6). |
Selbst wenn das Finanzamt die
Verbindung vom Privatkonkurs der Bw. zum Konkurs der H-GmbH nicht hätte
herstellen können, hätte es annehmen müssen, dass es sich hierbei
um einen "normalen" Privatkonkurs handle. Allein aus der Überschrift der
einzelnen Dokumente gehe hervor, dass es sich um ein Insolvenzverfahren der
Schuldnerin "Bw." gehandelt habe.
Bei einem "normalen" Konkurs
handle es sich auf jeden Fall um Kosten der privaten Lebensführung. Der
einzige Grund, warum die Bw. dachte, dass es vielleicht absetzbar sei, sei der
Umstand gewesen, da es sich um Folgeerscheinungen ihres betrieblichen Konkurses
gehandelt habe. In diesem Zusammenhang werde auf die diesbezüglichen
Erklärungen in ihrer Eingabe vom verwiesen.
Aus dieser Unsicherheit heraus,
habe die Bw. jedes Jahr alle relevanten Unterlagen beigelegt. Auch wenn der
Sachbearbeiter des Finanzamtes diese Unterlagen nicht durchlese, könne
keineswegs von neuen Tatsachen gesprochen werden. Noch dazu, wo sowohl das
Finanzamt in Wien, als auch das Finanzamt Salzburg Gläubiger ihres
Privatkonkurses seien. Die Bw. könne nicht mehr tun, als alle Umstände
offenzulegen.
Von der Bw. werde daher nicht
beeinsprucht, dass diese Unterlagen für die Einkommensteuererklärung
2003 nicht anerkannt werden, sehr wohl aber die rückwirkende
Nichtanerkennung und Wiederaufnahme für die Jahre 2000 bis 2002 und die
daraus resultierende Steuerschuld in Höhe von € 10.887,99.
Die Bw. beantragte daher die
Wiederaufnahme der Verfahren ihrer Einkommensteuererklärungen 2000 bis 2002
rückgängig zu machen und den Betrag in Höhe von € 10.887,99
auf ihrem Steuerkonto gutzuschreiben.
Diese Berufung wurde mit
Berufungsvorentscheidung vom als unbegründet abgewiesen und
dies wie folgt begründet: In den für die Jahre 2000 bis 2002
eingereichten Einkommensteuererklärungen habe die Bw. unter den
Einkünften aus selbständiger Arbeit Beteiligungsverluste an der
H-GmbH, veranlagt beim Finanzamt N. unter der St.Nr. 1xx/xxxx angegeben.
Folglich seien die entsprechenden Bescheide erklärungsgemäß
ergangen.
Dem Finanzamt sei aber erst
aufgrund der Vorhaltsbeantwortung vom bekannt geworden, dass es
sich bei den angegebenen Verlusten nicht um Beteiligungsverluste an einer
Gesellschaft handle. Vielmehr habe sich aus der Eingabe vom
ergeben, dass diese Beträge Zahlungen an Gläubiger darstellen, zu
denen die Bw. aufgrund des Beschlusses vom Bezirksgericht M. in der Konkurssache
der Bw. verpflichtet sei. Diese Zahlungen seien aber keine Einkünfte im
Sinne des Einkommensteuergesetzes und demnach weder Einkünfte aus
selbständiger Tätigkeit als Geschäftsführerin der H-GmbH,
noch Einkünfte aus Kapitalvermögen als Gesellschafterin dieser GmbH,
sondern Kosten der privaten Lebensführung.
Maßgebend für die
Wiederaufnahme des Verfahrens gemäß
§ 303 Abs. 4 BAO sei,
ob der Abgabenbehörde in dem wiederaufzunehmenden Verfahren der Sachverhalt
so vollständig bekannt gewesen sei, dass sie bei richtiger rechtlicher
Subsumption zu der nunmehr im wiederaufzunehmenden Verfahren erlassenen
Entscheidung hätte gelangen können. Dies sei aber im vorliegenden
Verfahren nicht der Fall.
Im vorliegenden Fall sei
aktenmäßig erkennbar, dass der Behörde nachträglich
tatsächliche Umstände zugänglich gemacht worden seien, von denen
sie nicht zuvor schon Kenntnis gehabt habe. Der Vorwurf der
Oberflächlichkeit an den zuständigen Sachbearbeiter wegen des
Unterlassens entsprechender Ermittlungen schließe die Wiederaufnahme nicht
aus. Es sei also unmaßgeblich, ob die neu hervorgekommenen Tatsachen im
Erstverfahren verschuldet oder unverschuldet nicht berücksichtigt worden
seien.
Werde das Vorhaltgebot der
Behörde gemäß
§ 161 BAO verletzt, habe sie einen
Verfahrensmangel zu verantworten, der allerdings im Rechtsmittelverfahren
saniert werden könne. Dies bedeute, dass ein Wiederaufnahmsgrund auch dann
vorliegen würde, wenn der Behörde ein Verschulden am Unterbleiben der
für die Feststellung des tatsächlichen Sachverhaltes erforderlichen
Erhebungen im erstinstanzlichen Verfahren vorzuwerfen wäre.
Mit Eingabe vom stellte die Bw. den Antrag auf Entscheidung über die Berufung durch
die Abgabenbehörde zweiter Instanz.
Begründend wurde
ausgeführt, dass in den Beilagen zu den Einkommensteuererklärungen
2000, 2001 und 2002 jeweils die Ursache dieser Negativeinkünfte genau
erklärt, die Zahlungsbestätigungen beigelegt und damit sämtliche
Tatsachen offen gelegt seien.
In der
Einkommensteuererklärung 2003 sei unter der falschen Annahme, dass es sich
hierbei um Beteiligungsverluste handle, das Formular "E 106" beigelegt worden.
Daraufhin sei über den Vorhalt des Finanzamtes Aufklärung über
die in dem Formular "E 106" angegebene, gar nicht existierende
Mitunternehmerschaft verlangt und die ganze Sache dem Finanzamt wiederum
dargelegt worden.
Wie bereits in der Berufung vom
angeführt, seien die Negativeinkommen der Jahre 2000 bis 2002
in jeder Einzelheit amtsbekannt gewesen. Das sei auch aus der Aktenlage des
Finanzamtes ersichtlich. Weiters haben sich im Laufe der Abwicklung des
Insolvenzverfahrens keine Änderungen hinsichtlich des Grundes und der
Höhe der Zahlungen ergeben.
Unter Verweis auf Stoll
würden lediglich neu hervorgekommene Tatsachen oder Beweismittel einen
Wiederaufnahmsgrund bilden. Damit werde die Möglichkeit geschaffen, bisher
unbekannten, aber entscheidungswesentlichen Sachverhaltselementen Rechnung
tragen zu können, nicht aber bloß die Folgen einer unzutreffenden
rechtlichen Würdigung offen gelegter Sachverhalte zu beseitigen. Eine
andere bzw. geänderte, wenn auch richtige rechtliche Beurteilung des schon
bekannt gewesenen Sachverhaltes alleine rechtfertige somit keine Wiederaufnahme
des Verfahrens. Die vom Finanzamt für die Jahre 2000 bis 2002 vorgenommene
Wiederaufnahme entbehre somit jeder Grundlage und sei daher
rechtswidrig.
Die Bw. sei als
Geschäftsführerin der H-GmbH zu 50% an deren Stammkapital beteiligt
gewesen und habe aus dieser Quelle daher Einkünfte aus selbständiger
Tätigkeit erzielt. Infolge eines Konkurses seien diese Einkünfte
negativ geworden, da sie als Folge ihrer Geschäftsführerhaftung zur
Tilgung der offenen Verbindlichkeiten herangezogen worden sei.
Die Bw. habe daher eine
Betriebsschuldenlast getroffen, die nicht im Rahmen einer Betriebsaufgabe
berücksichtigt habe werden können. Außerdem habe sie ihre
Einkünfte nicht durch Betriebsvermögensvergleich, sondern durch eine
auf § 4 Abs. 3 EStG basierte Rechnung ermittelt, in der keine
Verbindlichkeiten angeführt seien.
Bei Personengesellschaften
seien Aufwendungen der Gesellschafter aus der Inanspruchnahme einer
Bürgschaft oder Haftung im Rahmen von Sonderbetriebsausgaben steuerlich
absetzbar. Im Zuge einer, durch wirtschaftliche Betrachtung notwendigen
Gleichbehandlung seien daher bei Gesellschaftern einer Gesellschaft mit
beschränkter Haftung, wenn gleiche Voraussetzungen vorliegen, diese
Haftungszahlungen ebenfalls steuerlich zu berücksichtigen.
Die Behandlung als
Negativeinkünfte aus selbständiger Arbeit sei richtigerweise erst dann
vorgenommen worden, als der Konkurs der H-GmbH als nicht kostendeckend abgelehnt
und daher keine Regressansprüche der Geschäftsführer für die
Inanspruchnahme der Haftung mehr gegeben gewesen sei. Es seien somit die
negativen Einkünfte unter einer falschen Bezeichnung, aber in der richtigen
Höhe angesetzt worden.
Die Veranlagung sei daher mit
den Negativeinkünften aus selbständiger Tätigkeit mit den, in den
Erklärungen angeführten Beträgen vorzunehmen.
Über
die Berufung wurde erwogen:
Gemäß
§ 303
Abs. 4 BAO ist eine Wiederaufnahme des Verfahrens von Amts wegen unter den
Voraussetzungen des Abs. 1 lit. a und c und in allen Fällen zulässig,
in denen Tatsachen oder Beweismittel neu hervorkommen, die im Verfahren nicht
geltend gemacht worden sind, und die Kenntnis dieser Umstände allein oder
in Verbindung mit dem sonstigen Ergebnis des Verfahrens einen im Spruch anders
lautenden Bescheid herbeigeführt hätte.
Den Gegenstand des vorliegenden
Rechtsstreites bildet die Frage, ob hinsichtlich der Bescheide betreffend
Einkommensteuer 2000 bis 2002 gemäß
§ 303 Abs. 4 BAO
das Verfahren von Amts wegen zu Recht wiederaufgenommen wurde, wenn den
Einkommensteuererklärungen 2000 bis 2002 nicht einmal eine
Gewinnermittlungs- bzw. Überschussrechnung beigelegt wurde und sich aus
diesen Beilagen ergibt, dass es sich bei diesen Beträgen bloß um
Kreditrückzahlungen aufgrund der Verurteilung der Bw. wegen
fahrlässiger Krida handelt.
Nach der Rechtsprechung des
Verwaltungsgerichtshofes ist eine amtswegige Wiederaufnahme des Verfahrens
gemäß
§ 303 Abs. 4 BAO zu verfügen, wenn insbesondere
Sachverhaltselemente hervortreten, deren Berücksichtigung zu einem im
Spruch anders lautenden Bescheid führt (vgl. ).
Das Hervorkommen von neuen
Tatsachen und Beweismitteln ist aus der Sicht des jeweiligen Verfahrens zu
beurteilen (vgl. ). Insbesondere ist dabei auf jenen
Wissensstand abzustellen, der sich aus der Sicht des jeweiligen
(Veranlagungs)Verfahrens ergibt (; ,
89/14/0123, 90/14/0018; ebenso: Schimetschek, Die Verfahrenswiederaufnahme wegen
neuer Tatsachen, FJ 1988, S. 155).
Eine Wiederaufnahme eines mit
Bescheid abgeschlossenen Verfahrens ist daher nur dann ausgeschlossen, wenn der
Abgabenbehörde in dem wiederaufzunehmenden Verfahren der Sachverhalt so
vollständig bekannt gewesen ist, dass sie schon in diesem Verfahren bei
richtiger rechtlicher Subsumption zu der nunmehr im wiederaufzunehmenden
Verfahren erlassenen Entscheidung hätte gelangen können (vgl. , 0029). Dabei schließt selbst ein behördliches
Verschulden an der Nichtfeststellung der maßgebenden Tatsachen und
Beweismittel im Erstverfahren die Wiederaufnahme von Amts wegen nicht aus (vgl.
).
Hat die Behörde aber im
Erstverfahren unzutreffenderweise ein vorhandenes oder angebotenes Beweismittel
nicht berücksichtigt, nicht für wesentlich erachtet oder unzutreffend
ausgewertet, so bildet dieser Umstand nicht den Wiederaufnahmsgrund des neu
hervorgekommenen Beweismittels (vgl. ; Stoll,
BAO-Kommentar, Band 3, § 303, S. 2922). Eine amtswegige
Wiederaufnahme des Verfahrens kann daher nicht wegen einer Mangelhaftigkeit des
früheren Verfahrens stattfinden (vgl. /0041).
Im vorliegenden Fall wurden bei
der Einreichung der Einkommensteuererklärungen der Jahre 2000 bis 2002 als
Beilagen jeweils der Protokollsvermerk und die gekürzte Urteilsausfertigung
bezüglich der Verurteilung der Bw. wegen fahrlässiger Krida als
Geschäftsführerin der H-GmbH (Beilage A1), der Beschluss des
Bezirksgerichts M. bezüglich der Konkurssache der Bw. (ihr Privatkonkurs
als Beilage A2), die Aufstellung der Gläubiger mit der Höhe der Rate
(Beilage A4) sowie die halbjährlichen Zahlungsbestätigungen für
jeden einzelnen Gläubiger mit dem Hinweis auf die Aktennnummer ihres
Privatkonkurs-Beschlusses (Beilagen A5 und A6) beigelegt. Dabei ergibt sich
allein aus der Überschrift der einzelnen Dokumente, dass diese Dokumente in
Zusammenhang mit einem Insolvenzverfahren stehen.
In den den
Einkommensteuererklärungen der Jahre 2000 bis 2002 beigelegten Beilagen ist
auch keine Gewinnermittlungs- bzw. Überschussrechnung enthalten, anhand
derer die unter der Kennziffer "320" ausgewiesen Verluste aus
"selbständiger Arbeit" hätten ermittelt bzw. abgeleitet werden
können.
Nach Auffassung des
unabhängigen Finanzsenates ist hinsichtlich der in den Jahren 2000 bis 2002
unter der Kennziffer "320" ausgewiesenen Verluste aus "selbständiger
Tätigkeit in Höhe von S 115.312 (2000), S 120.896 (2001) und
€ 8.785,84 (2002) von der Übernahme offensichtlicher
Unrichtigkeiten aus Abgabenerklärungen auszugehen, die die
Abgabenbehörde bei ordnungsgemäßer Prüfung der
Abgabenerklärungen hätte erkennen müssen (vgl. Ritz,
BAO-Kommentar, § 293b Rz 5, S. 697) und im Wege der Erlassung
eines erstinstanzlichen Berichtigungsbescheides gemäß
§ 293b BAO richtig gestellt werden könnten.
Wenn daher mit den Beilagen zu
den Einkommensteuererklärungen 2000 bis 2002 die Insolvenzverfahren der Bw.
stets offen gelegt wurden, ist demnach für die Wiederaufnahme des
Verfahrens von Amts wegen gemäß
§ 303 Abs. 4 BAO
hinsichtlich der Einkommensteuerbescheide 2000 bis 2002 kein Raum.
Es war somit
spruchgemäß zu entscheiden.
Wien, am
Zusatzinformationen
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Materie | Steuer Finanzstrafrecht Verfahrensrecht |
betroffene Normen | § 303 Abs. 4 BAO, Bundesabgabenordnung, BGBl. Nr. 194/1961 § 293b BAO, Bundesabgabenordnung, BGBl. Nr. 194/1961 |
Schlagworte | amtswegige Wiederaufnahme des Verfahrens offensichtliche Unrichtigkeiten Angaben Abgabenerklärung Beilagen ordnungsgemäße Prüfung neue Tatsachen |
Verweise |
Datenquelle: Findok — https://findok.bmf.gv.at