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Berufungsentscheidung - Steuer (Referent), UFSW vom 20.03.2013, RV/0548-W/13

Kein Familienbeihilfenanspruch nach negativem Abschluss des Asylverfahrens

Rechtssätze


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Stammrechtssätze
RV/0548-W/13-RS1
Mit Ergehen des Erkenntnisses des Asylgerichtshofs wird das Asylverfahren beendet. Wurde der Asylantrag abgewiesen und die Abschiebung für zulässig erklärt, hält sich die Asylwerberin ab diesem Zeitpunkt rechtswidrig im Bundesgebiet auf, auch wenn von einer Abschiebung als ungerechtfertigten Eingriff in das Familien- oder Privatleben der Asylwerberin Abstand genommen wurde. Es besteht daher ab diesem Zeitpunkt mangels gültigen Aufenthaltstitels kein Familienbeihilfenanspruch.

Entscheidungstext

Berufungsentscheidung

Der Unabhängige Finanzsenat hat über die Berufung der Bw., W, vertreten durch Ecker Embacher Neugschwendtner, Rechtsanwälte, 1040 Wien, Schleifmühlgasse 150/204, vom gegen den Bescheid des Finanzamtes Wien 2/20/21/22 vom betreffend Abweisung eines Antrages auf Gewährung der Familienbeihilfe für den Zeitraum April 2007 bis Juni 2010 entschieden:

Der Berufung wird teilweise Folge gegeben.

Der angefochtene Bescheid wird, soweit der Antrag auf Gewährung der Familienbeihilfe für die Monate Mai 2007 bis Dezember 2009 abgewiesen wird, aufgehoben.

Im Übrigen, soweit der Antrag auf Gewährung der Familienbeihilfe für die Monate April 2007 und Jänner 2010 bis Juni 2010 abgewiesen wird, wird die Berufung als unbegründet abgewiesen.

Entscheidungsgründe

Die Berufungswerberin (Bw.) beantragte am die Gewährung von Familienbeihilfe für ihre beiden Kinder S (geboren 1992) und T (geboren 1996) ab 2004.

Während mit Bescheid vom der Antrag auf Gewährung von Familienbeihilfe für die Monate Jänner 2004 bis März 2007 zurückgewiesen wurde, wies das Finanzamt mit dem nunmehr bekämpften Bescheid den Antrag auf Gewährung von Familienbeihilfe für April 2007 bis Juni 2010 unter Hinweis auf § 3 FLAG 1967 mit der Begründung ab, dass die Bw. und ihre Kinder in diesem Zeitraum über keinen Aufenthaltstitel gemäß den §§ 8 und 9 NAG verfügt hätten und ihnen auch nicht Asyl nach dem Asylgesetz 2005 gewährt worden sei.

In der fristgerecht eingebrachten Berufung wandten die rechtsfreundlichen Vertreter der Bw. ein, dass die Bw. am einen Asylantrag gestellt habe, weshalb ihr Asylverfahren nach den Bestimmungen des Asylgesetzes 1997 abzuschließen gewesen sei. Nach ständiger Judikatur des Verwaltungsgerichtshofs sei § 55 FLAG 1967 dahingehend zu verstehen, dass für Asylwerber, deren Asylverfahren noch nach dem Asylgesetz 1997 zu Ende zu führen sei (d.h. deren Asylverfahren bereits vor dem anhängig gewesen sei), § 3 FLAG 1967 noch in der Fassung des Pensionsharmonisierungsgesetzes BGBl. I Nr. 142/2004 anzuwenden gewesen sei. § 3 Abs. 2 FLAG 1967 in der Fassung des Pensionsharmonisierungsgesetzes sehe aber die Gewährung von Familienbeihilfe für Personen vor, die sich seit mindestens 60 Monaten im Bundesgebiet aufhielten. Da die Bw. im Mai 2002 in das Bundesgebiet eingereist sei, halte sie sich im Mai 2007 bereits 60 Monate im Bundesgebiet auf, und habe daher Anspruch auf Familienbeihilfe für ihre beiden Kinder. Unter Berufung auf die Judikatur des Verwaltungsgerichtshofs wird darauf hingewiesen, dass eine vorläufige Aufenthaltsberechtigung als Asylwerber nicht im Widerspruch zu einem gewöhnlichen Aufenthalt im Sinne des § 26 BAO stünde. Dem Antrag der Bw. auf Gewährung von Familienbeihilfe wäre daher nach einem 60-monatigen Aufenthalt im Bundesgebiet stattzugeben gewesen.

Der Berufung wurde mit Berufungsvorentscheidung vom teilweise stattgegeben und die Familienbeihilfe für die Monate Mai 2007 bis Dezember 2009 gewährt. Die Gewährung von Familienbeihilfe für April 2007 wurde im Hinblick darauf, dass die 60-monatige Aufenthaltsdauer erst im Mai 2007 abgelaufen ist, abgewiesen. Für den Zeitraum Jänner 2010 bis Juni 2010 wurde die Gewährung von Familienbeihilfe mit der Begründung abgewiesen, dass Asylverfahren sei am abgeschlossen worden, weshalb ab Jänner 2010 § 3 FLAG 1967 in der geltenden Fassung anzuwenden sei. Da die Bw. und ihre Kinder im Zeitraum Jänner bis Juni 2010 über keinen gültigen Aufenthaltstitel verfügt hätten und ihnen auch nicht Asyl nach dem Asylgesetz 2005 gewährt worden sei, habe die Bw. für diesen Zeitraum keinen Anspruch auf Gewährung von Familienbeihilfe.

Im fristgerecht eingebrachten Vorlageantrag wandten die rechtsfreundlichen Vertreter der Bw. ein, die Annahme, das Asylverfahren seit mit abgeschlossen worden, sei unrichtig, weil der Asylgerichtshof der Beschwerde gegen den Bescheid des Bundesasylamtes im Spruchpunkt III (in welchem die Abschiebung der Bw. angeordnet wurde) stattgegeben habe und dieser Spruchpunkt ersatzlos aufgehoben worden sei. Somit habe ein vorläufiges Aufenthaltsrecht auch für den Zeitraum Jänner 2010 bis Juni 2010 bestanden.

Über die Berufung wurde erwogen:

Folgender Sachverhalt wird der Entscheidung zugrunde gelegt:

Die Bw. reiste im Mai 2002 illegal nach Österreich und stellte einen Asylantrag. Dieser wurde mit Bescheid vom vom Bundesasylamt abgewiesen und die Zurückweisung, Zurückschiebung oder Abschiebung der Bw. für zulässig erklärt. Gleichzeitig wurde ausgesprochen, dass die Bw. aus dem österreichischen Bundesgebiet ausgewiesen werde. Die dagegen eingebrachte Beschwerde wurde mit Erkenntnis des Asylgerichtshofs vom , GZ, als unbegründet abgewiesen und festgehalten, dass für die Bw. kein Aufenthaltstitel und sohin kein rechtmäßiger Aufenthalt nach dem Asylgesetz vorliege. Da auch sonst kein Aufenthaltstitel vorliege, ergebe sich, dass der Aufenthalt der Bw. im Bundesgebiet rechtswidrig sei. Zur Beendigung eines rechtswidrigen Aufenthaltes sei eine Ausweisung grundsätzlich geboten, im gegenständlichen Fall stelle aber eine Ausweisung im Hinblick darauf, dass die Kinder der Bw. nicht ausgewiesen würden, einen ungerechtfertigten Eingriff in das Familien- oder Privatleben der Bw. dar, weshalb der diesbezügliche Spruchpunkt des angefochtenen Bescheides wegen Rechtswidrigkeit des Inhaltes zu beheben sei.

Seit verfügen die Bw. und ihre Kinder über eine unbeschränkte Niederlassungsbewilligung (freier Zugang zum Arbeitsmarkt) bzw. seit über eine Rot-Weiß-Rot- Karte plus (freier Zugang zu Arbeitsmarkt). Die beiden Kinder der Bw. besuchten im Streitzeitraum die Schule in Österreich.

Die Bw. war im gegebenen Streitzeitraum bei einem Dienstgeber beschäftigt noch erhielt sie zufolge einer solchen Beschäftigung Bezüge aus der gesetzlichen Krankenversicherung.

Der festgestellte Sachverhalt ergibt sich aus dem zitierten Erkenntnis des Asylgerichtshofes und den von der Bw. vorgelegten Unterlagen und ist auch nicht strittig. Er ist folgendermaßen rechtlich zu würdigen:

Gemäß § 2 Abs. 1 lit. a FLAG haben Personen, die im Bundesgebiet einen Wohnsitz oder ihren gewöhnlichen Aufenthalt haben, Anspruch auf Familienbeihilfe für minderjährige Kinder.

§ 3 FLAG in der Fassung des Pensionsharmonisierungsgesetzes, BGBl. I Nr. 142/2004, lautet:

"§ 3. (1) Personen, die nicht österreichische Staatsbürger sind, haben nur dann Anspruch auf Familienbeihilfe, wenn sie im Bundesgebiet bei einem Dienstgeber beschäftigt sind und aus dieser Beschäftigung Einkünfte aus nichtselbständiger Arbeit oder zufolge einer solchen Beschäftigung Bezüge aus der gesetzlichen Krankenversicherung im Bundesgebiet beziehen; kein Anspruch besteht jedoch, wenn die Beschäftigung nicht länger als drei Monate dauert. Kein Anspruch besteht außerdem, wenn die Beschäftigung gegen bestehende Vorschriften über die Beschäftigung ausländischer Arbeitnehmer verstößt.

(2) Abs. 1 gilt nicht für Personen, die sich seit mindestens 60 Kalendermonaten ständig im Bundesgebiet aufhalten, sowie für Staatenlose und Personen, denen Asyl nach dem Asylgesetz 1997 gewährt wurde.

(3) Ist der Elternteil, der den Haushalt überwiegend führt (§ 2a Abs. 1), nicht österreichischer Staatsbürger, genügt für dessen Anspruch auf Familienbeihilfe, wenn der andere Elternteil österreichischer Staatsbürger ist oder die Voraussetzungen nach Abs. 1 oder 2 erfüllt."

§ 3 FLAG in der Fassung des Fremdenrechtspaketes 2005, BGBl. I Nr. 100, lautet:

"§ 3. (1) Personen, die nicht österreichische Staatsbürger sind, haben nur dann Anspruch auf Familienbeihilfe, wenn sie sich nach §§ 8 und 9 des Niederlassungs- und Aufenthaltsgesetzes (NAG), BGBl. I Nr. 100/2005, rechtmäßig in Österreich aufhalten.

(2) Anspruch auf Familienbeihilfe besteht für Kinder, die nicht österreichische Staatsbürger sind, sofern sie sich nach §§ 8 und 9 des Niederlassungs- und Aufenthaltsgesetzes rechtmäßig in Österreich aufhalten.

(3) Abweichend von Abs. 1 haben Personen, denen Asyl nach dem Asylgesetz 2005 (AsylG 2005), BGBl. I Nr. 100, gewährt wurde, Anspruch auf Familienbeihilfe. Anspruch besteht auch für Kinder, denen nach dem Asylgesetz 2005 Asyl gewährt wurde."

§ 55 Abs. 1 FLAG lautet:

"§ 55. (1) Die §§ 2 Abs. 8 erster Satz und 3 in der Fassung des Bundesgesetzes BGBl. I Nr. 100/2005, treten mit , nach Maßgabe der Übergangsbestimmungen des Niederlassungs- und Aufenthaltsgesetzes (NAG), BGBl. I Nr. 100/2005, sowie des Asylgesetzes 2005 (AsylG 2005), BGBl. I Nr. 100, in Kraft."

In den Übergangsbestimmungen des Asylgesetzes 2005 wird somit angeordnet, dass Asylverfahren, die am bereits anhängig waren, noch nach den Bestimmungen des AsylG 1997 zu Ende zu führen sind (§ 75 Abs. 1 Asylgesetz 2005). § 55 FLAG verknüpft das Inkrafttreten des § 3 FLAG in der Fassung des Fremdenrechtspaketes 2005 mit den Übergangsbestimmungen des NAG und jenen des Asylgesetzes 2005.

§ 55 FLAG ist dahingehend zu verstehen, dass § 3 FLAG in der Fassung des Fremdenrechtspaketes 2005 für Personen, denen gegenüber gemäß § 75 Asylgesetz 2005 das Asylverfahren noch nach dem AsylG 1997 abgeführt wird, auch für Zeiträume ab nicht anzuwenden ist. Für diesen Personenkreis kommt daher § 3 FLAG - unbeschadet der durch BGBl. I Nr. 168/2006, mit Wirkung ab vorgenommenen Änderungen - zunächst noch in der Fassung des Pensionsharmonisierungsgesetzes, BGBl. I Nr. 142/2004, zur Anwendung (vgl. ).

Es ist unstrittig, dass die Asylverfahren der Bw. und ihrer Kinder am noch anhängig waren. Daher ist für den Zeitraum ab April 2007 bis zur Beendigung des Asylverfahrens im Dezember 2009 (durch das zitierte Erkenntnis des Asylgerichtshofs vom ) § 3 FLAG in der Fassung des Fremdenrechtspaketes 2005 noch nicht sondern noch § 3 FLAG in der Fassung des Pensionsharmonisierungsgesetzes BGBl. I Nr. 142/2004 anzuwenden (vgl. in ständiger Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofs etwa , und die dort angeführte Judikatur).

Da die Bw. im Mai 2002 in das Bundesgebiet eingereist war, befand sie sich im Mai 2007 seit mindestens 60 Kalendermonaten in Österreich, weshalb sie - wie auch das Finanzamt in der Berufungsvorentscheidung ausführt - gemäß § 3 Abs. 2 FLAG 1967 in der Fassung des Pensionsharmonisierungsgesetzes, BGBl. I Nr. 142/2004, in der Zeit von Mai 2007 bis Dezember 2009 (Abschluss des Asylverfahrens durch das Erkenntnis des Asylgerichtshofs) Anspruch auf Gewährung von Familienbeihilfe für ihre bis dahin minderjährigen Kinder hat.

Gemäß § 13 FLAG hat über Anträge auf Gewährung der Familienbeihilfe das nach dem Wohnsitz oder dem gewöhnlichen Aufenthalt der antragstellenden Person zuständige Finanzamt zu entscheiden. Insoweit einem Antrag nicht oder nicht vollinhaltlich stattzugeben ist, ist ein Bescheid zu erlassen.

Ein Bescheid ist daher nur insoweit zu erlassen, als dem Antrag auf Gewährung von Familienbeihilfe nicht stattzugeben ist. Da jedoch - wie oben dargestellt - dem Antrag für den Zeitraum Mai 2007 bis Dezember 2009 stattzugeben gewesen wäre, hätte für diesen Zeitraum kein Bescheid ergehen dürfen, weshalb der angefochtene Bescheid insoweit auch ersatzlos aufzuheben war.

Im Hinblick darauf, dass im April 2007 die Aufenthaltsdauer der Bw. noch keine 60 Monate betrug und sie auch keiner nichtselbständigen Tätigkeit nachging, erfüllte sie für April 2007 nicht die Anspruchsvoraussetzungen des § 3 FLAG in der Fassung des Pensionsharmonisierungsgesetzes, BGBl. I Nr. 142/2004, für die Gewährung von Familienbeihilfe, weshalb der Antrag insofern vom Finanzamt zurecht abgewiesen wurde.

Nach Ergehen des Erkenntnisses des Asylgerichtshofs hielten sich die Bw. und ihre Kinder zunächst rechtswidrig in Österreich auf, durften aber mangels rechtskräftigen Abschiebungsbescheides nicht abgeschoben werden. Seit verfügen sie über eine unbeschränkte Niederlassungsbewilligung und damit über einen Aufenthaltstitel gemäß § 8 NAG.

Da nach Abschluss des Asylverfahrens § 3 FLAG in der Fassung des Fremdenrechtspaketes 2005, BGBl. I Nr. 100, anzuwenden ist, und dieser für die Gewährung von Familienbeihilfe auf einen Aufenthaltstitel nach den §§ 8 und 9 NAG abstellt, besteht für die Monate Jänner 2010 bis Juni 2010 kein Anspruch auf Gewährung von Familienbeihilfe.

Wenn im Vorlageantrag davon ausgegangen wird, dass für die Bw. nach Beendigung des Asylverfahrens weiterhin ein vorläufiges Aufenthaltsrecht bestand, so ist diesbezüglich auf die Ausführungen des zitierten Erkenntnisses des Asylgerichtshofs hinzuweisen, demzufolge sich die Bw. ab Ergehen des Urteiles rechtswidrig in Österreich aufhalte, aber im Hinblick darauf, dass eine Ausweisung einen ungerechtfertigten Eingriff in das Familien- oder Privatleben der Bw. darstellen würde, von einer Abschiebung Abstand genommen werde. Aus dem Umstand, dass der Spruchpunkt des Bescheides des Bundesasylamtes, mit welchem die Abschiebung der Bw. angeordnet wurde, aufgehoben wurde, kann nicht abgeleitet werden, dass das Asylverfahren deshalb nicht mit Ergehen des Erkenntnisses des Asylgerichtshofes beendet gewesen wäre. Die Bw. verfügte daher ab diesem Zeitpunkt bis zum über keinen gültigen Aufenthaltstitel.

Es war daher spruchgemäß zu entscheiden.

Wien, am

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