Berufungsentscheidung - Steuer (Referent), UFSW vom 08.05.2012, RV/1052-W/12

Haftung eines faktischen Geschäftsführers

Entscheidungstext

Berufungsentscheidung

Der Unabhängige Finanzsenat hat über die Berufung des Bw., vertreten durch Steuerberatung_GmbH, vom gegen den Bescheid des Finanzamtes Wien 4/5/10 vom betreffend Haftung gemäß § 9 iVm § 80 BAO entschieden:

Der Berufung wird teilweise Folge gegeben und der Haftungsbetrag für nachstehende Abgaben auf € 12.909,73 (statt € 23.122,83) herabgesetzt:


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Lohnsteuer 2005
2.019,16
Dienstgeberbeitrag 2005
3.552,50
Zuschlag zum Dienstgeberbeitrag 2005
331,57
Umsatzsteuer 12/2005
1.728,37
Lohnsteuer 01/2006
1.086,43
Dienstgeberbeitrag 01/2006
904,35
Zuschlag zum Dienstgeberbeitrag 01/2006
87,52
Körperschaftsteuer 01-03/2006
351,74
Lohnsteuer 02/2006
2.196,87
Dienstgeberbeitrag 02/2006
595,63
Zuschlag zum Dienstgeberbeitrag 02/2006
55,59

Im Übrigen wird die Berufung als unbegründet abgewiesen.

Entscheidungsgründe

Mit Beschluss des Handelsgerichtes Wien vom wurde der über das Vermögen der G-GmbH am eröffnete Konkurs nach Schlussverteilung aufgehoben.

Mit Schreiben vom ersuchte das Finanzamt den Berufungswerber (Bw.) um Nachweis, dass er ohne sein Verschulden daran gehindert gewesen wäre, für die Entrichtung der Abgaben der GmbH Sorge zu tragen.

Dieser Vorhalt blieb unbeantwortet.

Mit Bescheid vom wurde der Bw. gemäß § 9 Abs. 1 BAO iVm. § 80 BAO als Geschäftsführer der genannten Gesellschaft für Abgaben in der Höhe von € 23.122,83, nämlich


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Abgabe
Betrag
Fälligkeit
Lohnsteuer 2005
3.067,22
Dienstgeberbeitrag 2005
5.396,44
Zuschlag zum Dienstgeberbeitrag 2005
503,67
Umsatzsteuer 12/2005
2.625,49
Lohnsteuer 01/2006
1.650,35
Dienstgeberbeitrag 01/2006
1.373,76
Zuschlag zum Dienstgeberbeitrag 01/2006
132,95
Körperschaftsteuer 01-03/2006
534,32
Lohnsteuer 02/2006
3.337,17
Dienstgeberbeitrag 02/2006
904,79
Zuschlag zum Dienstgeberbeitrag 02/2006
84,45
Umsatzsteuer 02/2006
3.512,22

zur Haftung herangezogen, da diese durch die schuldhafte Verletzung der ihm als Vertreter der Gesellschaft auferlegten Pflichten nicht hätten eingebracht werden können.

In der dagegen am rechtzeitig eingebrachten Berufung wandte der Bw. ein, dass die Festsetzungen an Lohnabgaben zu Unrecht erfolgt wären und brachte dazu das Rechtsmittel nach § 248 BAO ein.

Weiters brachte er vor, dass er als Pro-forma-Geschäftsführer seiner damaligen Ehefrau die Möglichkeit gegeben hätte, ihr in Konkurs befindliches Einzelunternehmen in Form der GmbH weiterzuführen. Die Abwicklung der Abgabenberechnung hätte er der damaligen Ehefrau und Prokuristin, Frau A.Z., sowie an deren Mutter, Frau H.O., übertragen. Darüber hinaus hätte er die schon für seine Ehefrau tätig gewesene Steuerberatungskanzlei weiter beauftragt, die Abgabenverpflichtungen wahrzunehmen.

Der Bw. hätte sich damit keiner Pflichtverletzung schuldig gemacht, da er sowohl innerbetrieblich auf die korrekte Abwicklung und Bezahlung der Abgaben als auch extern der eingearbeiteten Steuerberatungskanzlei vertrauen hätte dürfen.

Zur Nichtentrichtung der Umsatzsteuerzahllasten wäre zu sagen, dass die Zahllast für 12/2005 von Frau O. in Zusammenarbeit mit der damaligen Steuerberatungskanzlei errechnet und gemeldet worden wäre. Der Bw. hätte erst anlässlich einer Besprechung vom eine vage und unkonkrete Kenntnis davon gehabt, dass Finanzamtsschulden bestünden. Zum Zeitpunkt der Fälligkeit der Zahllast für den Februar 2006 wäre das Unternehmen in der Krise gewesen und hätten daher zur Vermeidung von Gläubigerbevorzugungen keine Zahlungen mehr geleistet werden können. Innerhalb kürzester Frist wäre die Anmeldung des Insolvenzverfahrens erfolgt.

Aus der Aufstellung der dem Haftungsbescheid beiliegenden Rückstandsaufgliederung wäre nicht zu entnehmen, in welcher Weise das Finanzamt aus der anteiligen Verteilung der Masse Befriedigung erlangt hätte und wie sich diese Teiltilgungen auf die Abgabenrückstände der im Haftungsbescheid angeführten Abgaben ausgewirkt hätten. Die Rückstandsaufgliederung lasse den Schluss zu, dass diese Anrechnung nicht erfolgt wäre. Der Bw. könne auch im Falle schuldhafter Pflichtverletzung, die hier nicht vorliege, nur für die anteilige und nicht für die volle Abgabenschuld in Anspruch genommen werden. Die Inanspruchnahme hätte sich aus Billigkeitsgründen betragsmäßig an der Ausgleichsquote (gemeint wohl: Konkursquote) zu orientieren.

Mit Berufungsvorentscheidung vom wurde der Berufung teilweise stattgegeben und die nachstehenden Haftungsbeträge vermindert um die ausgeschüttete Konkursquote von 34,1696 % auf € 12.909,73 herabgesetzt:


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Abgabe
Betrag
Lohnsteuer 2005
2.019,16
Dienstgeberbeitrag 2005
3.552,50
Zuschlag zum Dienstgeberbeitrag 2005
331,57
Umsatzsteuer 12/2005
1.728,37
Lohnsteuer 01/2006
1.086,43
Dienstgeberbeitrag 01/2006
904,35
Zuschlag zum Dienstgeberbeitrag 01/2006
87,52
Körperschaftsteuer 01-03/2006
351,74
Lohnsteuer 02/2006
2.196,87
Dienstgeberbeitrag 02/2006
595,63
Zuschlag zum Dienstgeberbeitrag 02/2006
55,59

Weiters wurde begründend ausgeführt, dass die Behörde bei der Entscheidung über die Heranziehung zur Haftung an die voran ergangenen Abgabenbescheide gebunden wäre und sich daran zu halten hätte. Daraus folge, dass Einwendungen gegen die Richtigkeit der Abgaben im Verfahren über die Geltendmachung der Haftung nicht mit Erfolg erhoben werden könnten. Dazu werde auf die Bestimmungen des § 248 BAO verwiesen.

Bezüglich der Übertragung an einen Prokuristen und die Beauftragung eines Steuerberaters teilte das Finanzamt mit, dass dies den Geschäftsführer keinesfalls von seiner Auswahl- und Überwachungspflicht entbinde. Gemäß § 80 Abs. 1 BAO hätten die zur Vertretung juristischer Personen Berufenen alle Pflichten zu erfüllen, die den von ihnen Vertretenen obliegen würden, und insbesondere dafür zu sorgen, dass die Abgaben aus den Mitteln, die sie verwalten würden, entrichtet werden würden. Sollte daher in einem Haftungsfall ein Prokurist mit den abgabenrechtlichen Pflichten betraut worden sein, treffe den Geschäftsführer nach der Rechtsprechung eine entsprechende Auswahl- und Überwachungspflicht (). Für die Nichtentrichtung der Umsatzsteuer 12/2005 liege ein schuldhaftes Verhalten des Bw. vor.

Hinsichtlich der Inanspruchnahme der Umsatzsteuer 02/2006, fällig am , werde dem Ansuchen entsprochen, da bereits Zahlungsunfähigkeit der Primärschuldnerin vorgelegen und daher keine Schuldhaftigkeit des Bw. anzunehmen wäre.

Fristgerecht beantragte der Bw. mit Schreiben vom die Vorlage der Berufung zur Entscheidung durch die Abgabenbehörde zweiter Instanz und brachte ergänzend vor, dass seinem begründeten Antrag auf Aufhebung und Streichung der festgesetzten Lohnabgaben sowie Zusendung einer Abschrift des an den Erstschuldner gerichteten Abgabenbescheides nicht entsprochen worden wäre. Die diesbezügliche Begründung des Finanzamtes wäre unverständlich und/bzw. rechtswidrig.

Sein Anbringen werde in der Begründung der Berufungsvorentscheidung unter anderem mit dem Argument abgelehnt, dass Einwendungen gegen die Richtigkeit der Abgaben im Verfahren über die Geltendmachung der Haftung nicht mit Erfolg erhoben werden könnten.

Diese Aussage wäre inhaltlich unrichtig. Aus § 248 BAO ergebe sich, dass der zur Haftung Herangezogene jedenfalls den gegen ihn geltend gemachten Abgabenanspruch dem Grunde und der Höhe nach bekämpfen können müsse (). Das Berufungsrecht gegen den Bescheid über den Abgabenanspruch stehe dem Haftungspflichtigen auch dann zu, wenn der betreffende Bescheid vom Erstschuldner bereits mit Berufung angefochten worden und diesbezüglich bereits eine Berufungs(vor)entscheidung ergangen wäre ().

Die Geltendmachung der Haftung für die Lohnabgaben für die Zeiträume 2005, 01/2006 und 02/2006 wäre daher ersatzlos zu streichen.

Über die Berufung wurde erwogen:

Gemäß § 9 Abs. 1 BAO haften die in den §§ 80 ff BAO bezeichneten Vertreter neben den durch sie vertretenen Abgabepflichtigen für die diese treffenden Abgaben insoweit, als die Abgaben infolge schuldhafter Verletzung der den Vertretern auferlegten Pflichten nicht eingebracht werden können.

Gemäß § 80 Abs. 1 BAO haben die zur Vertretung juristischer Personen berufenen Personen alle Pflichten zu erfüllen, die den von ihnen Vertretenen obliegen. Sie haben insbesondere dafür zu sorgen, dass die Abgaben aus den Mitteln, die sie verwalten, entrichtet werden.

Der nach Abgabenvorschriften Haftungspflichtige kann gemäß § 248 BAO unbeschadet der Einbringung einer Berufung gegen seine Heranziehung zur Haftung innerhalb der für die Einbringung der Berufung gegen den Haftungsbescheid offenstehenden Frist auch gegen den Bescheid über den Abgabenanspruch berufen.

Die Haftung nach § 9 Abs. 1 BAO ist eine Ausfallshaftung (). Voraussetzung ist die objektive Uneinbringlichkeit der betreffenden Abgaben im Zeitpunkt der Inanspruchnahme des Haftenden (). Uneinbringlichkeit liegt vor, wenn Vollstreckungsmaßnahmen erfolglos waren oder voraussichtlich erfolglos wären ().

Im gegenständlichen Fall steht die Uneinbringlichkeit in Höhe von 65,8304 % fest, da mit Beschluss des Handelsgerichtes Wien vom der über das Vermögen der G-GmbH am eröffnete Konkurs nach Verteilung einer Quote von 34,1696 % aufgehoben wurde.

Insofern war dem Einwand des Bw., dass die Konkursquote nicht berücksichtigt worden wäre, zu folgen.

Unbestritten ist auch, dass der Bw. als alleiniger handelsrechtlicher Geschäftsführer der genannten Gesellschaft im Zeitraum vom bis im Firmenbuch eingetragen war.

Von ihm wird aber bestritten, dass ihm damit auch die Erfüllung der abgabenrechtlichen Pflichten der Gesellschaft oblag, da der Bw. vorbrachte, dass er als Pro-Forma-Geschäftsführer seiner damaligen Ehefrau die Möglichkeit gegeben hätte, ihr im Konkurs befindliches Einzelunternehmen in Form der GmbH weiterzuführen, sowie dass er die Abwicklung der Abgabenberechnung seiner damaligen Ehefrau und Prokuristin sowie an deren Mutter übertragen und die schon bisher tätige Steuerberatungskanzlei weiterbeauftragt hätte, die Abgabenverpflichtungen wahrzunehmen.

Dass die Bestellung eines "Geschäftsführers auf dem Papier" an seiner Stellung als Organwalter und am Bestand der ihn nach § 80 BAO treffenden Pflichten nicht das Geringste ändert, hat der Verwaltungsgerichtshof in ständiger Rechtsprechung wiederholt zum Ausdruck gebracht (zB ). Auf den Grund der Übernahme der Geschäftsführerfunktion sowie auf allfällige Einflüsse Dritter auf die Geschäftsführung kommt es nicht an (zB ).

Weiters ist nach der Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes ein vertretungsbefugter Geschäftsführer von seiner Verantwortung zur Entrichtung der Abgaben nicht deshalb befreit, weil die Geschäftsführung faktisch anderen Personen zusteht, sich aber gegen die unzulässige Beschränkung seiner Geschäftsführung oder zumindest seiner Aufsichts- und Kontrollaufgaben in Bezug auf die Entrichtung der Abgaben nicht durch entsprechende gerichtliche Schritte zur Wehr setzt oder von seiner Geschäftsführerfunktion zurücktritt (siehe zuletzt ).

Vor dem Hintergrund dieser Rechtsprechung traf den Bw. bereits ein für die Haftung nach § 9 BAO relevantes Verschulden, wenn er sich schon bei der Übernahme der Funktion mit einer Beschränkung seiner Befugnisse einverstanden erklärte und dabei in Kauf nahm, dass ihm die Erfüllung seiner gesetzlichen Verpflichtungen unmöglich gemacht wird (). Ebenfalls stehen zivilrechtliche Vereinbarungen einer Haftung nach § 9 BAO nicht entgegen ().

Für Abgabenschulden einer GmbH sind zur Haftung nach § 9 Abs. 1 BAO die in § 80 BAO angesprochenen Vertreter einer GmbH heranzuziehen. Nicht zum Geschäftsführer bestellte so genannte "faktische Geschäftsführer" werden durch das bloße Ausüben von Geschäftsführungstätigkeiten allein noch nicht zu Vertretern im Sinne des § 80 BAO (). Der Umstand, dass nicht der Bw., sondern seine damalige Ehefrau und deren Mutter faktisch die Geschäfte führten, bewirkte somit noch nicht, dass diese zusätzlich oder an dessen Stelle zur Haftung heranzuziehen gewesen wären (). Damit kam es aber im gegenständlichen Fall - anders als bei einer Agendenverteilung zwischen bestellten Geschäftsführern () - nicht darauf an, ob der handelsrechtliche Geschäftsführer Grund hatte, zu zweifeln, ob der faktische Geschäftsführer ordnungsgemäß vorgeht ().

Dass der Bw. seinen ihn nach der Rechtsprechung treffenden Pflichten zur Kontrolle des "faktischen Vertreters" nachgekommen wäre, hat er nicht behauptet. Auch ein Vorbringen, wonach er sich darüber "vergewissert" hätte, dass die Abgabenschulden beglichen werden, hat der Bw. nicht erstattet.

Nach der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes () ist es Aufgabe des Vertreters darzutun, weshalb er den ihm auferlegten Pflichten nicht entsprochen hat, insbesondere nicht Sorge getragen hat, dass die Gesellschaft die angefallenen Abgaben entrichtet hat, widrigenfalls die Abgabenbehörde eine schuldhafte Pflichtverletzung im Sinne des § 9 Abs. 1 BAO annehmen darf; den Vertreter trifft dabei eine qualifizierte Behauptungs- und Konkretisierungspflicht ().

Ist allerdings ein Geschäftsführer an der ordnungsgemäßen Wahrnehmung seiner Obliegenheiten gehindert, so muss er nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes () entweder sofort die Behinderung seiner Funktion - allenfalls im Rechtsweg - abstellen oder seine Funktion niederlegen und als Geschäftsführer ausscheiden. Ob der Rücktritt "unverzüglich" erfolgte, hängt von den Umständen des Einzelfalles ab. Weil die Verpflichtung zum Rücktritt durch die Erkennbarkeit der Behinderung und der Ergebnislosigkeit der Bemühungen, diese zu beseitigen, ausgelöst wird, dem Bw. aber von vorn herein seine Handlungsbeschränkungen bewusst waren, muss ihm vorgeworfen werden, eine solche Vereinbarung überhaupt eingegangen zu sein.

Ein für die Haftung eines Geschäftsführers relevantes Verschulden liegt eben dann vor, wenn sich der Geschäftsführer vor der Übernahme seiner Funktion mit einer Beschränkung seiner Befugnisse einverstanden erklärt bzw. eine solche Beschränkung in Kauf nimmt, die die künftige Erfüllung seiner gesetzlichen Verpflichtung, insbesondere den Abgabenbehörden gegenüber, unmöglich macht. Das Einverständnis, nur formell als Geschäftsführer zu fungieren, somit auf die tatsächliche Geschäftsführung keinen Einfluss zu nehmen, stellt eine derartige Beschränkung der Befugnisse eines Geschäftsführers dar ().

Auch die Betrauung einer Steuerberatungskanzlei mit der Wahrnehmung der Abgabenangelegenheiten vermag den Vertreter nicht zu exkulpieren, wenn er seinen zumutbaren Informations- und Überwachungspflichten nicht nachkommt. Der Vertreter hat beauftragte Personen nämlich zumindest in solchen Abständen zu überwachen, die es ausschließen, dass ihm Steuerrückstände verborgen bleiben ().

Insbesondere ist im Rahmen der Verpflichtung als handelsrechtlicher Geschäftsführer für die rechtzeitige und vollständige Entrichtung der Abgaben Sorge zu tragen.

Dem Vorbringen des Bw., dass die Nachforderungen ungeprüft aus dem Lohnkonto übernommen worden wären, tatsächlich aber Löhne und Gehälter nicht mehr vollständig ausbezahlt worden wären, muss entgegengehalten werden, dass Einwendungen gegen den Abgabenanspruch nicht mit Erfolg im Haftungsverfahren vorgebracht werden können, sondern ausschließlich im Berufungsverfahren gemäß § 248 BAO betreffend Bescheide über den Abgabenanspruch, zumal nach der Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes auch die nach § 9 BAO erforderliche Verschuldensprüfung von der objektiven Richtigkeit der Abgabenfestsetzung auszugehen hat ().

Bringt der Haftungspflichtige (wie im gegenständlichen Fall) sowohl gegen den Haftungsbescheid als auch gegen den maßgeblichen Bescheid über den Abgabenanspruch Berufungen ein, so ist zunächst über die Berufung gegen den Haftungsbescheid zu entscheiden (), da von dieser Erledigung die Rechtsmittelbefugnis gegen den Bescheid über den Abgabenanspruch abhängt ().

Aus dem Vorbringen des Bw. hinsichtlich seiner Berufungsmöglichkeit nach § 248 BAO lässt sich daher nichts gewinnen, weil über diese Berufung zwar abzusprechen sein wird, aber aus den vorgenannten Gründen noch nicht im Haftungsverfahren, sondern erst im nachfolgenden Abgabenverfahren.

Allerdings konnte dem Vorbringen des Bw., dass zum Zeitpunkt der Fälligkeit der Umsatzsteuer 02/2006, dem , das Unternehmen bereits in der Krise gewesen wäre und keine Zahlungen mehr geleistet hätten werden können, wegen der zeitlichen Nähe zur Konkurseröffnung () gefolgt und diese Abgabe aus der Haftung genommen werden. Wird eine Abgabe nämlich nicht entrichtet, weil der Vertretene überhaupt keine liquiden Mittel hat, so verletzt der Vertreter dadurch keine abgabenrechtliche Pflicht ().

Hinsichtlich der übrigen Abgaben (außer Lohnsteuer) gilt Folgendes:

Der Geschäftsführer haftet für nicht entrichtete Abgaben der Gesellschaft auch dann, wenn die Mittel, die ihm für die Entrichtung aller Verbindlichkeiten zur Verfügung gestanden sind, hierzu nicht ausreichen; es sei denn, er weist nach, dass er diese Mittel anteilig für die Begleichung aller Verbindlichkeiten verwendet, die Abgabenschulden daher im Verhältnis nicht schlechter behandelt hat als andere Verbindlichkeiten ().

Seitens des Bw. wurde nicht vorgebracht, dass die Primärschuldnerin im haftungsgegenständlichen Zeitraum über keine finanziellen Mitteln mehr verfügt hätte bzw. wurde auch nicht behauptet, es seien sämtliche Gläubiger gleich behandelt worden. Für eine völlige Vermögenslosigkeit der Primärschuldnerin ergeben sich auch nach Aktenlage keine Anhaltspunkte, zumal jedenfalls noch Löhne ausbezahlt wurden. Was eine allfällige Gleichbehandlung der Gläubiger betrifft, so wäre dies vom Bw. zu behaupten und zu beweisen gewesen.

Für aushaftende Abfuhrabgaben wie die Lohnsteuer gelten aber ohnedies Ausnahmen vom Gleichheitsgrundsatz (; , 2000/15/0168), da nach § 78 Abs. 3 EStG der Arbeitgeber, wenn die zur Verfügung stehenden Mittel nicht zur Zahlung des vollen vereinbarten Arbeitslohnes ausreichen, die Lohnsteuer von dem tatsächlich zur Auszahlung gelangenden niedrigeren Betrag zu berechnen und einzubehalten hat.

Infolge der schuldhaften Pflichtverletzung durch den Bw. konnte die Abgabenbehörde nach der Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes (), auch davon ausgehen, dass die Pflichtverletzung Ursache für die Uneinbringlichkeit der haftungsgegenständlichen Abgaben war.

Die im Rahmen des § 224 BAO zu treffende Ermessensentscheidung iSd § 20 BAO ist innerhalb der vom Gesetzgeber gezogenen Grenze nach Billigkeit und Zweckmäßigkeit unter Berücksichtigung aller in Betracht kommenden Umstände zu treffen. Wesentliches Ermessenskriterium ist die Vermeidung eines endgültigen Abgabenausfalles. Aus dem auf die Hereinbringung der Abgabenschuld beim Haftenden gerichteten Besicherungszweck der Haftungsnorm folgt, dass die Geltendmachung der Haftung in der Regel ermessenskonform ist, wenn die betreffende Abgabe beim Primärschuldner uneinbringlich ist ().

Auf Grund des Vorliegens der gesetzlichen Voraussetzungen des § 9 Abs. 1 BAO erfolgte somit die Inanspruchnahme des Bw. als Haftungspflichtiger für die nachstehenden Abgabenschuldigkeiten der G-GmbH im Ausmaß von nunmehr € 12.909,73 zu Recht:


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Abgabe
Betrag (65,8304 %)
Lohnsteuer 2005
2.019,16
Dienstgeberbeitrag 2005
3.552,50
Zuschlag zum Dienstgeberbeitrag 2005
331,57
Umsatzsteuer 12/2005
1.728,37
Lohnsteuer 01/2006
1.086,43
Dienstgeberbeitrag 01/2006
904,35
Zuschlag zum Dienstgeberbeitrag 01/2006
87,52
Körperschaftsteuer 01-03/2006
351,74
Lohnsteuer 02/2006
2.196,87
Dienstgeberbeitrag 02/2006
595,63
Zuschlag zum Dienstgeberbeitrag 02/2006
55,59

Es war daher spruchgemäß zu entscheiden.

Wien, am

Zusatzinformationen


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Materie
Steuer
Finanzstrafrecht Verfahrensrecht
betroffene Normen
§ 9 Abs. 1 BAO, Bundesabgabenordnung, BGBl. Nr. 194/1961
§ 80 Abs. 1 BAO, Bundesabgabenordnung, BGBl. Nr. 194/1961
§ 248 BAO, Bundesabgabenordnung, BGBl. Nr. 194/1961
Verweise

Datenquelle: Findok — https://findok.bmf.gv.at