Verdacht der Beteiligung an einer Abgabenhinterziehung bzw. an der Beschäftigung von Schwarzarbeitern als faktischer Geschäftsführer
Rechtssätze
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Stammrechtssätze | |
FSRV/0171-W/07-RS1 | Für die Annahme der Täterschaft genügt die faktische Wahrnehmung der Angelegenheiten eines Abgabepflichtigen (hier einer GmbH). Es bedarf dabei nicht eines rechtsgeschäftlichen oder organmäßigen Vollmachtsverhältnisses. Als faktischen Geschäftsführer trifft den Abgabepflichtigen aber die finanzstrafrechtliche Verantwortung für die Führung der Lohnkonten, auch wenn er im Firmenbuch nicht formell als Geschäftsführer eingetragen ist. |
Entscheidungstext
Beschwerdeentscheidung
Der Unabhängige Finanzsenat als Finanzstrafbehörde zweiter Instanz hat durch das Mitglied des Finanzstrafsenates Wien 2, HR Mag. Gerhard Groschedl, in der Finanzstrafsache gegen D.M., B., wegen des Finanzvergehens der Abgabenhinterziehung gemäß § 33 Abs. 2 lit. b des Finanzstrafgesetzes (FinStrG) über die Beschwerde des Beschuldigten vom gegen den Bescheid über die Einleitung eines Finanzstrafverfahrens gemäß § 83 Abs. 1 FinStrG des Finanzamtes Bruck Eisenstadt Oberwart als Finanzstrafbehörde erster Instanz vom , Strafnummer-1,
zu Recht erkannt:
Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.
Entscheidungsgründe
Mit Bescheid vom hat das Finanzamt Bruck Eisenstadt Oberwart als Finanzstrafbehörde erster Instanz gegen D.M. (in weiterer Folge Bf.) zur Strafnummer-1 ein Finanzstrafverfahren eingeleitet, weil der Verdacht bestehe, dass er vorsätzlich als faktischer Machthaber der Firma P-GmbH im Zusammenwirken mit dem anderen faktischen Machthaber H. D. im Bereich des Finanzamtes Bruck Eisenstadt Oberwart unter Verletzung der Verpflichtung zur Führung von dem § 76 EStG 1988 entsprechenden Lohnkonten eine Verkürzung von Lohnsteuer für die Zeiträume 8-12/2004 in Höhe von € 3.989,45 und für 4/2005 in Höhe von € 160,55, Dienstgeberbeiträge zum Ausgleichsfonds für Familienbeihilfen für 8-12/2004 in Höhe von € 822,32 und für 4/2005 in Höhe von € 81,11 bewirkt und dies nicht nur für möglich, sondern für gewiss gehalten habe und hiemit ein Finanzvergehen nach §§ 11, 33 Abs. 2 lit. b FinStrG begangen habe.
Als Begründung wurde ausgeführt, dass in den Zeiträumen 8-12/2004 und 4/2005 Schwarzarbeiter beschäftigt worden seien, für die keine Lohnkonten geführt worden seien. Der Beschuldigte sei vom Masseverwalter schriftlich als einer der faktischen Machthaber der GmbH bezeichnet worden und sei daher als solcher für die im Spruch genannten Tatbestände verantwortlich gewesen. Es bestehe daher der begründete Verdacht, dass das obgenannte Finanzvergehen begangen worden sei.
Darüber hinaus wurde der Bf. auch von der Einleitung des Finanzstrafverfahrens wegen des Verdachts der Finanzordnungswidrigkeit nach § 49 Abs. 1 lit. a FinStrG für Lohnsteuer 1-11/2005 von € 23.507,08 sowie Dienstgeberbeträge zum Ausgleichsfonds für Familienbeihilfen samt Zuschlägen zu den Dienstgeberbeiträgen für 1-11/2005 in Höhe von € 9.041,83 verständigt.
Gegen diesen Bescheid richtet sich die Beschwerde des Beschuldigten vom , in welcher beantragt werde, den Bescheid ersatzlos zu beheben und das Finanzstrafverfahren einzustellen mit folgender Begründung:
1. Gemäß Art. 6 MRK sei dem Beschuldigten vor Einleitung eines Strafverfahrens Gelegenheit zu geben sich dazu zu äußern. Im vorliegenden Fall sei dies nicht geschehen. Es sei sohin das Recht auf Gehör verletzt worden. Der Bescheid über die Einleitung des Strafverfahrens sei daher schon aus formellen Gründen zu beheben.
2. Keine Strafe ohne Schuld
Einleitend sei festgehalten, dass es Aufgabe der Behörde wäre, die Schuld des Bf. und ein tatbestandsmäßiges Verhalten nachzuweisen. Der Bf. sei zwar bereit sich zu rechtfertigen, befinde sich jedoch in der misslichen Lage, dass sämtliche schriftlichen Unterlagen, welche von der Geschäftsführerin Frau G. geführt wurden, ihm nicht zur Verfügung stünden und er sich daher nur insofern darauf beziehen könne, als er sie entweder von Frau G. gezeigt bekommen habe oder im Akt auffinden habe können. Seinem Wissen nach sei Frau A. G. als Geschäftsführerin bereits von der Gewerbebehörde wegen Verstoßes gegen das AuslBG betreffend der ihm unterstellten Vorwürfe rechtskräftig verurteilt worden. Eine Geschäftszahl liege ihm nicht vor, der UFS möge jedoch im Wege der Amtshilfe ein entsprechendes Ersuchen um Übermittlung des Aktes an die Gewerbebehörde in Eisenstadt richten, zumal eine dortige Verurteilung eine materielle Rechtskraftwirkung entfalte und daher ein Vorgehen gegen ihn unzulässig sei.
Darüber hinaus habe der Bf. jedoch niemals Kenntnis von der Beschäftigung von Schwarzarbeitern gehabt. Unter einem wiederhole er seine Verantwortung, welche er am an das Finanzamt Bruck-Eisenstadt-Oberwart übermittelt habe.
Vorweg halte der Bf. fest, dass er von Beruf Architekt und nicht faktischer Machthaber sei. Schon diese Bezeichnung zeige, dass sich das Finanzamt Bruck/Eisenstadt/Oberwart mit seiner Person nicht ausreichend auseinandergesetzt habe. Bereits aus dem Firmenbuch sei zu entnehmen, dass er die P-GmbH ursprünglich alleine gegründet habe, in der Folge jedoch seine Gesellschaftsanteile abgetreten habe und schlussendlich nur mehr mit einem 25 % - Anteil vertreten gewesen sei. Zum Zeitpunkt des Vorwurfes der inkriminierten Handlungen sei Frau F. A. G. als 25 % Gesellschafterin seit selbstständig vertretungsbefugt gewesen. Der 50 % Gesellschafter H. D. sei seit Prokurist gewesen. Der Bf. habe seine Gesellschaftsanteile abgetreten, da er von Beruf Architekt sei und seinem Beruf immer mehr Zeit widmen wollte und auch musste, sodass er sich auf diese Tätigkeit zurückgezogen habe. Lediglich zur Aufrechterhaltung der gewerberechtlichen Befugnis der P-GmbH habe er sich bereit erklärt, den gewerberechtlichen Geschäftsführer abzugeben. In einer Generalversammlung unter dem Vorsitz von vom Buchhalter, seien diese Firmenanteile neu verteilt worden, ebenso wie die Aufgabenbereiche definiert und fest gehalten worden seien. Insbesondere sei festgelegt worden, dass Herr H. D. als Prokurist und Personalleiter auch zuständig für die Bereitstellung und Einstellung des Personals sei. Nach Einstellung des Personales habe Frau G. die Daten der Arbeiter aufgenommen und sie dem Lohnverrechnungsbüro in Wien gemeldet.
Die Führung des Personals und die Lohnkonten seien ausschließlich Frau G. in Abklärung mit Herr D. unterlegen.
Die Arbeiterschaft sei der Aufsicht des Personalleiters unterlegen, die Verwaltung und Prüfung des Personals sei von Frau G. durchgeführt worden. Bereits im Zeitraum seit Anfang 2004 habe sich Herr D. um die Einstellung und Abklärung der Personaldaten des Personals bemüht. Der Bf. habe dies auch vor dem Zeitraum der Abgabe seiner Geschäftsführerbefugnis überprüft und Herrn D. für geeignet befunden. Bei entsprechenden stichprobenartigen Kontrollen sei ihm niemals fehlerhaftes Verhalten des Herrn D. aufgefallen. Herr D. habe auch immer den Kontakt zu dem jeweiligen Lohnbüro ebenso wie später Frau G. gehalten. Und beide Personen haben dem entsprechend auch mit dem Steuerberater zusammen gearbeitet. Der Bf. habe jedenfalls spätestens zum Zeitpunkt der Zurücklegung seiner Geschäftsführungsbefugnis mit diesen Agenden gar nichts mehr zu tun gehabt. Mit Zurücklegung der Geschäftsführungsbefugnis habe der Bf. auch keinerlei Zeichnungsbefugnis mehr auf den Konten der Gesellschaft gehabt. Vor Konkursantragstellung sei jedoch von Frau G. festgestellt worden, dass Herr D. offensichtlich dem Unternehmen unrichtige Rechnungen vorlegt habe und auch Unregelmäßigkeiten bei der Personalanmeldung vorgekommen seien. In der Folge habe sich Frau G. an den Rechtsanwalt gewandt und gebeten, den Konkursantrag zu stellen. Der Bf. habe Frau G. dorthin begleitet. Im Antrag auf Eröffnung des Konkursverfahrens sei als Insolvenzursache ausdrücklich das Vorgehen von Herrn D. genannt worden.
Diesen Insolvenzantrag habe sich der Bf. besorgt und lege diese Rechtfertigung bei. Wie der Masseverwalter dazu komme, ihn als faktischen Machthaber zu bezeichnen, sei ihm völlig unklar. Er habe diesbezüglich mit ihm niemals gesprochen und offensichtlich auch nicht mit dem Steuerberater der Gemeinschuldnerin. Des Weiteren habe er offensichtlich auch nicht bei den zuständigen Banken nachgefragt, um sich nach seiner Zeichnungsberechtigung zu erkundigen, die er hier zurückgelegt habe. Vom Masseverwalter sei er diesbezüglich auch bei der Staatsanwaltschaft zur Anzeige gebracht worden. Mittlerweile habe auch eine Vernehmung bei der Polizei in Wien stattgefunden. Das entsprechende Protokoll vom schließe der Bf. diesem Schreiben an. Schon die Erfahrung des täglichen Lebens würde aufzeigen, dass ein Machthaber doch nicht seine Firmenanteile den Gesellschaftern übertrage, sondern diese zurückbehalte und sich einen Strohmann halte. In seinem Fall sei es jedoch so gewesen, dass, nachdem er sich aus dem Geschäft zurückgezogen habe und Anteile an Frau G. und Herrn D. übertragen habe, fest damit gerechnet habe, dass die beiden im Interesse des Unternehmens und eigenständig arbeiten. Zum Beweis seines Vorbringens beantrage der Bf. die Einvernahme des Herrn Mag. K. in Eisenstadt, einen informierten Vertreter der Firma E. in Wien so wie seine eigene. Der Bf. sei dafür nicht zuständig gewesen. Zum Beweis, dass ich auch keinerlei Zeichnungsbefugnis am Firmenkonto gehabt habe beantrage er eine Einholung der Auskunft, Kontonummer sei ihm allerdings nicht bekannt, könnte allerdings beim Masseverwalter erfragt werden.
Wie aus dem Firmenbuch ersichtlich sei seine Funktion als Geschäftsführer am gelöscht worden. De fakto habe der Bf. die Geschäftsführung schon zu einem früheren Zeitpunkt zurückgelegt und Herr H. D. habe die Personalagenden über gehabt. Wie bereits berichtet habe der Bf. bis zu seinem Ausscheiden als Geschäftsführer stichprobenmäßig Herrn H. D. kontrolliert und keinerlei Verfehlungen feststellen können. Soweit nunmehr Herr D. Schwarzarbeiter beschäftigt habe, ohne dies ihm mitzuteilen, treffe den Bf. daran keine Schuld. Nach Zurücklegung seiner Geschäftsführungsbefugnis sei der Bf. als gewerberechtlicher Geschäftsführer im Angestelltenverhältnis mit 20 Stunden beschäftigt gewesen. Als solcher habe er sich weder um Lohnangelegenheiten zu kümmern gehabt noch habe es der Bf. de fakto gemacht. Er sei auch nicht de fakto Geschäftsführer gewesen, was ihm vom Masseverwalter ohne entsprechende Begründung unterstellt werde. Aus diesem Grunde weise der Bf. auch den Vorwurf der Verletzung der Verpflichtung zur Führung von entsprechenden Lohnkonten im Zeitraum 8-12/2004 bzw. 4/2005 somit auch eine Verkürzung von € 3.989,45 bzw. € 160,55 zurück, ebenso wie ein schuldhaftes Verhalten betreffend der Verkürzung der Dienstgeberbeiträge zum Ausgleichsfonds für Familienbeihilfen für 8-12/2004 bzw. 4/2005.
Dem Bf. sei nicht einmal bekannt, auf Grundlage welcher Urkundenprüfungen etc. diese Beträge fußen. Er beantrage jedenfalls die Einstellung des gegen ihn geführten Finanzstrafverfahrens.
Aus dem Finanzstrafakt sei ihm auch das Schreiben des Masseverwalters vom bekannt, ebenso wie eine Beilage 1, welche H. D. am unterfertigt habe. Wenn es auch sein mag, dass Frau G. dem Masseverwalter gegenüber die Erklärung abgegeben habe, lediglich als Sekretärin und für wenige Stunden angestellt gewesen zu sein und nicht die Agenden einer Geschäftsführerin ausgeübt zu haben, mag dies wohl der Aussage von Frau G. gegenüber dem Masseverwalter entsprechen, richtig sei diese Aussage jedoch nicht. Offenbar sei dies eine Schutzbehauptung um eigene Haftungen abzuwehren. Es sei A. G. gewesen, die ausdrücklich den Wunsch als Geschäftsführerin äußerte, das Büro an ihre Wohnadresse in die Nähe der Steuerberatungskanzlei zu verlegen. Mit Freiwerden der Geschäftsräumlichkeiten seien diese nach Wünschen von Frau G. zu ihrem Büro umgebaut und eingerichtet worden. Der Bf. sei mit Übernahme der Geschäftsführerfunktion von Frau G. deswegen einverstanden gewesen, da er sie Jahre zuvor in leitender Funktion in einem Büro kennen gelernt habe. Sie selbst habe ihm mitgeteilt, dass sie während ihrer Karenzzeit eine erweiterte und vertiefte Ausbildung in Büroorganisation und Buchhaltung erhalten habe. Ihr oft geäußertes Ziel sei es gewesen, den damaligen Personalstand von etwa 40/50 Arbeitern auf 150 steigern zu wollen. In der Folge habe sie gewissenhaft die buchhalterischen Unterlagen aufgearbeitet und habe danach grafische Auswertungstabellen für ihre weiteren Bilanzziele erstellt, die sie dann D. und dem Bf. erklärt habe. Zu Beginn des Jahres 2006 habe sie auch Planungsprojekte für Rumänien entwickelt, da ihr Bruder dort ansässig sei. Dass Sie auch für die buchhalterischen Angelegenheiten ebenso wie als Geschäftsführerin tätig gewesen sei, ergebe sich eindeutig aus dem von ihr beauftragten Konkursantrag, welcher von der Kanzlei eingebracht worden sei. Im Übrigen sei auch aus dem Konkursakt zu entnehmen, dass Frau G. jene Person gewesen sei, die mit dem Masseverwalter gemeinsam das Anmeldeverzeichnis bzw. die Forderungen geprüft und mit dem Masseverwalter abstimmt habe. Dies wäre gar nicht möglich, wenn sie keinen Einblick gehabt hätte. Eine Frau Dr. S., welche auf Beilage 1 aufscheine, sei ihm nicht bekannt. Der Bf. habe von ihr nichts gehört, allerdings sei ersichtlich, dass offenbar Frau G. im Zusammenwirken mit Frau Dr. S. belastendes gegen D. gesammelt habe. Auch Dr. R. sei von ihr beauftragt worden, die entsprechenden Forderungen gegen D. geltend zu machen, was in Folge auf Grund der Insolvenzeröffnung jedoch unterblieben sei.
Unter einem beantrage der Bf. die Aufnahme der angebotenen Beweise
Zur Entscheidung wurde erwogen:
Gemäß § 82 Abs. 1 in Verbindung mit § 83 FinStrG hat die Finanzstrafbehörde erster Instanz, sofern genügend Verdachtsgründe für die Einleitung wegen eines Finanzvergehens gegeben sind, das Finanzstrafverfahren einzuleiten.
Gemäß § 33 Abs. 2 lit. b FinStrG macht sich einer Abgabenhinterziehung schuldig, wer vorsätzlich unter Verletzung der Verpflichtung zur Führung von dem § 76 des Einkommensteuergesetzes 1988 entsprechenden Lohnkonten eine Verkürzung von Lohnsteuer oder Dienstgeberbeiträgen zum Ausgleichsfonds für Familienbeihilfen bewirkt und dies nicht nur für möglich, sondern für gewiss hält.
Gemäß § 11 FinStrG begeht nicht nur der unmittelbare Täter das Finanzvergehen, sondern auch jeder, der einen anderen dazu bestimmt, es auszuführen, oder der sonst zu seiner Ausführung beiträgt.
Zunächst verweist der Bf. auf Art. 6 der Europäischen Menschenrechtskonvention und vermeint, dass vor Einleitung eines Strafverfahrens dem Beschuldigten Gelegenheit zu geben ist, sich dazu zu äußern. Da dies im vorliegenden Fall nicht geschehen ist, sohin das Recht auf Gehör verletzt worden ist, der der angefochtene Bescheid aus formellen Gründen zu beheben. Dazu ist auf Art. 6 EMRK hinzuweisen, dem Folgendes zu entnehmen ist:
Art. 6 Abs. 1 EMRK: Jedermann hat Anspruch darauf, dass seine Sache in billiger Weise öffentlich und innerhalb einer angemessenen Frist gehört wird, und zwar von einem unabhängigen und unparteiischen, auf Gesetz beruhenden Gericht, das über zivilrechtliche Ansprüche und Verpflichtungen oder über die Stichhaltigkeit der gegen ihn erhobenen strafrechtlichen Anklage zu entscheiden hat. Das Urteil muss öffentlich verkündet werden, jedoch kann die Presse und die Öffentlichkeit während der gesamten Verhandlung oder eines Teiles derselben im Interesse der Sittlichkeit, der öffentlichen Ordnung oder der nationalen Sicherheit in einem demokratischen Staat ausgeschlossen werden, oder wenn die Interessen von Jugendlichen oder der Schutz des Privatlebens der Prozessparteien es verlangen, oder, und zwar unter besonderen Umständen, wenn die öffentliche Verhandlung die Interessen der Rechtspflege beeinträchtigen würde, in diesem Fall jedoch nur in dem nach Auffassung des Gerichts erforderlichen Umfang.
Art. 6 Abs. 2 EMRK: Bis zum gesetzlichen Nachweis seiner Schuld wird vermutet, dass der wegen einer strafbaren Handlung Angeklagte unschuldig ist.
Art. 6 Abs. 3 EMRK: Jeder Angeklagte hat mindestens (englischer Text) insbesondere (französischer Text) die folgenden Rechte:
a) in möglichst kurzer Frist in einer für ihn verständlichen Sprache in allen Einzelheiten über die Art und den Grund der gegen ihn erhobenen Beschuldigung in Kenntnis gesetzt zu werden;
b) über ausreichende Zeit und Gelegenheit zur Vorbereitung seiner Verteidigung zu verfügen;
c) sich selbst zu verteidigen oder den Beistand eines Verteidigers seiner Wahl zu erhalten und, falls er nicht über die Mittel zur Bezahlung eines Verteidigers verfügt, unentgeltlich den Beistand eines Pflichtverteidigers zu erhalten, wenn dies im Interesse der Rechtspflege erforderlich ist;
d) Fragen an die Belastungszeugen zu stellen oder stellen zu lassen und die Ladung und Vernehmung der Entlastungszeugen unter denselben Bedingungen wie die der Belastungszeugen zu erwirken;
e) die unentgeltliche Beiziehung eines Dolmetschers zu verlangen, wenn der Angeklagte die Verhandlungssprache des Gerichts nicht versteht oder sich nicht darin ausdrücken kann.
Ein Recht, dass dem Beschuldigten vor Einleitung eines Strafverfahrens Gelegenheit zu geben ist, sich dazu zu äußern, ist entgegen der Meinung des Bf. aus Art. 6 EMRK explizit nicht ableitbar.
Im Übrigen kann eine im Verwaltungsstrafverfahren der Behörde erster Instanz unterlaufene Verletzung des Parteiengehörs von der Rechtsmittelbehörde geheilt werden. Laut Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ist ein Mangel hinreichenden Parteiengehörs in erster Instanz durch die Möglichkeit, den Standpunkt im Rechtsmittelverfahren auszuführen, geheilt (). Der Bf. hatte in der Beschwerde ausreichend Gelegenheit, sein Parteiengehör wahrzunehmen und sich zum Verfahrensgegenstand zu äußern, womit die allenfalls vom Bf. gedachte Verletzung von Verfahrensvorschriften jedenfalls geheilt ist.
Nach ständiger Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes genügt es für die Einleitung eines Finanzstrafverfahrens, wenn gegen den Verdächtigen genügende Verdachtsgründe vorliegen, die die Annahme rechtfertigen, dass er als Täter eines Finanzvergehens in Betracht kommt. Ein derartiger Verdacht, der die Finanzstrafbehörde zur Einleitung eines Finanzstrafverfahrens verpflichtet, kann immer nur auf Grund einer Schlussfolgerung aus Tatsachen entstehen. Ein Verdacht ist die Kenntnis von Tatsachen, aus denen nach der Lebenserfahrung auf ein Finanzvergehen geschlossen werden kann (vgl. beispielsweise ). Dabei ist nur zu prüfen, ob tatsächlich genügend Verdachtsgründe gegeben sind, nicht darum, schon jetzt die Ergebnisse des förmlichen Untersuchungsverfahrens gleichsam vorwegzunehmen, sondern lediglich darum, ob die bisher der Finanzstrafbehörde bekannt gewordenen Umstände für einen Verdacht ausreichen oder nicht.
Der Bf. bestreitet zusammengefasst, für die steuerlichen Angelegenheiten der Firma P-GmbH verantwortlich gewesen zu sein, da diese in den Verantwortungsbereich von Frau A. G. bzw. den Personalleiter Herrn H. D. gefallen wären.
Als Beschwerdeargument wird insbesondere darauf hingewiesen, dass die Funktion des Bf. als Geschäftsführer am im Firmenbuch gelöscht wurde, er schon davor diese Funktion nicht mehr ausgeübt hat. Diesen Ausführungen steht jedoch die Aussage von Frau G. aus dem Strafakt 123 gegenüber, die als allein erziehende Mutter eine Arbeit als Sekretärin gesucht und diese bei der Firma P-GmbH gefunden hat. Sie wurde zwar als Geschäftsführerin ins Firmenbuch eingetragen, hatte jedoch entgegen den Darstellungen des Bf. nach ihren Ausführungen nicht die Befugnis, die Agenden einer Geschäftsführerin tatsächlich wahrzunehmen, da beispielsweise die Geldbewegungen immer vom Bf. oder Herrn D. durchgeführt wurden. Für diverse Tatzeiträume sei Frau G. noch nicht einmal Geschäftsführerin gewesen. Die Aussage von Frau G. findet auch in der Darstellung des Masseverwalters Deckung, wonach der Bf. faktischer Geschäftsführer der Firma P-GmbH gewesen ist.
Der Bf. stellt die Behauptungen von Frau G. zwar als Schutzbehauptungen dar, bei Gesamtbetrachtung erscheinen jedoch auch seine Ausführungen im gleichen Ausmaß als Schutzbehauptungen, um sich die finanzstrafrechtlichen Folgen ersparen zu können. Gerade die Darstellungen des Bf., dass er weder für die steuerlichen Agenden noch für das Personal der GmbH zuständig gewesen wäre und er auch keine Zeichnungsbefugnis am Firmenkonto gehabt hätte, dies in den Aufgabenbereich von Herr D. und Frau G. gefallen ist, erfüllen die typischen Voraussetzungen eines faktischen Geschäftsführers bzw. Machthabers. Nach diesem Erscheinungsbild sind offiziell andere Personen für die Angelegenheiten der Gesellschaft zuständig und haben auch die Folgen von "Ungereimtheiten" zu tragen. Im Hintergrund trifft jedoch eine andere Person, der faktische Machthaber, die Entscheidungen.
Der Hinweis auf die Bestrafung von Frau G. nach dem Ausländerbeschäftigungsgesetz vermag daran nichts zu ändern, da unterschiedliche Tatbestandsvoraussetzungen zu differenzierten Folgen führen können. Im Gegensatz zu formalen Voraussetzungen wie die Position eines im Firmenbuch eingetragenen Geschäftsführers beispielsweise für eine Haftung für Abgaben nach den §§ 9, 80 BAO kommt es im Bereich des Finanzstrafrechtes auf die tatsächlich handelnden Personen an und nicht darauf, wer offiziell zur Vertretung einer GmbH nach außen befugt ist. In diesem Zusammenhang sei erwähnt, dass die Tatsache, dass der Konkursantrag von dem Geschäftsführer einer GmbH eingebracht wird und nicht von einem faktischen Machthaber, allein rechtliche Gründe hat und keine Aussage darüber trifft, wer tatsächlich in einer GmbH das Sagen hat.Grundsätzlich ist festzuhalten, dass für die Annahme der Täterschaft die faktische Wahrnehmung der Angelegenheiten eines Abgabepflichtigen (hier der Firma P-GmbH) genügt. Es bedarf dabei nicht eines rechtsgeschäftlichen oder organmäßigen Vollmachtsverhältnisses. Als "faktischen Geschäftsführer" trifft den Abgabepflichtigen aber die finanzstrafrechtliche Verantwortung für die Führung der Lohnkonten (), auch wenn er im Firmenbuch nicht formell als Geschäftsführer eingetragen ist.
Soweit der Bf. unter der Rubrik "keine Strafe ohne Schuld" ausführt, es wäre Aufgabe der Behörde, die Schuld des Bf. und ein tatbestandsmäßiges Verhalten nachzuweisen, ist - um ein mögliches Missverständnis zu vermeiden - darauf hinzuweisen, dass im Rahmen der Einleitung eines Finanzstrafverfahrens lediglich der Verdacht eines Finanzvergehen zu prüfen ist. Erst im weiteren Untersuchungsverfahren wird es Aufgabe der Finanzstrafbehörde erster Instanz sein, einen endgültigen Nachweis für die Schuld oder Unschuld des Bf. als möglichen Finanzstraftäter zu erbringen und die beantragten Beweisaufnahmen, soweit sie als zur Klärung des Sachverhaltes zielführend und notwendig erachtet werden, durchzuführen.
Aufgrund der derzeitigen Verfahrenslage ist jedoch der Verdacht eines Finanzvergehens durch den Bf. angesichts der damaligen Firmenkonstruktion und der Stellung des Bf. als damaliger Geschäftsführer bzw. in der Folge als faktischer Machthaber, wobei dieser Begriff entgegen den Ausführungen des Bf. keineswegs als Berufsbezeichnung zu gelten hat, sondern sich in der Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes als mögliche Täterbezeichnung entwickelt hat, sowohl in subjektiver als auch in objektiver Hinsicht insoweit gegeben, als der Bf. daran beteiligt war, dass Schwarzarbeiter beschäftigt wurden, für die keine Lohnkonten geführt wurden, dabei die Verletzung der Pflicht zur Führung von Lohnkonten in Kauf genommen hat und er von der damit verbundenen Ersparnis der Lohnabgaben gewusst hat.
Die Beantwortung der Frage, ob der Bf. das in Rede stehende Finanzvergehen tatsächlich begangen hat (oder ob Frau G. und/oder Herr D. als Täter weiter zu verfolgen sein werden), bleibt ebenso dem Ergebnis des weiteren finanzstrafbehördlichen Untersuchungsverfahrens vorbehalten wie die Durchführung der beantragten Beweise.
Wien, am
Zusatzinformationen
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Materie | Finanzstrafrecht Verfahrensrecht |
betroffene Normen | § 33 Abs. 2 lit. b FinStrG, Finanzstrafgesetz, BGBl. Nr. 129/1958 § 83 Abs. 1 FinStrG, Finanzstrafgesetz, BGBl. Nr. 129/1958 § 11 FinStrG, Finanzstrafgesetz, BGBl. Nr. 129/1958 |
Schlagworte | Einleitung Beteiligung faktischer Machthaber Geschäftsführer Lohnabgaben Schwarzarbeiter Abgabenhinterziehung |
Verweise |
Datenquelle: Findok — https://findok.bmf.gv.at