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Berufungsentscheidung - Steuer (Referent), UFSW vom 12.10.2007, RV/2068-W/07

Beweislast bei Zustellung eines Schriftstückes ohne Zustellnachweis

Rechtssätze


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Folgerechtssätze
RV/2068-W/07-RS1
wie ZRV/0061-Z3K/05-RS1
Bei einer Zustellung ohne Zustellnachweis kann der Nachweis über die Tatsache und den Zeitpunkt der Zustellung nur durch den Beweis der Behörde erbracht werden, dass der Bescheid dem Empfänger zu einem bestimmten Zeitpunkt auch tatsächlich zugekommen ist. Ein Nachweis über die erfolgte Übergabe des Schriftstückes an die Post erfüllt diese Voraussetzung nicht.

Entscheidungstext

Berufungsentscheidung

Der Unabhängige Finanzsenat hat über die Berufung des Bw., K., gegen den Bescheid vom des Finanzamtes Neunkirchen Wr. Neustadt betreffend Zurückweisung einer Berufung entschieden:

Der Berufung wird Folge gegeben.

Der angefochtene Bescheid wird aufgehoben.

Entscheidungsgründe

Der Berufungswerber (Bw.), ein slowakischer Staatsbürger, stellte am einen Antrag auf Gewährung einer Ausgleichszahlung/Differenzzahlung für das Kalenderjahr 2007.

Laut dem Formular E 411 war der Bw. vom bis in Österreich tätig. Seine Gattin übe keine Beschäftigung aus.

Der Versicherungsdatenauszug der österreichischen Sozialversicherung stellt sich wie folgt dar:


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gewerbl. selbständig Erwerbstätiger SVA d.g.W., Lst. NÖ
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KV-PflVers. § 2/1/1 - § 2/1/3 GSVG SachL SVA d. gewerblichen Wirtschaft
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nicht bezahlte Beiträge BSVG, GSVG, FSVG SVA d.g.W., Lst. NÖ

Laut Auszug aus dem Gewerberegister (Magistrat der Stadt Wiener Neustadt) vom handelte es sich bei der Tätigkeit um die "Montage von mobilen Trennwänden"; die Adresse des Betriebes lautete Z, W-Gasse 47.

Das Finanzamt erließ am einen Bescheid und wies den Antrag des Bw. vom ab Jänner 2006 mit der Begründung ab, dass Familienbeihilfe nur dann zustehe, wenn eine nichtselbständige oder selbständige Tätigkeit in Österreich ausgeübt werde. Da der Bw. in Österreich keiner selbständigen Tätigkeit nachgehe und sich im Ausland aufhalte, sei der Antrag abzuweisen. Dieser Bescheid wurde laut Aktenlage ohne Zustellnachweis zugestellt.

Der Bw. erhob mit Schreiben vom eine als "Widerrufung" überschriebene Berufung, die am im Finanzamt eingelangt ist, und führte dazu Folgendes aus:

"Im Sinn der Anweisung des Beirates EWG Nr. 1408/71 von Ansprüchen für die Sozialabgaben der Selbständigen und ihrer Familienmitglieder habe ich Anspruch an das Geld, das mir nach ihrem Brief abgelehnt wurde. Es handelt sich um Nachzahlung vom Kinderbetreuungsgeld von bis und Familienzuschlag und Kinderbetreuungsgeld von bis . In diesen Jahren habe ich in Österreich selbständige Tätigkeit ausgeübt, alle notwendige Unterlagen wurden vorgelegt und alles wurde mit der Frau X per Telefon besprochen. Alle meine Unterlagen waren in Ordnung. In diesen zwei Jahren habe ich alle wichtige Abgaben, die mit der selbständigen Tätigkeit zusammenhängen, rechtzeitig bezahlt und davon habe ich Anspruch an die erwähnte Abgaben.

Der Brief, der mir gesendet wurde, kann ich nicht für amtlich annehmen, weil er keinen Stempel und Unterschrift der Kompetentperson hatte. Genauso wurde er nicht zuhanden gesendet, also es gilt kein Monatsberufungsfrist dafür. Nach dem Datum auf dem Brief wurde er am geschrieben, aber er wurde mir erst am übergebracht. Also die Briefzustellung dauerte viel zu lange.

Weil ich mich zur Zeit nicht in Österreich aufhalte, bitte ich Sie, die Antwort an die Adresse in der Slowakei zusenden. Die Adresse ist: ..."

Das Finanzamt wies die Berufung mit der Begründung zurück, die Berufungsfrist sei bereits am abgelaufen. Mangels Bekanntgabe einer neuen Zustelladresse durch den Bw. sei der Abweisungsbescheid rechtskräftig geworden.

In der dagegen eingebrachten Berufung wandt der Bw. ein, die Ermittlung der Frist "" sei nicht nachvollziehbar, da der Brief nicht eingeschrieben zugesandt worden sei. Überdies wäre seine Adresse in der Slowakei dem Finanzamt bekannt, da er diese bei jeder Korrespondenz geschrieben habe.

Das Finanzamt erließ am eine Berufungsvorentscheidung und wies die Berufung mit folgender Begründung ab:

"Im Antrag vom wurde als Wohnanschrift W-Gasse 47, Z angegeben. Der dem Antrag folgende Bescheid vom wurde rechtmäßig an die angegebene Adresse versendet.

Gemäß § 26 Abs. 1 Zustellgesetz erfolgt die Zustellung durch Einwurf in den Briefkasten oder durch Zurücklassung an der Abgabestelle und gemäß § 26 Abs. 2 ZustellG gilt die Zustellung als am dritten Werktag nach der Übergabe an das Zustellorgan als bewirkt.

Ändert eine Partei während eines Verfahrens ihre Abgabestelle, ist sie verpflichtet, dies der Behörde unverzüglich mitzuteilen. Wird diese Mitteilung unterlassen, erfolgt die Zustellung durch Hinterlegung (§ 8 ZustellG).

Der Bescheid vom gilt daher am 3. Werktag nach Bescheiderstellung, also am als zugestellt, sodass die Berufungsfrist am endete. Die Berufung vom ist somit eindeutig verspätet und wurde zurecht mit Bescheid vom zurückgewiesen.

Der Hinweis, dass die Briefe weder Stempel noch Unterschrift aufweisen, geht ins Leere, da gemäß § 96 Bundesabgabenordnung Ausfertigungen, die mittels automatisationsunterstützter Datenverarbeitung erstellt werden, weder einer Unterschrift, noch einer Beglaubigung bedürfen und durch den Leiter der Abgabenbehörde als genehmigt gelten.

Der Bw. erhob dagegen eine als Vorlageantrag zu wertende Berufung und führte dazu aus:

"Die Entscheidung nehmen wir zur Kenntnis, aber die Gründe, die Sie nennen, halten wir nicht für berechtigt, weil als ich krank geschrieben wurde, habe ich Ihnen bekanntgemacht, wo ich mich in der Zeit meiner Krankheit aufhalte. Das war meine Adresse in der Slowakei. Diese Adresse ist euch seit August 2006 bekannt. Die Briefe sollten an diese Adresse geschickt werden. Sie haben diese Adresse wahrscheinlich nicht berücksichtigt und deshalb hatte ich das nicht für begründigt. Da ich die Adressänderung der Behörde gemeldet habe, sollte mir die Post in die Slowakei geschickt werden und seit dem Tag, wo ich sie übernommen habe, zählt die Berufungsfrist (ich habe den Brief in der Slowakei am 19. März erhalten - die Berufungsfrist endet am ).

Ich habe mich an unsere Behörde (Ministerium) gewendet und es wurde festgestellt, dass ich an Familienbeitrag Anspruch habe. Laut Gesetz sind unsere Dokumente in Ordnung und sie erfüllen alle Kriterien Finanzbeiträge zu erhalten.

Es ist uns nicht bekannt, dass wir Paragraphen beschädigt haben. Als ersten Abweisungsgrund wurde uns genannt, dass ich in der Zeit nicht in Österreich tätig wurde. Ich habe alle Unterlagen, die das widerlegen.

Also ich berufe mich wiederholt und wenn mir kein richtiger Grund genannt wurde, warum ich kein Anspruch an die Finanzhilfe habe, bin ich in der Lage gerichtlich es zu lösen."

Der unabhängige Finanzsenat richtet am folgendes Schreiben an den Bw.:

"Am langte beim Finanzamt Neunkirchen Ihre mit datierte Berufung gegen den obigen Bescheid ein. In Ihrer Berufung bringen Sie vor, dass der Bescheid zwar mit datiert ist, tatsächlich sei er Ihnen jedoch erst am "überbracht" worden. Ihre Berufung sei somit rechtzeitig eingebracht worden.

Nach Meinung des Finanzamtes wurde der Bescheid rechtmäßig an die von Ihnen angegebene Adresse " Z, W-Gasse 47" gesendet und gilt der Bescheid vom als am 3. Werktag nach Bescheiderstellung zugestellt, also am , sodass die Berufungsfrist am geendet ist. Somit wäre Ihre Berufung, da sie erst am eingelangt ist, nach Ansicht des Finanzamtes nicht fristgerecht eingebracht worden.

In Ihrem Vorlageantrag vom führen Sie nun an, dass dem Finanzamt bekannt gewesen sei, dass Sie sich während Ihrer Krankheit in der Slowakei aufgehalten hätten, dass das Finanzamt somit an Ihre Adresse in der Slowakei hätte zustellen müssen.

Zur Klärung der Frage werden Sie nunmehr ersucht, innerhalb einer Frist von vier Wochen ab Zustellung dieses Schreibens bekanntzugeben, wo Sie sich in der Zeit vom 21. Februar bis tatsächlich aufgehalten haben. Darauf hingewiesen wird, dass Sie auch in Ihrer Berufung vom Ihre Adresse in 2700 Wr. Neustadt angeben, was für einen Aufenthalt in Österreich spricht. Sollte dies nicht der Fall sein, werden Sie ersucht, dem unabhängigen Finanzsenat geeignete Nachweise (zB ärztliche Bescheinigung) vorzulegen, aus denen sich ergibt, dass Sie sich im fraglichen Zeitraum tatsächlich an einem anderen Ort, etwa in der Slowakei, aufgehalten haben."

Der Bw. beantwortete das Schreiben wie folgt:

"Ich sende Ihnen die Bestätigung, wo ich mich in der Zeit Februar - April aufgehalten habe. Es ist die Bestätigung von meiner Krankenkasse, dass ich seit auf der Slowakei bin. Genauso schicke ich auch die Entscheidung von dem Amt in Prievidza, in dem steht, dass ich seit in der Slowakei als Unternehmer tätig bin. (Beide sind Original + Übersetzung).

Zur Berufung vom (Briefkopie lege ich bei): die Adresse in Wr. Neustadt habe ich deshalb angegeben, dass sie alle meine Unterlagen unter dieser Adresse führen. am Ende des Briefes steht aber auch meine slowakische Adresse, wo sie mich erreichen könnten...

Der Bw. legte dem Schreiben zwei Schriftstücke in slowakischer Sprache sowie die deutsche Übersetzung bei. Diese Übersetzungen stammen nicht von einem gerichtlich beeideten Dolmetscher.

Das Schreiben vom lautet wie folgt:

"Zeit der Sperre des Unternehmersbetrieb wird folgend geändert: vom bis

Begründung

Der Unternehmer hat am verlangt, dass der Zeitraum des Unternehmens vom bis gewechselt wurde. Diese Entscheidung bezieht sich an die Entscheidung vom , wann das Unternehmen gesperrt wurde. Es sollte erst von bis gesperrt werden."

Das zweite Schriftstück, datiert mit , ebenfalls ins Deutsche übersetzt, lautet wie folgt:

"Hiermit bestätigen wir, dass Herr Bw.... ist seit dem bei unserer Krankenkasse versichert."

Über die Berufung wurde erwogen:

Rechtsgrundlagen

§ 26 ZustellG lautet:

"(1) Wurde die Zustellung ohne Zustellnachweis angeordnet, wird das Dokument zugestellt, indem es in den für die Abgabestelle bestimmten Briefkasten (Briefeinwurf, Hausbrieffach) eingelegt oder an der Abgabestelle zurückgelassen wird.

(2) Die Zustellung gilt als am dritten Werktag nach der Übergabe an das Zustellorgan bewirkt. Im Zweifel hat die Behörde die Tatsache und den Zeitpunkt der Zustellung von Amts wegen festzustellen. Die Zustellung wird nicht bewirkt, wenn sich ergibt, dass der Empfänger wegen Abwesenheit von der Abgabestelle nicht rechtzeitig vom Zustellvorgang Kenntnis erlangen konnte, doch wird die Zustellung mit dem der Rückkehr an die Abgabestelle folgenden Tag wirksam."

§ 8 ZustellG lautet:

"§ 8. (1) Eine Partei, die während eines Verfahrens, von dem sie Kenntnis hat, ihre bisherige Abgabestelle ändert, hat dies der Behörde unverzüglich mitzuteilen.

(2) Wird diese Mitteilung unterlassen, so ist, soweit die Verfahrensvorschriften nicht anderes vorsehen, die Zustellung durch Hinterlegung ohne vorausgehenden Zustellversuch vorzunehmen, falls eine Abgabestelle nicht ohne Schwierigkeiten festgestellt werden kann."

Sachverhaltsmäßig steht fest, dass der angefochtene Abweisungsbescheid vom ohne Zustellnachweis zugestellt wurde. Der Bw. gibt als Tag der Zustellung den 19. bzw. an. Aufgrund der im erst- und zweitinstanzlichen Verfahren vorgelegten Unterlagen ist weiters als erwiesen anzunehmen, dass sich der Bw. ab zumindest nicht ständig im Inland aufgehalten hat. Verwiesen wird auch auf einen Aktenvermerk des Finanzamtes, demzufolge der Bw. ab Mai 2006 nicht mehr in Österreich wohnhaft ist.

In rechtlicher Hinsicht folgt daraus:

Nach der oben wiedergegebenen Bestimmung des § 26 Abs. 2 zweiter Satz ZustellG hat im Zweifel die Behörde die Tatsache und den Zeitpunkt der Zustellung von Amts wegen festzustellen. Die Beweislast, dass der Bw. den Abweisungsbescheid vom tatsächlich vor dem von ihm bezeichneten Zustellzeitpunkt erhalten hat, trifft somit das Finanzamt. Einen solchen Beweis hat das Finanzamt nicht erbracht.

Wenn die Amtspartei ferner darauf hinweist, dass der Bw. seine Mitteilungspflicht nach § 8 Abs. 1 ZustellG verletzt habe, so ist zum einen festzustellen, dass laut Aktenlage eine Hinterlegung ohne vorausgehenden Zustellversuch nicht erfolgt ist, weshalb auch die Zustellwirkung nicht eintreten konnte.

Zum anderen ist eine Hinterlegung ohne vorausgehenden Zustellversuch nur dann zulässig, falls eine Abgabestelle nicht ohne Schwierigkeiten festgestellt werden kann. Es ist diesbezüglich dem Bw. Recht zu geben, wenn er darauf verweist, dass seine Adresse in der Slowakei dem Finanzamt bekannt war.

Klarstellend wird darauf hingewiesen, dass in dieser Entscheidung nicht darüber abgesprochen werden konnte, ob Familienbeihilfe (Ausgleichszahlung) zusteht oder nicht.

Sollte sich ergeben, dass der Bw. in Österreich tatsächlich eine nichtselbständige Tätigkeit ausgeübt hat, also nur zum Schein selbständig tätig gewesen ist, wird kein solcher Anspruch gegeben sein.

Zu klären sein werden weiters Divergenzen im Anspruchszeitraum (lt. Antrag auf Ausgleichszahlung ab 2007, im Abweisungsbescheid wurde der Antrag ab abgewiesen) sowie die Art der tatsächlich beanspruchten Familienleistungen (lt. Berufung Kinderbetreuungsgeld und Familienzuschlag).

Wien, am

Zusatzinformationen


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Materie
Steuer
Finanzstrafrecht Verfahrensrecht
betroffene Normen
§ 8 ZustG, Zustellgesetz, BGBl. Nr. 200/1982
§ 26 Abs. 2 ZustG, Zustellgesetz, BGBl. Nr. 200/1982
Schlagworte
Hinterlegung
Zustellversuch

Datenquelle: Findok — https://findok.bmf.gv.at