Einkünftehinzuschätzung nur aufgrund Bier-KM bei ansonsten ordnungsgemäßer Buchführung
VwGH-Beschwerde zur Zl. 2005/15/0162 eingebracht (Amtsbeschwerde). Mit Erk. v. wegen Rechtswidrigkeit des Inhaltes aufgehoben. Fortgesetztes Verfahren nicht durch BE erledigt.
Entscheidungstext
Berufungsentscheidung
Der unabhängige Finanzsenat hat über die Berufung der Bw, vertreten durch Stb, vom gegen den Bescheid des Finanzamtes Waidhofen an der Thaya vom betreffend Feststellung der Einkünfte aus Gewerbebetrieb gemäß § 188 BAO für das Jahr 1998 entschieden:
Der Berufung wird Folge gegeben.
Der angefochtene Bescheid wird abgeändert und ausgesprochen:
Die im Kalenderjahr 1998 erzielten Einkünfte aus Gewerbebetrieb werden gemäß § 188 BAO mit 60.152,18 € festgestellt. Davon entfallen 45.404,61 € auf die neuerFirmenname und 2.996,23 € auf Herrn A und 11.751,34 € auf Frau B.
Entscheidungsgründe
Die berufungswerbende Mitunternehmerschaft (Bw) beruht auf atypisch stillen Gesellschaften, die die Geschäftsherrin, die alterFirmenname., welche laut Firmenbucheintragung vom nunmehr den Firmennamen neuerFirmenname. trägt, einerseits mit Herrn A und andererseits mit Frau B abgeschlossen hat.
Bei der Geschäftsherrin wurden im Rahmen einer UVA-Prüfung für den Zeitraum Jänner bis September 1998 auf Basis des nach Ansicht des Prüfers nichterfassten Wareneinkaufes bei der Brauerei zu den bisher erklärten Umsätzen - basierend auf den erklärten Rohaufschlagskoeffizienten - folgende Zuschätzungen vorgenommen: Wareneinsatzzuschätzung zu 10%: 31.400 öS, zu 20%: 74.400 öS; Umsatzzuschätzung zu 10%: 87.920 öS, zu 20%: 267.840 öS.
Am langte die Erklärung der Einkünfte von Personengesellschaften der Bw für das Jahr 1998 beim Finanzamt ein (F-Akt Bl 5ff/1998).
Das Finanzamt erhöhte - entsprechend der o.a. UVA-Prüfung - die von der Bw erklärten Einkünfte aus Gewerbebetrieb um insgesamt 249.960 öS; bei der Verteilung dieser Einkünfte auf die Beteiligten wurden die Anteile für Herrn A und für Frau B um jeweils die Hälfte davon, d.h. 124.980 öS, erhöht. Das Finanzamt erließ einen entsprechenden, mit datierten Bescheid zur Feststellung der Einkünfte für das Jahr 1998 (F-Akt Bl 11ff/1998).
Mit Schreiben vom wurde Berufung gegen den Bescheid betreffend Feststellung der Einkünfte 1998 erhoben und ausgeführt: "Wie ich bereits in der Berufung vom gegen den Bescheid über die Festsetzung der Umsatzsteuer 1-9/1998 ausgeführt habe, wurden mir seitens des Finanzamtes im Zuge des USO-Verfahrens trotz mehrmaligen Ersuchens keinerlei Unterlagen zu Verfügung gestellt, aus denen sich eine Umsatzzuschätzung in irgend einer Weise rechtfertigen ließe....Es kann nicht rechtens sein, daß in einem Rechtsstaat, in dem im Verfahrensrecht die Unschuldsvermutung und das Prinzip der ´Waffengleichheit´ verankert sind, eine derartig schwerwiegende behördliche Entscheidung getroffen wird, ohne daß der Betroffene überhaupt Gelegenheit bekommt, die Ermittlungsergebnisse der Finanzbehörde entkräften zu können....... Im übrigen halte ich meine Ausführungen in der Berufungsschrift vom gegen den Festsetzungbescheid 1-9/98 vollinhaltlich aufrecht."
In jener Berufungsschrift war seitens der Geschäftsherrin eingewendet worden: "... Dazu gebe ich bekannt, daß seitens des Finanzamtes trotz meines mehrmaligen Ersuchens bislang noch immer keine Unterlagen oder irgendwelche Dokumente vorgeletgt wurden, aus denen sich diese Umsatzzuschätzung beweisen läßt. Vielmehr erklärt der Steuerpflichtige, daß er keinerlei ´Schwarzeinkäufe´ getätigt hat, weshalb die Ableitung der Einkäufe lediglich aufgrund der auf anonyme Privatpersonen lautenden Lieferscheine meines Erachtens doch sehr ungerecht erscheint und sämtlichen in der österreichen Rechtslandschaft geltenden Prinzipien widerspricht.Nachdem also seitens der Finanzverwaltung außer einer EDV-Liste mit diversen aussageschwachen Lieferscheinaufzählungen kein wirklich triftiger Beweis für eine unvollständige Umsatzversteuerung vorgelegt wird, ist eine Zuschätzung jedenfalls unbillig, zumal im Jahr 1998 auch keinerlei Buchführungsmägel wie etwa in den Vorjahren festgestellt wurden....... Es kann nicht rechtens sein, daß den Steuerpflichtigen allein aufgrund von vagen Datensätzen wie etwa Lieferscheinnummern und rein schematische Zuordnung derart enorme Konsequenzen treffen dürfen ..."
Mit Schreiben vom hielt das Finanzamt der Bw eine Stellungnahme des Betriebsprüfers mit einer Darstellung der Vorgangsweise bei der Auswertung der im Rahmen von Hausdurchsuchungen bei der Brauerei beschlagnahmten EDV-Daten vor (F-Akt Bl 15ff/1998), womit iVm dem Vorhalt der Stellungnahme des Systemprüfers nach Ansicht der Berufungsbehörde dem § 49 Abs 3 DSG 2000 entsprochen worden ist.
Mit Schreiben vom (Ablichtung: F-Akt Bl 18/1998) wurde für die Bw gemeinsam mit der Geschäftsherrin zum Vorhalt vom Stellung genommen und u.a. ausgeführt: "... Es wird im Vorhalt von Einvernahmen von Bediensteten der (Brauerei) berichtet, die angeblich eine eindeutige Verknüpfung diverser Verkaufsgeschäfte zulassen. Jedoch konnte ich bis dato auch in diese Protokolle noch nicht Einsicht nehmen, weshalb anzunehmen ist, dass es hinsichtlich meiner Klienten überhaupt keine entsprechenden Zeugenaussagen geben kann.Auch hat mir der Verantwortliche der (Brauerei) bestätigt, dass es im vorliegenden Fall keine entsprechenden Hinweise gibt. Lediglich seien alle auf eine Gemeinde bezogenen Lieferungen ersichtlich, es gäbe jedoch keinerlei Verknüpfung mit einem Letztverbraucher und schon gar nicht mit meinen Klienten. Diese Tatsache lese ich auch aus dem Vorhalt des Finanzamtes heraus...." Anm: Damit wird offenbar auf folgende Aussage im Vorhalt Bezug genommen: "Die Konten, auf denen solche ´inoffiziellen´ Lieferungen erfasst wurden, wurden zumeist wie folgt bezeichnet: ´Div. Letztverbraucher Ortsname´, ´Gemeinde Ortsnahme´, ´Fahrverkauf Ortsname´."
Weiters ist eine Stellungnahme des Systemprüfers vom in Sachen Berufung der Geschäftsherrin aktenkundig (Ablichtung: F-Akt Bl 19ff/1998), die die Bw gleichermaßen betrifft und daher der Bw mit zweitinstanzlichem Vorhalt vom vorgehalten wurde.
Über die Berufung wurde erwogen:
In der Berufungsschrift wird zwar nicht ausdrücklich auf das Datenschutzgesetz 2000 (DSG 2000) Bezug genommen, jedoch wird inhaltlich die von § 49 DSG 2000 behandelte Problematik angesprochen. Da gemäß § 60 DSG 2000 dieses Datenschutzgesetz 2000 (BGBl I 1999/165) am in Kraft getreten ist, steht seine Anwendbarkeit auf das gegenständliche Verfahren angesichts der Erlassung des angefochtenen Bescheides im Februar 2001 nach Ansicht der Berufungsbehörde außer Zweifel.
Im Abgabenverfahren gibt es (anders als im Finanzstrafverfahren) keine Unschuldsvermutung und gemäß § 166 BAO grundsätzlich kein Beweisverwertungsverbot, jedoch sieht im Speziellen der im Anschluss zitierte § 49 DSG 2000 u.U. im Ergebnis ein Beweisverwertungsverbot für Ergebnisse einer automationsunterstützten Datenverarbeitung vor, wenn diese Ergebnisse das einzige Beweismittel (hier: für die Unrichtigkeit der von der Bw erkärten Einkünfte) sind:
§ 49 DSG 2000 normiert: "Automatisierte Einzelentscheidungen§ 49. (1) Niemand darf einer für ihn rechtliche Folgen nach sich ziehenden oder einer ihn erheblich beeinträchtigenden Entscheidung unterworfen werden, die ausschließlich auf Grund einer automationsunterstützten Verarbeitung von Daten zum Zweck der Bewertung einzelner Aspekte seiner Person ergeht, wie beispielsweise seiner beruflichen Leistungsfähigkeit, seiner Kreditwürdigkeit, seiner Zuverlässigkeit oder seines Verhaltens.(2) Abweichend von Abs. 1 darf eine Person einer ausschließlich automationsunterstützt erzeugten Entscheidung unterworfen werden, wenn1. dies gesetzlich ausdrücklich vorgesehen ist oder2. die Entscheidung im Rahmen des Abschlusses oder der Erfüllung eines Vertrages ergeht und dem Ersuchen des Betroffenen auf Abschluß oder Erfüllung des Vertrages stattgegeben wurde oder3. die Wahrung der berechtigten Interessen des Betroffenen durch geeignete Maßnahmen - beispielsweise die Möglichkeit, seinen Standpunkt geltend zu machen - garantiert wird.(3) Dem Betroffenen ist bei automatisierten Einzelentscheidungen auf Antrag der logische Ablauf der automatisierten Entscheidungsfindung in allgemein verständlicher Form darzulegen."
Da "Betroffener" laut Definition gemäß § 4 Z 3 DSG 2000 jede vom Auftraggeber der Datenanwendung verschiedene natürliche oder juristische Person oder Personengemeinschaft ist, muss davon ausgegangen werden, dass § 49 DSG nicht nur natürliche Personen, sondern auch juristische Personen und Personengemeinschaften - wie die Bw - schützt.
Die strittige Einkünftehinzuschätzung beruht nur auf den Auswertungen von EDV-Daten der Brauerei . Der Bw ist aufgrund der Aktenlage zuzustimmen, dass keine anderen Gründe, insb formelle oder materielle Buchführungsmängel bei der Bw bzw der Geschäftsherrin für die strittige Hinzuschätzung des Jahres 1998 festzustellen sind. Die in der Stellungnahme des Betriebsprüfers erwähnten Einvernahmen von Bediensteten der Brauerei mögen die Feststellungen der Finanzverwaltung über die EDV-Daten und die gegenständlichen Abläufe innerhalb der Brauerei bestätigt haben; jedoch sind keine konkret auf die Bw oder ihre Geschäftsherrin bezogenen Erkenntnisse durch diese Einvernahmen bekannt geworden. Bezogen auf die Bw gibt es gegenständlich ausschließlich automationsunterstützt verarbeitete Daten.
Die Methode, aus diesen Daten Schlüsse hinsichtlich der Bw zu ziehen, mag zwar zunächst als rein automatisierte Methode erscheinen; jedoch ist durch die Stellungnahme des Systemprüfers vom eine zusätzliche Nachvollziehung angewendet worden.
§ 49 Abs 1 und 2 DSG 2000 (und die Überschrift) sind nicht einheitlich formuliert: Die Überschrift ("Automatisierte Einzelentscheidungen") und insb der die Ausnahmen vom Verbot des Abs 1 regelnde Abs 2 ("ausschließlich automationsunterstützt erzeugten Entscheidung") könnten den Schluss nahelegen, dass damit Entscheidungen gemeint sind, die - bis hin etwa zur Bescheiderlassung, zur Anzeigeerstattung etc - automatisiert ablaufen. Der das Verbot direkt regelnde und somit maßgebende Abs 1 (Entscheidung, "die ausschließlich auf Grund einer automationsunterstützten Verarbeitung von Daten" ergeht), umfasst jedoch auch den Fall der Bw, in welchem eine Datei, also automationsunterstützt verarbeitete Daten, unter schlussendlich menschlicher Mithilfe des Systemprüfers ausgewertet wird. Die Grundlage für diese Tätigkeit des Systemprüfers war aber ausschließlich der automationsunterstützt verarbeitete Datenbestand. Die angefochtene Umsatzhinzurechnung ist daher "auf Grund einer automationsunterstützten Verarbeitung von Daten" erfolgt, und zwar "ausschließlich" darauf gestützt, da es sich bei der gegenständlichen Auswertung um den einzigen herangezogenen Beweis handelte und kein weiterer Beweis ersichtlich ist.
Die strittige Einkünftehinzuschätzung im Ausmaß von 249.960 öS zöge rechtliche Folgen (dementsprechende Einkünftefeststellung bzw Bestätigung der Einkünftefeststellung im Rechtsmittelverfahren) für die Bw nach sich. Die Verwerfung der Richtigkeit ihrer Einkünfteerklärung wäre im Übrigen jedenfalls eine Bewertung ihrer Zuverlässigkeit und ihres Verhaltens (bzw des ihr zuzurechnenden Verhaltens ihrer Vertreter), sodass an einer Anwendung von § 49 Abs 1 DSG 2000 keine Zweifel bestehen.
Ausnahmen gemäß § 49 Abs 2 DSG 2000 liegen nicht vor:
Es ist keine ausdrückliche gesetzliche Normierung der gegenständlichen Auswertung gegeben. Eine solche ist auch aus §§ 131 und 132 (jeweils Abs 3, letzter Satz) idF BGBl I 1999/28 (ausgegeben am ) nicht herauszulesen: "Werden dauerhafte Wiedergaben erstellt, so sind diese auf Datenträgern zur Verfügung zu stellen." (Gemäß Art 49 Abs 1 B-VG am in Kraft getreten und somit erst nach den Hausdurchsuchungen im Jahr 1998.)Dies schon deshalb, weil laut Stellungnahmen von Betriebsprüfer und Systemprüfer im Jahr 1998 bei Hausdurchsuchungen EDV-Daten beschlagnahmt worden sind und somit nicht Datenträger der Abgabenbehörde zur Verfügung gestellt worden sind.
Es handelt sich um keine vertragliche Beziehung, sondern um hoheitliche Vollziehung.
Die Bw kann zwar im Abgaben(rechtsmittel)verfahren ihren Standpunkt vorbringen, was aber im gegenständlichen Fall keine geeignete Maßnahme ist, denn auch der Berufungsbehörde steht wiederum nur ein einziges Beweismittel, das auf einer automationsunterstützten Verarbeitung von Daten basiert, für die Entscheidung zur Verfügung. Genau vor einer solchen, ausschließlich auf ein Beweismittel iSd § 49 Abs 1 DSG 2000 gestützten Entscheidung soll § 49 Abs 1 DSG 2000 aber schützen.
Da die gegenständlichen Auswertungen der EDV-Daten der Brauerei das einzige Beweismittel ist, das gegen die Richtigkeit der Einkünfteerklärung der Bw spricht, und somit die Verwerfung der Richtigkeit der Einkünfteerklärung der Bw ausschließlich auf diesen EDV-Daten beruhen würde, darf dieses Beweismittel im gegenständlichen Fall nicht zur Verwerfung der Richtigkeit der Einkünfteerklärung der Bw herangezogen werden.
Der Berufung ist daher mittels erklärungsgemäßer Einkünftefeststellung und -verteilung stattzugeben - allerdings wegen der zwischenzeitlichen Währungsumstellung in € umgerechnet.
Ergeht auch an Finanzamt Waldviertel zu St.Nr. Y
Wien, am
Zusatzinformationen
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Materie | Steuer Finanzstrafrecht Verfahrensrecht |
betroffene Normen | § 166 BAO, Bundesabgabenordnung, BGBl. Nr. 194/1961 § 49 DSG 2000, Datenschutzgesetz 2000, BGBl. I Nr. 165/1999 |
Schlagworte | Brauerei |
Datenquelle: Findok — https://findok.bmf.gv.at