TEL.: +43 1 246 30-801  |  E-MAIL: support@lindeverlag.at
Suchen Hilfe
Sonstiger Bescheid, UFSL vom 04.04.2013, RV/0321-L/12

Mitteilung des Abgabenanspruches im Haftungsverfahren.

Entscheidungstext

Bescheid

Der Unabhängige Finanzsenat hat über die Berufung des Bw., AdresseBw., vertreten durch Stb., vom gegen den Bescheid des Finanzamtes XY, vertreten durch YX, vom betreffend Haftung gemäß § 9 iVm § 80 BAO entschieden:

Der angefochtene Bescheid wird gemäß § 289 Abs. 1 der Bundesabgabenordnung (BAO), BGBl Nr. 1961/194 idgF, unter Zurückverweisung der Sache an die Abgabenbehörde erster Instanz aufgehoben.

Entscheidungsgründe

Mit Beschluss des Landesgerichtes für ZRS Q. vom wurde über das Vermögen der M. GmbH (Primärschuldnerin) das Konkursverfahren eröffnet. Am wurde dieser gemäß § 139 KO aufgehoben. Geschäftsführer dieser Gesellschaft war laut Eintragung im Firmenbuch Bw..

Mit Haftungsbescheid vom wurde gegenüber Bw. die Haftung hinsichtlich Abgabenschuldigkeiten der M. GmbH in Höhe von 298.415,77 € geltend gemacht und wie folgt begründet: Gemäß § 9 Abs. 1 BAO würden die in den §§ 80ff BAO bezeichneten Vertreter neben den durch sie vertretenen Abgabenschuldnern für die diese treffenden Abgaben insoweit haften, als die Abgaben infolge schuldhafter Verletzung der den Vertretern auferlegten Pflichten nicht eingebracht werden könnten. Zu den abgabenrechtlichen Pflichten der Vertreters würde insbesondere gehören, dafür zu sorgen, dass die Abgaben entrichtet würden. Gemäß § 95 EStG 1988 sei die Kapitalertragsteuer durch Abzug einzubehalten. Schuldner der Kapitalertragsteuer sei der Empfänger der Kapitalerträge, zum Abzug verpflichtet sei derjenige, der die Kapitalerträge gewähre. Der zum Abzug Verpflichtete hafte dem Bund für die Einbehaltung und Abfuhr der Kapitalertragsteuer. Über das Vermögen der M. GmbH als Primärschuldnerin sei mit Beschluss vom ein Konkursverfahren eröffnet worden. Dieses Verfahren sei nach Verteilung der Konkursmasse mit Beschluss vom eingestellt worden. Das Vermögen der Primärschuldnerin sei gleichmäßig auf ihre Gläubiger verteilt worden. Der Berufungswerber sei laut Firmenbuch zum Zeitpunkt der Fälligkeit der haftungsgegenständlichen Abgaben Geschäftsführer und somit gesetzlicher Vertreter der Primärschuldnerin gewesen. Als solche hätte er unter anderem für die fristgerechte Entrichtung der Abgabenschulden sowie die Einhaltung sonstiger steuerlicher Bestimmungen Sorge zu tragen gehabt. Anläßlich einer Betriebsprüfung seien Feststellungen getroffen worden, welche letztlich zur Festsetzung der haftungsgegenständlichen Abgaben geführt hätten. Nach ständiger Rechtsprechung durch den VwGH liege im Falle einer Nichtbeachtung der Bestimmungen des § 95 EStG 1988 bereits eine schuldhafte Pflichtverletzung vor. Diese schuldhafte Pflichtverletzung führe daher auch zwangsläufig zur Uneinbringlichkeit der gegenständlichen Haftungsschuld bei der vermögenslosen Primärschuldnerin. Die Geltendmachung der Geschäftsführerhaftung sei die einzige Möglichkeit, um den drohenden Ausgabenausfall zu vermeiden. Die Primärschuldnerin sei nach Verteilung ihres Vermögens an ihre Gläubiger im Konkursverfahren vermögenslos, die haftungsgegenständliche Abgabenschuld sei bei ihr uneinbringlich. Eine Uneinbringlichkeit beim Berufungswerber als Haftungsschuldner könne jedoch nicht von vornherein angenommen werden. Im Zuge eines Sicherstellungsverfahrens seien die wirtschaftlichen Verhältnisse des Berufungswerbers festgestellt worden. Trotz Berücksichtigung seiner Unterhaltspflichten und seiner sonstigen, aus dem Sicherstellungsverfahren bekannten Zahlungsverpflichtungen erscheine es unter Berücksichtigung seines bisherigen beruflichen Werdeganges als durchaus wahrscheinlich, dass der Berufungswerber auch künftig in der Lage sein werde, ein Einkommen zu erwirtschaften, welches ihn in die Lage versetze, diesen Verpflichtungen nach zu kommen und die Haftungsschulden zu begleichen. Auch sei zu berücksichtigen, dass die Sachverhalte, welche zur Haftungsschuld geführt hätten, erst im Zuge einer Betriebsprüfung festgestellt worden wären, somit also auch der Erklärungspflicht Kapitalertragsteuer nicht entsprochen worden wäre. Die dem Haftungsverfahren zugrundeliegenden Abgabenbescheide wurden dem Berufungswerber dabei nicht zur Kenntnis gebracht.

Gegen den angeführten Haftungsbescheid erhob der Berufungswerber fristgerecht Berufung. Begründet wurde diese im Wesentlichen mit Einwendungen gegen die dem Haftungsbescheid zugrundeliegenden Abgabenbescheide sowie mit dem Einwand, es würden keine schuldhaften Pflichtverletzungen vorliegen. Des weiteren wurden Anträge auf Durchführung einer mündlichen Verhandlung und Entscheidung durch den gesamten Berufungssenat gestellt.

Mit Berufungsvorentscheidung vom 8. August 20011 wurde dieser Berufung teilweise statt gegeben und der Haftungsbetrag auf 226.446,87 € reduziert. Zudem wurde unter anderem ausgeführt, dass in der obigen Berufung ausdrücklich auf die Berufung gegen die der Haftung zugrundeliegenden Abgabenbescheide vom bzw. die Ergänzungsschrift vom verwiesen worden wäre. Es würde daher angenommen werden, dass dem Berufungswerber der Inhalt dieser Bescheide bekannt gewesen sein würde.

Mit Schreiben vom wurde der Antrag auf Vorlage der Berufung zur Entscheidung durch die Abgabenbehörde zweiter Instanz gestellt. Auch im Vorlageantrag wurden im Wesentlichen Einwendungen gegen die dem Haftungsbescheid zugrundeliegenden Abgabenbescheide und das Vorliegen einer schuldhaften Pflichtverletzung vorgebracht.

Zur Berufung wurde erwogen:

Gemäß § 9 Abs. 1 Bundesabgabenordnung (BAO), BGBl.Nr. 194/1961, haften die in den §§ 80 ff BAO bezeichneten Vertreter neben den durch sie vertretenen Abgabepflichtigen für die diese treffenden Abgaben insoweit, als die Abgaben infolge schuldhafter Verletzung der den Vertretern auferlegten Pflichten nicht eingebracht werden können.

Gemäß § 80 Abs. 1 BAO haben die zur Vertretung juristischer Personen berufenen Personen alle Pflichten zu erfüllen, die den von ihnen Vertretenen obliegen. Sie haben insbesondere dafür zu sorgen, dass die Abgaben aus den Mitteln, die sie verwalten, entrichtet werden.

Nach der Bestimmung des § 248 BAO kann der nach Abgabenvorschriften Haftungspflichtige unbeschadet der Einbringung einer Berufung gegen seine Heranziehung zur Haftung (Haftungsbescheid § 224 Abs. 1 leg. cit.) innerhalb der für die Einbringung der Berufung gegen den Haftungsbescheid offenstehenden Frist auch gegen den Bescheid über den Abgabenanspruch berufen. Beantragt der Haftungspflichtige die Mitteilung des ihm noch nicht zur Kenntnis gebrachten Abgabenanspruches, so gilt § 245 Abs. 2 und 4 leg. cit. sinngemäß.

"Bescheide über den Abgabenanspruch" sind insbesondere Abgabenbescheide (§ 198 BAO) und Haftungsbescheide (§ 224 BAO). Daher kann beispielsweise der gemäß § 9 BAO für Lohnsteuer in Anspruch genommene Geschäftsführer einer GmbH auch gegen den an die GmbH gerichteten Lohnsteuerhaftungsbescheid (§ 82 EStG) berufen (Ritz, BAO3, § 248 Tz 4).

Ein Antrag auf Mitteilung der für den Haftungsbescheid maßgeblichen Abgabenbescheide wurde seitens des Berufungswerbers nicht gestellt.

Die genannte Bestimmung ermöglicht es dem Berufungswerber nicht nur gegen den Haftungsbescheid, sondern auch gegen die diesem zugrundeliegenden, an die M. GmbH gerichteten Abgabenbescheide berufen zu können. Aus dem dem Haftungspflichtigen eingeräumten Berufungsrecht ergibt sich allerdings, dass ihm anlässlich der Erlassung des Haftungsbescheidesvon der Behörde über den haftungsgegenständlichen Abgabenanspruch Kenntnis zu verschaffen ist, und zwar vor allem über Grund und Höhe des feststehenden Abgabenanspruches (vgl. sowie ). Eine solche Bekanntmachung hat durch Zusendung einer Ausfertigung (Ablichtung) der maßgeblichen Bescheide über den Abgabenanspruch, allenfalls durch Mitteilung des Bescheidinhaltes zu erfolgen (vgl. zB Ellinger/Wetzel, BAO, 194). Das Unterbleiben einer solchen Bekanntmachung macht den Haftungsbescheid rechtswidrig (Ritz, BAO3, § 248 Tz 8 mit weiteren Nachweisen in und Stoll, JBl 1982, 9).

Auch im Erkenntnis vom , 2005/13/0145 hat der VwGH unter Hinweis auf Vorjudikatur ausgeführt, dass bei unterlassener Bekanntmachung des für den Haftungsbescheid maßgeblichen Abgabenbescheides ein Mangel des Verfahrens vorliegt, der imVerfahren über die Berufung gegen den Haftungsbescheid nicht sanierbar ist.

Da im berufungsgegenständlichen Fall anlässlich der Erlassung des Haftungsbescheides eine Zusendung der Bescheide über die Abgabenansprüche nicht erfolgt ist wurde der Haftungsbescheid mit Rechtswidrigkeit behaftet. Eine nach Ablauf der Berufungsfrist verfügte Übermittlung der Abgabenbescheide vermag den Mangel jedenfalls nicht zu heilen. Es ist unmöglich, binnen offener Frist (den Haftungsbescheid betreffend) gegen Abgabenbescheide zu berufen, wenn dem Rechtsunterworfenen von der Behörde binnen eben dieser Frist keinerlei Kenntnis über die Bescheide verschafft wird.

§ 289 Abs. 1 BAO lautet: "Ist die Berufung weder zurückzuweisen (§ 273), noch als zurückgenommen (§ 85 Abs. 2, § 86a Abs. 1) oder als gegenstandslos (§ 256 Abs. 3, § 274) zu erklären, so kann die Abgabenbehörde zweiter Instanz die Berufung durch Aufhebung des angefochtenen Bescheides und allfälliger Berufungsvorentscheidungen unter Zurückverweisung der Sache an die Abgabenbehörde erster Instanz erledigen, wenn Ermittlungen (§ 115 Abs. 1) unterlassen wurden, bei deren Durchführung ein anders lautender Bescheid hätte erlassen werden oder eine Bescheiderteilung hätte unterbleiben können. Im weiteren Verfahren sind die Behörden an die für die Aufhebung maßgebliche, im Aufhebungsbescheid dargelegte Rechtsanschauung gebunden. Durch die Aufhebung des angefochtenen Bescheides tritt das Verfahren in die Lage zurück, in der es sich vor Erlassung dieses Bescheides befunden hat. Soweit die Verjährung der Festsetzung einer Abgabe in einer Berufungsentscheidung (Abs. 2) nicht entgegenstehen würde, steht sie auch nicht der Abgabenfestsetzung im den aufgehobenen Bescheid ersetzenden Bescheid der Abgabenbehörde erster Instanz entgegen; § 209a gilt sinngemäß."

Nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes (), liegt ein Mangel des Verfahrens vor, der im Verfahren über die Berufung gegen den Haftungsbescheid nicht sanierbar ist, wenn wie im gegenständlichen Fall Abgabenansprüche nicht anlässlich der Erlassung des Haftungsbescheides bekanntgegeben werden. Die Ermächtigung des § 289 Abs. 1 BAO zur kassatorischen Erledigung von Berufungen, deren Voraussetzung wesentliche Verfahrensmängel des erstinstanzlichen Verfahrens ist, liegt zwar im Ermessen der Behörde, ist aber die einzige Möglichkeit einer gesetzmäßigen Entscheidung (siehe etwa , , oder ).

Gemäß § 284 Abs. 3 BAO kann der Berufungssenat ungeachtet eines Antrages auf Durchführung einer mündlichen Senatsverhandlung von einer solchen absehen, wenn eine Aufhebung nach § 289 Abs. 1 BAO erfolgt. Im vorliegenden Fall ist ein solches Absehen auch unter dem Aspekt, dass keine weitere Klärung des Sachverhaltes zu erwarten wäre, als auch unter dem Aspekt der Kostenersparnis geboten.

Es war daher spruchgemäß zu entscheiden.

Linz, am

Zusatzinformationen


Tabelle in neuem Fenster öffnen
Materie
Steuer
Finanzstrafrecht Verfahrensrecht
betroffene Normen
§ 248 BAO, Bundesabgabenordnung, BGBl. Nr. 194/1961

Datenquelle: Findok — https://findok.bmf.gv.at