Berufungsentscheidung - Steuer (Referent), UFSI vom 12.09.2008, RV/0006-I/08

Vorliegen des Tatbestandsmerkmales "rückgängig gemacht" bei gleichzeitigem Abschluss des Stornovertrages und des neuen Kaufvertrages

Entscheidungstext

Berufungsentscheidung

Der Unabhängige Finanzsenat hat über die Berufung der I.GmbH, Adresse, vertreten durch die W.GmbH vom gegen den Bescheid des Finanzamtes Innsbruck vom betreffend Abweisung eines Antrages gemäß § 17 GrEStG entschieden:

Der Berufung wird Folge gegeben.

Der angefochtene Bescheid wird aufgehoben.

Entscheidungsgründe

Mit Kaufvertrag vom erwarb die Käuferin I.GmbH von der Verkäuferin K.GmbH 88/2511 Miteigentumsanteile mit dem damit untrennbar verbundenen Wohnungseigentum an Büro 4, 149/2511 Miteigentumsanteile mit dem damit untrennbar verbundenen Wohnungseigentum an Büro 5, 9/2511 Miteigentumsanteile mit dem damit untrennbar verbundenen Wohnungseigentum an TGP 02, 10/2511 Miteigentumsanteile mit dem damit untrennbar verbundenen Wohnungseigentum an TGP 03, 10/2511 Miteigentumsanteile mit dem damit untrennbar verbundenen Wohnungseigentum an TGP 04, sowie 9/2511 Miteigentumsanteile mit dem damit untrennbar verbundenen Wohnungseigentum an TGP 05, sämtliche an EZ XY. Übernahme und Übergabe erfolgten Zug und Zug gegen allseitige Unterfertigung dieses Vertrages. Als Kaufpreis vereinbarten die Vertragsteile einen Betrag von brutto € 742.800,--, wobei der Nettokaufpreis von € 619.000 bis auf das Treuhandkonto des Vertragsverfassers RA Dr. A bei der Raiffeisenkasse I) Nr. Z zu überweisen war. Mit Bescheid vom setzte das Finanzamt gegenüber der I.GmbH für diesen Rechtsvorgang von einer Gegenleistung von 749.485 € die Grunderwerbsteuer mit 26.231,98 € fest.

Mit Schreiben vom beantragte der Vertragsverfasser, die mit dem Grunderwerbsteuerbescheid vom festgesetzte Steuer mit Null € festzusetzen bzw. den genannten Bescheid ersatzlos zu beheben. Begründet wurde dieser Antrag mit der Tatsache, dass die Käuferin I.GmbH eine Finanzierung des vereinbarten Kaufpreises bis dato nicht zustande gebracht habe und eine Zahlung bis dato nicht erfolgt sei, weshalb der Kaufvertrag nunmehr mittels beiliegendem Stornovertrag aufgelöst worden sei. In diesem Stornovertrag vom , abgeschlossen zwischen der K.GmbH als Verkäuferin und der I.GmbH als Käuferin vereinbarten die beiden Vertragsparteien unter Bezugnahme auf den zwischen ihnen am abgeschlossenen Kaufvertrag und unter Darstellung des Kaufgegenstandes Folgendes:

"Die Vertragsteile kommen aufgrund der Tatsache, dass es der Käuferin trotz zahlreicher Bemühungen nicht möglich ist eine Finanzierung des Kaufpreises zustande zu bringen, überein diesen obgenannten Kaufvertrag aufzulösen und zu stornieren. Die Verkäuferin behält sich die Geltendmachung von Schadenersatz- und Zinsansprüchen ausdrücklich vor."

Das Finanzamt stellte als Folge eines Vorhaltes an die Verkäuferin an Sachverhalt fest, dass der vollkommen idente Kaufgegenstand (Büro 4 und 5 und TGP 2, 3, 4 und 5) mit Kaufvertrag vom von der K.GmbH als Verkäuferin an RA Dr. A als Käufer verkauft und übergeben worden ist. Auf diesbezügliche Frage wurde mitgeteilt, dass hinsichtlich des Kaufvertrages K.GmbH /I.GmbH nie auch nur ein Teil des Kaufpreises geflossen sei, obwohl laut Vertrag die Zahlungfrist bereits mit gegeben gewesen sei. Daher sei auch keinerlei Kaufpreis rückerstattet worden.

Mit Bescheid vom wies das Finanzamt den auf die Bestimmung des § 17 Abs. 4 GrEStG gestützten Antrag vom auf Nullfestsetzung bzw. ersatzlose Aufhebung (somit gerichtet auf "Abänderung" der bereits festgesetzten Abgabe) als unbegründet ab mit folgender Begründung:

"Auf Grund der zeitlichen Nähe zwischen der Aufhebung des Rechtsgeschäftes und der Unterzeichnung des neuen Kaufvertrages (gleicher Tag) kann eine vollständige Rückgängigmachung des ersten Erwerbsvorganges nicht angenommen werden. Auf Grund des Naheverhältnisses des neuen Käufers zur Antragstellerin (Rechtsvertreter der Antragstellerin ist ident mit dem neuen Käufer) kann man nicht von der gänzlichen Beseitigung des ungültigen Rechtsgeschäftes sprechen. Die Bestimmung des § 17 GrEStG sind daher im gegenständlichen Fall nicht anwendbar."

Innerhalb der erstreckten Berufungsfrist brachte die I.GmbH (Bw) gegen diesen Abweisungsbescheid Berufung ein im Wesentlichen mit der Begründung, dass die vertragsgegenständlichen Liegenschaftsanteile im Mai 2006 mit der Intention erworben worden seien, im Wege einer Leasingfinanzierung einer Verwertung zugeführt zu werden. Als potentieller Leasingnehmer sei dabei RA Dr. A bzw. dessen Kanzleigemeinschaft im Gespräch gewesen. In der Folge sei es zu massiven Auffassungsunterschieden zwischen den Vertragsteilen hinsichtlich der Vertragsabwicklung gekommen, die dazu führten, dass einerseits der Kaufpreis nicht zur Auszahlung gelangt sei und offensichtlich seien andererseits ohne Wissen und sittenwidrig unter Ausschaltung der Bw. zwischen der ursprünglichen Eigentümerin und dem potentiellen Leasingnehmer RA Dr. A Verhandlungen über eine direkte Liegenschaftsübertragung geführt worden. Nachdem sich die Leasingsverwertung zum Schaden der Bw nicht mehr realisieren habe lassen, wäre sie gezwungen gewesen mangels wirtschaftlich vertretbarer Alternativen der Vertragsaufhebung zuzustimmen und damit weiteren Schaden abzuwenden. Auf die nach Aufhebung des Kaufvertrages unmittelbar erfolgte Veräußerung der Liegenschaftsanteile an RA Dr. A habe die Bw. keinerlei Einfluss nehmen können, da die diesbezüglichen Verhandlungen seitens der K.GmbH mit dem Nachkäufer, der inzwischen seine Kanzleiräumlichkeiten tatsächlich im Vertragsobjekt habe, ohne Einflussmöglichkeit der Bw. und gegen ihre ureigensten wirtschaftlichen Interessen zum Abschluss gebracht worden wären. Allein die Tatsache, dass seitens der Verkäuferin bei Auflösung des Kaufvertrages auf eine Konventionalstrafe verzichtet worden sei zeige, dass hinter dem Rücken der I.GmbH und auf deren wirtschaftliche Kosten die übrigen Beteiligten ihren wirtschaftlichen Vorteil gezogen hätten. Aus dem geschilderten Sachverhalt gehe auch klar hervor, dass RA Dr. A aufgrund seiner Rolle als Vertragserrichter zwar intensive Kenntnis über die Intentionen der Vertragspartner erlangt habe, sicherlich aber kein Naheverhältnis zur Bw. habe.

Die abweisende Berufungsvorentscheidung wurde wie folgt begründet:

"Für Erwerbsvorgänge, welche innerhalb von drei Jahren nach dem Entstehen der Steuerschuld durch Vereinbarung rückgängig gemacht werden, wird auf Antrag die Grunderwerbsteuer dann rückerstattet, wenn das Rechtsgeschäft tatsächlich aufgehoben wird und das wirtschaftliche Ergebnis zur Gänze beseitigt wird. Im Berufungsfall standen die Berufungswerberin, der Neukäufer und die Verkäuferin in enger wirtschaftlicher Beziehung was die Durchführung und Weiterverwertung der Kaufliegenschaft betraf. Wenn nun vorgebracht wird, dass die Antragswerberin und Erstkäuferin von der Absicht des von ihr beauftragten Vertragserrichters betreffend den Erwerb der Kaufliegenschaft nichts wusste ist es nicht nachvollziehbar, warum die Stornierung des Vertrages und der Wiederverkauf ausgerechnet am selben Tag durch den neuen Käufer und gleichzeitigen Rechtsvertreter der Antragstellerin erfolgt ist. Auch die Tatsache, dass von Konventionalstrafen und Stornogebühren Abstand genommen wurde spricht eher gegen als für die wirtschaftliche Beseitigung des ursprünglichen Rechtsvorganges. Auf Grund der im Berufungsverfahren vorgebrachten Gründe kann deshalb das Vorliegen der Voraussetzungen des § 17 GrEStG nicht bestätigt werden. Die Berufung war daher vollinhaltlich abzuweisen."

Die Berufungswerberin stellte daraufhin den Antrag auf Vorlage der Berufung zur Entscheidung durch die Abgabenbehörde zweiter Instanz. Als Replik auf die Berufungsvorentscheidung wird noch ausgeführt, das Finanzamt habe die vorgebrachten Berufungsgründe wenn überhaupt ausgesprochen tendenziös gewürdigt. Die vorgenommene Auslegung des wahrheitsgemäß geschilderten Sachverhaltes stütze sich lediglich auf Mutmaßungen und unbelegten Behauptungen über die größere Wahrscheinlichkeit von Abläufen im Wirtschaftsleben. Eine Befragung der beteiligten Personen habe in keiner Phase des Verfahrens stattgefunden. Es werde daher zur Belegung des Sachverhaltes um Einvernahme der Geschäftsführung der Erstkäuferin, der K.GmbH und des Vertragserrichters RA Dr. A ersucht.

Über die Berufung wurde erwogen:

Gemäß § 17 Abs. 1 Z 1 GrEStG 1987 idF BGBl. Nr. 682/1994 wird die Steuer auf Antrag nicht festgesetzt, wenn der Erwerbsvorgang innerhalb von drei Jahren seit der Entstehung der Steuerschuld durch Vereinbarung, durch Ausübung eines vorbehaltenen Rücktrittsrechtes oder eines Wiederkaufsrechtes rückgängig gemacht wird. Ist in den Fällen der Abs. 1 bis 3 die Steuer bereits festgesetzt, so ist nach § 17 Abs. 4 GrEStG auf Antrag die Steuer entsprechend abzuändern.

Seit dem höchstgerichtlichen Erkenntnis eines verstärkten Senates vom , 82/16/0165 vertritt der Verwaltungsgerichtshof in ständiger Rechtsprechung, dass der Verkäufer jene Verfügungsmacht wiedererlangen muss, die er vor Vertragsabschluss hatte. Ein Erwerbsvorgang ist dann nicht im Sinne des § 17 Abs. 1 Z 1 GrEStG rückgängig gemacht, wenn der Vertrag zwar- was die Vertragsfreiheit des Schuldrechtes erlaubt- der Form nach aufgehoben wird, die durch diesen Vertrag begründete Verfügungsmöglichkeit aber weiterhin beim Erwerber verbleibt und der Verkäufer seine ursprüngliche (freie) Rechtsstellung nicht wiedererlangt. Erfolgt die Aufhebung des Kaufvertrages lediglich zu dem Zweck der gleichzeitigen Übertragung des Grundstückes auf eine vom Käufer ausgewählte dritte Person zu dem vom Käufer bestimmten Bedingungen und Preisen, ohne dass der Verkäufer in irgendeiner Weise sein früheres Verfügungsrecht über das Grundstück zurückerlangt, ist der frühere Kaufvertrag über seine formale Aufhebung hinaus auch nicht teilweise "rückgängig gemacht" worden. Nach der ständigen Rechtsprechung liegt somit eine Rückgängigmachung nur dann vor, wenn der Verkäufer hierdurch wiederum jene (freie) Verfügungsmacht über das Grundstück erlangt, die er vor Abschluss des Kaufvertrages innehatte. Diese Voraussetzung ist hingegen dann nicht erfüllt, wenn die Rückgängigmachung zwecks Ermöglichung des Verkaufes an einen vom ersten Käufer im voraus bestimmten (ausgesuchten) neuen Käufer erfolgt, Auflösung des alten und Abschluss des neuen Kaufvertrages gleichsam uno actu vollzogen werden, da bei einer derartigen Sachlage der Verkäufer die Möglichkeit, das Grundstück an einen Dritten zu veräußern, nicht wiedererlangt (siehe , , ,0098,0099, ,0391, , , , , , , vgl. auch Fellner, Gebühren und Verkehrsteuern, Band II, Grunderwerbsteuer, Rz 14 und 15 zu § 17 GrEStG 1987).

Vor dem Hintergrund dieser Rechtslage entscheidet den Berufungsfall, ob das Finanzamt im Ergebnis zu Recht die Ansicht vertreten hat, durch den am unterfertigten Stornovertrag bei gleichzeitigem Verkauf des Kaufgegenstandes an den Vertragsverfasser und bisherigen präsumtiven Leasingnehmer Rechtsanwalt Dr. A wurde der in Frage stehende Erwerbsvorgang (Kaufvertrag vom ) nicht "rückgängig gemacht" im Sinne des § 17 Abs. 1 Z 1 GrEStG, weshalb mangels Vorliegens dieses Tatbestandsmerkmales der Antrag auf Abänderung der festgesetzten Grunderwerbsteuer abzuweisen war.

Bei der Beurteilung des streitgegenständlichen Tatbestandsmerkmales "rückgängig gemacht" ist nach erfolgter Einvernahme des Vertragsverfassers/neuen Käufers Rechtsanwalt Dr. A unbedenklich von folgendem Sachverhalt auszugehen: Mit Kaufvertrag vom wurden von der Käuferin I.GmbH die kaufgegenständlichen Miteigentumsanteile verbunden mit Wohnungseigentum an zwei Büroeinheiten und 4 Garagenabstellplätzen mit der Intention erworben, diese im Wege eines Finanzierungs-Leasinggeschäftes an den potentiellen Leasingnehmer und gleichzeitigen Vertragsverfasser RA Dr. A bzw. an dessen RA- Kanzleigemeinschaft zu verleasen. Massive Auffassungsunterschiede zwischen den Vertragsteilen hinsichtlich der Vertragsabwicklung führten dazu, dass der Nettokaufpreis nicht wie im Kaufvertrag vereinbart bis von der Käuferin auf ein dafür eingerichtetes Treuhandkonto des Vertragsverfassers überwiesen worden war und dies auch in der Folge trotz zahlreicher Urgenzen und Mahnungen durch die Verkäuferin nicht erfolgte. Da RA Dr. A bzw. sein Kanzleipartner mit erheblichem Investitionsaufwand zwischenzeitig bereits umfassende Adaptierungsarbeiten betreffend die Büroräumlichkeiten vorgenommen hatten, der Mietvertrag bezüglich der früheren Kanzleiräumlichkeiten bereits gekündigt und der Umzug der Kanzlei mit Ende Oktober erfolgt war, somit der Erhalt der Räumlichkeiten für die Rechtsanwaltskanzlei wichtig und wirtschaftlich sinnvoll war, die Käuferin I.GmbH aber trotz zahlreicher Bemühungen eine Finanzierung des Kaufpreises nicht zustande bringen konnte, sah sich daraufhin RA Dr. A zwecks Sicherung der "Erlangung" dieser Räumlichkeiten zum Kauf veranlasst und nahm mit der Verkäuferin K.GmbH entsprechende Kaufverhandlungen auf. Auf diesbezügliche Fragen bestätigte RA Dr. A ausdrücklich, dass ihn die Käuferin I.GmbH gegenüber der Verkäuferin K.GmbH nicht als neuen Käufer namhaft gemacht bzw. die frühere Käuferin auf die Auswahl des neuen Käufers keinerlei Einfluss genommen hat. Der Abschluss des neuen Kaufvertrages und die Unterfertigung der Stornovereinbarung am gleichen Tag erklärt sich damit, dass es ureigenstes Interesse der Verkäuferin K.GmbH war, die erste Käuferin I.GmbH erst dann aus dem Vertragsverhältnis zu entlassen, als sie sichergehen konnte, dass der Kaufgegenstand zu den gleichen Bedingungen von einem anderen Käufer erworben wird.

Wie eingangs angeführt, ist nach der ständigen VwGH- Rechtssprechung ein Erwerbsvorgang "rückgängig gemacht" im Sinne des § 17 Abs. 1 Z 1 GrEStG, wenn sich die Vertragspartner derart aus ihren vertraglichen Bedingungen entlassen, dass die Möglichkeit der Verfügung über das Grundstück nicht beim Erwerber verbleibt, sondern der Veräußerer seine ursprüngliche (freie) Rechtsstellung wiedererlangt. Der Wegfall der Verfügungsmöglichkeit des Erwerbers über das Grundstück und die Wiedererlangung der ursprünglichen Rechtsstellung der Veräußerers stehen dabei in einem kausalen Zusammenhang. Wenn daher der Veräußerer seine ursprüngliche Rechtsstellung deswegen nicht wiedererlangt, weil trotz der formellen Aufhebung des Vertrages der Erwerber die durch diesen Vertrag begründete Verfügungsmöglichkeit über das Grundstück weiterhin behält, dann spricht dies gegen eine tatsächliche Rückgängigmachung des Vertrages. Eine Rückgängigmachung liegt also dann nicht vor, wenn ein Vertrag - was die Vertragsfreiheit des Schuldrechtes erlaubt- zwar der Form nach aufgehoben wurde, diese Aufhebung aber lediglich zu dem Zweck erfolgt, um gleichzeitig das Grundstück auf einen vom ersten Käufer im Voraus ausgesuchten neuen Käufer zu vom Käufer bestimmten Bedingungen und Preisen zu übertragen. Bei einer solchen Sachkonstellation hat der Verkäufer nicht in irgendeiner Weise sein früheres Verfügungsrecht über das Grundstück zurückerlangt.

Die Frage, ob das Tatbestandsmerkmal "rückgängig gemacht" im Streitfall vorliegt oder nicht, entscheidet sich folglich durch Abklärung des Tatumstandes, ob bei vorliegender schuldrechtlicher Aufhebung des Kaufvertrages mittels Stornovertrag vom die (tatsächliche) Verfügungsmöglichkeit über das Grundstück weiterhin bei der Käuferin I.GmbH verblieben war und von ihr in der Weise ausgeübt wurde, indem sie den neuen Käufer RA Dr. A ausgewählt und bestimmt hatte, dass die gleichzeitige Übertragung des Kaufgegenstandes an diesen zu erfolgen hat. Gegen das Vorliegen einer weiterhin bei der Bw. verbliebenen Verfügungsmöglichkeit über den Kaufgegenstand sprechen allerdings folgende Tatumstände. Die Erstkäuferin, die diesen Grundstückskauf vornahm, um als Leasinggeberin diese kaufgegenständlichen beiden Büroeinheiten und die Autoabstellplätze im Rahmen eines geplanten Leasinggeschäftes an den Leasingnehmer RA Dr. A bzw. eine RA- Kanzleigemeinschaft zu verleasen und daraus einen wirtschaftlichen Nutzen zu ziehen, hat nachgewiesenermaßen den Kaufpreis weder wie vereinbart bis noch in der Folge trotz mehrfacher Mahnungen durch die Verkäuferin auf das Treuhandkonto einbezahlt. Darin liegt eine Leistungsstörung (Leistungsverzug), weshalb die Verkäuferin zum Rücktritt vom Vertrag berechtigt gewesen wäre. Die Berufung erwähnt in diesem Zusammenhang, "in der Folge kam es zu massiven Auffassungsunterschiede zwischen den Vertragsteilen über die Vertragsabwicklung, die dazu führten, dass einerseits der Kaufpreis nicht zur Auszahlung gelangte und offensichtlich andererseits ohne Wissen und sittenwidrig unter Ausschaltung unserer Klientin zw. der ursprünglichen Eigentümerin und dem potentiellen Leasingnehmer A. Verhandlungen über eine direkte Liegenschaftsübertragung geführt wurden. Nachdem sich die Leasingverwertung zum Schaden unserer Klientin nicht mehr realisieren ließ, war sie gezwungen mangels wirtschaftlich vertretbarer Alternativen der Vertragsaufhebung zuzustimmen und damit weiteren Schaden abzuwenden." Im Vorlageantrag wurde zur Verifizierung dieses "wahrheitsgemäß geschilderten Sachverhaltes" um Einvernahmen der Geschäftsführer der (ausländischen) Verkäuferin und der Käuferin (Bw.) bzw. des Vertragserrichters RA Dr. A ersucht. Die Einvernahme des Vertragserrichters, der ja gleichzeitig der präsumtive Leasingnehmer gewesen wäre, hat letztlich ergeben, dass die Verkäuferin auf Grund des schon Monate ausstehenden Kaufpreises sehr ungeduldig geworden und mit rechtlichen Schritten gegenüber der I.GmbH gedroht habe. Auf Grund dieser Situation habe er sich unter Beachtung der bereits getätigten Adaptierungskosten zwecks Sicherung der dringend benötigten Büroräumlichkeiten (der Mietvertrag hinsichtlich der alten Kanzleiräume war schon gekündigt und der Umzug der Kanzlei in die neuen Räumlichkeiten war bereits im Oktober erfolgt) dazu entschlossen, die Liegenschaftsanteile durch Abschluss des neuen Kaufvertrages () zu erwerben. Die I.GmbH habe dabei auf die Auswahl des neuen Käufers in keiner Weise Einfluss genommen bzw. gehabt, sondern dieser Abschluss sei ausschließlich von ihm als neuen Käufer ausgegangen. Diese Aussage über die nicht erfolgte Einflussnahme korreliert mit dem diesbezüglichen Berufungsvorbringen. Des weiteren entspricht es nach Ansicht des Unabhängigen Finanzsenates durchaus den Denkgesetzen und der Lebenserfahrung und macht dessen Sachverhaltsangaben glaubhaft, dass ein präsumtiver "Leasingnehmer" in der dargestellten konkreten Situation, nachdem die "Leasinggeberin" wegen nicht zustande gekommener Finanzierung den Kaufpreis für das von ihr erst anzuschaffende Leasingobjekt bis zum Fälligkeitstag und auch die Monate danach nicht gegenüber der Grundstücksverkäuferin bezahlt hat und die rechtliche Möglichkeit eines Rücktrittes vom Vertrag (mit allen daraus für ihn entstehenden Konsequenzen) seitens der Verkäuferin im Raum stand, daraufhin von sich aus eigenständige Verhandlungen mit der Grundstücksverkäuferin aufnimmt mit dem Ziel, durch den mit Kaufvertrag vom erfolgten Ankauf der Grundstücksanteile den Erhalt der dringend benötigten und bereits bezogenen Räumlichkeiten abzusichern.

War andererseits für die Verkäuferin erkennbar, dass "es der Käuferin trotz zahlreicher Bemühungen nicht möglich ist, eine Finanzierung des Kaufpreises zustande zu bringen" erscheint es unter Beachtung der ausstehenden Kaufpreisentrichtung rechtlich und wirtschaftlich nahe liegend und sachlich nachvollziehbar, wenn sich die Verkäuferin bereits im Vorfeld (vor Aufhebung bzw. Rücktrittserklärung) auf neue, vom präsumtiven Leasingnehmer (und Vertragsverfasser) angeregte Verkaufsverhandlungen mit ihm "eingelassen" und solche geführt hat, um letztlich die bereits von dessen Rechtsanwaltskanzlei bezogenen Büroeinheiten samt Autoabstellplätze um den vereinbarten Kaufpreis nunmehr direkt an diesen zu verkaufen. Weiters macht es aus Sicht der wirtschaftlichen Interessen der Verkäuferin durchaus Sinn, wenn im Gegenstandsfall der Stornovertrag (hätte auch der erklärte Rücktritt vom Vertrag sein können) gleichzeitig mit dem Abschluss des neuen Kaufvertrages abgeschlossen wird, konnte doch erst damit die Verkäuferin sichergehen, dass der Kaufgegenstand von ihr jedenfalls zum selben Kaufpreis weiterverkauft wird. Dass aber die Verkäuferin von der Geltendmachung von "Konventionalstrafen und Stornogebühren" Abstand genommen hat, hängt zum einen wohl mit den bei der Bezahlung des Kaufpreises bereits gemachten negativen "Erfahrungen" zusammen, und zum anderen wurde im Kaufvertrag von der Käuferin keine Konventionalstrafe oder Stornogebühr für den Fall der Nichterfüllung oder nicht gehörigen Erfüllung versprochen. Wenn das Finanzamt als wesentlichen Argumente gegen das Vorliegen der Tatbestandsvoraussetzung "rückgängig gemacht" ins Treffen führt, wegen der wirtschaftlichen Leistungsbeziehungen zwischen den Vertragsteilen habe ein Naheverhältnis zwischen ihnen bestanden und der Stornovertrag und der neue Kaufvertrag seien am gleichen Tag abgeschlossen worden, dann vermögen aus nachstehenden Überlegungen diese Argumente im Streitfall nicht zu überzeugen und gesichert aufzuzeigen, dass der Kaufvertrag nur der Form nach (zwecks Vermeidung eines weiteren Grunderwerbsteuer auslösenden Erwerbsvorganges) aufgehoben, die durch diesen Kaufvertrag begründete Verfügungsmöglichkeit aber weiterhin bei der Bw. verblieben ist. Es darf dabei nämlich nicht übersehen werden, dass der Verkäuferin infolge Nichtbezahlung des Kaufpreises durch die Bw. grundsätzlich ein Rücktrittsrecht vom Vertrag zukam, weshalb es durchaus glaubhaft und der Lebenserfahrung entsprechend erscheint, dass die Verkäuferin zur Vorbereitung eines künftigen nunmehr "friktionsfreien" Grundstücksverkaufes die Möglichkeit ergriff, mit einem an sie herangetretenen neuen Kaufinteressenten eigenständig in nochmalige Verkaufsverhandlungen einzutreten, um dann unter gleichzeitiger einvernehmlicher Aufhebung des Kaufvertrages (und damit unter Vermeidung etwaiger damit in Zusammenhang stehender künftiger Rechtsstreitigkeiten) den Kaufgegenstand um den gleiche Kaufpreis an diesen zu verkaufen. Darin zeigt sich im Übrigen die Wiedererlangung der Verfügungsmacht durch die Verkäuferin. Außerdem sprechen die eingewendeten Auffassungsunterschiede über die Vertragsabwicklung, die im Ergebnis ursächlich für die Nichtbezahlung des Kaufpreises waren und außerdem der Umstand, dass zweifelsfrei der nunmehrige Grundstücksankauf durch den Leasingnehmer den wirtschaftlichen Interessen der Bw. als Leasinggeberin zuwiderliefen, gegen die Sachverhaltsannahme, die Bw. habe auf die Auswahl des neuen Käufers Einfluss nehmen können bzw. sie habe im Voraus durch Namhaftmachung den neuen Käufer bestimmt. Diese vom Finanzamt angeführten Tatumstände streiten daher im Gegenstandsfall nicht für die Rechtsansicht, dass der Kaufvertrag der Form nach aufgehoben, die durch diesen Vertrag begründete Verfügungsmöglichkeit aber weiterhin bei der Bw. verblieben ist und die Verkäuferin ihre ursprüngliche Verfügungsmacht demzufolge nicht wiedererlangt hat.

War in freier Beweiswürdigung auf Grund der oben dargestellten besonderen Umstände des Einzelfalles davon auszugehen, dass der Erwerbsvorgang im Sinne des § 17 Abs. 1 Z 1 GrEStG "rückgängig gemacht" worden ist, dann hat das Finanzamt zu Unrecht den Antrag gemäß § 17 Abs. 1 Z 1 iVm Abs. 4 GrEStG auf Abänderung der Steuerfestsetzung mit dem bekämpften Bescheid vom abgewiesen. Der Berufung war demzufolge unter ersatzloser Aufhebung dieses Bescheides stattzugeben.

Innsbruck, am

Zusatzinformationen


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Materie
Steuer
Finanzstrafrecht Verfahrensrecht
betroffene Normen
Schlagworte
Stornovertrag
Verfügungsmöglichkeit
Zahlungsverzug

Datenquelle: Findok — https://findok.bmf.gv.at