Haftung bei Vorliegen grober Buchführungsmängel
Rechtssätze
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RV/1347-W/04-RS1 | wie RV/0474-I/02-RS1 Bei schwerwiegenden Buchführungsmängeln ergibt sich der haftungsrechtlich relevante Zeitpunkt, zu dem die sich aus diesen Verstößen ergebenden Abgabennachforderungen zu entrichten gewesen wären, nicht erst auf Grund der Bescheide, mit denen diese Abgabennachforderungen festgesetzt wurden. Der Zeitpunkt, für den zu beurteilen ist, ob den Vertreter die Abgabenzahlungspflicht getroffen hat, bestimmt sich vielmehr danach, wann die Abgaben bei Beachtung der abgabenrechtlichen Vorschriften zu entrichten gewesen wären. Bei Selbstbemessungsabgaben ist maßgeblich, wann diese Abgaben bei ordnungsgemäßer Selbstberechnung (Einbehaltung) abzuführen gewesen wären (). |
Entscheidungstext
Berufungsentscheidung
Der unabhängige Finanzsenat hat über die Berufung des Bw., vom gegen den Bescheid des Finanzamtes Wien 12/13/14 Purkersdorf vom betreffend Haftung gemäß § 9 iVm § 80 BAO entschieden:
Die Berufung wird als unbegründet abgewiesen.
Der angefochtene Bescheid bleibt unverändert.
Entscheidungsgründe
Mit Bescheid vom wurde der Berufungswerber (Bw.) gemäß § 9 Abs. 1 BAO i.V.m § 80 BAO als ehemaliger Geschäftsführer der D-GmbH für die Umsatzsteuer 8-12/2001 in Höhe von € 4.369,01 zur Haftung herangezogen.
Zur Begründung führte das Finanzamt aus, dass der Bw. Geschäftsführer der GmbH gewesen sei. Für den Zeitraum 8-12/2001 sei die Umsatzsteuer im Zuge einer abgabenbehördlichen Prüfung festgesetzt, jedoch nicht entrichtet worden. Die genannten Abgaben seien am fällig gewesen. Zu diesem Zeitpunkt sei der Bw. noch Geschäftsführer gewesen.
In der dagegen eingebrachten Berufung führte der Bw. aus, dass es richtig sei, dass er Geschäftsführer der GmbH gewesen sei, allerdings nicht mehr zum Zeitpunkt der Feststellung des aushaftenden Betrages. Der Bw. hätte nie in Erfahrung bringen können, aus welchem Rechtsgrund sich dieser Rückstand ergeben habe. Es habe nie eine diesbezügliche Zusendung eines Bescheides oder einer diesbezüglichen Buchungsmitteilung gegeben. Es sei dem Bw. somit nicht möglich gewesen, einen etwaigen Einspruch gegen etwaige Bescheide zu erheben, geschweige denn einer Zahlung. Es sei auch in der Begründung in keiner Weise dokumentiert, wann die Revision bzw. dessen Abschluss erfolgt und vor allem wann und wohin die Zustellung des Bescheides erfolgt sei. Das Finanzamtskonto habe im Zeitpunkt des Ausscheidens des Bw. ein Guthaben in Höhe von € 128,30 ausgewiesen. Da weder der Bw. noch dessen steuerlicher Vertreter weitere Bescheide erhalten hätten, sei somit der Bw. für diese Beträge nicht zu belangen, da dies nicht mehr zu seinen rechtlich erlaubten Aufgaben gezählt habe.
Mit Berufungsvorentscheidung vom wurde die Berufung als unbegründet abgewiesen. Zur Begründung wurde ausgeführt, dass die abgabenbehördliche Prüfung am begonnen habe. Der Prüfungsbericht sei am ausgefertigt worden. Auf Grund der formellen und materiellen Mängel der Bücher seien die Besteuerungsgrundlagen gemäß § 184 BAO im Schätzungswege ermittelt worden. Eine Kopie des Prüfungsberichtes werde der Berufungsvorentscheidung angeschlossen. Der Bw. sei unbestritten bis Geschäftsführer der GmbH gewesen. Die Umsatzsteuer 08-12/2001 sei am fällig gewesen. Maßgeblicher Beurteilungszeitpunkt sei der Fälligkeitstag der Abgaben. Gemäß § 21 Abs. 1 UStG 1972 bzw. 1994 habe der Unternehmer spätestens am 15. Tag des auf den Kalendermonat zweitfolgenden Kalendermonates eine Voranmeldung einzureichen. Der Unternehmer habe eine sich ergebende Vorauszahlung spätestens am Fälligkeitstag zu entrichten.
Für den Zeitraum 8-12/2001 seien keine Umsatzsteuervoranmeldungen abgegeben worden. Wie dem beiliegenden Bericht über die abgabenbehördliche Prüfung zu entnehmen sei, wären die Bücher formell und materiell mangelhaft. Grundaufzeichnungen hätten nicht vorgelegt werden können.
Die Pflichtverletzung des Vertreters einer GmbH liege nicht nur in der nicht zeitgerechten Abgabe von Abgabenerklärungen, sondern auch in der nicht ordnungsgemäßen Führung gesetzmäßiger Aufzeichnungen.
Der Bw. sei zwar zum Zeitpunkt des Abschlusses der abgabenbehördlichen Prüfung nicht mehr Geschäftsführer gewesen und hätte daher das Ergebnis der Prüfung nicht mit Berufung bekämpfen können. Aber nach § 248 BAO könne der Haftungspflichtige nicht nur den Haftungsbescheid, sondern auch den Bescheid über den Abgabenanspruch innerhalb der für die Einbringung der Berufung gegen den Haftungsbescheid offen stehenden Frist mit Berufung bekämpfen. Dabei sei zunächst über die Berufung gegen den Haftungsbescheid zu entscheiden, da von dieser Erledigung die Rechtsmittelbefugnis gegen den Bescheid über den Abgabenanspruch abhänge.
Es stehe dem Bw. daher frei gegen die Festsetzung der Umsatzsteuer 8-12/2001 zu berufen.
Dagegen beantragte der Bw. die Vorlage der Berufung an die Abgabenbehörde zweiter Instanz.
Zur Begründung führte der Bw. aus, dass in der Berufungsvorentscheidung angeführt worden sei, dass die Revision zwar noch zum Zeitpunkt der Geschäftsführertätigkeit begonnen habe, allerdings sei in keiner Weise darauf eingegangen worden, dass es keine Möglichkeit der Schlussbesprechung gegeben habe, noch zu einer sonstigen Möglichkeit bis zum Einlangen des Haftungsbescheides vom . Es sei zwar die Möglichkeit eingeräumt worden, gegen die Umsatzsteuer 8-12/01 direkt eine Berufung einzubringen, allerdings hätte der Bw. diesbezüglich mangels Möglichkeit weder je einen Bescheid erhalten noch stehe ihm eine rechtliche Möglichkeit zu.
Die geschäftsführende Tätigkeit sei mit Wirkung vom Mai 2002 zurückgelegt worden. Die Revision habe zwar richtigerweise per begonnen, allerdings dürfte die Prüferin, aus welchen Gründen auch immer, keinerlei weitere Tätigkeit zum Mai 2002 ausgeübt haben. Die Unterfertigung des Prüfungsbeginnes sei die einzige Tätigkeit die der Bw. habe in Erfahrung bringen können. Nunmehr sei der Bw. mit dem Haftungsbescheid resultierend aus der Betriebsprüfung mit dem Abschluss konfrontiert.
Diesbezüglich möchte der Bw. gegen die Zuständigkeit der Festsetzung des Haftungsbescheides Berufung einbringen und wie folgt begründen:
Da der Bw. zum Zeitpunkt der Festsetzung der Abgaben Umsatzsteuer und Kapitalertragsteuer 1-8/2001 nicht mehr vetretungsbefugter Geschäftsführer der GmbH gewesen sei, und somit keinerlei Einflussnahme auf irgendwelche Festsetzung, Schätzung Vorhalte oder Bescheide gehabt habe, sei die Festsetzung zu unrecht. Die Behörde solle sich an den jetzigen Geschäftsführer halten, der Ausfallshaftung entsprechend (VwGH 92/16/0147). Weiters habe sich der neue Geschäftsführer bei Übernahme der Vertretertätigkeit nachweislich informiert, dass eine Revision im Gange sei.Allein schon aus diesem Grund könne der Bw. nicht zur Haftung herangezogen werden. (vgl. ).
Auch sei der erst jetzt an den Bw. zugesandte Betriebsprüfungsbericht unklar. Insbesondere bei der Ermittlung und in Folge Hinzurechnung der Automatenumsätze mit einem dem Bw. völlig unklaren Hinzurechnungsfaktor, sowie dem fehlenden Wareneinkauf der Firmen "A-L" und "DD", welche dem Bw. völlig unbekannt seien. Der Bw. nehme an, dass bei einer Schlussbesprechung (so eine stattgefunden habe) diese Hinzurechnungen vollkommen willkürlich und rechtlich haltlos durchgeführt worden seien.
Es werde unter Berücksichtigung der oben angeführten Differenzen zu dem Haftungsbescheid sowie Verfahrensmängel im Bereich der Zusendung etwaiger Bescheide beantragt, den Haftungsbescheid vom aufzuheben.
Über die Berufung wurde erwogen:
Gemäß § 9 Abs. 1 BAO haften die in den §§ 80 ff BAO bezeichneten Vertreter neben den durch sie vertretenen Abgabepflichtigen für die diese treffenden Abgaben insoweit, als die Abgaben infolge schuldhafter Verletzung der den Vertretern auferlegten Pflichten nicht eingebracht werden können.
Gemäß § 80 Abs. 1 BAO haben die zur Vertretung juristischer Personen berufenen Personen alle Pflichten zu erfüllen, die den von ihnen Vertretenen obliegen. Sie haben insbesondere dafür zu sorgen, dass die Abgaben aus den Mitteln, die sie verwalten, entrichtet werden.
Voraussetzung für die Geltendmachung der Haftung ist die Uneinbringlichkeit der haftungsgegenständlichen Abgaben bei der Primärschuldnerin.
Im Vorlagebericht, der auch dem Bw. zur Kenntnis gebracht wurde, führte das Finanzamt aus, dass die GmbH nicht mehr tätig ist und keinerlei Vermögenswerte vorhanden sind.
Daher ist von der Uneinbringlichkeit der haftungsgegenständlichen Abgaben bei der GmbH auszugehen.
Gemäß § 248 BAO kann der nach den Haftungsvorschriften Haftungspflichtige unbeschadet der Einbringung einer Berufung gegen seine Heranziehung zur Haftung innerhalb der für die Einbringung der Berufung gegen den Haftungsbescheid offen stehenden Frist auch gegen den Bescheid über den Abgabenanspruch berufen. Beantragt der Haftungspflichtige die Mitteilung des ihm noch nicht zur Kenntnis gebrachten Abgabenanspruches, so gilt § 245 Abs. 2 und 4 (Hemmung der Berufungsfrist) sinngemäß.
Wie der Verwaltungsgerichtshof bereits mehrfach dargetan hat (z.B. 85/17/0016, ), kann aus dem im § 248 zum Schutze des herangezogenen Haftungspflichtigen nicht das Recht auf Zustellung des allein an den Abgabepflichtigen zu erlassenden, das Leistungsgebot enthaltenden Abgabenbescheides abgeleitet werden. Allerdings folgt aus der im § 248 BAO vorgesehenen Möglichkeit der Berufung des Haftungspflichtigen auch gegen den Abgabenanspruch, dass ihm als Voraussetzung dieses Rechtes anlässlich der Erlassung des Haftungsbescheides von der Behörde über den haftungsgegenständlichen Abgabenanspruch Kenntnis zu verschaffen ist, und zwar vor allem über den Grund und der Höhe des feststehenden durch Abgabenbescheid festgesetzten Abgabenanspruches.
Im Haftungsbescheid wurde dem Bw. sowohl der Grund als auch die Höhe der Abgabennachforderung bekannt gegeben. Weiters wurde dem Bw. gleichzeitig mit der Berufungsvorentscheidung eine Ablichtung des betreffenden Betriebsprüfungsberichtes zugesendet.
Im Hinblick darauf, dass ein Haftungspflichtiger innerhalb der für die Einbringung einer Berufung gegen den Haftungsbescheid offen stehenden Frist auch gegen den Bescheid über den Abgabenanspruch bekämpfen kann und der Bw. mit dem gegenständlichen Haftungsbescheid über Grund und Höhe Abgabenanspruches informiert wurde, geht die Einwendung, dass er keine Möglichkeit gehabt habe, eine Berufung gegen den Abgabenanspruch einzubringen ins Leere.
Aus dem Recht eines Haftungspflichtigen, gemäß § 248 BAO gegen den Bescheid über den Abgabenanspruch zu berufen, ergibt sich, dass Einreden gegen die Abgabenfestsetzung nicht im Haftungsverfahren, sondern in dem die Abgabenfestsetzung selbst betreffenden Verfahren vorzutragen sind.
Die diesbezüglichen Einwendungen gehen daher im gegenständlichen Haftungsverfahren ebenfalls ins Leere.
Nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ist es Sache des Geschäftsführers, die Gründe darzulegen, die ihn ohne sein Verschulden daran gehindert haben, die ihm obliegenden abgabenrechtlichen Verpflichtungen zu erfüllen, widrigenfalls von der Abgabenbehörde eine schuldhafte Pflichtverletzung gemäß § 9 Abs. 1 BAO angenommen werden darf. Der Geschäftsführer haftet für nicht entrichtete Abgaben auch dann, wenn die Mittel, die ihm für die Entrichtung aller Verbindlichkeiten zur Verfügung standen, hiezu nicht ausreichten, es sei denn er weist nach, dass er diese Mittel anteilig für die Begleichung aller Verbindlichkeiten verwendet, die Abgabenschulden daher im Verhältnis nicht schlechter behandelt hat als andere Verbindlichkeiten.
Zu den abgabenrechtlichen Pflichten des Vertreters gehört unter anderem die Führung gesetzmäßiger Aufzeichnungen.
In der Berufungsvorentscheidung führt das Finanzamt aus, dass die Bücher formell und materiell mangelhaft gewesen seien und Grundaufzeichnungen nicht vorgelegt hätten werden können.
Diesen Standpunkt hat der Bw. im Vorlageantrag nicht widerlegt, sodass diese Feststellung als erwiesen anzusehen ist.
Diese mangelhafte Buchführung ist dem Bw. zur Last zu legen.
Bei schwerwiegenden Verstößen gegen Buchführungspflichten und Aufzeichnungspflichten kann sich jedenfalls aus dem Blickwinkel des § 9 Abs. 1 BAO und § 80 Abs. 1 BAO der Zeitpunkt, zu dem die sich als Folge dieser Verstöße ergebenden Abgabennachforderungen zu entrichten waren, nicht erst auf Grund der Bescheide ergeben, die diese Nachforderungen festsetzen. In solchen Fällen bestimmt sich vielmehr der Zeitpunkt, ab dem zu beurteilen ist, ob die juristische Person die für die Abgabenentrichtung erforderlichen Mittel hatte, danach, wann die Abgaben bei Beachtung der abgabenrechtlichen Vorschriften zu entrichten gewesen wären ().
Die Haftung erstreckt sich somit auf Abgaben, deren Zahlungstermin (Fälligkeitstag) in die Zeit der Vertretertätigkeit fällt.
Gemäß § 21 Abs. 1 UStG hat der Unternehmer spätestens am 15. Tag (Fälligkeitstag) des auf einen Kalendermonat zweitfolgenden Kalendermonates eine Voranmeldung bei dem für die Einhebung der Umsatzsteuer zuständigen Finanzamt einzureichen.
Gemäß § 21 Abs. 3 UStG hat eine festgesetzte Vorauszahlung den im Abs. 1 genannten Fälligkeitstag.
Die haftungsgegenständliche Umsatzsteuernachforderung wurde am , somit zu einem Zeitpunkt, in dem der Bw. Geschäftsführer war fällig. Somit geht der Einwand, dass der Bw. im Zeitpunkt der Festsetzung der Umsatzsteuer nicht mehr Geschäftsführer gewesen sei, ins Leere.
Ebenso kann die Einwendung, dass sich der neue Geschäftsführer bei der Übernahme informiert habe, dass eine Revision im Gange sei, stellt für den Bw. keinen Haftungsausschließungsgrund dar.
Aus dem vom Bw. angeführten Erkenntnis des , ergibt sich lediglich, dass es einem Geschäftsführer auch obliegt, die vor seiner Bestellung fällig gewordenen, aber noch nicht abgestatteten Abgabenschuldigkeiten der Gesellschaft aus deren allenfalls vorhandenen Mitteln zu entrichten. Bereits daraus ergibt, sich, dass primär derjenige Geschäftsführer zur Haftung für Abgabenschuldigkeiten der von ihm vertretenen Gesellschaft heranzuziehen ist, deren Fälligkeit in die Zeit seiner Vertretungsbefugnis fällt.
Nachdem der Bw. auch nicht dargetan hat, dass die GmbH im Zeitpunkt der Fälligkeit über keinerlei liquide Mittel verfügte, kann im Hinblick auf die obigen Ausführungen davon ausgegangen werden, dass der Bw. seine abgabenrechtlichen Pflichten schuldhaft verletzt hat.
Infolge der schuldhaften Pflichtverletzung konnte die Abgabenbehörde gemäß dem Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom , 2003/17/0134, davon ausgehen, dass die Pflichtverletzung Ursache für die Uneinbringlichkeit der haftungsgegenständlichen Abgabe war.
Im Übrigen war Gegenstand des Haftungsbescheides ausschließlich die Umsatzsteuer 8-12/01.
Es war daher spruchgemäß zu entscheiden.
Wien, am
Zusatzinformationen
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Materie | Steuer Finanzstrafrecht Verfahrensrecht |
betroffene Normen | § 9 Abs. 1 BAO, Bundesabgabenordnung, BGBl. Nr. 194/1961 § 80 Abs. 1 BAO, Bundesabgabenordnung, BGBl. Nr. 194/1961 |
Schlagworte | Buchführung Zeitpunkt Verschulden Buchführungspflichten |
Verweise |
Datenquelle: Findok — https://findok.bmf.gv.at