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Berufungsentscheidung - Steuer (Referent), UFSI vom 03.11.2006, RV/0151-I/04

Abgabennachsicht aus Billigkeitsgründen

Entscheidungstext

Berufungsentscheidung

Der unabhängige Finanzsenat hat über die Berufung des Bw., vertreten durch Schüßling, Kofler & Partner GmbH, Wirtschaftsprüfungs- und Steuerberatungsgesellschaft, 6020 Innsbruck, Adamgasse 23, vom gegen den Bescheid des Finanzamtes Innsbruck vom betreffend Nachsicht gemäß § 236 BAO entschieden:

Der Berufung wird insoweit Folge gegeben, als die nachstehend angeführten Abgabenschuldigkeiten nachgesehen werden:


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Körperschaftsteuer
1982
43.518,31 €
Körperschaftsteuer
1983
66.574,86 €
Körperschaftsteuer
1985
36.231,40 €
Kapitalertragsteuer
1-12/1983
2.652,94 €
Kapitalertragsteuer
1-12/1985
10.326,52 €
Summe
159.304,03 €

Entscheidungsgründe

1.) Der Berufungswerber (Bw.) wurde mit Berufungsentscheidung des Unabhängigen Finanzsenates vom , RV..., zur Haftung gemäß §§ 9 und 80 BAO für die aushaftenden Abgabenschuldigkeiten der T. GmbH betreffend Körperschaft- und Kapitalertragsteuer 1982, 1983 und 1985 im Gesamtbetrag von 195.051,84 € herangezogen.

2.) Zur zwangsweisen Hereinbringung dieser Abgabenschuldigkeiten pfändete das Finanzamt im März 2004 die Alterspension des Bw. Seit April 2004 werden die der Pfändung unterliegenden Bezugsteile vom Pensionsversicherungsträger an das Finanzamt abgeführt. Im Jahr 2006 wurden monatliche Raten in Höhe von 477,37 € zuzüglich der pfändbaren Teile der Sonderzahlungen im Exekutionsweg entrichtet.

3.) Mit Eingabe vom beantragte der Bw. die Nachsicht der oben genannten Abgabenschuldigkeiten gemäß § 236 Abs. 1 BAO. In der Begründung wurde im Wesentlichen ausgeführt, dass eine Nachsicht fälliger Abgabenschuldigkeiten zu gewähren sei, wenn deren Einhebung nach der Lage des Falles unbillig sei. Eine solche Unbilligkeit sei im Berufungsfall aufgrund der wirtschaftlichen Verhältnisse des Bw., seines hohen Alters und schlechten Gesundheitszustandes sowie im Hinblick auf die Höhe des Abgabenrückstandes gegeben. Laut beigeschlossener Bestätigung der Pensionsversicherungsanstalt der Angestellten beziehe der im Jahr 1928 geborene Bw. eine monatliche Alterspension in Höhe von 1.581,51 € netto. Da der Bw. weder über andere Einkünfte verfüge noch vermögenswerte Wirtschaftsgüter besitze, käme als Einbringungsmaßnahme ausschließlich die Pensionspfändung in Betracht. Dem Bw. sei die Abstattung der gesamten Haftungsschuld im Wege der Pensionspfändung selbst bei einer massiven Einschränkung der Lebenshaltungskosten nicht möglich, weil hiefür ein Zeitraum von 25 bis 30 Jahren erforderlich wäre. Somit stünde die Abgabeneinhebung in keinem wirtschaftlich vertretbaren Verhältnis zu den für den Bw. entstehenden Nachteilen. Bei einer Aufrechterhaltung der Pensionspfändung verbliebe dem Bw. zur Bestreitung einer bescheidenen Lebensführung nur mehr ein minimaler Teil seiner Alterspension. Die dadurch hervorgerufene wirtschaftliche Notlage führe nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes zu einer Unbilligkeit der Abgabeneinhebung (). Der Bw. müsse mit dem pfändungsfreien Teil der Pensionsbezüge nicht nur den eigenen Lebensunterhalt bestreiten, sondern auch für die Kosten des gemeinsamen Haushaltes mit der Ehegattin aufkommen, weil diese - abgesehen von geringfügigen Einkünften aus einer Vermietungstätigkeit - kein eigenes Einkommen beziehe. Weiters habe der Bw. für sich und seine Ehegattin monatliche Prämienzahlungen in Höhe von 300 € für eine altersbedingt und aufgrund seines labilen Gesundheitszustandes erforderliche private Krankenversicherung zu leisten. Im Hinblick auf absehbare Zusatzkosten für Pflege bzw. ähnliche alters- bzw. krankheitsbedingte Mehraufwendungen erscheine die Aufrechterhaltung der Pensionspfändung unbillig. Unter den gegebenen Umstände sei die Existenz des Bw. durch die Einhebung von Abgabenschuldigkeiten in Höhe von 195.051,84 € gefährdet.

4.) Das Finanzamt gab dem Nachsichtsansuchen mit Bescheid vom keine Folge, indem es den Standpunkt einnahm, dass die Pfändung beschränkt pfändbarer Pensionsansprüche aufgrund der gesetzlich vorgesehenen Freibeträge (§ 291a EO iVm § 53 AbgEO) zu keiner Unbilligkeit der Abgabeneinhebung führe.

5.) In der dagegen fristgerecht erhobenen Berufung wendete der Bw. im Wesentlichen ein, dass die Bestimmung des § 236 BAO inhaltsleer wäre, wenn die Auffassung des Finanzamtes, eine Unbilligkeit der Abgabeneinhebung sei aufgrund des exekutionsrechtlichen Pfändungsschutzes nicht gegeben, zutreffend wäre. Die Regelungen über die Abgabennachsicht verfolgten den Zweck, sich aus dem Gesetz ergebende Härten gerade auch in jenen Fällen zu beseitigen, in denen die zwangsweise Abgabeneinbringung trotz des dem Abgabenschuldner verbleibenden Existenzminimums zu einer Existenzgefährdung führe. Die Ansicht des Finanzamtes, der exekutionsrechtliche Pfändungsschutz sei für sich allein ausreichend, um in der Abgabeneinhebung gelegene Härten zu vermeiden, finde weder in der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes noch in den ministeriellen Richtlinien zur Abgabeneinhebung Deckung (; ; ; RAE, Rz 1653). Da für die ratenweise Abstattung der Abgabenschuldigkeiten ein Zeitraum von zirka 30 Jahren erforderlich wäre, sei die Pensionspfändung nicht nur unbillig, sondern aufgrund des hohen Alters des Bw. auch als "absolut untaugliche" Exekutionsmaßnahme anzusehen. Eine "menschlich und moralisch vertretbare" Anwendung des Gesetzes könne nur zur Gewährung der Abgabennachsicht führen, weil das Gesetz "genau für diese Härtefälle nicht nur durch die EO, sondern vorwiegend durch das Instrument der Nachsicht...Schutz bieten soll".

6.) Das Finanzamt wies die Berufung mit Berufungsvorentscheidung vom ab. Begründend führte es dazu aus, dass es der Ansicht des Bw., die Abgabeneinhebung sei aus persönlichen Gründen unbillig, nicht folgen könne. Eine persönliche Unbilligkeit werde weder durch die Unterhaltspflichten des Bw. gegenüber seiner Ehegattin noch durch allfällige alters- oder krankheitsbedingte Zusatzkosten begründet. Vielmehr sei derartigen Mehraufwendungen bei Vorliegen der Voraussetzungen des § 59 AbgEO durch eine Erhöhung des unpfändbaren Freibetrages (§ 291a EO) Rechnung zu tragen. Zwar könnten Abgabenschuldigkeiten grundsätzlich auch dann nachgesehen werden, wenn dem Vollstreckungsschuldner nur mehr das Existenzminimum verbleibe. Solche "besonders berücksichtigenswerte Umstände" seien im Berufungsfall aber nicht gegeben.

7.) Im Vorlageantrag vom wiederholte der Bw. seinen Standpunkt. Weiters bemängelte der Bw., dass sich das Finanzamt mit seiner wirtschaftlichen Situation nicht auseinandergesetzt, sondern lediglich festgestellt habe, dass keine Unbilligkeit vorliege, weil die Existenz des Bw. durch die Gewährung des unpfändbaren Freibetrages gesichert sei. Das Finanzamt sei auf die Frage, ob eine Unbilligkeit der Abgabeneinhebung auch dann vorliege, wenn dem Bw. "das Existenzminimum zum Leben" verbleibe, nicht eingegangen. Der Bw. verkenne nicht das vorrangige Ziel der Abgabenbehörde, festgesetzte und fällige Steuern umfassend und vollständig einzuheben. Der Bestimmung des § 236 BAO liege aber der Gedanke zugrunde, dass "von einer menschlich und moralisch nicht vertretbaren Anwendung des Gesetzes Abstand genommen werden muss". Unbilligkeit sei auch dann gegeben, wenn die Einbringung in keinem wirtschaftlich vertretbaren Verhältnis zu jenen Nachteilen stehe, die sich aus der Einziehung für den Steuerpflichtigen ergäben. Im Berufungsfall könnten die Haftungsschulden nur durch monatliche Ratenzahlungen beglichen werden. Aufgrund der Höhe des Abgabenrückstandes und des hohen Alters des Bw. müsse die Pensionspfändung bis an sein Lebensende vorgenommen werden. Dabei sei allerdings zu bedenken, dass nach der allgemeinen Lebenserfahrung selbst bei einer Abschöpfung des pfändbaren Teiles der Alterspension höchstens 10 % der Haftungsschulden einbringlich wären. Aufgrund der einschneidenden Änderungen, die sich für den Bw. bei einer Pensionspfändung bis an sein Lebensende ergeben würden, erscheine die Abgabeneinhebung unbillig.

Über die Berufung wurde erwogen:

Vorauszuschicken ist, dass der auf die Nachsicht eines Abgabenbetrages von 195.051,84 € gerichtete Antrag vom nicht mehr in vollem Umfang aufrecht ist. Die hiezu bevollmächtigte Tochter des Bw., Frau Dr. W., hat in Beantwortung des an den Bw. gerichteten Schreibens der Abgabenbehörde zweiter Instanz vom bei einer persönlichen Vorsprache am ihre Bereitschaft (bzw. jene ihres Bruders) bekundet, den Bw. im Rahmen einer "Familienlösung" finanziell zu unterstützen. Dabei wurde die Begleichung eines Teiles der Haftungsschulden durch die Kinder des Bw. in Aussicht gestellt und eine ihren finanziellen Möglichkeiten entsprechende Teilzahlung in Höhe von 25.000 € angeboten. Durch diese Hilfeleistung solle - im Fall einer Teilnachsicht - die wirtschaftliche Existenz des schwer kranken Bw. an seinem Lebensabend abgesichert werden. Die von der Tochter des Bw. angebotene Summe (25.000 €) wurde am auf das Abgabenkonto der T. GmbH überwiesen und am mit der im Betrag von 28.130,31 € aushaftenden Kapitalertragsteuer 1983 verrechnet. Dadurch hat sich der Rückstand an Kapitalertragsteuer 1983 auf 3.130,31 € vermindert. Eine weitere Rückstandsminderung auf 2.652,94 € ergab sich durch die Verrechnung der Ratenzahlung vom aufgrund der Pensionspfändung (477,37 €). Mit Schreiben vom schränkte der Bw. den ursprünglichen Nachsichtsantrag auf die verbleibenden Haftungsschulden ein. Diese betragen unter Berücksichtigung aller bisherigen Zahlungen 159.304,03 €. Wegen der Antragsgebundenheit von Maßnahmen nach § 236 BAO ist daher zu prüfen, ob die Voraussetzungen für eine Abgabennachsicht im genannten Umfang gegeben sind.

Gemäß § 236 Abs. 1 BAO können fällige Abgabenschuldigkeiten auf Antrag des Abgabepflichtigen ganz oder zum Teil durch Abschreibung nachgesehen werden, wenn ihre Einhebung nach der Lage des Falles unbillig wäre.

Gemäß § 77 Abs. 2 BAO ist der für die Abgabenschuldigkeiten der T. GmbH zur Vertreterhaftung herangezogene Bw. gleich der erstschuldnerischen Gesellschaft zur Antragstellung um Nachsicht berechtigt (vgl. Ritz, BAO-Kommentar/3, § 236, Tz 3).

Nach der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes hat die Abgabenbehörde im Fall eines Nachsichtsansuchens zuerst zu prüfen, ob ein Sachverhalt vorliegt, der dem unbestimmten Gesetzesbegriff der Unbilligkeit der Einhebung nach Lage des Falles entspricht. Bejaht die Abgabenbehörde das Vorliegen einer Unbilligkeit im Sinne des Gesetzes, so hat sie im Bereich des Ermessens nach Billigkeit und Zweckmäßigkeit zu entscheiden ().

Die Unbilligkeit der Abgabeneinhebung kann entweder persönlich oder sachlich bedingt sein. Im vorliegenden Fall wurde kein Sachverhalt dargestellt, der eine sachliche Unbilligkeit der Abgabeneinhebung begründen könnte. Strittig ist ausschließlich die Unbilligkeit der Abgabeneinhebung aus persönlichen Gründen. Nach Lehre und Rechtsprechung wird eine persönlich bedingte Unbilligkeit stets dann gegeben sein, wenn die Abgabeneinhebung die Existenz des Nachsichtswerbers oder seiner Familie gefährden würde. Allerdings bedarf es zur Bewilligung einer Nachsicht (aus persönlichen Gründen) nicht unbedingt der Existenzgefährdung oder besonderer finanzieller Schwierigkeiten und Notlagen, sondern es genügt, dass die Abstattung der Abgabenschuld mit wirtschaftlichen Auswirkungen verbunden wäre, die außergewöhnlich sind (vgl. Ritz, aaO, § 236, Tz 9 ff, mit weiteren Hinweisen).

Wie der Verwaltungsgerichtshof im Erkenntnis vom , 96/13/0086, ausgesprochen hat, befindet sich ein Abgabepflichtiger, dem zur Bestreitung seines Unterhaltes nur mehr der pfändungsfreie Teil seiner Alterspension verbleibt, zweifellos in einer wirtschaftlichen Notlage. Tritt zu einer solchen finanziellen Notlage eine im Hinblick auf die Höhe des Abgabenrückstandes gegebene Uneinbringlichkeit der Abgabenschuldigkeiten hinzu, indiziert dies eine Unbilligkeit der Abgabeneinhebung (vgl. Stoll, BAO-Kommentar, 2434 f; RAE, Rz 1653).

In Anbetracht dieser Rechtslage würde die Einhebung der um die bisherigen Zahlungen verminderten Haftungsschuld (159.304,03 €) zu einer Unbilligkeit im Sinn des § 236 BAO führen. Der über 78 Jahre alte Bw. steht seit langem nicht mehr im Erwerbsleben; sein Gesundheitszustand ist aufgrund einer schweren Parkinson-Krankheit angegriffen. Die nicht strittigen wirtschaftlichen Verhältnisse des Bw. werden dadurch gekennzeichnet, dass ihm seit mehreren Jahren nur die unpfändbaren Bezugsteile seiner Alterspension (rund 1.100 € monatlich) zum Lebensunterhalt zur Verfügung stehen. Davon müssen nicht nur die Lebenshaltungskosten im engeren Sinn, sondern auch zusätzliche Ausgaben für eine private Krankenversicherung (rd. 300 € pro Monat) und eine Unfallversicherung (rd. 670 € jährlich) bestritten werden. Der Bw. ist für die im gemeinsamen Haushalt lebende Ehegattin sorgepflichtig, die keine eigene Pension, sondern nur geringfügige Einkünfte aus einer Vermietung bezieht. Das Finanzamt hat anlässlich der Feststellung der wirtschaftlichen Verhältnisse des Bw. erhoben, dass dieser weder über Immobilienbesitz - das Wohnhaus gehört seit 1997 der Tochter - noch über einen PKW noch über Finanzvermögen in Form von Sparguthaben etc. verfügt, sodass keine zur Entrichtung der Haftungsschulden notfalls angreifbare Vermögenssubstanz vorhanden ist (vgl. EV 7 v. ). In Anbetracht dieses unstrittigen Sachverhaltes kann das Vorliegen einer wirtschaftlichen Notlage somit nicht in Abrede gestellt werden.

Was die Frage der Einbringlichkeit der nachsichtsgegenständlichen Abgabenschulden betrifft, ist davon auszugehen, dass die Summe der eingangs angeführten Monatsraten aufgrund der Pensionspfändung einen vollstreckbaren Jahresbetrag von zirka 7.000 € ergibt. Für die Abstattung der gesamten Haftungsschuld (rd. 195.000 €) im Wege der Pensionsexekution wäre somit ein Zeitraum von fast 28 Jahren erforderlich, an dessen Ende der Bw. ein Alter von über 100 Jahren erreicht hätte. Da eine derartige Annahme im Hinblick auf die durchschnittliche Lebenserwartung in Österreich unrealistisch erscheint, ist die Uneinbringlichkeit des weitaus überwiegenden Teiles der Haftungsschuld und insoweit auch die Unbilligkeit der Abgabeneinhebung gegeben.

Liegen die Voraussetzungen für eine Nachsicht demnach vor, steht die Bewilligung der Nachsicht im Ermessen der Abgabenbehörde. Gemäß § 20 BAO müssen sich Ermessensentscheidungen in den Grenzen halten, die das Gesetz dem Ermessen zieht. Innerhalb dieser Grenzen sind Ermessensentscheidungen nach Billigkeit und Zweckmäßigkeit unter Berücksichtigung aller in Betracht kommenden Umstände zu treffen.

Bei der Abwägung, ob der für den Abgabenverzicht sprechenden Billigkeit der Vorzug gegenüber der im öffentlichen Interesse gelegenen Abgabeneinhebung zu geben ist, darf das Zweckmäßigkeitsmoment nicht allein aus der Sicht einer möglichst ausnahmslosen Einbringung von Abgaben beurteilt werden, weil sonst Vorschriften über die Nachsicht - wie der Bw. zu Recht einwendet - inhaltsleer wären. Zweckmäßigkeitserwägungen müssen daher auch unter Bedachtnahme auf den Umstand angestellt werden, dass eine Nachsicht durchaus mit den öffentlichen Interessen der Abgabeneinhebung vereinbar sein kann (vgl. Stoll, aaO, 2246).

Nach Ansicht der Abgabenbehörde zweiter Instanz lassen sich aus der Tatsache, dass die Kinder des Bw. einen Teil der Haftungsschulden (25.000 €) entrichtet haben, gewichtige Anhaltspunkte für eine positive Ermessensentscheidung aus dem Blickwinkel der Zweckmäßigkeit gewinnen: Die für den Bw. geleistete Zahlung entspricht in etwa jenem Betrag, der im Fall einer Aufrechterhaltung der Pensionspfändung in den nächsten dreieinhalb Jahren maximal einbringlich wäre. Ein derartiger Einbringungserfolg würde allerdings voraussetzen, dass der Bw. ein entsprechendes Lebensalter erreicht und keine Erhöhung des unpfändbaren Freibetrages nach § 59 Abs. 1 AbgEO erfolgt. Gründe für eine Erhöhung des pfändungsfreien Betrages vom Pensionsbezug könnten sich insbesondere aus der Parkinson-Krankheit des Bw. und/oder einer altersbedingten Gebrechlichkeit ergeben (vgl. Liebegg, Abgabenexekutionsordnung Kommentar, § 59, Tz 4).

Durch den Einmalerlag von 25.000 € wurden die aus einer viele Jahre zurückliegenden Betriebsprüfung bei der T. GmbH resultierenden Abgabenbeträge durch nahe Angehörige des Bw. in einem für diese verkraftbaren Ausmaß entrichtet. Damit wurden die unter den gegebenen Umständen zur teilweisen Tilgung der Steuerschulden beschaffbaren Mittel eingesetzt. Dem Bw. ist im Hinblick auf sein fortgeschrittenes Alter und die Höhe seiner Pensionsbezüge zuzugestehen, dass ihm die Tilgung der gesamten Haftungsschuld etwa durch Aufnahme eines Bankkredites nicht möglich ist, weil durch die Bedienung eines solchen Kredites die Mittel für den Lebensunterhalt in einem auskömmlichen Umfang entzogen würden, selbst wenn dadurch die Pensionspfändung abgewendet werden könnte.

Die Begleichung eines Teiles der Haftungsschuld durch die Kinder des Bw. bewirkte eine sofortige Reduzierung des Abgabenrückstandes in nicht unbeträchtlicher Höhe, während im Exekutionsweg nur ein sukzessiver Rückstandsabbau im Verlauf von Jahren möglich gewesen wäre. Nach Ansicht der Abgabenbehörde zweiter Instanz lässt diese Handlungsweise auf eine positive Haltung des Bw. bezüglich der dem Abgabengläubiger gegenüber bestehenden Verpflichtungen schließen, wodurch die lange Zeit zurückliegende Pflichtverletzung, die zur Vertreterhaftung geführt hat, aufgewogen wird. Unter dem Aspekt der Nachsichtswürdigkeit ist zudem in Rechnung zu stellen, dass der Bw. keine persönlichen Steuerschulden angehäuft hat, sondern die auf seine früheren Einkünfte als Gesellschafter-Geschäftsführer der T. GmbH entfallenden Steuern in vollem Umfang entrichtet hat. In Abwägung der Gesamtumstände des Berufungsfalles kann daher das Interesse des Bw. an der uneingeschränkten Verfügbarkeit seiner Pensionsbezüge als einziger Einkunftsquelle nicht als absolut nachrangig gegenüber den Interessen des Abgabengläubigers angesehen werden.

Zur Pensionsexekution kam es letztlich deshalb, weil zwischen dem Entstehen der nachsichtsgegenständlichen Steuerschulden bei der T. GmbH und der Haftungsinanspruchnahme des Bw. im Jahr 1999 ein ungewöhnlich langer Zeitraum verstrichen ist. Umfangreiche Berufungsverfahren und mehrmalige Rechtsgänge zum Verwaltungsgerichtshof führten dazu, dass Exekutionsmaßnahmen gegen den Bw. erst Jahre nach seinem Pensionseintritt eingeleitet werden konnten. Dies hat wiederum zur Folge, dass der weitaus überwiegende Teil der Haftungsschuld selbst bei einer Pensionsexekution bis zum Lebensende des Bw. uneinbringlich wäre. Andererseits wurde durch die teilweise Abdeckung der Haftungsschulden seitens der Kinder des Bw. ein Einbringungserfolg erreicht, der sonst womöglich überhaupt nicht oder allenfalls in einigen Jahren eingetreten wäre. Unter den gegebenen Umständen erschiene es der Abgabenbehörde zweiter Instanz unbillig, die Pensionspfändung aufrecht zu erhalten und damit die wirtschaftliche Notlage des Bw. bis an sein Lebensende zu verlängern. Vielmehr erscheint aufgrund der Besonderheit des Berufungsfalles eine Abgabennachsicht aus Billigkeitsgründen geboten, um dem Bw. die Mittel für eine altersadäquate bzw. seinem Krankheitszustand entsprechende Lebensführung zu belassen. Hiefür spricht nicht zuletzt auch, dass sich die Nachsicht nicht zu Gunsten anderer Gläubiger auswirkt, sondern die zu treffende Ermessensentscheidung tatsächlich geeignet ist, die durch die Einbringung der vom Nachsichtsbegehren betroffenen Abgaben verursachte wirtschaftliche Notlage des Bw. abzuwenden.

Abschließend sei noch bemerkt, dass zwar die Abgabennachsicht auch der erstschuldnerischen T. GmbH zu Gute kommt. Dieser Umstand steht aber der Bewilligung der Nachsicht nicht entgegen, weil die Aussichtslosigkeit einer Abgabeneinbringung bei dieser Gesellschaft offenkundig ist. Die T. GmbH ist vollkommen vermögenslos und hat ihren Betrieb vor vielen Jahren eingestellt.

Somit war wie im Spruch angeführt zu entscheiden.

Innsbruck, am

Zusatzinformationen


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Materie
Steuer
Finanzstrafrecht Verfahrensrecht
betroffene Normen
§ 236 Abs. 1 BAO, Bundesabgabenordnung, BGBl. Nr. 194/1961
Schlagworte
wirtschaftliche Notlage
Pensionspfändung
Alterspension
pfändungsfreier Teil
Uneinbringlichkeit
Unbilligkeit der Abgabeneinhebung
Verweise

Datenquelle: Findok — https://findok.bmf.gv.at