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Berufungsentscheidung - Steuer (Senat), UFSW vom 26.04.2012, RV/0524-W/12

Tatsächliche Berufsausbildung ist Voraussetzung für die Anwendbarkeit der Bestimmung des § 2 Abs. 1 lit. h FLAG

Rechtssätze


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Stammrechtssätze
RV/0524-W/12-RS1
Voraussetzung für die Gewährung von Familienbeihilfe für volljährige Kinder, die erheblich behindert, aber nicht dauernd unfähig sind, sich selbst den Unterhalt zu verschaffen, ist nach § 2 Abs. 1 lit. h FLAG, dass im strittigen Zeitraum eine tatsächliche Berufsaus­bildung vorliegt.

Entscheidungstext

Berufungsentscheidung

Der Unabhängige Finanzsenat hat durch den Vorsitzenden Dr. Christian Lenneis und die weiteren Mitglieder ADir. Romana Wimmer, Christian Schuckert und Erwin Agneter im Beisein der Schriftführerin Ingrid Pavlik über die Berufung des Bw., R., vertreten durch ECOVIS Scholler & Partner, Steuerberatungs GmbH, 3100 St. Pölten, Maximilianstraße 52, gegen den Bescheid des Finanzamtes Lilienfeld St. Pölten, vertreten durch Mag. Alexandra Son, betreffend Rückforderung von Familienbeihilfe und Kinderabsetzbeträgen für den Zeitraum bis  nach der am in 1030 Wien, Vordere Zollamtsstraße 7, durchgeführten mündlichen Berufungsverhandlung entschieden:

Die Berufung wird als unbegründet abgewiesen.

Der angefochtene Bescheid bleibt unverändert.

Entscheidungsgründe

Der Berufungswerber (Bw.) bezog für seinen Sohn L., geb. 1986, (erhöhte) Familienbeihilfe und Kinderabsetzbeträge.

L. absolvierte vom bis und vom bis einen zweisemestrigen Foundation Course als Vorbereitung für ein Designstudium an der New Design University.

Mit Schreiben vom teilte der Bw. dem Finanzamt mit, dass sein Sohn keine Zulassung zum Designstudium an der New Design University (Privatuniversität der Kreativwirtschaft GWT Aus- und Weiterbildungs GesmbH) erhalten habe.

Das Finanzamt forderte daraufhin mit Bescheid vom die für den Zeitraum Juli 2011 bis September 2011 bezogenen Beträge mit folgender Begründung zurück:

"Gemäß § 2 Abs. 1 lit. b Familienlastenausgleichsgesetz 1967 (FLAG 1967) in der ab gültigen Fassung haben Personen, die im Bundesgebiet einen Wohnsitz oder ihren gewöhnlichen Aufenthalt haben, Anspruch auf Familienbeihilfe für volljährige Kinder, die das 24. Lebensjahr noch nicht vollendet haben und die für einen Beruf ausgebildet werden. Bei Kindern, die eine im § 3 des Studienförderungsgesetzes 1992, BGBl. Nr. 305/1992, genannte Einrichtung besuchen, ist eine Berufsausbildung nur dann anzunehmen, wenn sie die vorgesehene Studienzeit pro Studienabschnitt um nicht mehr als ein Semester oder die vorgesehene Ausbildungszeit um nicht mehr als ein Ausbildungsjahr überschreiten. Die Aufnahme als ordentliche Hörerin oder ordentlicher Hörer gilt als Anspruchsvoraussetzung für das erste Studienjahr. Die Zulassung zum Studium an der New Design Uni wurde nicht erhalten. Nichtzulassungsbescheid wurde nicht vorgelegt."

Der Bw. erhob gegen den Rückforderungsbescheid fristgerecht Berufung. Darin wiederholt er zunächst die Abweisungsgründe des Finanzamtes.

Weiters führte er Folgendes aus:

"Gemäß § 2 Abs. 1 lit. h) FLAG haben Personen, die im Bundesgebiet einen Wohnsitz oder ihren gewöhnlichen Aufenthalt haben, dann Anspruch auf Familienbeihilfe, wenn ihr volljähriges Kind, das erheblich behindert ist (§ 8 Abs. 5 FLAG) das 25. Lebensjahr noch nicht vollendet hat und das für einen Beruf ausgebildet oder in einem erlernten Beruf in einer Fachschule fortgebildet wird und wenn ihm durch den Schulbesuch die Ausübung eines Berufes nicht möglich ist. Gemäß § 2 Abs. 1 lit. h) FLAG sind § 2 Abs. 1 lit. b) FLAG zweiter bis letzter Satz für diese Personen dezidiert nicht anzuwenden.

Aufgrund eines Unfalles wurde seitens des Bundessozialamtes ein Grad der Behinderung von 70 % bescheinigt, insofern aufgrund der Behinderung gemäß § 8 Abs. 5 FLAG eine Erhöhung der Familienbeihilfe gemäß § 8 Abs. 4 FLAG um EUR 138,30 gewährt.

Herr S.L. hat den Foundation Course absolviert, jedoch diesen lediglich mit "Erfolg" abgeschlossen, und wurde daher nicht unmittelbar an der New Design University aufgenommen. Ein entsprechendes Bestätigungsschreiben der New Design University wird der gegenständlichen Berufung beigelegt. Eine bescheidmäßige Nichtzulassung wurde nicht ausgesprochen.

Zusammenfassend wird daher festgehalten, dass gemäß § 2 Abs. 1 lit. h) FLAG für volljährige Kinder, die erheblich behindert sind, das 25. Lebensjahr noch nicht vollendet haben und die für einen Beruf ausgebildet oder in einem erlernten Beruf in einer Fachschule fortgebildet werden, wenn ihnen durch den Schulbesuch die Ausübung ihres Berufes nicht möglich ist, Familienbeihilfe zusteht. § 2 Abs. 1 lit. b) FLAG zweiter bis letzter Satz ist für derartige Personen dezidiert nicht anzuwenden. L.S. war durch den Besuch des Foundation Courses eine Berufsausübung nicht möglich, der Kursbesuch wird auch seitens der New Design University bestätigt..."

Das Finanzamt legte die Berufung ohne Erlassung einer Berufungsvorentscheidung der Abgabenbehörde zweiter Instanz zur Entscheidung vor.

In der am abgehaltenen mündlichen Berufungsverhandlung wurde ergänzend ausgeführt:

Mag. Hahn:

Unstrittig ist, dass beim Sohn meines Mandanten eine mindestens 50%ige Behinderung, aber keine dauernde Unterhaltsunfähigkeit vorliegt. Das Finanzamt ist allerdings - wie sich aus dem Vorlagebericht vom ergibt - von einem falschen Sachverhalt ausgegangen. Es war so, dass L. den Vorbereitungslehrgang im Juni 2011 abgeschlossen hat, dadurch aber nicht seine Berufsausbildung unterbrochen hat, sondern diese ab Herbst 2011 fortsetzt. Ab diesem Zeitpunkt hat er bereits einen weiteren Kurs auf dem WIFI St. Pölten ausgeübt. Er wurde zwar nicht ausreichend benotet, um sofort ein Studium beginnen zu können, fest steht aber jedenfalls, dass er in den Ferien, und um diesen Zeitraum geht es, ohnehin keine Berufsausbildung hätte ausüben können. Somit ist unserer Ansicht nach der Zeitraum der Berufsausbildung durch die Ferienzeiten nicht unterbrochen.

L. ist nach wie vor in ärztlicher Behandlung; seine Behinderungen sind psychischer und motorischer Natur und besteht weiters eine Störung der Konzentrationsfähigkeit. Ich möchte darauf hinweisen, dass in den EB zur Regierungsvorlage zu § 2 Abs. 1 lit. a FLAG ausdrücklich festgehalten ist, dass bei behinderten Kindern, die sich in Berufsausbildung befinden, ein wesentlich weniger strengerer Maßstab anzulegen ist als bei einer Berufsausbildung im Sinn des § 2 Abs. 1 lit. b FLAG.

Weiters ist der Rückforderungsbescheid selbst in sich widersprüchlich; wie aus Ritz, BAO 4, § 93 Rz. 16, hervorgeht, führt ein Widerspruch zwischen Spruch und Begründung eines Bescheides zu dessen Rechtswidrigkeit.

In der Begründung des Bescheides wird ausdrücklich auf § 2 Abs. 1 lit. b FLAG verwiesen und wird weiter ausgeführt, dass Familienbeihilfe nur für volljährige Kinder, die das 24. Lebensjahr nicht vollendet haben, zusteht. Unstrittig ist aber, dass L. im Streitzeitraum bereits älter als 24 Jahre war, woraus sich ergibt, dass die zitierte Bestimmung nicht anwendbar sein kann. Ein Hinweis auf § 2 Abs. 1 lit. h FLAG ist im Rückforderungsbescheid nicht enthalten.

Mag. Son:

Auch bei der Bestimmung des § 2 Abs. 1 lit. h FLAG ist Tatbestandsvoraussetzung, dass eine tatsächliche Berufsausbildung des Kindes vorliegt. Es gibt aber keinerlei Unterlagen, die darauf schließen lassen, dass im Streitzeitraum tatsächlich eine derartige Berufsausbildung gegeben war.

Mag. Hahn:

Das Finanzamt hat zu keiner Zeit Unterlagen angefordert, in denen festgehalten wird, welche Berufsausbildung L. ab Herbst 2011 ausübt. Wie bereits erwähnt, ist im angefochtenen Bescheid überhaupt kein diesbezüglicher Hinweis enthalten, sondern erst im Vorlagebericht vom . Aber auch zu diesem Zeitpunkt hätten jederzeit entsprechende Unterlagen abverlangt werden können.

Aus dem FLAG ist keineswegs ableitbar, dass entscheidend ist, welche Note das Kind bekommen hat. Im Berufungsfall ist es so, dass meiner Ansicht nach dann, wenn L. den Kurs mit Auszeichnung abgeschlossen hätte und im Herbst ein Studium an der New Design University begonnen hätte, Familienbeihilfe jedenfalls zugestanden wäre. Im FLAG aber ist nur die Differenzierung enthalten, ob Familienbeihilfe bis 24 oder 25 Jahre bezogen werden kann."

Über die Berufung wurde erwogen:

Gesetzliche Bestimmungen:

Gemäß § 2 Abs. 1 lit. h FLAG 1967 in der ab geltenden Fassung lautet:

"Anspruch auf Familienbeihilfe haben Personen, die im Bundesgebiet einen Wohnsitz oder ihren gewöhnlichen Aufenthalt haben, für volljährige Kinder, die erheblich behindert sind (§ 8 Abs. 5), das 25. Lebensjahr noch nicht vollendet haben und die für einen Beruf ausgebildet werden, wenn ihnen durch den Schulbesuch die Ausübung ihres Berufes nicht möglich ist; § 2 Abs. 1 lit. b zweiter bis letzter Satz sind nicht anzuwenden."

Gemäß § 8 Abs. 5 FLAG 1967 gilt ein Kind als erheblich behindert, bei dem eine nicht nur vorübergehende Funktionsbeeinträchtigung im körperlichen, geistigen oder psychischen Bereich oder in der Sinneswahrnehmung besteht. Als nicht nur vorübergehend gilt ein Zeitraum von voraussichtlich mehr als drei Jahren. Der Grad der Behinderung muss mindestens 50 v.H. betragen, soweit es sich nicht um ein Kind handelt, das voraussichtlich dauernd außerstande ist, sich selbst den Unterhalt zu verschaffen. Für die Einschätzung des Grades der Behinderung sind § 14 Abs. 3 des Behinderteneinstellungsgesetzes, BGBl. Nr. 22/1970, in der jeweils geltenden Fassung, und die Verordnung des Bundesministers für Arbeit, Soziales und Konsumentenschutz betreffend nähere Bestimmungen über die Feststellung des Grades der Behinderung (Einschätzungsverordnung) vom , BGBl. II Nr. 261/2010, in der jeweils geltenden Fassung anzuwenden. Die erhebliche Behinderung ist spätestens nach fünf Jahren neu festzustellen, soweit nicht Art und Umfang eine Änderung ausschließen.

Feststehender Sachverhalt:

Der Sohn des Bw. vollendete im September 2011 das 25. Lebensjahr.

Unstrittig ist, dass er vom bis und vom bis einen zweisemestrigen Foundation Course als Vorbereitung für ein Designstudium an der New Design University besuchte und keine Zulassung zum Studium an der New Design Uni erfolgte (formloses Schreiben des Bw. an das Finanzamt vom ).

L. wurde im Gutachten des Bundessozialamtes vom auf Grund seiner Erkrankung "organisches Psychosyndrom" eine 50%ige Behinderung, jedoch keine dauernde Unfähigkeit, sich selbst den Unterhalt zu verschaffen, bescheinigt.

Rechtliche Würdigung:

Festgehalten sei zunächst, dass es zwar zutrifft, dass die Begründung des angefochtenen Bescheides mangelhaft ist. Dies führt aber keinesfalls zur Nichtigkeit dieses Bescheides. Aus der von der steuerlichen Vertretung in der mündlichen Verhandlung zitierten Kommentarstelle (Ritz, BAO4, § 93 Rz. 16 mwN) geht nämlich hervor, dass Begründungsmängel im erstinstanzlichen Verfahren im Rechtsmittelverfahren saniert werden können.

Voraussetzung für die Gewährung des Erhöhungsbetrages zur Familienbeihilfe ist, dass der Grundbetrag zusteht. Der Bw. stützt seinen Anspruch auf § 2 Abs. 1 lit. h FLAG 1967; Voraussetzung für eine Gewährung von Familienbeihilfe für volljährige Kinder, die erheblich behindert sind, ist aber nach dieser Bestimmung, dass eine tatsächliche Berufsausbildung vorliegt (Lenneis in Csaszar/Lenneis/Wanke, FLAG, § 2 Rz 31 unter Verweis auf ). Wie der Bw. aber selbst zugesteht, hat sein Sohn den zweisemestrigen Foundation Course am abgeschlossen. Die Berufsausbildung war damit beendet. Der im Herbst 2011 begonnene Kurs am WIFI St. Pölten ist daher als weitere hiervon unabhängige Berufsausbildung anzusehen (sh auch , demzufolge ein nach Abschluss des Bachelorstudiums begonnenes Masterstudium ein davon getrenntes neues Studium und eine neuerliche weitere Berufsausbildung darstellt). Nichts anderes würde im Übrigen dann gelten, hätte der Sohn des Bw. tatsächlich die Zulassung zum Studium an der New Design Uni erhalten. Auch dabei würde es sich um eine vom Vorbereitungskurs getrennte Berufsausbildung handeln. Damit steht aber fest, dass sich der Sohn im Streitzeitraum nicht in Berufsausbildung befunden hat.

Angeführt sei an dieser Stelle weiters, dass die Bestimmung des § 2 Abs. 1 lit. d FLAG 1967, derzufolge Familienbeihilfe drei Monate nach Ende der Berufsausbildung weitergewährt werden konnte, ab auf die Zeit zwischen dem Abschluss der Schulausbildung und dem (frühestmöglichen) Beginn einer weiteren Berufsausbildung eingeschränkt wurde. Auch diese Norm ist daher im Berufungsfall nicht anwendbar.

Nach § 2 Abs. 1 lit. c FLAG 1967 stellt eine dauernde Unfähigkeit, sich selbst den Unterhalt zu verschaffen, unabhängig vom Vorliegen einer Berufsaus(fort-)bildung einen eigenständigen Tatbestand zur Gewährung von Familienbeihilfe dar. Da aber eine derartige Unterhaltsunfähigkeit beim Sohn unbestrittenermaßen nicht gegeben ist, kann auch auf Basis dieser Bestimmung Familienbeihilfe nicht gewährt werden.

Wien, am

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Materie
Steuer
FLAG
Finanzstrafrecht Verfahrensrecht
betroffene Normen
Verweise

Datenquelle: Findok — https://findok.bmf.gv.at