Geltendmachung von Aufwendungen für ein Feldenkrais-Seminar als Werbungskosten
Entscheidungstext
Berufungsentscheidung
Der Unabhängige Finanzsenat hat über die Berufung der Bw., X., vom gegen die Bescheide des Finanzamtes Feldkirch vom bzw. vom betreffend Einkommensteuer (Arbeitnehmerveranlagung) für die Jahre 2007 und 2008 entschieden:
Die Berufung wird als unbegründet abgewiesen.
Die angefochtenen Bescheide bleiben unverändert.
Entscheidungsgründe
Die Berufungswerberin (in der Folge kurz: Bw.), eine Volksschullehrerin, machte in ihren Erklärungen auf Durchführung der Arbeitnehmerveranlagung für die Jahre 2007 und 2008 unter anderem Aufwendungen im Zusammenhang mit dem Kurs "Funktionale Integration nach Feldenkrais" (Kurskosten, Kilometergelder, Übernachtung und Verpflegung) in Höhe von insgesamt 3.832,86 € bzw. von insgesamt 7.158,68 € als Werbungskosten geltend. Zum Beweis der beruflichen Veranlassung dieser Bildungsmaßnahme führte die Bw. Folgendes aus:
"Funktionale Integration nach Feldenkrais"
Feldenkrais hält Körper und Geist beweglich und fördert somit die Freude am Lernen. Als Lehrerin erlaubt der Bw. diese Form der Bewegung, die Bewertung richtig oder falsch in einem anderen Zusammenhang zu erkennen. Es gibt Bewegungen mit viel oder geringen Kraftaufwand. Dadurch erkennen wir Bewegungsmuster und kommen zu einem wachsameren und bewussteren Umgang mit dem Körper.
Nutzen im Beruf der Bw. als Volksschullehrerin:
Hyperaktive und aggressive Kinder leiden oft an einer zu geringen Wahrnehmung ihrer selbst und ihrer Umwelt. Diese Methode erleichtert den Kindern das Lernen auf jedem Gebiet.
a) Es erleichtert die Bewegungsbereitschaft und somit die Handlungsfähigkeit.
b) Das Orientierungsvermögen wird geschult.
c) Koordinationsmängel können vermindert werden.
d) Haltung und Atmung werden verbessert.
e) Hilfe für Kinder mit Raum-Lage-Problem
f) Eingeschränkte Bewegungs- und Haltungsmuster werden verbessert.
g) Durch die Steigerung der Sensibilität können die Kinder besser unterscheiden.
h) Der ganzheitliche Ansatz stärkt und stützt die Persönlichkeit des Kindes.
Mit Einkommensteuerbescheid 2007 vom sowie mit dem nach verfügter Wiederaufnahme am neu erlassenen Einkommensteuerbescheid 2008 wurde den im Zusammenhang mit der streitgegenständlichen Bildungsmaßnahme geltend gemachten Kosten die steuerliche Anerkennung mit der Begründung verwehrt, laut Internetrecherche sei Grundlage der Feldenkrais-Methode ein tiefes Verständnis der menschlichen Lernprozesse. Durch genaue Wahrnehmung des eigenen Körpers in Bewegung erkenne man die gewohnten Bewegungen und erlerne neue Bewegungsmöglichkeiten, die unsere körperliche, geistige und seelische Entwicklung anregen würden. Diese Methode verknüpfe auf besondere Weise Bewegung, Sinneswahrnehmung, Fühlen und Denken miteinander. Aus der Sicht des Finanzamtes könnten die beschriebenen Kenntnisse nicht nur im Beruf einer Volksschullehrerin angewendet werden, sondern fänden auch in privaten Lebensbereichen Anwendung. Zudem erstrecke sich der Teilnehmerkreis bei solchen Kursen quer durch alle Berufsgruppen, sei also nicht an eine bestimmte Kategorie von Mitarbeitern gerichtet, sondern an eine Vielzahl von Menschen. Die Aufwendungen seien daher der privaten Lebensführung (§ 20 EStG 1988) zuzurechnen und könnten nicht als Werbungskosten berücksichtigt werden.
In der fristgerecht eingebrachten Berufung wurde vorgebracht, die Feldenkrais-Methode gehöre zu den Alternativmethoden im Unterricht. Die Methode sei eine weitere Ergänzung in der Pädagogik, die es der Bw. als Volksschullehrerin ermögliche, zu "schwierigen" Kindern oder Kindern mit einem "anderen" Entwicklungsstand Zugang zu bekommen bzw. ihre Stärken und Schwächen zu sehen und entsprechend zu fördern. Die Bw. habe diese Fortbildung mit viel privatem Engagement und zeitlichem Aufwand in ihrer Freizeit und nicht im Rahmen von Fortbildungszeiten beim Pädagogischen Institut (PI) gemacht. Zudem seien für die Fortbildung sehr hohe Kosten entstanden, die von ihrem Arbeitgeber weder teilweise noch gänzlich abgegolten worden seien.
Mit Berufungsvorentscheidung vom wurde die Berufung mit der Begründung abgewiesen, Aufwendungen für Bildungsmaßnahmen, die auch bei nicht berufstätigen Personen von allgemeinem Interesse seien oder die grundsätzlich der privaten Lebensführung dienten (z.B. Persönlichkeitsentwicklung ohne beruflichen Bezug, Sport, Esoterik, B-Führerschein), seien auch dann nicht abzugsfähig, wenn derartige Kenntnisse für die ausgeübte Tätigkeit verwendet werden könnten oder von Nutzen seien. Bei Bildungsmaßnahmen, die sowohl berufsspezifischen Bedürfnissen Rechnung tragen würden als auch Bereiche der privaten Lebensführung tangierten, sei zur Berücksichtigung als Werbungskosten nicht nur eine berufliche Veranlassung, sondern die berufliche Notwendigkeit erforderlich. Wenn der Arbeitgeber einen wesentlichen Teil der Kosten für die Teilnahme an einem Seminar trage oder Seminare für Lehrer vom Pädagogischen Institut (mit homogenem Teilnehmerkreis) veranstaltet würden, sei dies ein Hinweis auf die berufliche Notwendigkeit.
Gegenständlich sei anhand der Lehrinhalte zu prüfen, ob eine auf die Berufsgruppe des Steuerpflichtigen zugeschnittene Fortbildung vorliege oder ob es sich um eine Fortbildungsveranstaltung handle, die auch für Angehörige verschiedener Berufsgruppen geeignet sei und auch Anziehungskraft auf Personen habe, die aus privatem Interesse Informationen über die dort dargebotenen Themen erhalten wollten (; ).
Laut der der Berufung beigelegten Inhaltsbeschreibung sei "Feldenkrais" geeignet für "Menschen jeden Alters, die in ihrem Leben etwas verändern wollen und neugierig sind auf ihre noch verborgenen Fähigkeiten und Kräfte:
Ihr Bewegen, Denken, Handeln und Fühlen erweitern
Der Verwirklichung ihrer Träume näher kommen
Ihre körpereigene Intelligenz entwickeln
Ihre Verhaltens- und Bewegungsmuster entdecken
Besser mit Handicaps umgehen
Schmerzen im Bewegungsapparat und/oder chronische Schmerzen lösen
Rheumatischen und/oder neurologischen Erkrankungen lindern
Den Zugang zu inneren Kräften (wieder) finden
Nach einer Operation oder Verletzung das Gleichgewicht wieder finden
Die Feldenkrais-Methode unterstützt Sie auch bei der Bewältigung einer Lebenskrise."
Aus der Kursbeschreibung lasse sich eine berufsgruppenspezifische Ausrichtung ebensowenig erkennen wie eine grundsätzlich berufliche Ausrichtung. Infolge allgemeiner, nichtberuflicher Thematik und Zielgruppenorientierung sowie Fehlens einer beruflichen Notwendigkeit könnten die Aufwendungen für den Kurs "Funktionale Integration nach Feldenkrais" nicht als Werbungskosten berücksichtigt werden.
Im fristgerecht eingebrachten Vorlageantrag wurde auf den Berufungsschriftsatz verwiesen und kein ergänzendes Vorbringen erstattet.
Über die Berufung wurde erwogen:
In Streit steht, ob den im Zusammenhang mit dem Kurs "Funktionale Integration nach Feldenkrais" stehenden Aufwendungen (Kurskosten, Kilometergelder, Übernachtung und Verpflegung) Werbungskostencharakter zukommt oder ob es sich um steuerlich nicht berücksichtigungswürdige Kosten der privaten Lebensführung handelt.
Gemäß § 16 Abs. 1 Z 10 erster Satz EStG 1988 in der ab der Veranlagung 2003 geltenden Fassung, BGBl I Nr. 180/2004 (AbgÄG 2004) stellen Aufwendungen für Aus- und Fortbildungsmaßnahmen im Zusammenhang mit der vom Steuerpflichtigen ausgeübten oder einer damit verwandten beruflichen Tätigkeit und Aufwendungen für umfassende Umschulungsmaßnahmen, die auf eine tatsächliche Ausübung eines anderen Berufes abzielen, Werbungskosten dar.
Demgegenüber dürfen gemäß § 20 Abs. 1 Z 2 lit. a EStG 1988 bei den einzelnen Einkünften Aufwendungen oder Ausgaben für die Lebensführung, selbst wenn sie die wirtschaftliche oder gesellschaftliche Stellung des Steuerpflichtigen mit sich bringt und sie zur Förderung des Berufes oder der Tätigkeit des Steuerpflichtigen erfolgen, nicht abgezogen werden.
Unter Fortbildung sind Bildungsmaßnahmen zur Verbesserung der bisherigen beruflichen Kenntnisse und Fähigkeiten eines Steuerpflichtigen zu verstehen, um im bereits ausgeübten Beruf auf dem Laufenden zu bleiben und den Anforderungen gerecht zu werden. Sofern die berufliche Bedingtheit solcher Maßnahmen einwandfrei erkennbar ist, ist für die steuerliche Abzugsfähigkeit nur entscheidend, ob sie in einem wesentlichen Umfang im Rahmen der ausgeübten Tätigkeit verwertet werden können. Nicht entscheidend ist, ob ohne diese Bildungsmaßnahmen eine konkrete Gefahr für die berufliche Stellung oder das berufliche Fortkommen bestünde oder durch sie ein konkret abschätzbarer Einfluss auf die gegenwärtigen oder künftigen Einkünfte gegeben wäre (Kuprian, UFS und Werbungskosten von Lehrpersonen, in UFSjournal 2/2009, 44ff; ; ; ). Vermitteln Bildungsmaßnahmen jedoch Kenntnisse und Fähigkeiten, die auch für den Bereich der privaten Lebensführung von Bedeutung sind und damit eine private Veranlassung nahelegen (z.B. allgemeine Kommunikations-, Persönlichkeitsentwicklungs- und Stressbewältigungsseminare ohne konkreten beruflichen Bezug, Sport, Esoterik; siehe dazu die bei Doralt, EStG13, § 20 Tz 22/1, angeführten Judikate), liegen im Regelfall keine steuerlich abzugsfähigen Werbungskosten vor. In diesen Fällen greift das Aufteilungs- und Abzugsverbot, denn es soll im Interesse der Steuergerechtigkeit vermieden werden, dass ein Steuerpflichtiger auf Grund der Eigenschaft seines Berufes eine Verbindung zwischen beruflichen und privaten Interessen herbeiführen und somit Aufwendungen der Lebensführung steuerlich abzugsfähig machen kann. Eine Veranlassung durch die Einkunftserzielung darf daher in diesen Fällen nicht bereits bei einem bloßen Nutzen für die Berufstätigkeit angenommen werden, sondern nur dann, wenn sich die Aufwendungen als für die berufliche Tätigkeit notwendig erweisen. Dieser Umstand bietet in derartigen Fällen ein verlässliches Indiz für eine berufliche Veranlassung (siehe dazu Kuprian, UFS und Werbungskosten von Lehrpersonen, a.a.O.). Die Notwendigkeit ist aber nicht im Sinne einer unerlässlichen Bedingung zu verstehen, sondern es kommt vielmehr darauf an, ob die gesamten Aufwendungen objektiv gesehen eindeutig für den Beruf des Abgabepflichtigen sinnvoll sind oder nicht (vgl. ). Für das Vorliegen einer beruflichen Notwendigkeit spricht etwa die (teilweise) Kostenübernahme durch den Arbeitgeber oder eine Dienstfreistellung (z.B. Doralt, EStG13, § 20 Tz 22/1).
Ausbildungskosten sind Aufwendungen zur Erlangung von Kenntnissen, die eine Berufsausübung ermöglichen. Im Unterschied zur beruflichen Fortbildung wird durch die Berufsausbildung erst eine Grundlage für die weitere Berufsausübung geschaffen. Ausbildungsmaßnahmen sind gemäß § 16 Abs.1 Z 10 EStG 1988 nur abzugsfähig, wenn sie mit der zur Zeit der Ausbildungsmaßnahme ausgeübten Tätigkeit des Steuerpflichtigen oder mit einem damit verwandten Beruf in Zusammenhang stehen (z.B. Doralt, EStG13, § 16 Tz 203/3).
Wie sowohl aus dem der Berufung beigelegtem Informationsblatt als auch aus weiteren Beschreibungen der Feldenkrais-Methode im Internet (z.B. www.wikipedia.org; www.feldenkrais.at; www.feldenkrais.ch; www.feldenkrais.de) hervorgeht, basiert diese nach ihrem Begründer, dem israelischen Physiker Moshe Feldenkrais, benannte Methode auf Judo, auf der künstlerischen Körperschulung der 1920er Jahre sowie auf Erkenntnissen der manuellen Medizin. Im Mittelpunkt der Methode stehen Bewegungsmuster, die den Lebensalltag eines Menschen prägen, und die Möglichkeiten, diese angemessen zu variieren. Sie möchte den Menschen befähigen, über die Wahrnehmung von Bewegungsabläufen seine Bewusstheit zu erweitern und größere physische Differenziertheit zu erlangen. Nachteilige Bewegungsmuster sollen gelöst und neue Bewegungsalternativen aufgezeigt werden. Auf diese Weise kann er schließlich besser erkennen und verstehen, wie er sich selbst wahrnimmt und im täglichen Leben organisiert. Beschwerden werden zu entsprechenden Bewegungsmustern zurückverfolgt und Defizite möglichst durch andere, neu erkannte Bewegungsmöglichkeiten überbrückt. Indem sich der Lernende über das eigene Tun bewusst wird, entsteht neue Beweglichkeit für Körper und Geist.
Die Feldenkrais-Methode findet insbesondere zur Wiedererlangung der vollen Mobilität nach Verletzungen in der Rehabilitation und beim Abbau von fehlhaltungsbedingten Schmerzen Anwendung. Ihrem Konzept nach können jedoch Menschen in den unterschiedlichsten Lebenssituationen von ihren Möglichkeiten profitieren. Die Feldenkrais-Methode ist daher gedacht für alle, die an der Weiterentwicklung ihrer persönlichen Fähigkeiten interessiert sind, und die ihre Fertigkeiten im Umgang mit anderen Menschen und sich selbst verbessern möchten. Das Training bietet viel Raum für die Selbsterfahrung, um die Sensibilität für das eigene Bewegungsverhalten und die Wahrnehmungsfähigkeit zu verfeinern. Die Methode wird auf zwei Weisen angewandt, und zwar zum einen in Gruppen (Bewusstheit durch Bewegung) und zum anderen einzeln (Funktionelle Integration). Die Feldenkrais-Methode kommt in vielen Bereichen zum Einsatz, beispielsweise in der Gesundheitsvorsorge, der Verletzungsvorbeugung und der Schmerzbewältigung, der Arbeit mit Behinderten, der Rehabilitation (z.B. nach Unfällen, Knochenbrüchen, Tinnitus, neurologischen Erkrankungen), beim Tanz, beim Theater, in der Musik, in der Kunst, bei Kampfkünsten und beim Sport.
Wie aus den obigen Beschreibungen der Feldenkrais-Methode zu ersehen ist und wie auch der Unabhängige Finanzsenat bereits mehrfach zum Ausdruck gebracht hat (z.B. ; ; -I/09), ist der Erwerb von Kenntnissen über diese Methode nicht nur für eine Vielzahl verschiedenster Berufsgruppen von Interesse, sondern es bestehen auch zahlreiche außerberufliche Nutzungsmöglichkeiten. Die aus der Sicht des Unabhängigen Finanzsenates unbestreitbare Eignung des Einsatzes der Feldenkrais-Methode im Beruf der Bw. als Volksschullehrerin wird somit überlagert durch die mindestens in ebenso hohem Maße als gegeben erachtete Verwertbarkeit im privaten Bereich der Bw.. Auch der Umstand, dass der Arbeitgeber der Bw. weder einen zumindest teilweisen Kostenersatz geleistet hat noch den Besuch des streitgegenständlichen Lehrgangs durch andere Maßnahmen (beispielsweise eine Dienstfreistellung) gefördert hat, spricht gegen eine eindeutige Berufsbezogenheit des Lehrgangs. Da auch eine Aufteilung des strittigen Aufwandes in einen der beruflichen Sphäre zuzuordnenden und einen der nichtabzugsfähigen Privatsphäre zuzuordnenden Anteil nach nachvollziehbaren objektiven Kriterien nicht möglich ist, ist der gesamte im Zusammenhang mit dem Kurs "Funktionale Integration nach Feldenkrais" stehende Aufwand (Kurskosten, Kilometergelder, Übernachtung und Verpflegung) auf Grund des sich aus § 20 Abs. 1 Z 2 lit. a EStG 1988 ergebenden Aufteilungsverbotes den nichtabzugsfähigen Kosten der privaten Lebensführung zuzurechnen.
Es war somit spruchgemäß zu entscheiden.
Feldkirch, am
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Materie | Steuer Finanzstrafrecht Verfahrensrecht |
betroffene Normen | § 16 Abs. 1 Z 10 EStG 1988, Einkommensteuergesetz 1988, BGBl. Nr. 400/1988 § 20 Abs. 1 Z 2 lit. a EStG 1988, Einkommensteuergesetz 1988, BGBl. Nr. 400/1988 |
Datenquelle: Findok — https://findok.bmf.gv.at