TEL.: +43 1 246 30-801  |  E-MAIL: support@lindeverlag.at
Suchen Hilfe
Berufungsentscheidung - Steuer (Senat), UFSW vom 25.09.2008, RV/2020-W/07

Keine Abgabennachsicht ohne Sanierungseffekt und Änderung an der Existenzgefährdung

Entscheidungstext

Berufungsentscheidung

Der Unabhängige Finanzsenat hat durch den Vorsitzenden Hofrat Dr. Kittinger und die weiteren Mitglieder Hofrätin Mag. Regine Linder, Gottfried Hochhauser und Gerhard Mayerhofer im Beisein der Schriftführerin Edith Sajovic-Mantl über die Berufung der Bw., vom gegen den Bescheid des Finanzamtes Wien 6/7/15 vom betreffend Nachsicht gemäß § 236 BAO nach der am in 1030 Wien, Vordere Zollamtsstraße 7, durchgeführten mündlichen Berufungsverhandlung entschieden:

Die Berufung wird als unbegründet abgewiesen.

Entscheidungsgründe

Mit Ansuchen vom beantragte die Berufungswerberin (Bw.), den zu diesem Zeitpunkt auf ihrem Abgabenkonto aushaftenden Rückstand in Höhe von € 114.261,13 nachsehen zu wollen.

Begründend wurde ausgeführt, dass die Bw. ihre einzelunternehmerische Tätigkeit mit beendet hätte. Über ihr Vermögen wäre bereits im Jahr 1999 das Schuldenregulierungsverfahren eröffnet und mit Zahlungsplan zum Abschluss gebracht worden. Aus diesem wäre noch eine Jahresrate von € 1.100,00 ausständig. Die Bw. beziehe derzeit aus nichtselbstständiger Tätigkeit ein monatliches Gehalt von € 578,00. Als einzigen Vermögenswert verfüge sie über den Hälfteanteil an einer Liegenschaft in O.. Der Wert dieses Hälfteanteils betrage gemäß einem Gutachten eines gerichtlichen Sachverständigen rund € 100.000,00. Laut Grundbuchsauszug befinde sich auf dem Grundstück im ersten Rang eine Hypothek zugunsten der Bank Austria Creditanstalt AG mit einem Höchstbetrag in Höhe von ATS 3.625.000,00 (€ 263.439,02). Zusätzlich hätte die Republik Österreich ein Pfandrecht in Höhe von € 142.914,01 auf dem Liegenschaftsanteil der Bw. vorgemerkt.

Daraus wäre erkennbar, dass eine Verwertung des einzigen Vermögenswertes der Bw. mit sehr hoher Wahrscheinlichkeit nicht zur Befriedigung auch nur des geringsten Teiles der offenen Abgabenverbindlichkeiten führe. Die Verwertung dieser Liegenschaft stelle daher eine Unbilligkeit dar. Auf Grund der schlechten wirtschaftlichen Situation wäre die Bw. nicht imstande die hohen Abgabenverbindlichkeiten zu begleichen und stelle die weitere Einhebung der offenen Schulden eine Unbilligkeit dar.

Mit Bescheid vom wies das Finanzamt dieses Ansuchen als unbegründet ab und führte aus, dass von unbilliger Härte nur dann gesprochen werden könne, wenn die Abgabenschuld im Vergleich zum Einkommen und Vermögen des Abgabepflichtigen in einem krassen Missverhältnis stehe und Einbringungshärten nicht einmal durch Gewährung von Zahlungserleichterungen hintangehalten werden könnten.

In der dagegen am rechtzeitig eingebrachten Berufung beantragte die Bw. die Abhaltung einer mündlichen Verhandlung vor dem Berufungssenat und brachte ergänzend vor, dass das mit beendete Einzelunternehmen auf Grund von Streitigkeiten über das Mietverhältnis äußerst defizitär gewesen wäre. Denn das zunächst gutgehende Geschäftslokal hätte sich in einem Einkaufszentrum befunden, dessen Betreiber eine Neuausrichtung vornehmen hätte wollen. Deswegen wären Mieter gekündigt worden, wodurch sich die Umsätze der Bw. rapide verschlechtert und nicht ausgereicht hätten, um sämtliche laufenden Aufwendungen zu tragen. Der Vermieter hätte schließlich auch der Bw. gekündigt, wogegen sie sich in einem Rechtsstreit gewehrt hätte, der ebenfalls erhebliche Kosten verursacht hätte. Die Bw. wäre in diesem Rechtsstreit unterlegen und hätte ihr Lokal räumen müssen. Dennoch hätte ihr der Betreiber nach der Renovierung ein Geschäftslokal in demselben Einkaufszentrum angeboten, das die Bw. auch angenommen hätte. Jedoch hätte mit dem neuen Geschäftslokal auf Grund der schlechteren Lage und der dadurch ausbleibenden Laufkundschaft nicht der notwendige Umsatz erzielt werden können, um die Aufwendungen zu tragen.

Da die Voraussetzungen einer persönlichen Unbilligkeit vorlägen, werde ersucht, die Ermessensentscheidung der belangten Behörde abzuändern und die offenen Abgabenverbindlichkeiten nachzusehen.

In der am vor dem Senat abgehaltenen mündlichen Berufungsverhandlung brachte die Bw. vor, dass die Vollmacht ihres auf der Berufung ausgewiesenen bisherigen steuerlichen Vertreters nicht mehr aufrecht wäre und ihr daher die gegenständliche Berufungsentscheidung persönlich zuzustellen wäre.

Ergänzend wurde ausgeführt, dass die Bw. seit August 2008 eine Einzelfirma mit dem Betriebsgegenstand Vermietung von Messeständen und Buffet betreibe, wobei die monatlichen Einkünfte derzeit nicht bezifferbar wären, jedoch sich bisher die Einnahmen und Ausgaben die Waage hielten. Zum Leben entnehme sie € 700,00 monatlich.

Der Hälfteanteil am Einfamilienhaus ihres Gatten wäre versteigert und von einem Immobilienmakler erworben worden. Derzeit würden noch ca. € 190.00,00 vom BA-CA-Kredit aushaften. Weiters würden bei der Erstebank ein grundbücherlich nicht gesicherter Kredit in Höhe von € 15.000,00 und bei der BAWAG von derzeit ca. € 5.000,00 aushaften. Darüberhinaus gebe es keine offenen Verbindlichkeiten. Solange ihr Gatte dazu noch in der Lage gewesen wäre, wären Kreditrückzahlungen mit dessen Hilfe durchgeführt wurden. Auch ihre Angehörigen hätten ihr nach Kräften bei der Tilgung der nicht mehr aushaftenden Verbindlichkeiten geholfen.

Über die Berufung wurde erwogen:

Gemäß § 236 Abs. 1 BAO können fällige Abgabenschuldigkeiten auf Antrag des Abgabepflichtigen ganz oder zum Teil durch Abschreibung nachgesehen werden, wenn ihre Einhebung nach der Lage des Falles unbillig wäre.

Die Unbilligkeit der Abgabeneinhebung nach der Lage des Falles ist tatbestandsmäßige Voraussetzung für die in § 236 BAO vorgesehene Ermessensentscheidung. Ist die Unbilligkeit der Abgabeneinhebung zu verneinen, so ist für eine Ermessensentscheidung kein Raum (; sowie Stoll, BAO, 583).

Die in § 236 BAO geforderte Unbilligkeit kann entweder persönlich oder sachlich bedingt sein. Nach der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes setzt Unbilligkeit der Abgabeneinhebung im Allgemeinen voraus, dass die Einhebung in keinem wirtschaftlich vertretbaren Verhältnis zu jenen Nachteilen steht, die sich aus der Einziehung für den Steuerpflichtigen oder den Steuergegenstand ergeben ().

Dabei ist es Sache des Nachsichtswerbers, einwandfrei und unter Ausschluss jeglicher Zweifel das Vorliegen jener Umstände darzutun, auf die die Nachsicht gestützt werden kann (). Legt der Abgabepflichtige jene Umstände nicht dar, aus denen sich die Unbilligkeit der Einhebung ergibt, so ist es allein schon aus diesem Grund ausgeschlossen, eine Abgabennachsicht zu gewähren ().

Da von der Bw. keine sachliche Unbilligkeit behauptet wurde, war nunmehr zu prüfen, ob im gegenständlichen Fall eine persönliche Unbilligkeit vorliegt. Hierbei ist jedoch noch keine Ermessensentscheidung zu treffen, sondern ein unbestimmter Gesetzesbegriff auszulegen.

Eine persönlich bedingte Unbilligkeit liegt im Besonderen dann vor, wenn die Einhebung der Abgaben die Existenzgrundlagen des Nachsichtswerbers gefährdet, wobei es allerdings nicht unbedingt der Gefährdung des Nahrungsstandes, besonderer finanzieller Schwierigkeiten oder Notlagen bedarf, sondern es genügt, wenn etwa die Abstattung trotz zumutbarer Sorgfalt nur durch Veräußerung von Vermögenschaften möglich wäre und diese Veräußerung einer Verschleuderung gleichkäme ().

Für das Vorliegen einer persönlichen Unbilligkeit muss ein wirtschaftliches Missverhältnis zwischen der Einhebung der Abgabe und den im subjektiven Bereich der Bw. entstehenden Nachteilen bestehen. Dies kann insbesondere dann der Fall sein, wenn die Einhebung die Existenz des Unternehmens gefährden würde. Im gegenständlichen Fall hat die Bw. jedoch nicht ausreichend dargelegt, weshalb gerade durch die Einbringung der in Rede stehenden Abgaben ihre wirtschaftliche Existenz gefährdet wäre.

Dazu ist festzustellen, dass die Bw. nach in der mündlichen Verhandlung getätigten eigenen Angaben Entnahmen aus ihrem Betrieb der Vermietung von Messeständen und Buffet von monatlich rund € 700,00 bezieht. Demgegenüber stehen laut Bw. erhebliche Schulden, nämlich € 190.000,00 bei der Bank Austria, € 15.000,00 bei der Erste Bank, € 5.000,00 bei der BAWAG (alle gemeinsam mit ihrem Ehegatten) sowie eigene Finanzamtsschulden von derzeit € 112.623,54.

An Vermögenswerten besitzt die Bw. einen mit € 100.000,00 bewerteten Hälfteanteil an einer Liegenschaft, der jedoch mit € 263.439,02 zugunsten der Bank Austria Creditanstalt AG belastet ist (aushaftend mit € 190.000,00). Da die Republik Österreich lediglich im zweiten Rang ein Pfandrecht von € 142.914,01 hält, muss dem Einwand der Bw., dass eine Verwertung mit sehr hoher Wahrscheinlichkeit nicht zur Befriedigung auch nur des geringsten Teiles der offenen Abgabenverbindlichkeiten führen würde, beigepflichtet werden.

Daraus erhellt, dass die finanzielle Situation der Bw. so schlecht ist, dass auch die Gewährung der beantragten Nachsicht nicht den geringsten Sanierungseffekt hätte und an der Existenzgefährdung nichts änderte ().

Eine persönliche Unbilligkeit ist somit nicht gegeben.

Aber auch im Falle einer Bejahung der Nachsichtsvoraussetzungen würde im Rahmen der dann zu treffenden Ermessensentscheidung gegen eine Nachsichtsgewährung sprechen, dass sich die Nachsicht nur zu Gunsten anderer Gläubiger auswirken würde (). Dass dies - durch die vollständige Entrichtung der bei der Krankenkassa, bei VISA sowie ihrem bisherigen steuerlichen Vertreter bestehenden Verbindlichkeiten - bereits geschehen ist, bekannte die Bw. in der mündlichen Verhandlung selbst ein.

Es war daher spruchgemäß zu entscheiden.

Wien, am

Zusatzinformationen


Tabelle in neuem Fenster öffnen
Materie
Steuer
Finanzstrafrecht Verfahrensrecht
betroffene Normen
§ 236 Abs. 1 BAO, Bundesabgabenordnung, BGBl. Nr. 194/1961
Schlagworte
Nachsicht
Sanierungseffekt
Existenzgefährdung

Datenquelle: Findok — https://findok.bmf.gv.at