Zahnsanierungskosten als außergewöhnliche Belastung mit oder ohne Selbstbehalt
Rechtssätze
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Stammrechtssätze | |
RV/0893-G/07-RS1 | hier: Zahnbehandlungskosten wurden als außergewöhnliche Belastung ohne Selbstbehalt geltend gemacht, obwohl die 50%ige Behinderung auf einer psychischen Störung, auf degenerativen Wirbelsäulenveränderungen und auf Gelenksabnützungen beruht. |
Folgerechtssätze | |
RV/0893-G/07-RS1 | wie RV/1306-W/04-RS1 Aufwendungen für Heilbehandlungskosten, die nicht in unmittelbarem Zusammenhang mit den die Behinderung begründenden Krankheiten stehen, sind nur nach Abzug des Selbstbehaltes anzuerkennen. |
Entscheidungstext
Berufungsentscheidung
Der Unabhängige Finanzsenat hat über die Berufung des G, vom gegen den Bescheid des Finanzamtes Deutschlandsberg Leibnitz Voitsberg vom betreffend Einkommensteuer (Arbeitnehmerveranlagung) 2006 entschieden:
Die Berufung wird als unbegründet abgewiesen.
Der angefochtene Bescheid bleibt unverändert.
Entscheidungsgründe
In der Erklärung zur Arbeitnehmerveranlagung für das Jahr 2006 machte der Berufungswerber (Bw.) außergewöhnliche Belastungen in Höhe von insgesamt 3.583,11 Euro geltend. Da dem Bw. vom Bundessozialamt das Bestehen einer 50%igen Behinderung seit dem Jahr 2006 bescheinigt worden war, beantragte er, den genannten Betrag ohne Abzug eines Selbstbehaltes steuermindernd zu berücksichtigen. Die Aufwendungen entstanden dem Bw. für einen Kuraufenthalt sowie für Zahnbehandlungen.
Nach den Ausführungen im Bescheid der Bundesberufungskommission für Sozialentschädigungs- und Behindertenangelegenheiten vom habe es sich bei den die Behinderung verursachenden Krankheiten um eine chronifizierte Depression, um degenerative Wirbelsäulenveränderungen, um geringe Abnützungen der Hüft-, Schulter- und Kniegelenke und um Kopfschmerzen gehandelt. Der Gesamtgrad der Behinderung habe sich aus der führenden Gesundheitsschädigung unter Punkt 1 (chronifizierte Depression), die durch die unter Punkt 2 (degenerative Wirbelsäulenveränderungen) und Punkt 3 (geringe Abnützungen der Hüft-, Schulter- und Kniegelenke) genannten Gesundheitsschädigungen gemeinsam um eine Stufe angehoben werde, ergeben, weil eine wechselseitige Beeinflussung bestehe. Die unter Punkt 4 genannte Gesundheitsschädigung (Kopfschmerzen) habe den Grad der Behinderung nicht weiter angehoben, weil die Kopfschmerzen auch in Zusammenhang mit den Halswirbelsäulenveränderungen zu sehen seien, deren Auswirkungen unter Punkt 2 bereits ausreichend berücksichtigt worden seien.
Bei der Veranlagung der Einkommensteuer für das Jahr 2006 berücksichtigte das Finanzamt als außergewöhnliche Belastung einen Freibetrag in Höhe von 243 Euro gemäß § 35 Abs. 3 EStG, einen Pauschbetrag in Höhe von 612 Euro für Mehraufwendungen wegen einer Krankendiätverpflegung sowie ohne Abzug eines Selbstbehaltes die nachgewiesenen Kosten für den von der Versicherungsanstalt öffentlich Bediensteter bewilligten Kuraufenthalt in Höhe von 265,16 Euro. Für Zahnbehandlungen wurden zwar Aufwendungen in Höhe von insgesamt 3.295,95 Euro als außergewöhnliche Belastung anerkannt. Diese wurden jedoch erst nach Abzug eines Selbstbehaltes von 2.200,49 Euro steuerlich berücksichtigt.
Die gegenständliche Berufung richtet sich ausschließlich gegen die Kürzung der Zahnbehandlungskosten um den genannten Selbstbehalt in Höhe von 2.200,49 Euro. Der Bw. brachte vor, er stehe wegen seiner Behinderung von 50% in ständiger ärztlicher Behandlung. Auf dringendes Anraten seines Arztes sei bei ihm eine Zahnsanierung im Bereich des vorderen Unterkiefers durchgeführt worden. Diese Heilbehandlung, die in direktem Zusammenhang mit seiner Behinderung stehe, habe laut ärztlichem Attest zu einer Stabilisierung bzw. Verbesserung seines Gesundheitszustandes geführt. Die dafür angefallenen Aufwendungen (Krankenhaushonorar, Heilbehelfe, Rezeptgebühren, Behandlungsbeiträge, Fahrtkosten) seien daher ohne Berücksichtigung eines Selbstbehaltes als außergewöhnliche Belastung anzuerkennen.
Bei dem in der Berufung angesprochenen ärztlichen Attest handelt es sich um ein Attest eines Facharztes für Psychiatrie und Neurologie. Darin wird ausgeführt, der Bw. stehe seit einigen Jahren in ständiger neuropsychiatrischer Behandlung wegen einer Migräne und wegen anhaltender, periodisch auftretender depressiver Störungen. Verbunden damit seien Rückzugstendenzen und Unsicherheitsgefühle. Der Bw. sei daher längere Zeit auch psychotherapeutisch betreut worden. Neben der medikamentösen antidepressiven Basistherapie erscheine eine weitere psychologische Stütze und Ermutigung indiziert. Um soziale Ängste abzubauen und zur Erhöhung der Selbstsicherheit sei dem Bw. dringend geraten worden, eine entsprechende Zahnsanierung, insbesondere im Bereich des Unterkiefers, durchzuführen. Der Bw. habe sich daher einem längeren zahnärztlichen Eingriff unterzogen, bei dem umfangreiche Arbeiten (ua. zwei Zahnimplantate) durchgeführt worden seien. Aufgrund der Persönlichkeitsstruktur des Bw., der psychischen Grundstörung und der damit verbundenen sozialen Ängste seien die entsprechenden Eingriffe im Mundbereich indiziert gewesen.
Die abweisende Berufungsvorentscheidung des Finanzamtes wurde damit begründet, dass die Berücksichtigung einer außergewöhnlichen Belastung ohne Selbstbehalt nur möglich sei, wenn ein ursächlicher Zusammenhang zwischen den Kosten der Heilbehandlung und der die Behinderung verursachenden Krankheit bestehe.
Der Vorlageantrag des Bw. enthält kein weiteres Vorbringen.
Über die Berufung wurde erwogen:
Als erwiesen anzusehen ist, dass beim Bw. für das Streitjahr eine Behinderung im Ausmaß von 50% festgestellt wurde, wobei es sich bei den die Behinderung verursachenden Krankheiten um eine chronifizierte Depression, um degenerative Wirbelsäulenveränderungen, um geringe Abnützungen der Hüft-, Schulter- und Kniegelenke und um Kopfschmerzen handelte. Als erwiesen anzusehen ist weiters, dass dem Bw. im Streitjahr Aufwendungen in Höhe von 3.295,95 Euro im Zusammenhang mit einer Zahnsanierung erwachsen sind.
Strittig ist im vorliegenden Fall ausschließlich, ob die Aufwendungen des Bw. für die Zahnsanierung mit oder ohne Abzug eines Selbstbehaltes steuerlich berücksichtigt werden können.
Gemäß § 34 Abs. 1 EStG 1988 sind bei der Ermittlung des Einkommens (§ 2 Abs. 2) eines unbeschränkt Steuerpflichtigen nach Abzug der Sonderausgaben (§ 18) außergewöhnliche Belastungen abzuziehen. Diese werden gemäß § 34 Abs. 4 EStG 1988 steuerlich nur insoweit berücksichtigt als sie einen vom Einkommen des Steuerpflichtigen abhängigen Selbstbehalt übersteigen. Gemäß § 34 Abs. 6 EStG 1988 können - abweichend von diesem Grundsatz - bestimmte Aufwendungen ohne Berücksichtigung eines Selbstbehaltes abgezogen werden. Dazu gehören Mehraufwendungen aus dem Titel der Behinderung, wenn der Steuerpflichtige pflegebedingte Geldleistungen erhält, soweit sie die Summe dieser pflegebedingten Geldleistungen übersteigen.
Darüber hinaus kann der Bundesminister für Finanzen mit Verordnung festlegen, in welchen Fällen und in welcher Höhe Mehraufwendungen aus dem Titel der Behinderung ohne Anrechnung auf einen Freibetrag nach § 35 Abs. 3 EStG 1988 und ohne Anrechnung auf eine pflegebedingte Geldleistung zu berücksichtigen sind.
Hat ein Steuerpflichtiger Aufwendungen durch eine körperliche oder geistige Behinderung, sind gemäß § 4 der zu §§ 34 und 35 EStG 1988 ergangenen Verordnung des Bundesministers für Finanzen über außergewöhnliche Belastungen, BGBl Nr. 303/1996, nicht regelmäßig anfallende Aufwendungen für Hilfsmittel (zB Rollstuhl, Hörgerät, Blindenhilfsmittel) sowie Kosten der Heilbehandlung im nachgewiesenen Ausmaß (dh. ohne Abzug eines Selbstbehaltes) zu berücksichtigen.
Unter Kosten der Heilbehandlung im Sinn der oa. Bestimmung versteht man zB Kosten für den Arzt, das Spital, für ärztlich verordnete Kuren, Therapien, Medikamente sowie damit in Zusammenhang stehende Fahrt- und Transportkosten im tatsächlichen Ausmaß bzw. in Höhe des amtlichen Kilometergeldes bei Verwendung des (familien-)eigenen Kraftfahrzeuges (vgl. Jakom/Baldauf EStG, 2009, § 35 Rz 27).
Krankheitskosten, die auf eine Erkrankung zurückgehen, die in keinem ursächlichen Zusammenhang mit der Behinderung steht, können neben den Pauschbeträgen des § 35 Abs. 3 EStG 1988 bzw. den tatsächlich aus der Behinderung erwachsenden Kosten nur nach den allgemeinen Regeln des § 34 EStG 1988 (dh. nach Abzug des Selbstbehaltes gemäß § 34 Abs. 4 EStG 1988) berücksichtigt werden (vgl. Hofstätter/Reichel, Die Einkommensteuer - Kommentar, § 34 EStG 1988 Einzelfälle, Stichwort "Behinderte"; Doralt, EStG11, § 35 Tz 9, sowie die dort zitierte Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes).
Es kommt somit darauf an, ob es sich bei den Aufwendungen für die Zahnsanierung um Krankheitskosten handelt, die auf eine Erkrankung zurückgehen, die mit der Behinderung des Bw. in einem ursächlichen Zusammenhang steht oder nicht (vgl. zB ; RV/0006-G/06; ).
Der Bw. verweist in diesem Zusammenhang vor allem auf das von ihm vorgelegte Attest eines Facharztes für Psychiatrie und Neurologie, in dem mehrmals darauf hingewiesen wird, dass die Sanierung der Zähne des Bw. insofern psychiatrisch indiziert gewesen sei als sie zur Erhöhung der Selbstsicherheit des Bw. und zum Abbau sozialer Ängste beigetragen habe.
Nun wird keineswegs bezweifelt, dass jede Erkrankung dazu führen kann, die psychische Befindlichkeit eines Patienten (negativ) zu beeinflussen und, dass dies umso mehr gilt, wenn ohnedies bereits eine "psychische Störung" (siehe das oa. Attest) vorhanden ist. Umgekehrt wird sich die erfolgreiche Behandlung einer Erkrankung positiv auf das psychische Befinden eines Patienten auswirken. Das bedeutet aber weder, dass die Zahnprobleme des Bw. die Ursache für seine psychische Erkrankung (depressive Störung) waren, noch dass die Zahnsanierung die "Heilbehandlung" für die psychische Erkrankung darstellte. Derartiges wird in dem vom Bw. vorgelegten Attest auch nicht bescheinigt, in dem als Ursache der periodisch auftretenden depressiven Störung die Persönlichkeitsstruktur des Bw. und als Behandlung dieser Störung neben der medikamentösen Basistherapie eine unterstützende psychotherapeutische Betreuung genannt werden. Die Zahnsanierung wurde dem Bw. - laut Attest - lediglich zur Erhöhung seiner Selbstsicherheit angeraten. Die sich aus der Zahnsanierung (möglicherweise) ergebende positive Beeinflussung der psychischen Erkrankung des Bw. macht die Zahnsanierung aber noch nicht zu einer Heilbehandlung für diese Erkrankung.
Bei den Zahnproblemen des Bw. handelte es sich um eine weitere, neben der depressiven Störung bestehende Erkrankung des Bw. Nach den Feststellungen der Bundesberufungskommission für Sozialentschädigungs- und Behindertenangelegenheiten haben - wie bereits ausgeführt wurde - die folgenden Gesundheitsschädigungen zu der 50%igen Behinderung des Bw. geführt: eine chronifizierte Depression, degenerative Wirbelsäulenveränderungen, geringe Abnützungen der Hüft-, Schulter- und Kniegelenke und Kopfschmerzen. Aus diesen Feststellungen ist eindeutig erkennbar, dass es sich bei den Zahnproblemen des Bw. nicht um eine den Behinderungsgrad beeinflussende Gesundheitsschädigung handelte. Da die Zahnprobleme des Bw. somit in keinem ursächlichen Zusammenhang mit seiner Behinderung standen, konnten die Kosten für die Zahnsanierung nur nach den allgemeinen Regeln des § 34 EStG - dh. nach Abzug eines Selbstbehaltes - steuerlich berücksichtigt werden.
Graz, am
Zusatzinformationen
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Materie | Steuer Finanzstrafrecht Verfahrensrecht |
betroffene Normen | § 34 Abs. 1 EStG 1988, Einkommensteuergesetz 1988, BGBl. Nr. 400/1988 § 34 Abs. 4 EStG 1988, Einkommensteuergesetz 1988, BGBl. Nr. 400/1988 § 34 Abs. 6 EStG 1988, Einkommensteuergesetz 1988, BGBl. Nr. 400/1988 § 35 Abs. 3 EStG 1988, Einkommensteuergesetz 1988, BGBl. Nr. 400/1988 § 4 Außergewöhnliche Belastungen, BGBl. Nr. 303/1996 |
Schlagworte | Zahnsanierungskosten Zahnbehandlungskosten Behinderung psychische Störung Depressionen Selbstbehalt Heilbehandlung |
Verweise | RV/0006-G/06 |
Zitiert/besprochen in | UFSjournal 2009, 370 |
Datenquelle: Findok — https://findok.bmf.gv.at