Beschwerdeentscheidung - Strafsachen (Referent), UFSW vom 28.10.2005, FSRV/0130-W/04

Einleitung wegen des Verdachts der Abgabenhinterziehung trotz Selbstanzeige

Rechtssätze


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Folgerechtssätze
FSRV/0130-W/04-RS1
wie FSRV/0125-W/03-RS1
Nach ständiger Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes hindert eine Selbstanzeige, deren strafbefreiende Wirkung nicht einwandfrei feststeht, die Einleitung eines Finanzstrafverfahrens nicht.
FSRV/0130-W/04-RS2
wie FSRV/0137-W/03-RS4
Nach § 83 Abs. 2 FinStrG ist der Verdächtige von der Einleitung des Strafverfahrens unter Bekanntgabe der zur Last gelegten Tat sowie der in Betracht kommenden Strafbestimmung unverzüglich zu verständigen. Die Nennung einer konkreten Höhe des strafbestimmenden Wertbetrages ist sohin gesetzlich nicht gefordert, daher ist bei einem grundsätzlichen Tatverdacht auch die Textierung "in noch festzustellender Höhe" und der damit dokumentierte Vorbehalt, die Höhe der Verkürzung erst im anschließenden Untersuchungsverfahren kundzutun, zulässig (siehe ).

Entscheidungstext

Beschwerdeentscheidung

Der unabhängige Finanzsenat als Finanzstrafbehörde zweiter Instanz hat durch das Mitglied des Finanzstrafsenates 2, HR Mag. Gerhard Groschedl, in der Finanzstrafsache gegen Herrn M.M., über die Beschwerde des Beschuldigten vom gegen den Bescheid über die Einleitung eines Finanzstrafverfahrens gemäß § 83 Abs. 1 des Finanzstrafgesetzes (FinStrG) des Finanzamtes Baden Mödling vom , SN 2003/00023-001,

zu Recht erkannt:

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Entscheidungsgründe

Mit Bescheid vom (zugestellt am ) hat das Finanzamt Baden Mödling als Finanzstrafbehörde erster Instanz gegen den Beschwerdeführer (Bf.) zur SN 016/2003/00023-001 ein Finanzstrafverfahren eingeleitet, weil der Verdacht bestehe, dass er vorsätzlich im Bereich des Finanzamtes Baden als Geschäftsführer der Firma M-GmbH unter Verletzung der Verpflichtung zur Abgabe von dem § 21 des Umsatzsteuergesetzes 1994 entsprechenden Voranmeldungen

für 7-12/2001 und 1-10/2002 eine Verkürzung von Vorauszahlungen an Umsatzsteuer in Höhe von € 4.616,00 sowie

für 12/2000 und 1-6/2001 eine Verkürzung von Vorauszahlungen an Umsatzsteuer in noch zu bestimmender Höhe

bewirkt und dies nicht nur für möglich, sondern für gewiss gehalten und hiemit ein Finanzvergehen nach § 33 Abs. 2 lit. a FinStrG begangen habe.

Begründend wurde ausgeführt, dass dem Bf. aufgrund seiner Tätigkeit als Geschäftsführer die Verpflichtung zur rechtzeitigen Entrichtung von Vorauszahlungen an Umsatzsteuer bekannt sei und somit der Verdacht bestehe, dass er vorsätzlich gehandelt habe. Als Feststellungsgrundlage wurde die UVA-Prüfung laut Niederschrift vom herangezogen.

Gleichzeitig wurde der Bf. davon verständigt, dass gegen ihn ein Finanzstrafverfahren wegen des Verdachts eingeleitet wurde, dass er infolge Nichtabgabe der Umsatz- und Körperschaftsteuererklärung für das Jahr 2000 die durch § 119 BAO normierte Offenlegungs- und Wahrheitspflicht verletzt habe und hiemit das Finanzvergehen nach § 51 Abs. 1 lit. a FinStrG begangen habe.

Gegen diesen Bescheid richtet sich die fristgerechte Beschwerde des Beschuldigten vom . Darin wird ausgeführt, dass für den Zeitraum (Prüfungszeitraum) 7-12/2001 und 1-10/2002 Selbstanzeige bei Prüfungsbeginn erstattet worden sei. Ein Finanzstrafverfahren scheide daher nach Ansicht des Bf. dafür aus. Für den Zeitraum 12/2000 ergebe sich eine Gutschrift von € 524,15, die Zahllast für 1-6/2001 betrage € 2.410,55.

Durch schlechten Geschäftsgang sei der Restaurationsbetrieb im Jahr 2003 aufgegeben worden. Vorsatz habe von Seiten des Bf. nie bestanden, doch habe er aufgrund einiger Auslandsaufenthalte bzw. enormer finanzieller Probleme seinen Verpflichtungen nicht immer nachkommen können. Derzeit sei er einkommens- und vermögenslos.

Abschließend beantrage er eine mündliche Berufungsverhandlung, um sich zu rechtfertigen.

Zur Entscheidung wurde erwogen:

Gemäß § 82 Abs. 1 in Verbindung mit § 83 FinStrG hat die Finanzstrafbehörde erster Instanz, sofern genügend Verdachtsgründe für die Einleitung wegen eines Finanzvergehens gegeben sind, das Finanzstrafverfahren einzuleiten.

Gemäß § 29 Abs. 1 FinStrG wird, wer sich eines Finanzvergehens schuldig gemacht hat, insoweit straffrei, als er seine Verfehlung der zur Handhabung der verletzten Abgaben- oder Monopolvorschriften zuständigen Behörde oder einer sachlich zuständigen Finanzstrafbehörde darlegt (Selbstanzeige). Eine Selbstanzeige ist bei Betretung auf frischer Tat ausgeschlossen.

War gemäß § 29 Abs. 2 FinStrG mit einer Verfehlung eine Abgabenverkürzung oder ein sonstiger Einnahmenausfall verbunden, so tritt die Straffreiheit nur insoweit ein, als der Behörde ohne Verzug die für die Feststellung der Verkürzung oder des Ausfalls bedeutsamen Umstände offen gelegt und die sich daraus ergebenden Beträge, die der Anzeiger schuldet oder für die er zur Haftung herangezogen werden kann, den Abgaben- oder Monopolvorschriften entsprechend entrichtet werden. Werden für die Entrichtung Zahlungserleichterungen gewährt, so darf der Zahlungsaufschub zwei Jahre nicht überschreiten; diese Frist beginnt bei selbst zu berechnenden Abgaben (§§ 201 und 202 BAO) mit der Selbstanzeige, in allen übrigen Fällen mit der Bekanntgabe des Betrages an den Anzeiger zu laufen.

Gemäß § 29 Abs. 5 FinStrG wirkt die Selbstanzeige nur für die Personen, für die sie erstattet wird.

Gemäß § 33 Abs. 2 lit. a FinStrG macht sich einer Abgabenhinterziehung schuldig, wer vorsätzlich unter Verletzung der Verpflichtung zur Abgabe von dem § 21 des Umsatzsteuergesetzes 1994 entsprechenden Voranmeldungen eine Verkürzung von Umsatzsteuer (Vorauszahlungen oder Gutschriften) bewirkt und dies nicht nur für möglich, sondern für gewiss hält.

Zur Einleitung eines Finanzstrafverfahrens ist auszuführen, dass es nach ständiger Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes genügt, wenn gegen den Verdächtigen genügende Verdachtsgründe vorliegen, die die Annahme rechtfertigen, dass er als Täter eines Finanzvergehens in Betracht kommt. Ein derartiger Verdacht, der die Finanzstrafbehörde zur Einleitung eines Finanzstrafverfahrens verpflichtet, kann immer nur auf Grund einer Schlussfolgerung aus Tatsachen entstehen. Ein Verdacht ist die Kenntnis von Tatsachen, aus denen nach der Lebenserfahrung auf ein Finanzvergehen geschlossen werden kann (vgl. beispielsweise ). Dabei ist nur zu prüfen, ob tatsächlich genügend Verdachtsgründe gegeben sind, nicht darum, schon jetzt die Ergebnisse des förmlichen Untersuchungsverfahrens gleichsam vorwegzunehmen, sondern lediglich darum, ob die bisher der Finanzstrafbehörde bekannt gewordenen Umstände für einen Verdacht ausreichen oder nicht.

Richtig ist, dass für den Prüfungszeitraum 7-12/2001 und 1-10/2002 bei Prüfungsbeginn ein als "Selbstanzeige" bezeichnetes Schreiben übergeben worden ist. Dazu ist festzuhalten, dass der Gesetzgeber für die Erstattung einer Selbstanzeige gewisse Formvorschriften normiert hat, die unter anderem gemäß § 29 Abs. 5 FinStrG eine Täternennung vorsehen, für den die Selbstanzeige erstattet werden soll. Zur Aufhebung der Strafbarkeit kann eine Selbstanzeige somit nur dann führen, wenn ihr zu entnehmen ist, für wen sie erstattet worden ist.

Wenn der Bf. zudem vermeint, dass allein die Erstattung einer Selbstanzeige durch den steuerlichen Vertreter der Firma M-GmbH (der keine Täternennung zu entnehmen ist) bewirken würde, kein Finanzstrafverfahren durchzuführen, darf darauf verwiesen werden, dass nach ständiger Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes eine Selbstanzeige, deren strafbefreiende Wirkung nicht einwandfrei feststeht, nicht die Einleitung eines Finanzstrafverfahrens hindert ().

Darüber hinaus tritt Straffreiheit durch Selbstanzeige jedenfalls nur dann ein, wenn die zur Feststellung der Verkürzung bedeutsamen Umstände nicht nur ohne Verzug offen gelegt werden, sondern der daraus resultierende Verkürzungsbetrag ohne Verzug entrichtet wird (). Eine Entrichtung der "selbst angezeigten" Beträge ist bisher jedoch laut Akt nicht erfolgt. Den diesbezüglichen Beschwerdeausführungen war somit der Erfolg versagt.

Der Hinweis des Bf., es habe nie Vorsatz bestanden, wird durch seine eigenen Angaben, er habe "aufgrund einiger Auslandsaufenthalte bzw. enormer finanzieller Probleme seinen Verpflichtungen nicht immer nachkommen können", relativiert. Denn daraus lässt sich der Verdacht ableiten, dass der Bf. zwar von der Verpflichtung zur Abgabe von Umsatzsteuervoranmeldungen bzw. zur Entrichtung von Umsatzsteuervorauszahlungen gewusst hat, jedoch aufgrund finanzieller Probleme und als Folge von Auslandsaufenthalten in Kauf genommen hat, dass zu den Fälligkeitstagen der Umsatzsteuervorauszahlungen der angelasteten Zeiträume diese nicht oder nicht vollständig entrichtet wurden. Damit wird auch der für die Einleitung eines Finanzstrafverfahrens notwendige Verdacht der subjektiven Tatseite dokumentiert, dass der Bf. die Bewirkung der Verkürzung wissentlich in Kauf genommen hat.

Wenn im angefochtenen Bescheid Teile des strafbestimmenden Wertbetrages in noch zu bestimmender Höhe angegeben werden, ist darauf hinzuweisen, dass nach § 83 Abs. 2 FinStrG der Verdächtige von der Einleitung des Strafverfahrens unter Bekanntgabe der zur Last gelegten Tat sowie der in Betracht kommenden Strafbestimmung unverzüglich zu verständigen ist. Die Nennung einer konkreten Höhe des strafbestimmenden Wertbetrages ist sohin gesetzlich nicht gefordert, daher ist bei einem grundsätzlichen Tatverdacht auch die Textierung "in noch zu bestimmender Höhe" und der damit dokumentierte Vorbehalt, die Höhe der Verkürzung erst im anschließenden Untersuchungsverfahren kundzutun, zulässig (). Dabei wird im weiteren Untersuchungsverfahren zu prüfen sein, ob - wie vom Bf. behauptet - für den Zeitraum 12/2000 sich tatsächlich eine Gutschrift von € 524,15 ergeben hat. Aus der Aktenlage lässt sich eine derartige Gutschrift zwar nicht ableiten, zutreffendenfalls wird eine entsprechende Verfahrenseinstellung durch die Finanzstrafbehörde erster Instanz zu erfolgen haben.

Zur beantragten mündlichen "Berufungsverhandlung" darf darauf hingewiesen werden, dass im vorliegenden Rechtsmittelverfahren gemäß § 160 Abs. 2 FinStrG über die Beschwerde ohne mündliche Verhandlung zu entscheiden ist. Eine allfällige mündliche Erörterung (mündliche Verhandlung) bleibt somit ebenso dem weiteren finanzstrafbehördlichen Verfahren vorbehalten wie die endgültige Beantwortung der Fragen, ob der Verdächtige das ihm zur Last gelegte Finanzvergehen tatsächlich begangen hat bzw. in welcher Höhe (dabei wird auf die in der Beschwerde vorgebrachten Einwendungen zu den strafbestimmenden Wertbeträgen Bedacht zu nehmen sein) eine Verkürzung von Abgaben stattgefunden hat.

Es war daher spruchgemäß zu entscheiden.

Wien, am

Zusatzinformationen


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Materie
Finanzstrafrecht Verfahrensrecht
betroffene Normen
Schlagworte
Selbstanzeige
keine Entrichtung
Einleitung
Abgabenhinterziehung

Datenquelle: Findok — https://findok.bmf.gv.at