Berufungsentscheidung - Steuer (Referent), UFSW vom 15.09.2008, RV/1232-W/07

Verfassungsrechtliche Bedenken gegen das ErbStG

Entscheidungstext

Berufungsentscheidung

Der unabhängige Finanzsenat hat über die Berufung des Bw., vom gegen den Bescheid des Finanzamtes für Gebühren und Verkehrsteuern Wien vom , Erfassungsnummer zzz, betreffend Erbschaftssteuer entschieden:

Die Berufung wird als unbegründet abgewiesen.

Entscheidungsgründe

Auf Grund des Einantwortungsbeschlusses des Bezirksgerichtes NN. vom ttmmjj wurde die Verlassenschaft nach dem am TTMMJJ verstorbenen NNN. dem Berufungswerber (Bw), Herrn Bw., zu 2/3 des Nachlasses eingeantwortet.

Laut vorliegender Anzeige gemäß § 26 ErbStG gelangte darüber hinaus nach dem Ableben des Erblassers und auf der Grundlage der Versicherungspolizze der NNVersicherung Polizze Nr. ZZZ ein Betrag in der Höhe von € 40.059,09 zur Auszahlung an Bw.

Mit dem o.a. Bescheid vom setzte das Finanzamt für Verkehrsteuern in Wien für diese Vorgänge Erbschaftssteuer in der Höhe von € 1.034,29 fest.

In der gegen diesen Bescheid gerichteten Berufung wendet sich der Bw. ausschließlich gegen die Einbeziehung der Lebensversicherung in die Bemessung der Erbschaftssteuer und erblickt darin eine sachlich nicht gerechtfertigte Ungleichbehandlung im Vergleich zu ähnlich gelagerten Sachverhalten wie etwa bestimme Kapitalvermögen wie z.B. Sparguthaben.

Angesichts des Prüfungsbeschlusses des VfGH B 3391/05 vom regt der Bw. an, die ungleiche Behandlung unterschiedlicher Kapitalvermögen wie sie im vorliegenden Fall eintrete, ebenfalls einer genauen Überprüfung zu unterziehen.

Das Finanzamt wies die Berufung mit Berufungsvorentscheidung vom als unbegründet ab.

Der Bw. stellte daraufhin fristgerecht den Antrag auf Vorlage der Berufung an die Abgabenbehörde zweiter Instanz.

Über die Berufung wurde erwogen:

Die für den Streitfall wichtigsten Bestimmungen in der im entscheidungsmaßgeblichen Zeitpunkt gültigen Fassung lauten:

Gemäß § 1 Abs. 1 Z 1 Erbschafts- und Schenkungssteuergesetz 1955 (ErbStG) unterliegt der Steuer nach diesem Bundesgesetz der Erwerb von Todes wegen.

Gemäß § 2 Abs. 1 Z 3 ErbStG gilt als Erwerb von Todes wegen der Erwerb von Vermögensvorteilen, der auf Grund eines vom Erblasser geschlossenen Vertrages unter Lebenden von einem Dritten mit dem Tode des Erblassers unmittelbar geltend gemacht wird.

Die zitierte Gesetzesstelle umschreibt den Begriff "Erwerb von Todes wegen" (des § 1 Abs. 1 Z 1 leg. cit.) und nimmt über die in § 2 Abs. 1 Z 1 genannten bürgerlich-rechtlichen Fälle eines Erwerbes von Todes wegen hinaus wesentliche Erweiterungen vor, so insbesondere durch die Einbeziehung des Erwerbes von Vermögensvorteilen auf Grund von Verträgen zu Gunsten Dritter, die der spätere Erblasser schon zu Lebzeiten geschlossen hat (vgl. Fellner, Gebühren und Verkehrsteuern, Band III Erbschafts- und Schenkungssteuer, RZ 1 und 49 zu § 2 ErbStG).

Unter die im § 2 Abs. 1 Z 3 ErbStG genannten Verträge fallen auch Versicherungsverträge (Kapitalversicherungen) auf Ableben ( Zl. 91/16/0103).

Aufgrund des § 166 Abs. 2 VersVG erwirbt ein als bezugsberechtigt bezeichneter Dritter, das Recht auf die Leistung des Versicherers erst mit dem Eintritt des Versicherungsfalles. Daraus ergibt sich, dass der Versicherungsfall und damit eine Steuerpflicht nach § 2 Abs. 1 Z 3 ErbStG dann eintritt, wenn der Versicherungsnehmer stirbt.

Dass es im vorliegenden Fall im Rahmen einer Versicherungsleistung aus einem Lebensversicherungsvertrag infolge des Todesfalles des versicherten Erblassers zur Auszahlung eines Betrages in der Höhe von € 40.059,09 an den Bw. als den in der Polizze Nr. ZZZ namentlich genannten Bezugsberechtigten gekommen ist, steht außer Streit.

Unbestritten ist ferner, dass dadurch der Tatbestand des § 2 Abs. 1 Z 3 ErbStG verwirklicht worden ist und dass dadurch die Steuerschuld gemäß § 12 Abs. 1 Z 1 ErbStG mit dem Tode des Erblassers entstanden ist.

Weder dem vorliegenden Verwaltungsakt noch dem Vorbringen des Bw. sind Hinweise darauf zu entnehmen, dass das Finanzamt die oben erwähnten gesetzlichen Bestimmungen unrichtig angewandt haben könnte.

Die Berufung und der darin erhobene Vorwurf der Rechtswidrigkeit richtet sich vielmehr ausschließlich gegen die vom Bw. behauptete sachlich nicht gerechtfertigte Ungleichbehandlung, die er unter anderem in den von ihm formulierten nachstehend angeführten Umständen erblickt, die seiner Meinung nach vergleichbare Sachverhalte betreffen:

Bestimmte Kapitalvermögen wie z.B. Sparguthaben bleiben steuerfrei bzw. wird bloß der Ertrag einer Besteuerung unterworfen.

Andere Kapitalvermögen werden unbeschadet ihrer vormaligen Versteuerung nach dem Gesamtkapital erbschaftssteuerrechtlich behandelt.

Lebensversicherungen werden überhaupt nach der Versicherungssumme beurteilt; es wäre sogar denkmöglich, dass nach einem Todesfall nach Errichtung und Einzahlung weniger Raten dennoch nach der Versicherungssumme und nicht den einbezahlten Prämien bemessen wird.

Immobilien werden nach den - von verschiedenen Seiten als fragwürdig angesehenen - Einheitswerten veranlagt.

Die Ungleichbehandlung zeigt sich nach Ansicht des Bw. auch an Hand eines Vergleichs einer unmittelbar vor dem Ableben zur Auszahlung gelangten Er- und Ablebensversicherung mit der Auszahlung nach dem Todesfall: Im erstgenannten Fall bleibe der Kapitalertrag (unter bestimmten Umständen) steuerfrei. Wenn dieses Kapital nach einer entsprechenden Veranlagung als endbesteuertes Vermögen vererbt werde, bleibe es erbschaftssteuerfrei. Im zweiten Fall komme die Lebensversicherung an die Erben des Versicherungsnehmers zur Auszahlung und es bestehe Erbschaftssteuerpflicht.

Dem ist zunächst zu entgegnen, dass es dem Gesetzgeber freisteht, für unterschiedliche Sachverhalte unterschiedliche abgabenrechtliche Konsequenzen zu bestimmen und demnach auch bei den vom Bw. angesprochenen Vermögensübergängen zwischen endbesteuertem und anderem Vermögen zu differenzieren.

Wenn § 15 Abs. 1 Z 17 ErbStG - in verfassungskonformer Umsetzung des Endbesteuerungsgesetzes (vgl. auch VfSlg. 15.299/1998) - vorsieht, dass Erwerbe von Todes wegen ua von Kapitalvermögen, soweit dessen Erträge im Zeitpunkt des Todes des Erblassers der Steuerabgeltung gemäß § 97 Abs. 1 erster Satz sowie § 97 Abs. 2 erster bis dritter Satz EStG 1988 unterliegen, steuerfrei bleiben sollen, so liegt dem offensichtlich der Gedanke zugrunde, dass mit der laufenden Entrichtung der Kapitalertragsteuer (somit einer Erhebungsform der Einkommensteuer) nicht nur die Einkommensteuer, sondern auch die letztlich beim Übergang von Todes wegen zu entrichtende Erbschaftssteuer abgegolten sein soll (). Dass für das streitgegenständliche Vermögen Kapitalertragsteuer entrichtet worden sei behauptet nicht einmal der Bw.

Zu den geäußerten verfassungsrechtlichen Bedenken ist darauf hinzuweisen, dass die Abgabenbehörde stets die im Zeitpunkt des Entstehens der Steuerschuld gültige Rechtslage zu beachten hat. Im Zeitpunkt der Steuerschuldentstehung (Tod des Erblassers) stand das "Bundesgesetz vom , betreffend die Erhebung einer Erbschafts- und Schenkungssteuer (Erbschafts- und Schenkungssteuergesetz 1955)", BGBl. 141, in Geltung. Dass das Finanzamt dieses Gesetz unrichtig angewandt habe, behauptet nicht einmal der Bw. Damit ist aber das Schicksal der vorliegenden Berufung entschieden, zumal es dem unabhängigen Finanzsenat als Abgabenbehörde zweiter Instanz verwehrt ist, einen Bescheid alleine deshalb aufzuheben, weil die zutreffende Anwendung der maßgeblichen gesetzlichen Bestimmungen zu einer behaupteten ungerechtfertigten Ungleichbehandlung führt.

Daran ändert auch die Tatsache nichts, dass der Verfassungsgerichtshof mit Beschluss vom , B 1983/06 bereits ein Gesetzesprüfungsverfahren betreffend die Verfassungsmäßigkeit der Bestimmung des § 1 Abs.1 Z 2 ErbStG eingeleitet hat. Die Beurteilung der Verfassungsmäßigkeit einer gesetzlichen Bestimmung steht nicht dem unabhängigen Finanzsenat zu, sondern ist dem Verfassungsgerichtshof im Rahmen eines "Gesetzesprüfungsverfahrens" vorbehalten. Über eine etwaige Verfassungswidrigkeit eines Gesetzes entscheidet der Verfassungsgerichtshof dadurch, dass er eine als verfassungswidrig erkannte gesetzliche Bestimmung ab einem bestimmten Zeitpunkt aufhebt.

Ist ein Gesetz wegen Verfassungswidrigkeit aufgehoben worden oder hat der Verfassungsgerichtshof gemäß Abs. 4 ausgesprochen, dass ein Gesetz verfassungswidrig war, so sind gemäß Art. 140 Abs. 7 B-VG alle Gerichte und Verwaltungsbehörden an den Spruch des Verfassungsgerichtshofes gebunden. Auf die vor der Aufhebung verwirklichten Tatbestände mit Ausnahme des Anlassfalles ist jedoch das Gesetz weiterhin anzuwenden, sofern der Verfassungsgerichtshof nicht in seinem aufhebenden Erkenntnis anderes ausspricht. Hat der Verfassungsgerichtshof in seinem aufhebenden Erkenntnis eine Frist gemäß Abs. 5 gesetzt, so ist das Gesetz auf alle bis zum Ablauf dieser Frist verwirklichten Tatbestände mit Ausnahme des Anlassfalles anzuwenden.

Der Verfassungsgerichtshof hat mit Erkenntnis vom , G 23/07 ua die Bestimmung des § 1 Abs. 1 Z 2 des ErbStG 1955 und damit den Erbschaftssteuergrundtatbestand als verfassungswidrig aufgehoben und darin gleichzeitig ausgesprochen, dass die Aufhebung mit Ablauf des in Kraft tritt. Auf Grund dieser vom Verfassungsgerichtshof gesetzten Frist für das Außerkrafttreten lösen (mit Ausnahme der sogenannten Anlassfälle, die in den Genuss der "Ergreiferprämie" kommen) Erbschaftsfälle, bei denen der Zeitpunkt des Entstehens der Steuerschuld vor dem liegt, weiterhin Erbschaftssteuer aus (siehe SWK 2007, Heft 20/21, S 589, Seite 821). Für Nichtanlassfälle ist die Rechtslage bis zu diesem Zeitpunkt gleichsam "immunisiert".

Der Berufung, die sich ausschließlich auf die geäußerten verfassungsrechtlichen Bedenken stützt ohne die Verwirklichung des Tatbestandes des § 2 Abs. 1 Z 3 ErbStG in Zweifel zu ziehen, war daher der Erfolg zu versagen.

Es war daher wie im Spruch zu entscheiden.

Wien, am

Zusatzinformationen


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Materie
Steuer
Finanzstrafrecht Verfahrensrecht
betroffene Normen
Schlagworte
Lebensversicherung
verfassungsrechtliche Bedenken
Erbschaftssteuer
Verweise

Datenquelle: Findok — https://findok.bmf.gv.at