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Berufungsentscheidung - Steuer (Senat), UFSW vom 05.04.2013, RV/2485-W/10

Besteuerung von Schweizer Einkünften eines Saisonarbeiters

Entscheidungstext

Berufungsentscheidung

Der Unabhängige Finanzsenat hat durch den Senat XXX über die Berufung des B, vertreten durch S, gegen den Bescheid des Finanzamtes Amstetten Melk Scheibbs, vom betreffend Einkommensteuer 2006, nach der am in 1030 Wien, Vordere Zollamtsstraße 7 durchgeführten Berufungsverhandlung entschieden:

Der angefochtene Bescheid wird abgeändert.

Die Einkommensteuer wird für das Jahr 2006 nicht veranlagt.

Entscheidungsgründe

Der Berufungswerber war in den Zeiträumen bis , 14. Juni bis , Dezember 2006 und Jänner bis Mai 2007 in O (Schweiz) als Hotelsaisonarbeitskraft beschäftigt.

Laut dem Zentralen Melderegister hatte der Berufungswerber in dieser Zeit in Österreich den Hauptwohnsitz bei seiner Mutter in L, N-Straße1.

Der Berufungswerber machte in seiner Einkommensteuererklärung für 2006 unter anderem Kosten für doppelte Haushaltsführung und für Familienheimfahrten als Werbungskosten geltend, die sich wie folgt zusammensetzen:


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Familienheimfahrten
Kilometer
Euro
Jänner
1 x Hinfahrt
431
Jänner
1 x Heimfahrt (hin und zurück)
862
Februar
1 x Heimfahrt (hin und zurück)
862
März
1 x Heimfahrt (hin und zurück)
862
April
1 x Heimfahrt (hin und zurück)
862
Mai
1 x Heimfahrt (hin und zurück)
862
Juni
1 x Heimfahrt (hin und zurück)
862
Juli
1 x Heimfahrt (hin und zurück)
862
August
1 x Heimfahrt (hin und zurück)
862
September
1 x Heimfahrt (hin und zurück)
862
Oktober
1 x Heimfahrt (hin und zurück)
862
Dezember
1 x Hinfahrt, 1 x Rückfahrt
862
Kilometer insgesamt
9.913
x 0,376
3.727,29
Wohnkosten
3.274,12

Auf Vorhalt des Finanzamtes teilte der Berufungswerber dem Finanzamt mit, dass es sich bei den Familienheimfahrten um Fahrten zu seinem Haushalt in L, N-Straße1, gehandelt hat. Er habe für das Bewohnen eines eigenen Zimmers in der Wohnung seiner Mutter in L, N-Straße1, anteilige Miete und Betriebskosten in Höhe von monatlich pauschal 130,00 Euro an seine Mutter bar bezahlt.

Im Einkommensteuerbescheid 2006 vom wurden die in der Schweiz bezogenen Einkünfte aus nichtselbständiger Arbeit in Höhe von 22.324,86 Euro erfasst. Auf die berechnete Einkommensteuer wurde die in der Schweiz einbehaltene Quellensteuer in Höhe von 2.801,44 Euro angerechnet. Die Einkommensteuer für 2006 wurde mit 2.381,35 Euro festgesetzt. Die Kosten für doppelte Haushaltsführung und für Familienheimfahrten wurden vom Finanzamt mit folgender Begründung nicht als Werbungskosten anerkannt:

"Voraussetzung für die Anerkennung der Kosten einer doppelten Haushaltsführung und der Kosten für Familienheimfahrten ist, dass der alleinstehende Steuerpflichtige an seinem Heimatort über eine Wohnung verfügt, der Besuch der Eltern ist nicht als Familienheimfahrt zu werten.

Da die Voraussetzungen einer beruflich veranlassten doppelten Haushaltsführung nicht vorliegen, konnten die beantragten Aufwendungen für Heimfahrten und Unterkunft am Arbeitsort nicht als Werbungskosten berücksichtigt werden."

Gegen den Einkommensteuerbescheid 2006 erhob der Berufungswerber Berufung, in welcher er beantragte, die Wohnkosten in Höhe von 3.274,12 Euro und die Kosten für die Familienheimfahrten in Höhe von 2.664,00 Euro (höchstes Pendlerpauschale) zu berücksichtigen. Er beantragte weiters, die Einkommensteuer für 2006 mit 105,07 Euro festzusetzen.

Der Berufungswerber führte in der Begründung Folgendes aus:

Das Finanzamt habe ihm die Kosten für doppelte Haushaltsführung und Familienheimfahrten versagt, weil er angeblich über keine Wohnung am Heimatort verfüge. Auch wenn seine Wohnung in die Wohnung seiner Mutter integriert sei, so sei doch zu berücksichtigen, dass sowohl seine Mutter als Hauptmieterin dem Vermieter als auch er als Untermieter seiner Mutter die ihr vom Vermieter in Rechnung gestellte Miete bezahlten. Wie eine Wohnung im Hinblick auf die Familienheimfahrten auszusehen habe, sei in den Richtlinien nicht definiert. Daher meine er, eine Wohnung am Heimatort zu haben, die die Geltendmachung von Kosten für doppelte Haushaltsführung rechtfertige.

Bei seinen monatlichen Heimfahrten habe es sich nicht um Besuche bei seiner Mutter gehandelt, sondern um Fahrten in den Heimatort, um bei seiner Wohnung und dem darin befindlichen Inventar nach dem Rechten zu sehen.

Wenn das Finanzamt trotz alledem meine, er unterhielte keine Wohnung in Österreich, dann wäre er ja für den Zeitraum seiner Tätigkeit in der Schweiz in Österreich nur beschränkt steuerpflichtig und somit auch nur mit seinen österreichischen Einkünften steuerpflichtig. Die Einkünfte aus der Schweiz würden daher in Österreich mangels Wohnsitzes und gewöhnlichen Aufenthaltes, den er zu der Zeit ja in der Schweiz gehabt habe, nicht steuerpflichtig sein und müssten daher von der Besteuerung ausgenommen werden. Diesfalls stelle er den Antrag, seine Einkünfte aus der Schweiz in Österreich nicht zu besteuern.

Über die Berufung wurde erwogen:

Gemäß § 1 Abs. 2 EStG 1988 sind unbeschränkt steuerpflichtig jene natürlichen Personen, die im Inland einen Wohnsitz oder ihren gewöhnlichen Aufenthalt haben. Die unbeschränkte Steuerpflicht erstreckt sich auf alle in- und ausländischen Einkünfte.

Einen Wohnsitz hat nach § 26 Abs. 1 BAO jemand dort, wo er eine Wohnung innehat unter Umständen, die darauf schließen lassen, dass er die Wohnung beibehalten und benutzen wird.

Unter "Wohnung" sind eingerichtete, zum Wohnen bestimmte Räume zu verstehen, die den Verhältnissen des Steuerpflichtigen angemessen sind, sodass sie ihm ein entsprechendes Heim bieten können. Auch Untermietzimmer können einen Wohnsitz begründen, unter Umständen auch Hotelzimmer, wenn sie auf Dauer gemietet sind. Der Steuerpflichtige muss die Wohnung "innehaben", das heißt, er muss die Wohnung jederzeit für den eigenen Wohnbedarf nutzen können. Entscheidend ist nicht die rechtliche, sondern die tatsächliche Verfügungsmöglichkeit über bestimmte Räumlichkeiten. Auch in Räumen, die ein Dritter gemietet hat, kann man daher eine Wohnung innehaben. Eine berufliche Tätigkeit im Ausland und häufige Auslandsreisen schließen einen Wohnsitz im Inland nicht aus. Für den Wohnsitz reicht es aus, dass die Wohnung benutzt werden kann. Ob die Wohnung auch benutzt wird, ist nicht entscheidend (vgl. Doralt, EStG9, § 1 Tz 10 bis 15).

Der Berufungswerber hatte während der Beschäftigung in der Schweiz in der Wohnung seiner Mutter in L, N-Straße1 ein eigenes Zimmer zur Verfügung, welches er jederzeit für seinen Wohnbedarf nutzen konnte und auch tatsächlich einmal pro Monat bei seinen Heimataufenthalten genutzt hat. Er hatte daher einen inländischen Wohnsitz und war somit in Österreich unbeschränkt steuerpflichtig.

Gemäß Art. 15 Abs. 1 des Doppelbesteuerungsabkommens zwischen der Republik Österreich und der Schweizerischen Eidgenossenschaft, BGBl. 1975/64 idF III 2007/22 (DBA-Schweiz), dürfen Gehälter, Löhne und ähnliche Vergütungen, die eine in einem Vertragsstaat ansässige Person aus unselbständiger Arbeit bezieht, nur in diesem Staat besteuert werden, es sei denn, dass die Arbeit in dem anderen Vertragsstaat ausgeübt wird. Wird die Arbeit dort ausgeübt, so dürfen die dafür bezogenen Vergütungen in dem anderen Staat besteuert werden.

Bezieht eine in einem Vertragsstaat ansässige Person Einkünfte und dürfen diese Einkünfte nach diesem Abkommen in dem anderen Vertragsstaat besteuert werden, so nimmt der erstgenannte Staat diese Einkünfte von der Besteuerung aus. Dieser Staat darf aber bei der Festsetzung der Steuer für das übrige Einkommen dieser Person den Steuersatz anwenden, der anzuwenden wäre, wenn die betreffenden Einkünfte nicht von der Besteuerung ausgenommen wären (Befreiungsmethode, Art. 23 Abs. 1 DBA-Schweiz).

Gemäß Art. 4 Abs. 1 DBA-Schweiz bedeutet "eine in einem Vertragsstaat ansässige Person", eine Person, die nach dem in diesem Staat geltenden Recht dort unbeschränkt steuerpflichtig ist.

Eine Person gilt in jenem Vertragsstaat als ansässig, in dem sie über eine ständige Wohnstätte verfügt. Verfügt sie in beiden Vertragsstaaten über eine ständige Wohnstätte, so gilt sie als in dem Vertragsstaat ansässig, zu dem sie die engeren persönlichen und wirtschaftlichen Beziehungen hat (Mittelpunkt der Lebensinteressen, Art. 4 Abs. 2 lit. a DBA-Schweiz).

Wie oben ausgeführt, hatte der Berufungswerber während seiner Beschäftigung in der Schweiz weiterhin einen Wohnsitz in Österreich. Er verfügte aber zugleich auch über einen Wohnsitz in der Schweiz, da er auch am dortigen Dienstort ein möbliertes Zimmer angemietet hatte.

Der Berufungswerber hat somit im Berufungszeitraum über ständige Wohnstätten im Sinne des DBA-Schweiz sowohl in der Schweiz als auch in Österreich verfügt. Das Besteuerungsrecht über die Schweizer Einkünfte des Berufungswerbers steht somit dem Staat zu, zu dem der Berufungswerber die engeren persönlichen und wirtschaftlichen Beziehungen hatte (Mittelpunkt der Lebensinteressen).

Der Berufungswerber hatte laut dem Zentralen Melderegister bis den Hauptwohnsitz in der Wohnung seiner Mutter in L, N-Straße1. Im Zeitraum bis hatte er weiters einen Nebenwohnsitz bei seiner Lebensgefährtin in P, E-Straße2. Ab war der Wohnsitz bei der Lebensgefährtin in P der Hauptwohnsitz und der Wohnsitz bei der Mutter in L der Nebenwohnsitz des Berufungswerbers.

An seinem Dienstort in O (Schweiz) verfügte der Berufungswerber lediglich über ein möbliertes Zimmer. Der vom Berufungswerber betreffend dieses Zimmer mit seinem Schweizer Dienstgeber abgeschlossene Mietvertrag war mit der Dauer des Arbeitsverhältnisses befristet und endete daher mit der Auflösung dieses Arbeitsverhältnisses.

Nach der Aktenlage hat der Berufungswerber in den Jahren 2003 und 2004 saisonale Tätigkeiten in Österreich (in H) ausgeübt. Ab Mitte 2004 war der Berufungswerber in der Schweiz, zunächst in R (im Zeitraum 6-10/2004) und in W (im Zeitraum 12/2004 bis 2/2005) beschäftigt. Ab Mai 2005 war der Berufungswerber in der Schweiz in O (in den Zeiträumen 5-10/2005, 12/2005, 1-10/2006, 12/2006 und 1-5/2007) als Saisonarbeiter tätig. Seit September 2007 ist der Berufungswerber in Österreich durchgehend bei einer Supermarktkette beschäftigt.

Der Berufungswerber hat in den Jahren 2003 bis 2007 in den Zeiträumen zwischen seinen saisonalen Tätigkeiten in Österreich Arbeitslosengeld bezogen.

Da die Beschäftigung in der Schweiz nur von vorübergehender Dauer war, der Berufungswerber in der Schweiz lediglich über ein - mit der Dauer des Arbeitsverhältnisses befristetes - möbliertes Zimmer verfügte und der Berufungswerber während seiner Tätigkeit in der Schweiz in regelmäßigen Abständen nach Österreich zurückkehrte, ist davon auszugehen, dass der Mittelpunkt der Lebensinteressen des Berufungswerbers auch während seines Aufenthaltes in der Schweiz in Österreich gelegen ist.

Der Ansässigkeitsstaat des Berufungswerbers war daher Österreich.

Mit dem am mit der Schweiz unterzeichneten Protokoll zur Änderung des DBA-Schweiz (BGBl III 2007/22) wurde das DBA-Schweiz unter anderem dahingehend geändert, dass auf Einkünfte aus unselbständiger Arbeit gemäß Art. 15 Abs. 1 DBA-Schweiz die Methode der Steueranrechnung (das Anrechnungsverfahren des Art. 23 Abs. 2 DBA-Schweiz) zur Anwendung kommt. Das Änderungsprotokoll ist mit dem Austausch der Ratifikationsurkunden in Kraft getreten. Seine Bestimmungen betreffend die Einkünfte aus unselbständiger Arbeit gemäß Art. 15 Abs. 1 DBA-Schweiz finden ab dem Anwendung. Bei Personen, für die sich aufgrund der Änderungen eine höhere Gesamtsteuerbelastung als nach dem bisherigen Stand des DBA-Schweiz ergibt, finden die Änderungen jedoch erst ab dem erstmals Anwendung (vgl. Abänderungsprotokoll 2007, Art. IX).

Da der Berufungswerber im Jahr 2006 neben seinen Schweizer Einkünften keine weiteren Einkünfte bezogen hat, kommt es bei Anwendung der Befreiungsmethode - bei welcher die in der Schweiz erzielten Einkünfte nur für den Progressionsvorbehalt herangezogen werden - in Österreich zu keiner Besteuerung der Einkünfte.

Da das Anrechnungsverfahren zu einer Steuerschuld und somit zu einer höheren Gesamtsteuerbelastung führen würde, ist für das Berufungsjahr 2006 noch die Befreiungsmethode anzuwenden.

Die Einkommensteuer ist daher für das Jahr 2006 nicht zu veranlagen.

Wien, am

Zusatzinformationen


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Materie
Steuer
Finanzstrafrecht Verfahrensrecht
betroffene Normen
§ 1 Abs. 2 EStG 1988, Einkommensteuergesetz 1988, BGBl. Nr. 400/1988
§ 26 Abs. 1 BAO, Bundesabgabenordnung, BGBl. Nr. 194/1961
Art. 23 Abs. 1 DBA CH (E, V), Doppelbesteuerungsabkommen Schweiz (Einkommen- u. Vermögenssteuern), BGBl. Nr. 64/1975
Art. 4 Abs. 1 DBA CH (E, V), Doppelbesteuerungsabkommen Schweiz (Einkommen- u. Vermögenssteuern), BGBl. Nr. 64/1975
Art. 4 Abs. 2 lit. a DBA CH (E, V), Doppelbesteuerungsabkommen Schweiz (Einkommen- u. Vermögenssteuern), BGBl. Nr. 64/1975
Art. 15 Abs. 1 DBA CH (E, V), Doppelbesteuerungsabkommen Schweiz (Einkommen- u. Vermögenssteuern), BGBl. Nr. 64/1975
Art. 23 Abs. 2 DBA CH (E, V), Doppelbesteuerungsabkommen Schweiz (Einkommen- u. Vermögenssteuern), BGBl. Nr. 64/1975

Datenquelle: Findok — https://findok.bmf.gv.at