Kein Verstoß der Kammerumlage 2 gegen Art 43 EG und 7 B-VG
VfGH-Beschwerde zur Zl. B 1140/09 eingebracht. VwGH-Beschwerde zur Zl. 2009/15/0169 eingebracht. Mit Erk. v. als unbegründet abgewiesen.
Tabelle in neuem Fenster öffnen
Rechtssätze | |
---|---|
Stammrechtssätze | |
RV/0517-L/09-RS1 | § 122 Abs 7 und 8 WKG verletzen die Niederlassungsfreiheit (Art 43 EG) nicht, weil sie unterhalb jener Schwelle angesiedelt sind, ab der eine Behinderung der Grundfreiheit angenommen werden kann. Verfassungsrechtliche Fragen sind vom VfGH aufzugreifen und nicht vom UFS. |
Entscheidungstext
Berufungsentscheidung
Der Unabhängige Finanzsenat hat über die Berufung der PEG, vertreten durch GWS, vom gegen den Bescheid des Finanzamtes GW vom betreffend Kammerumlage gemäß § 122 Wirtschaftskammergesetz 1998 für den Zeitraum November und Dezember 2008 entschieden:
Die Berufung wird als unbegründet abgewiesen.
Der angefochtene Bescheid bleibt unverändert.
Entscheidungsgründe
1. Die Bw. reichte am folgendes Schreiben bei der zuständigen Finanzbehörde ein:
(a) Eine Nullmeldung über Finanzonline sei nicht möglich gewesen, daher werde um Buchung des Zuschlages zum Dienstgeberbeitrag für November und Dezember 2008 mit 0,00 € ersucht.
(b) Die Selbstberechnung mit 0,00 € erfolge mit folgender Begründung:
(1) Die Einhebung der Kammerumlage 2 widerspreche Art. 43 Abs 1 EGV (Niederlassungsfreiheit). Nach neuerer Rechtsprechung des EuGH sei Art 43 EGV nicht allein als Diskriminierungsverbot ausländischer Wirtschaftstreibender zu sehen. Art. 43 EGV stelle vielmehr ein generelles Verbot von ungerechtfertigten Behinderungen der Niederlassungsfreiheit dar. Die Pflichtmitgliedschaft in einer Kammer im Zusammenwirken mit der verpflichtenden Entrichtung eines Kammerbeitrages stelle eine unzulässige Beschränkung der Niederlassungsfreiheit dar. Dies sei insbesondere dann der Fall, wenn der Kammerbeitrag im Vergleich zu den von der Kammer angebotenen Leistungen in einem groben Missverhältnis stehe.
(2) Die Kammerumlage 2 widerspreche dem Sachlichkeitsgebot des Art. 7 B-VG. Die Bemessung der Kammerumlage nehme weder Rücksicht auf die Leistungsfähigkeit des Abgabepflichtigen (und widerspreche damit dem mittelbar im Verfassungsrang stehenden Leistungsfähigkeitsprinzip), noch auf das Ausmaß der Leistungen, die der Abgabepflichtige allenfalls in Anspruch nehmen könne.
Beantragt werde daher, den Zuschlag zum Dienstgeberbeitrag bescheidmäßig mit dem Betrag von 0,00 € festzusetzen.
2. Das zuständige Finanzamt setzte mit Bescheid vom den Zuschlag zum Dienstgeberbeitrag für November und Dezember 2008 mit 833,18 € fest. Dies wurde wie folgt begründet: Die Festsetzung des Zuschlages zum Dienstgeberbeitrag sei erforderlich gewesen, weil bisher für die Monate November und Dezember 2008 kein Zuschlag bekanntgegeben oder entrichtet worden sei. Das gegenständliche Unternehmen sei Mitglied der Kammer der gewerblichen Wirtschaft, weshalb diese Kammerumlage gem. § 122 Abs 7 WKG von der Summe der im Unternehmen anfallenden Arbeitslöhne zu berechnen sei, wobei als Bemessungsgrundlage die Beitragsgrundlage nach § 41 FLAG gelte. Die Festsetzung sei daher mit einem Beitragssatz von 0,36% der Beitragsgrundlage der Monate 11 (mit 146.836,44 €) und 12 (mit 84.602,67 €) erfolgt (gesamt 231.439,11 €).
3. Mit Schreiben vom wurde gegen den Bescheid über die Festsetzung des Zuschlages zum Dienstgeberbeitrag für November und Dezember 2008 vom (zugestellt am ) innerhalb offener Berufungsfrist das Rechtsmittel der Berufung eingebracht. Diese richte sich gegen die Vorschreibung von 833,18 €, weil diese Festsetzung der Niederlassungsfreiheit gem. Art 43 Abs 1 EGV widerspreche. Beantragt werde den Bescheid vollinhaltlich aufzuheben und die Festsetzung des Zuschlages mit 0,00 € anzunehmen.
Die übrigen Ausführungen der Berufung stellten eine Wiederholung des Schreibens vom dar.
4. Die Berufung wurde am dem Unabhängigen Finanzsenat zur Entscheidung vorgelegt.
Über die Berufung wurde erwogen:
1. Die Bw. wendet bezüglich § 122 Abs 7 und 8 WKG einen Verstoß gegen Art. 43 EG (Niederlassungsfreiheit) und Verfassungswidrigkeit ein. Die rechtliche Würdigung des dargestellten Sachverhaltes wird daher in dieser Reihenfolge vorgenommen.
2. Die Kammerumlage 2 und ihre rechtliche Ausgestaltung:
(a) Neben der Kammerumlage 1 wird von der Wirtschaftskammer zusätzlich eine Kammerumlage 2 erhoben, letztere dient primär der Bedeckung der Aufwendungen der jeweiligen Landeskammern, zu einem kleineren Teil der Aufwandsdeckung der Bundeskammer.
(b) Die Kammerumlage 2 ist wie folgt in § 122 WKG geregelt (stand ).
Abs. 7:
Die Landeskammern können zur Bedeckung ihrer Aufwendungen festlegen, dass die Kammermitglieder eine weitere Umlage zu entrichten haben. Diese ist beim einzelnen Kammermitglied von der Summe der in seiner Unternehmung (seinen Unternehmungen) nach § 2 anfallenden Arbeitslöhnen zu berechnen, wobei als Bemessungsgrundlage die Beitragsgrundlage nach § 41 FLAG 1967, BGBl Nr. 376/67, gilt (Zuschlag zum Dienstgeberbeitrag). Die Umlage ist in einem Hundertsatz dieser Beitragsgrundlage zu berechnen. Der Hundertsatz ist vom Wirtschaftsparlament der Landeskammer festzusetzen; er darf 0,29 vH der Beitragsgrundlage nicht übersteigen.
Hat ein Kammermitglied gemeinsam mit einem oder mit mehr als einem anderen Kammermitglied eine Arbeitsgemeinschaft gebildet, so wird die weitere Umlage hinsichtlich der Arbeitslöhne, die bei der Arbeitsgemeinschaft anfallen, durch diese entrichtet. Bei einer Personengesellschaft des Handelsrechts, bei der ein Komplementär eine juristische Person oder eine Personengesellschaft des Handelsrechts ist, gehören die diesbezüglichen, bei der Komplementärgesellschaft anfallenden Arbeitslöhne auch dann zur Beitragsgrundlage, wenn die Komplementärgesellschaft keine Berechtigung nach § 2 besitzt.
Die Bestimmungen der §§ 42a und 43 FLAG 1967, BGBl Nr. 376/67, finden auf die Umlage sinngemäß Anwendung. Über Rechtsmittel, mit denen die Umlage als solche bestritten wird, hat der Präsident der Landeskammer zu entscheiden. Solche Rechtsmittel gelten als Berufungen nach § 128 Abs 3; § 128 Abs 3 und 5 sind sinngemäß anzuwenden. Ein im Verhältnis zur Summe der Arbeitslöhne der Arbeitnehmer der Mitglieder der einzelnen Landeskammern ungleichgewichtiges Aufkommen aus der weiteren Umlage ist zwischen den Landeskammern auszugleichen (Finanzausgleich).
Abs 8:
Die Bundeskammer kann zur Bedeckung ihrer Aufwendungen eine Umlage nach Abs. 7 festlegen. Abs. 7 ist mit der Maßgabe anzuwenden, dass die Umlage 0,15% der dort angeführten Beitragsgrundlage nicht übersteigen darf.
(c) Als Bemessungsgrundlage ist die Beitragsgrundlage nach § 41 FLAG angeführt.
Die Regelung in § 41 FLAG lautet wie folgt:
Abs. 1: Den Dienstgeberbeitrag haben alle Dienstgeber zu leisten, die im Bundesgebiet Dienstnehmer beschäftigen; als im Bundesgebiet beschäftigt gilt ein Dienstnehmer auch dann, wenn er zur Dienstleistung ins Ausland entsendet ist.
Abs. 2: Dienstnehmer sind Personen, die in einem Dienstverhältnis im Sinne des § 47 Abs 2 des EStG 1988 stehen, sowie an Kapitalgesellschaften beteiligte Personen iSd § 22 Z 2 des EStG 1988.
Abs. 3: Der Beitrag des Dienstgebers ist von der Summe der Arbeitslöhne zu berechnen, die jeweils in einem Kalendermonat an die im Abs. 1 genannten Dienstnehmer gewährt worden sind, gleichgültig, ob die Arbeitslöhne beim Empfänger der Einkommensteuer unterliegen oder nicht (Beitragsgrundlage). Arbeitslöhne sind Bezüge gemäß § 25 Abs 1 Z 1 lit. a und b des EStG 1988 sowie Gehälter und sonstige Vergütungen jeder Art iSd § 22 Z 2 des EStG 1988.
(d) Die Umlage ist von Kammermitgliedern zu entrichten, dazu gehören nach § 2 WKG alle physischen und juristischen Personen sowie sonstige Rechtsträger, die Unternehmungen des Gewerbes, des Handwerks, der Industrie, des Bergbaues, des Handels, des Geld- Kredit- und Versicherungswesens, des Verkehrs, des Nachrichtenverkehrs, des Rundfunks, des Tourismus und der Freizeitwirtschaft sowie sonstige Dienstleistungen rechtmäßig selbständig betreiben oder zu betreiben berechtigt sind (Abs. 1); ebenso Unternehmungen, die der Gewerbeordnung unterliegen sowie insbesondere solche, die in der Anlage zu diesem Gesetz angeführt sind (Abs. 2) und alle im Firmenbuch eingetragenen Holdinggesellschaften, soweit ihnen zumindest ein Mitglied gemäß Abs. 1 angehört (Abs. 3). Die Mitgliedschaft ist eine gesetzlich zwingende Pflichtmitgliedschaft.
(e) Aufgaben und Funktionen der Wirtschaftskammern (§ 2 WKG) bestehen in der Vertretung der gemeinsamen Interessen der Mitglieder (Abs. 1) und der Förderung der gewerblichen Wirtschaft und einzelner ihrer Mitglieder (Abs. 3). Damit ist der Interessenausgleich und die Vertretung der gemeinsamen Interessen aller Mitglieder zentrales Element der Aufgaben der Kammern (s Beiser, Rechtfertigung und Grenzen der Umlagenfinanzierung der Wirtschaftskammern - eine verfassungsrechtliche Analyse des Status quo und Vorschläge de lege ferenda, Pkt IV. 2).
(f) Sonderleistungen die über die allgemeine Interessenvertretung hinausgehen, werden nach § 125 WKG durch Gebühren finanziert, die auf Kostendeckung abzielen und in einer Gebührenordnung festgelegt werden.
3. Verstoß gegen die Niederlassungsfreiheit:
(a) Art. 43 EG (vormals Art 52 EGV) lautet:
Die Beschränkungen der freien Niederlassung von Staatsangehörigen eines Mitgliedstaates im Hoheitsgebiet eines anderen Mitgliedstaates sind nach Maßgabe der folgenden Bestimmungen verboten. Das gleiche gilt für Beschränkungen der Gründung von Agenturen, Zweigniederlassungen oder Tochtergesellschaften durch Angehörige eines Mitgliedstaats, die im Hoheitsgebiet eines Mitgliedstaats ansässig sind.
Vorbehaltlich des Kapitels über den Kapitalverkehr umfasst die Niederlassungsfreiheit die Aufnahme und Ausübung selbständiger Erwerbstätigkeiten sowie die Gründung und Leitung von Unternehmen, insbesondere von Gesellschaften im Sinne des Art. 48 Abs 2, nach den Bestimmungen des Aufnahmestaats für seine Angehörigen.
(b) Die in den Art 43 bis 48 EG geregelte Niederlassungsfreiheit hat die Freiheit der Erwerbstätigkeit von Selbständigen (als Abgrenzung zur Arbeitnehmerfreizügigkeit) und Gesellschaften (also auch juristischen Personen in der Abgrenzung zu natürlichen Personen) im Gemeinschaftsgebiet zum Ziel. Der Begriff der Niederlassung wird vom Gerichtshof definiert als "tatsächliche Ausübung einer wirtschaftlichen Tätigkeit mittels einer festen Einrichtung in einem anderen Mitgliedstaat auf unbestimmte Zeit" (, "Factortame", Rz 20). Unterschieden wird zwischen der primären (erstmalige Gründung, Umzug und grenzüberschreitende Verschmelzung) und der secundären (Schaffung einer von der Hauptniederlassung wirtschaftlich oder rechtlich abhängigen Einheit in einem anderen Mitgliedstaat) Niederlassungsfreiheit. Weiters zwischen Inbound-Fällen (Besteuerung im Aufnahmestaat) und Outbound-Fällen (Besteuerung im Herkunftsstaat).
(c) Diskriminierung und allgemeines Beschränkungsverbot:
Die Prüfung der Niederlassungsfreiheit erstreckt sich sowohl auf Diskriminierungen (Gleichheitsrechte) als auch auf sogenannte Beschränkungsverbote (Freiheitsrechte).
(1) Diskriminierung:
a. Allgemeines: Zu den primärrechtlichen Grundfreiheiten zählen der freie Warenverkehr (Art. 28), die Freizügigkeit der Arbeitnehmer (Art. 39), die Niederlassungsfreiheit (Art. 43, vormals Art. 52), die Dienstleistungsfreiheit (Art. 49) und der freie Kapital- und Zahlungsverkehr (Art. 56). Die einzelnen Grundfreiheiten können nicht isoliert betrachtet werden, vielmehr ist die Prüfung der Niederlassungsfreiheit in einen Zusammenhang mit den anderen Grundfreiheiten zu stellen, sodass auch Rspr aus diesen Bereichen miteinzubeziehen ist. Die Grundfreiheiten greifen grundsätzlich dort ein, wo das Sekundärrecht nicht zur Anwendung kommt.
Auch in sämtlichen nichtharmonisierten Bereichen werden die nationalen Steuersysteme vom Primärrecht überlagert. Die Mitgliedstaaten haben ihre Befugnisse aufgrund der ständigen Rspr des EuGH in diesen Bereichen "unter Wahrung des Gemeinschaftsrechtes" auszuüben. Direkte Steuern sind nur in geringem Ausmaß harmonisiert, sie haben aber ebenfalls Relevanz für den Binnenmarkt, weil sie die grenzüberschreitende Bewegung von Produkten und Produktionsfaktoren beeinflussen und verzerren können. Dieser Beeinträchtigung des Binnenmarktes wirken die (durch die Marktteilnehmer einklagbaren) Grundfreiheiten entgegen, uU auch das Beihilfenverbot. Die EG-konforme Ausübung der Befugnisse unterliegt damit der Prüfung der nationalen Gerichte, also auch dem UFS.
Bei Schaffung des freien Arbeitnehmer-, Niederlassungs- und Dienstleistungsverkehrs beinhaltete das Schutzkonzept ursprünglich nur eine sogenannte "Inländergleichbehandlung" mit Rechtsschutz für ausländische Staatsangehörige gegenüber dem territorialen Bestimmungsstaat (Cordewener, Europäische Grundfreiheiten und nationales Steuerrecht, 2002, S. 183 ff).
Der EuGH hatte sich aber auch mit Fallkonstellationen zu beschäftigen, bei denen in den Heimatstaat zurückkehrende Arbeitnehmer oder Selbständige auf rechtliche Hindernisse stießen. Dabei war zu unterscheiden: Bei rein "internen Situationen" (also Fällen ohne gemeinschaftsrechtlich relevantem Anknüpfungsfaktor) blieb der Schutzzweck der Grundfreiheit verschlossen; lag aber ein ausreichender Anknüpfungspunkt vor, so war ebenfalls ein Schutzbereich gegeben. Die Zuerkennung der Schutzfunktion der Grundfreiheit für diese Fälle im Rahmen der allgemeinen Inländergleichbehandlung wurde zunächst aber nur unzurechend begründet (Cordewener, S. 184, 185 ff mit Verweis auf , "Knoors" ua; S. 190 ff.).
b. In der Folge entwickelte sich eine Rspr, die auch Diskriminierungen durch Belastungen des Herkunftsstaates in Zweifel zog, allerdings abgetrennt von der Inländergleichbehandlung (so , "Daily Mail", Rz 16 zur Sitzverlegung einer Gesellschaft in die Niederlande; , "Biehl" zur Versagung der Erstattung beim Jahresausgleich; , "ICI" zur Versagung steuerlicher Begünstigungen wegen der Voraussetzung des Haltens von Aktien von im Mitgliedstaat ansässigen Tochtergesellschaften). Von einem Teil der Lehre wird diese Form der Diskriminierung als "Inländerdiskriminierung" bezeichnet (umgekehrte Diskriminierung).
Ausgangspunkt für diese Überlegungen war die Grundfreiheit als wirtschaftlich ausgerichtetes Konzept, das der Öffnung der Märkte der Mitgliedstaaten dient. Aus Art. 3 Abs 1 EG ergibt sich, dass nicht jegliche, sondern nur zwischen Mitgliedstaaten bestehende Hindernisse beseitigt werden sollen. Es war das erklärte Ziel, alle Grundfreiheiten auf dieselbe Stufe zu stellen und den Fluss der Verkehrsströme im Binnenmarkt symmetrisch zu den Spielregeln des freien Waren- und Dienstleistungsverkehrs zu optimieren (Cordewener, aaO, S. 200 ff, S. 229 ff).
Der Gerichtshof ging sodann dazu über, eine abstrakte Prüfung der nationalen Norm vorzunehmen und deren diskriminierenden Charakter als solches festzustellen (Cordewener S. 230 mit Verweis auf , "Kraus"). In der Rs "Kraus" führt der EuGH aus, Art 52 stehe jeder nationalen Regelung entgegen, die zwar ohne Diskriminierung aus Gründen der Staatsangehörigkeit anwendbar sei, aber geeignet, die Ausübung der ... grundlegenden Freiheiten ... zu behindern oder weniger attrattraktiv zu machen (Rz 32). Bezüglich eines in einem ausländischen Mitgliedstaat erworbenen akademischen Grades dürfe zwar ein "Genehmigungsverfahren" eingerichtet werden (Rz 36 ff), aber nur
- zum Zweck der Prüfung der ordnungsgemäßen Verleihung
- mit leicht zugänglichem und gerichtlich überprüfbarem Verfahren
- ohne überhöhte Verwaltungsgebühren und außer Verhältnis stehenden Sanktionen.
Im Bereich Arbeitnehmerfreizügigkeit bestätigte der Gerichtshof in , "Kommission/Belgien", Rz 20 einen weiten Diskriminierungsbegriff, wobei schon die Feststellung genügt, dass die Vorschrift (bloß) geeignet ist, eine solche Wirkung hervorzurufen. In , "Asscher", führte er an, dass auch die eigenen Staatsangehörigen geschützt sind, wenn sie sich aufgrund ihres Verhaltens gegenüber ihrem Herkunftsstaat in einer Lage befinden, die mit derjenigen anderer Personen vergleichbar ist, die in den Genuss der durch den Vertrag garantierten Rechte und Freiheiten kommen (Rz 32).
In , "Inspire Art" führte der Gerichtshof die in der Rs "Centros" und "Überseering" begonnene Rspr weiter und ließ eine Einschränkung der Niederlassungsfreiheit durch das eigene Gesellschaftsrecht des Tätigkeitsstaates mittels Sonderanknüpfungen (Firma, Publizität, Mindestkapital bzw Haftung) nicht zu und garantierte damit den freien Zuzug von EU-Gesellschaften.
c. Zusammengefasst gelten damit als Fälle der Ungleichbehandlung (Diskriminierung) sowohl die Blockierung grenzüberschreitender Wirtschaftstätigkeit (Inländergleichbehandlung) als auch die Benachteiligung des Inländers durch seinen Herkunftsmitgliedstaat (Inländerdiskriminierung).
(2) Allgemeines Beschränkungsverbot:
a. Während die Prüfung der gleichheitsrechtlichen Komponente auf Diskriminierungen (offene oder verdeckte) abzielt, können auch nichtdiskriminierende Vorschriften dem Binnenmarkt entgegenstehen. Diese - wie im weiteren darzulegen - bezüglich der Auslegung und des Ausmaßes umstrittene Frage, stammt ursprünglich aus dem Bereich des Waren- und Dienstleistungsverkehrs, wo der Umstand inkriminiert war, dass im Fall bestimmter inländischer Regelungen ausländische Anbieter erschwert in den Inlandsmarkt eindringen konnten oder es dem ausländischen Abnehmer unmöglich gemacht wurde, der Auswahllimitierung auf die inländische Ware zu entkommen (Cordewener, aaO, S. 250). Dabei kann ein das Diskriminierungsverbot überschreitendes "Beschränkungsverbot" integrationspolitisch und systematisch begründet werden, denn dem Wortlaut der Grundfreiheiten ist ein verengtes Verständnis im Sinne eines bloßen Gleichbehandlungsgebotes nicht zu entnehmen. Zudem kann aus Art. 3 Abs 1 lit. c EG herausgelesen werden, dass jede den transnationalen Verkehr belastende Maßnahme als "Hindernis" anzusehen ist, ohne dass es auf eine Diskriminierung ankommt (Cordewener, aaO, S. 251 ff.).
b. Das sich in einem Beschränkungsverbot ausdrückende Freiheitsrecht kommt beispielsweise dann zum Tragen, wenn die Befreiung von einer Mehrbelastung erfolgen soll, die den Wettbewerb verhindern kann. Dies könnte der Fall sein, wenn
- inkompatible nationale Normen in nichtharmonisierten Bereichen erlassen werden (Regulierungen desselben Sachverhaltes durch mehrere nationale Rechtsordnungen als Hauptfall der nichtdiskriminierenden Verkehrshindernisse - sogenannte "doppelte Hürden") oder
- Regelungen vorliegen, welche zwingende Mindestanforderungen festlegen oder sogar zum Ausschluss von der Verwendung am inländischen Markt führen (Cordewener, aaO, S. 266 ff; Verweis auf , "De Agostini" zum Verbot von Fernsehwerbung für Kinder unter zwölf Jahren: Da bereits eine Richtlinienregelung zum Schutz der Jugendlichen existiert, kann der Empfangsstaat keine zusätzliche zweite Kontrolle einführen - Rz 61).
c. Die Anfänge einer (im weitesten Sinne) als "Beschränkungsjudikatur" zu bezeichnenden Rspr finden sich in 60 und 64/84, "Cinetheque": Fraglich war, ob das Verbot, in Filmtheatern verwertete Filme nicht vor Ablauf einer Frist von bis zu achtzehn Monaten als Videokassetten herauszubringen, gegen den EWG-Vertrag verstoßen kann. Da die Regelung für im Inland hergestellte und eingeführte Videokassetten galt, bezweckte sie keine Lenkung der Handelsströme und war daher nicht als diskriminierend anzusehen (Rz 21). Der EuGH stellte aber fest, die Regelung könne wegen der Unterschiede zwischen den in den einzelnen Mitgliedstaaten geltenden Systemen und den Voraussetzungen, unter denen die Filme dort in Filmtheatern vorgeführt würden, zu Behinderungen des innergemeinschaftlichen Handels mit Videokassetten führen. Dieses Verwertungsverbot sei nur dann mit dem Grundsatz des freien Warenverkehrs vereinbar, wenn
- die Behinderungen nicht über das hinausgingen, was notwendig sei, um das angestrebte Ziel zu erreichen und
- dieses Ziel nach dem Gemeinschaftsrecht gerechtfertigt sei (Rz 22). Einer Regelung die zum Ziel habe, in einem begrenzten Zeitraum die Verbreitung der Werke der Verwertung in Filmtheatern vorzubehalten, könne eine Rechtfertigung nicht abgesprochen werden (Rz 23; zumal nach Rz 20 die Verwertung in den Filmtheatern für die Rentabilität der Filmproduktion gegenüber der Verwertung durch Videokassetten als wesentlich angesehen wird). Nach , "Choquet" ist die Kontrolle einer in einem anderen Mitgliedstaat anerkannten Fahrerlaubnis per se noch keine Behinderung (Rz 7), kann aber zu einer solchen werden, wenn eine Prüfung nur unnötig wiederholt wird oder sprachliche Hindernisse aufgebaut werden. Nach , "Klopp" ist es verwehrt, die Ausübung eines freien Berufes nur deswegen zu versagen, weil der Betroffene gleichzeitig eine Kanzlei in einem anderen Mitgliedstaat unterhält. Gemäß , "Kommission/Frankreich" ist die Genehmigung einer Zulassung von Ärzten im Mitgliedstaat dann nicht gerechtfertigt, wenn die Zulassung im Herkunftsstaat rückgängig zu machen ist, weil nach dem Recht des Mitgliedstaates der Betätigung nur eine Praxis geführt werden darf. Nach , "Vlassopoulou" kann die Zulassung als Rechtsanwalt im Aufnahmestaat überprüft werden, um objektiv festzustellen, ob die auswärtigen Kenntnisse zumindest gleichwertig sind.
Gemäß , "Keck", ist nicht jede potentiell behindernde Regelung beiseite zu schieben, vielmehr muss differenziert werden: Bloße Verkaufsmodalitäten (hier: Weiterverkauf zum Verlustpreis) sind nicht geeignet, den Marktzugang unmittelbar oder mittelbar, tatsächlich oder potentiell zu behindern, sofern diese Bestimmungen
- für alle Wirtschaftsteilnehmer gelten, die ihre Tätigkeit im Inland ausüben und
- den Absatz aus anderen Mitgliedstaaten rechtlich wie tatsächlich in gleicher Weise berühren. Sind diese Voraussetzungen erfüllt, sind die Regelungen nicht geeignet, den Marktzugang für diese Erzeugnisse zu versperren oder stärker zu behindern, als sie dies für inländische Erzeugnisse tun. Die Regelungen fallen daher nicht in den Anwendungsbereich von Art. 30 EWG-Vertrag (Rz 16, 17; zu den Implikationen des "Keck"-Urteils und den Auswirkungen auf das Beschränkungsverbot s Cordewener, S. 254-268 und in der Berufungsentscheidung Pkt 3 (d) (3) c zur Bedeutung für die Niederlassungsfreiheit).
d. Das Verbot der über eine Diskriminierung hinausgehenden Beschränkungen wurde in der Folge von der Rspr in verschiedenen Konstellationen weiterhin aufgegriffen:
- , "Gebhard" (zur Niederlassungsfreiheit) betrifft die Betätigung eines deutschen Staatsbürgers in Italien als Rechtsanwalt. Die Ausübung der Tätigkeit kann bestimmten Bedingungen des Aufnahmestaates unterliegen. Die Bedingungen Diplome zu besitzen (Rz 35), einer Berufsorganisation beizutreten oder sich Standesregeln oder Verwendungsbezeichnungen zu unterwerfen, müssen aber zwingende Voraussetzungen erfüllen, wenn sie die Niederlassungsfreiheit behindern oder weniger attraktiv machen: Es darf keine diskriminierende Anwendung vorliegen, es muss eine Rechtfertigung aus zwingenden Gründen des Allgemeininteresses gegeben sein sowie die Eignung die Verwirklichung des verfolgten Zieles zu gewährleisten und es muss eine Beschränkung auf das gegeben sein, was zur Erreichung dieses Zieles erforderlich ist (Rz 37).
- Nach , "Alpine Investments BV" kann für eine Gesellschaft, die auf Warenterminverträge spezialisiert ist, das Verbot mit potentiellen Kunden in einem anderen Mitgliedstaat ohne deren vorherige Zustimmung telefonisch Kontakt aufzunehmen, eine Beschränkung des freien Dienstleistungsverkehrs mit nichtdiskriminierendem Charakter darstellen (Rz 35), weil es dem Marktteilnehmer ein schnelles Mittel der Werbung nimmt. Diese Beschränkung kann aber durch den zwingenden Grund des Allgemeininteresses (zur Aufrechterhaltung des guten Rufes) des nationalen Finanzsektors gerechtfertigt sein.
- Zu verweisen ist auch auf das "Bosmann"-Urteil ( C- 415/93, zur Arbeitnehmerfreizügigkeit bei Fußballern betreffend Transferregeln und Zahlung von Ablösen). In Rz 82 wird festgehalten, dass Beschränkungen nicht nur behördliche Maßnahmen betreffen können, sondern die Grundfreiheit sich auch auf Vorschriften anderer Art erstreckt, die zur kollektiven Regelung unselbständiger Arbeit dienen (betroffen sind also auch nicht dem öffentlichen Recht dienende Vereinigungen und Einrichtungen).
- Mit , "Hans Kemmler" (zur Niederlassungsfreiheit) wurde klargestellt, dass die Erhebung von Beiträgen im Sozialversicherungssystem Belgiens, obwohl der Rechtsanwalt bereits in Deutschland beitragspflichtig war, zwar zu keiner Diskriminierung führt, aber eine behindernde Wirkung bezüglich der Ausübung der Erwerbstätigkeit ausserhalb dieses Mitgliedsstaats ausübt. Das Hindernis für die Ausübung der Erwerbstätigkeit ist auch nicht gerechtfertigt, weil sie dem Betroffenen keinen zusätzlichen sozialen Schutz bietet (Rz 13).
- In , "Futura Participations" (zur Niederlassungsfreiheit) ging es um die Frage, ob ein Verlustvortrag aus früheren Jahren bei einem Steuerpflichtigen geltend gemacht werden kann, der in einem Gebiet seine Zweigniederlassung aber nicht seinen Sitz hat, wenn er nicht entsprechend dem nationalen Recht Bücher über seine dortigen Tätigkeiten (im Jahr der Verlustentstehung) geführt und aufbewahrt hat. Will eine Gesellschaft Verluste vortragen, muss sie getrennte Bücher über die Tätigkeit der Zweigniederlassung führen. Damit verstößt diese Voraussetzung, die spezifisch Gesellschaften mit Sitz in einem anderen Mitgliedstaat trifft, gegen den EG-Vertrag, sodass die Behinderung einer Rechtfertigung bedarf (Rz 25, 26). Die Wirksamkeit der Steueraufsicht ist jedenfalls ein zwingender Grund des Allgemeininteresses (Rz 31). Das Ziel der Steueraufsicht lässt sich aber nicht mit Büchern erreichen, die der Steuerausländer nach dem Recht des anderen Mitgliedstaates führt. Das Interesse der Behörde besteht nur in der klaren und eindeutigen Ermittlung der Verluste. Soweit der Steuerpflichtige diese belegt, darf der Vortrag nicht mit der Begründung verweigert werden, im Tätigkeitsstaat seien keine ordnungsmäßigen Bücher geführt worden (Rz 39, 43).
- Mit , "Centros" wurden die vier Voraussetzungen, die erfüllt sein müssen, damit Maßnahmen gerechtfertigt sind mit denen Grundfreiheiten behindert oder weniger attraktiv gemacht werden, auch für Gesellschaften formuliert (Rz 34).
(d) Prüfung der Kammerumlage im System der EG-Grundfreiheiten und der Diskriminierungs- und Beschränkungsverbote:
(1) Bei der Erörterung der Verletzung der Niederlassungsfreiheit (bzw der Grundfreiheiten ganz allgemein, daher Verweis auf diesbezügliche Rspr) ergibt sich nachstehendes Prüfungsschema:
a. Zuerst muss der betroffene Sachverhalt in den Anwendungsbereich der Grundfreiheit fallen. Zu erfassen ist dabei der sachliche, persönliche, räumliche und uU auch der zeitliche Anwendungsbereich.
Der sachliche Anwendungsbereich wird bestimmt durch die charakteristischen wirtschaftlichen Tätigkeiten der Grundfreiheit. Gleichzeitig muss nach Rspr (zB , "Knoors" Slg 1979, 399, Rz 24 ua; s dazu Silber, Dogmatik der EG-Grundfreiheiten, taxlex 2008, 319, B 1) und hA (Silber aaO mit Verweis auf Kingreen, Die Struktur der Grundfreiheiten des Europäischen Gemeinschaftsrechtes 1999, 16 ua) ein grenzüberschreitender Sachverhalt vorliegen. Die Grundfreiheiten gelten nicht für Tätigkeiten, "die keine Berührung mit irgendeinem der Sachverhalte aufweisen, auf die das Gemeinschaftsrecht abstellt und die mit keinem relevanten Moment über die Grenze eines Mitgliedstaats hinausweisen" (Silber aaO mit Verweis auf , "Terhoeve", wonach ein Gemeinschaftsbürger, der vom Recht auf Freizügigkeit der Arbeitnehmer Gebrauch macht und in einem anderen Mitgliedstaat eine Berufstätigkeit ausübt, unter die genannten Vorschriften fällt; Hahn, DStZ 2005, 433). Dabei reicht es aus, dass potentielle Auswirkungen auf den Binnenmarkt in Betracht kommen (s zB zum Kapital- und Zahlungsverkehr , "Kommission/Belgien", Rz 16 und vorangehend Schlussantrag Generalanwalt vom , Rz 27).
Der persönliche Anwendungsbereich setzt Personen voraus, die von der Grundfreiheit begünstigt werden. Die Niederlassungs- und Dienstleistungsfreiheit wird über die jeweiligen Artikel ausdrücklich auch auf Gesellschaften und juristische Personen des öffentlichen und privaten Rechts erstreckt.
b. Auf der nächsten Stufe wird das Vorliegen eines Eingriffes in die Grundfreiheit geprüft. Der Eingriff ergibt sich im Bereich der Niederlassungsfreiheit aus den jeweiligen Diskriminierungs- und Beschränkungsverboten. Allerdings ist nicht jeder Eingriff eine Beeinträchtigung der Grundfreiheit. Abzuwägen ist zwischen Marktfreiheit und nationaler Regelungskompetenz, insbesondere im Bereich der direkten Steuern, bei denen die Kompetenzen der Mitgliedstaaten nicht auf die Gemeinschaft übertragen wurden. Reine Disparitäten als Folge nicht harmonisierter Steuersysteme sind unschädlich in Bezug auf die Grundfreiheiten (Silber, Dogmatik der EG-Grundfreiheiten, taxlex 2008, 319, C).
c. Rechtfertigung :
- diskriminierende Regelungen:
Für offene Diskriminierungen können kodifizierte Rechtfertigungsgründe den Eingriff rechtfertigen (strittig inwieweit auch die "Cassis"-Rspr zu den ungeschriebenen Rechtfertigungsgründen zählt). Zu den kodifizierten Gründen gehören die in den Art. 30, 39 Abs 3, 46 Abs 1 und 55 EG normierten Gründe der öffentlichen Ordnung, Sicherheit und Gesundheit.
- nichtdiskriminierende Regelungen:
Die Maßnahme muss nach der Rspr des EuGH in nichtdiskriminierender Weise angewandt werden, zwingenden Gründen des Allgemeininteresses entsprechen, zur Erreichung des verfolgten Zieles geeignet sein und sie darf nicht über das hinausgehen, was zum Erreichen des Ziels notwendig ist (, "Centros", wobei weitere Rechtfertigungsgründe hinzukommen können, s Rz 32-34; das verfolgte Ziel muss ein Missverhältnis zwischen der Einschränkung und der Schutzgutsicherung bewirken, s Silber, Dogmatik der EG-Grundfreiheiten, taxlex 2008, 319, D 3 a). Im Gefolge der Rs "Kraus" und "Gebhard" hat der EuGH damit eine allgemeine Schrankendogmatik der Grundfreiheiten herausgebildet, indem er ein zunächst für die Dienstleistungsfreiheit entwickeltes Modell nunmehr bei Beschränkungen der Dienstleistungs-, Niederlassungs- und Kapitalverkehrsfreiheit heranzieht und einen einheitlichen Standard einführt (Rechtsgutachten Hans Böckler-Stiftung, Die Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs zur Niederlassungsfreiheit und die deutsche Unternehmensmitbestimmung).
Beschränkungen können durch rules of reason (ungeschriebene Rechtfertigungsgründe) gerechtfertigt sein. Nichtkodifizierte Rechtfertigungsgründe sind zB ungeschriebene zwingende Erfordernisse des Allgemeininteresses wie
- die Kohärenz des nationalen Steuersystems (, "Bachmann"; , "X und Y"),
- die Wirksamkeit der steuerlichen Kontrolle (, "Cassis de Dijon"),
- die Ausgewogenheit der Aufteilung der Besteuerungsbefugnis (, "Marks & Spencer") oder
- Missbrauch und Steuerflucht (, "Cadbury Schweppes").
Die Verhältnismäßigkeit ist Teil der Rechtfertigungsprüfung sowohl bei diskriminierenden als auch bei nichtdiskriminierenden Maßnahmen.
(2) Diskriminierung:
a. Verboten sind nicht nur offensichtliche, sondern auch versteckte Diskriminierungen, die durch die Anwendung anderer Unterscheidungsmerkmale (als der Staatsangehörigkeit oder des Sitzes bei Gesellschaften) zum gleichen Ergebnis führen (, "Commerzbank AG", Rz 14).
b. Inländergleichbehandlung:
A. Zur Verletzung der Niederlassungsfreiheit durch Diskriminierung ausländischer Unternehmen liegt (insbesondere im Steuerbereich) eine reichhaltige Judikatur vor:
- Nach , "Avoir Fiscal" ist die Verweigerung von Steuergutschriften für Gesellschaften mit Sitz in einem anderen Mitgliedstaat eine Diskriminierung, die gegen die Niederlassungsfreiheit verstößt. Mangelnde Harmonisierung der Rechtsvorschriften kann die Ungleichbehandlung nicht rechtfertigen (Rz 24).
- In , "Saint-Gobain" steht die Niederlassungsfreiheit einer Regelung entgegen, wonach in Deutschland gelegene Betriebsstätten einer Kapitalgesellschaft mit Sitz in anderen Mitgliedstaaten nicht wie inländische Kapitalgesellschaften steuerlich begünstigt werden (Schachtelprivileg, Anrechnung der KÖSt, Befreiung von der Vermögensteuer).
- Nach , "Royal Bank of Scotland" ist die Nichteinräumung günstigerer Steuersätze für Niederlassungen von Gesellschaften mit Sitz in einem anderen Mitgliedstaat diskriminierend, wenn inländischen Gesellschaften diese Begünstigung eingeräumt wird.
- Gemäß , "CLT-UFA" ist die Niederlassungsfreiheit verletzt, wenn die Gewinne der Zweigniederlassung einer Gesellschaft mit Sitz in einem anderen Mitgliedstaat mit einem höheren Steuersatz belastet sind, als die Gewinne einer Tochtergesellschaft einer solchen Gesellschaft, die ihre Gewinne voll an die Muttergesellschaft ausschüttet.
B. Den allgemeinen Ausführungen und den vorangehend genannten Entscheidungen ist zu entnehmen, dass von einer Diskriminierung die zu einer Verletzung der Grundfreiheit führen kann, dann gesprochen wird, wenn Gebietsfremde und Inländer unterschiedlich behandelt, also unterschiedliche Vorschriften auf gleichartige Sachverhalte angewandt werden. Dies ist zB der Fall, wenn die unterschiedliche Behandlung aufgrund fremder Staatsangehörigkeit erfolgt oder die (begünstigende) Regelung nur im Falle eines Wohnsitzes oder Sitzes im Inland angewendet wird. Auch Inländer können sich auf Art. 43 EG berufen, wenn ein gemeinschaftsrechtlicher Sachverhalt erfüllt ist.
C. Im gegenständlichen Fall werden von den Regelungen des § 122 Abs 7 und 8 WKG alle Kammermitglieder bzw alle Unternehmen mit einer Gewerbeberechtigung erfasst. Die Umlage betrifft unterschiedslos inländische und ausländische Unternehmen. Es kommt daher zu keiner als Diskriminierung aufzufassenden Blockierung grenzüberschreitender Wirtschaftstätigkeiten. Ebensowenig kann von einer Inländerdiskriminierung gesprochen werden.
Eine Diskriminierung iS von Art. 43 EG liegt nicht vor.
(3) Beschränkungsverbot:
a. Die Reichweite des möglichen Beschränkungsverbotes ist anhand der bisher zu dieser Frage ergangenen literarischen Aufarbeitung durch die Lehre und der vom EuGH entschiedenen Fälle zu überprüfen. Generell sind dem Beschränkungsverbot spezifische Zugangsbehinderungen zugeordnet, die zwar nicht zwischen Inländern und Ausländern differenzieren, aber in ihrer tatsächlichen Wirkung den Zugang behindern oder weniger attraktiv machen, zB durch die Errichtung staatlicher Monopole, das Verbot der mehrfachen Niederlassung und Bedürfnisregelung, durch Wohnsitz-, Genehmigungs-, Zulassungs- und Qualifikationserfordernisse (Ehlers, Europäische Grundrechte und Grundfreiheiten, S. 305, Rz 53 zur Niederlassungsfreiheit).
b. Die Steuerpflichtige bringt zu Art. 43 EG vor, die nationale Bestimmung (§ 122 Abs 7 und 8 WKG iVm § 41 FLAG) sei undifferenziert, weil Unternehmen, welche grenzüberschreitend tätig seien, in mehreren Mitgliedstaaten mit Mitgliedsbeiträgen aus gesetzlichen Interessenvertretungen belastet würden. Die inländische Belastung stelle nicht auf die Mitgliedschaft in anderen Mitgliedstaaten und die Höhe der dortigen Belastung ab. Die Bw. bezieht sich damit offenbar auf den Fall der doppelten Hürde, also der mehrfachen Regelung desselben Sachverhalts in mehreren nationalen Rechtsordnungen.
c. Das Zusammenspiel von "Gebhard" und "Keck":
Unabhängig von der Ausrichtung der Kammerumlage als Beitrag ist allgemein festzuhalten, dass eine wörtliche Auslegung der "Gebhardformel" (die Betonung der "Geeignetheit") jede mitgliedstaatliche Regelung des Wirtschaftslebens erfassen würde, die potentiell oder mittelbar die Bereitschaft von Unternehmern zum grenzüberschreitenden Tätigwerden zu beeinflussen geeignet ist. In der Literatur wird davor gewarnt dies unbeschränkt gelten zu lassen, weil die Annahme einer Beschränkung sobald die Vorschrift auch nur "geeignet" ist, die grenzüberschreitende Tätigkeit weniger attraktiv zu machen, jede fremde Rechtsordnung in ihrer Gesamtheit oder jede nationale Norm aufgrund ihrer bloßen Unterschiedlichkeit erfassen würde. Im Bereich des Steuerrechtes wäre dann die Erhebung einer Steuer stets eine Beschränkung (Cordewener, S. 288, 289). Dies würde die Souveränität der Mitgliedstaaten übermäßig stark betreffen. Ein zu tiefes Eindringen in diesen Bereich lässt sich nur mit einer funktionellen Ausrichtung der Grundfreiheiten auf die Identifizierung und Beseitigung der Handelshemmnisse vermeiden (Cordewener, S. 290). Dabei sind zu berücksichtigen
- das "Keck-Urteil", das nicht nur für den Warenverkehr, sondern auch für die Prüfung der anderen Grundfreiheiten heranzuziehen ist (Cordewener, S. 295, 296; ebenso Obwexer in der Vorlesung "Erste Säule - Vertiefung - materielles Recht", Teil vier, WS 2006/07, Universität Innsbruck; aA Schmitz, der in "Der freie Personenverkehr in der Europäischen Union" (2008) die Keck-Formel für nicht anwendbar hält, um eine Abgrenzung zu erreichen). Der Begriff der Behinderung (iSd aus der Freiheitskomponente resultierenden Beschränkungsverbotes) ist so auszulegen, dass die Ausrichtung der Grundfreiheiten auf die Beseitigung spezifischer Verkehrshindernisse (Eröffnung des Zuganges zu anderen mitgliedstaatlichen Märkten) ausgerichtet ist und die Frage, wann der Marktzugang behindert wird, nach ökonomischen Kriterien erfolgt (wirtschaftliche Realitäten, Gesamtkontext der Regelung; Cordewener, S. 294).
- die Aussagen des Generalanwaltes in , "Torfaen" (zu Art. 28 EG - freier Warenverkehr). Mitgliedstaatliche Bestimmungen sind beschränkend, die inländische Märkte schützen oder den Zugang zu diesem Markt unzulässigerweise für Wirtschaftsteilnehmer aus anderen Mitgliedstaaten schwieriger, unrentabler oder unattraktiver machen. Es geht dabei um die Abschirmung nationaler Märkte die zu einer Marktaufspaltung führt. Die Abstellung auf erhöhte Kostenlasten kann dabei nur Indiz sein, ist aber nicht der allein entscheidende Faktor. Das gilt auch für das Kriterium der faktischen Mehrbelastung des grenzüberschreitenden gegenüber dem landesinternen Wirtschaftsvorgang (Cordewener, S. 296; Fn 479 zu "Torfaen" und "Cinethque"). So ist im Fall der Sonntagsruhe bei "Torfaen" der Rückgang von Einfuhren und inländischen Verkäufen eine (etwaige) Behinderung, die aber als berechtigte wirtschafts- und sozialpolitische Entscheidung im Rahmen der einer solchen Regelung eigentümlichen Wirkung verbleibt; im "Cinetheque"-Fall zur Videoverwertung liegt die Behinderung in der unterschiedlichen Regelung der Staaten, die aber nicht über das Ziel schießend und gerechtfertigt ist; im Fall "Alpine Investments" betreffend Telefonwerbung in Mitgliedstaaten ist die Beeinflussung des unmittelbaren Zuganges zu anderen Mitgliedstaaten beschränkend, aber gerechtfertigt durch die Bewahrung des guten Rufes als zwingender Grund des Allgemeininteresses. In allen Fällen bedurfte es keiner faktischen Benachteiligung iS einer Mehrbelastung.
Zu prüfen ist, wie auch den vorangehenden Entscheidungen entnommen werden kann, ob es eines Rechtfertigungsgrundes bedarf, um die Niederlassungsfreiheit verneinen zu können oder ob aufgrund der Eigenart der Regelung in ihrem Gesamtzusammenhang schon der Eingriff in Art. 43 EG zu verneinen ist.
d. Zur Transformation der Judikatur des "Keck-Urteiles" betreffend Verkaufsmodalitäten in den Bereich der Niederlassungsfreiheit:
Regelungen die als "Verkaufsmodalitäten" anzusehen sind, verstoßen nicht gegen die Grundfreiheit und führen damit zu keiner Marktzersplitterung.
So hat der Gerichtshof in , "Semeraro Casa Uno" (und in weiteren Fällen) in Fortsetzung seiner "Keck"-Rspr festgestellt, nationale Ladenschlussregelungen seien nicht geeignet, den Handel zwischen den Mitgliedstaaten tatsächlich oder potentiell zu behindern, wenn die Bestimmungen für alle im Inland (diesfalls Italien) geltenden Wirtschaftsteilnehmer gelten würden und die Erzeugnisse aus anderen Mitgliedstaaten in gleicher tatsächlicher und rechtlicher Weise berührt seien, auch wenn der italienische Einzelhandelsmarkt eine besondere Ausgestaltung erfahren habe. Der Umstand einer Beschränkung des Absatzvolumens reiche nicht aus, um die Rechtsvorschriften als Maßnahme mit gleicher Wirkung wie eine mengenmäßige Einfuhrbeschränkung anzusehen (Rz 24). Zudem habe der Gerichtshof wiederholt anerkannt, dass nationale Regelungen wie diese ein Ziel verfolgten, das nach Gemeinschaftsrecht gerechtfertigt sei. Diese Beschränkungen seien Ausdruck bestimmter Entscheidungen, die auf landesweite oder regionale soziale und kulturelle Besonderheiten Bezug nehmen würden, sie seien daher Sache der Mitgliedstaaten (Rz 25). Der Gerichtshof ging demzufolge auf die weitere gestellte Frage, ob nämlich die Rechtsvorschriften ein Verstoß gegen Art. 52 EWG-Vertrag über die Niederlassungsfreiheit oder ein Verstoß gegen Art. 2 Abs 2 der RL 64/223 über die Verwirklichung der Niederlassungsfreiheit seien (Rz 7) nur insoweit ein, als er feststellte: Die Regelung gilt für alle im Inland tätigen Wirtschaftsteilnehmer, sie bezweckt keine Regelung der Bedingungen für die Niederlassung von Unternehmen und die beschränkenden Wirkungen, die sie für die Niederlassungsfreiheit haben könnte, sind zu ungewiss und zu mittelbar, um diese Freiheit zu behindern.
Damit ist durch die Folgerechtsprechung zum "Keck"-Urteil klargestellt, dass auch im Bereich der Niederlassungsfreiheit ähnliche Kriterien anzuwenden sind, wie im Bereich des freien Warenverkehrs.
Zwar finden sich im Rahmen des Art. 43 EG keine Regelungen, die als "Verkaufsmodalitäten" zu qualifizieren wären. Es wurden aber auch für die Personenverkehrsfreiheiten ähnliche Wertungskriterien entwickelt (zB die Unterteilung in Vorschriften, die den "Zugang" zur Tätigkeit betreffen und solche, die deren "Ausübung" regeln), wobei diese Unterscheidungen nur eine - auch vom EuGH noch nicht vollständig ausgearbeitete - Richtungsvorgabe darstellen (s zB auch Cordewener, S. 282 und den Verweis in Fn 420).
e. Beschränkungsverbot und Disparitäten:
Die Heranziehung des Beschränkungsverbotes bedeutet keinesfalls, dass vorbezeichnete Rechtsunterschiede zwischen den Mitgliedstaaten eingeebnet werden sollen. Der EuGH greift nur dort ein, wo verschiedene mitgliedstaatliche Rechtsordnungen ein und denselben Sachverhalt mehrfach belasten und zu Systemstörungen führen ("marktspaltender Effekt"). Dies kann grenzüberschreitende Transaktionen treffen, die zu erhöhter Belastung führen.
Das Beschränkungsverbot greift aber dann nicht, wenn
- die nationalen Regelungen beziehungslos nebeneinander stehen, ohne das rechtliche Regime des Sachverhalts mit abweichenden Standards zu konfrontieren und
- wenn auch nicht in sonstiger Form absolute Markthindernisse aufgestellt werden (Cordewener, S. 299).
So entscheidet der , "Matteo Peralta" über das nationale (italienische) Verbot des Ablassens von natronlaugehaltigem Reiningungswasser (und allgemein von Kohlewasserstoffen und anderen schädlichen Stoffen) in Hoheits- und Binnenmeerengewässern sowie außerhalb der Hoheitsgewässer, wodurch die italienischen Schiffe gezwungen waren ein anderes Beseitigungssystem zu benutzen, was zu einer Verteuerung der Fahrten führte. Die Regelung verstieß nicht gegen Art. 30 EWG-Vertrag, weil sie nicht nach dem Ursprung der transportierten Stoffe unterschied, nicht den Warenhandel regeln sollte und die beschränkenden Wirkungen für den freien Warenverkehr zu ungewiss und zu unmittelbar für eine Behinderung waren (Rz 24). Aber auch der Zwang zur Kabotage in italienischen Hoheitsgewässern und die Tatsache, dass in den Häfen der anderen Mitgliedstaaten Einrichtungen zur Behandlung der Reinigungswässer - im für die italienischen Reinigungsvorschriften notwendigen Ausmaß - nicht vorzufinden waren, verletzt die Niederlassungsfreiheit nicht (Rz 30). Ein Mitgliedstaat kann, sofern es keine Harmonisierung auf Gemeinschaftsebene gibt, Schiffen die unter seiner Flagge fahren technische Regeln mittelbar oder unmittelbar vorschreiben, die nur für ihn gelten und in den anderen Mitgliedstaaten nicht zwangsläufig zu finden sind. Die Schwierigkeiten die sich für die Unternehmen daraus ergeben, beeinträchtigen nicht die Niederlassungsfreiheit. Diese Schwierigkeiten wären nämlich grundsätzlich nicht anderer Art als diejenigen, die auf Unterschiede zwischen den nationalen Rechtsvorschriften zB in den Lohnkosten, den Sozialabgaben oder dem Steuersystem zurückzuführen sind (Rz 34).
Bloße Disparitäten können zwar unternehmerische Entscheidungen im Rahmen der Auswahl des Mitgliedstaates der wirtschaftlichen Tätigkeit oder Niederlassung beeinflussen. Wenn die Regelungen aber
- nicht den grenzüberschreitenden Verkehr spezifisch und per se belasten
- und auch nicht in sonstiger Weise den Marktzugang und -Abgang versperren, bleiben sie dem Anwendungsbereich der Grundfreiheiten entzogen, auch wenn sich bei einer Gesamtbetrachtung der Verhältnisse eine Verfälschung der Wettbewerbsbedingungen im Binnenmarkt ergibt. Die Marktteilnehmer müssen die fortbestehenden Unterschiede der nationalen Rechtsordnungen akzeptieren (Cordewener, S. 300).
f. Zu einem ähnlichen Ergebnis führt auch die Betrachtung der Lösung von allgemeinen Kollisionsfällen im Bereich von Gemeinschaftsrecht und nationalem Recht: Der EuGH untersucht hier nicht nur die tatsächlichen Auswirkungen einer Vorschrift, sondern berücksichtigt die Stellung der Vorschrift im Verfahren, den Verfahrensablauf und die Besonderheiten des Verfahrens. Würde nämlich jede nationale Norm dem Gemeinschaftsrecht weichen, könnte dies den Grundsatz der Verhältnismäßigkeit und den Subsidiaritätsgrundsatz verletzen. Dabei wird vor punktuellen Eingriffen in innerstaatlich austarierte Systeme ausdrücklich gewarnt (Cordewener, S. 306, 307). Insgesamt ergibt sich, dass das Vorliegen einer den Marktzugang erschwerenden Behinderung nicht vorschnell anzunehmen ist (Cordewener, S. 313).
g. Regelungen des Steuer- und Sozialversicherungsrechtes:
Zwar wird das gesamte nationale Steuerrecht von der Gemeinschaftsrechtsordnung überlagert. Die direkten Steuern sind jedoch bisher nicht harmonisiert (Art. 93 EGV bezieht sich nur auf die indirekten Steuern) und erfahren eine Angleichung nur partiell und über Richtlinien. Mit Hilfe der Grundfreiheiten allein ist eine Harmonisierung nicht zu bewirken, auch der EuGH kann nur über den Umweg der "binnenmarkthindernden Regelung" den Mitgliedstaaten die Notwendigkeit der Harmonisierung vor Augen halten (Silber, Die Allgemeine Harmonisierungskompetenz des Art. 94 EGV als Grundnorm der Rechtsangleichung direkter Steuern, ÖStZ 2008/887, Pkt 4).
Soweit der EuGH in seiner bisherigen Rspr die Verletzung der Niederlassungsfreiheit im Bereich des Steuerrechtes aufgegriffen hat, handelte es sich primär um offene oder versteckte Diskriminierungen (s Inländergleichbehandlung "Avoir Fiscal" usw.). Dagegen führen den Unternehmen bloße "Schwierigkeiten" bereitende Unterschiede im Steuerrechtssystem - soweit nichtdiskriminierende Regelungen vorliegen - idR nicht zur Grundfreiheitsverletzung (so zB in , "Matteo Peralta").
h. Unter der Prämisse der vorangegangenen Darstellungen ergibt sich für den vorliegenden Fall folgendes:
Zum Anwendungsbereich der Niederlassungsfreiheit:
Die Kammerumlage 2 zählt nach § 126 Abs 2 WKG von Gesetzes wegen zu den Abgaben der BAO und ist als staatliche Maßnahme anzusehen.
Von einer - möglichen - Beschränkung durch mehrfache Belastungen könnten daher inländische und ausländische Unternehmen betroffen sein. Die Situation betroffener Unternehmen ist nicht mit jener in der Rs "Werner", vergleichbar, wo die grenzüberschreitende Situation ausschließlich aus privaten Gründen (Wohnsitz außerhalb Deutschlands) zustandegekommen ist (vgl vielmehr Rs "Bosman" bzw. Rs "Kommission/Belgien", C-478/98). Soweit sich ausländische Unternehmer in Österreich betätigen wollen und Kammerumlage zahlen müssen, liegt eine grenzüberschreitende wirtschaftliche Betätigung vor.
Nach Ansicht des Unabhängigen Finanzsenates ist daher von einem grenzüberschreitenden Sachverhalt auszugehen, der den Anwendungsbereich der Grundfreiheit berührt.
Zum Eingriff in Art 43 EG:
Wie den vorangehenden Ausführungen entnommen werden kann, ist - auch für die Niederlassungsfreiheit - zu prüfen, ob (an wirtschaftlichen Realitäten gemessen) durch die bezeichneten gesetzlichen Maßnahmen (§ 122 Abs 7 und 8 WKG) einem Unternehmen des Europäischen Marktes der Zugang zu einer angestrebten Niederlassung erschwert oder gar unmöglich gemacht wird (in der Formulierung des EuGH .. die Niederlassung "behindert oder weniger attraktiv gemacht wird"). Insbesondere ist auch zu fragen, ob die Regelung eine "Abschirmung des Marktes" (iS einer Verhinderung oder Behinderung der Niederlassung) beabsichtigt, die zu einer "Marktaufspaltung" (durch Behinderung des wirtschaftlichen Austausches zwischen den Märkten) führen kann.
Die Frage kann so beantwortet werden, dass die Zielsetzung des WKG gerade umgekehrt in einer Stärkung der Wirtschaftsposition der Unternehmen liegt und nicht darauf gerichtet bzw grundsätzlich auch nicht dafür geeignet ist, unternehmerische Tätigkeit (und damit die Errichtung von Niederlassungen) einzuschränken oder gar zu verhindern. Nach § 1 Abs 1 WKG wurden Landeskammern und Bundeskammern errichtet, um die gemeinsamen Interessen ihrer Mitglieder zu vertreten, ebenso die Fachorganisationen (Abs 2). Auch durch die Einrichtungen und Maßnahmen der Wirtschaftskammern soll die gewerbliche Wirtschaft und die Tätigkeit ihrer Mitglieder gefördert werden (Abs 3). In den §§ 19 und 31 WKG sind eine Reihe von Tätigkeiten der Bundes- und Landeskammern angeführt (darunter die Vertretung der wirtschaftlichen und rechtlichen Interessen der Mitglieder gegenüber dem Staat und gesellschaftlichen Gruppen sowie der Europäischen Union und der internationalen Organisationen in § 19 Abs 1 Z 1 und 31 Abs 3 Z 2 WKG; die Anfertigung von Gutachten und Vorschlägen in § 19 Abs 1 Z 2 und 31 Abs 2 WKG; die Abwicklung von EU-Programmen in § 19 Abs 1 Z 7 WKG; die Beratung und Information der Mitglieder bei arbeits- und sozialrechtlichen Angelegenheiten und bei der Gründung von Unternehmen in § 19 Abs 1 Z 10 und 11 WKG oder die Beratung und Information der Mitglieder bei außenwirtschaftlichen Angelegenheiten in § 31 Abs 3 Z 1 WKG).
Zielsetzung aller Aktivitäten der Wirtschaftskammer ist somit die Verbesserung der Marktstellung der Mitglieder und nicht deren Behinderung. Die Einhebung der Kammerumlage soll diese gesetzlich festgelegten Ziele ermöglichen. Es kann daher nicht davon gesprochen werden, dass durch die Einhebung einer Umlage der Wirtschaftskammer eine "Marktaufspaltung" angestrebt wird, im Gegenteil sollen alle Unternehmer uneingeschränkt zum Markt zugelassen und bestehende Marktteilnehmer gestärkt werden.
Aus der Sicht einer der "Keck"-Rspr entspringenden Einteilung in Marktzugangs- und Ausübungsmodalitäten ergibt sich ebenfalls, dass die Erhebung der Umlage nicht den Zugang (die Betätigung am Markt) an sich behindern soll, sondern als notwendiger Begleitumstand bestehender Markttätigkeiten des jeweiligen Kammermitgliedes aufzufassen ist (analog einer Maßnahme im Bereich der Ausübung der Betätigung).
Soweit mit einer "Behinderung" des Marktzuganges argumentiert wird, ist zu entgegnen, dass die Umlage einerseits auch bisher Unternehmer aus dem EU-Raum nicht daran gehindert hat, in Österreich unternehmerisch tätig zu werden bzw Niederlassungen zu begründen (das gilt auch für österreichische Unternehmen im Ausland) und andererseits notwendige nationale Regelungen, die zu bloßen "Schwierigkeiten" (in Form zusätzlicher finanzieller Belastungen) für Unternehmen führen, noch nicht die Niederlassungsfreiheit berühren müssen. Derartige Umlagen werden tw auch von Wirtschaftskammern anderer Länder erhoben. Grenzüberschreitende wirtschaftliche Betätigungen können daher schon im Hinblick auf die den Mitgliedstaaten vorbehaltene Gesetzgebungskompetenz (in den Bereichen Soziales, Steuer und Wirtschaft allgemein) europaweit nur unter der Prämisse ausgeübt werden, dass im Betätigungsstaat zusätzliche Gebühren, Abgaben oder Umlagen anfallen. Die gegenständlich strittige Umlage erfährt dabei nach Ansicht des Unabhängigen Finanzsenates (bezüglich der Beurteilung der Niederlassungsfreiheit) eine Einstufung analog den Abgaben in den steuerrechtlichen Systemen der Mitgliedstaaten (s auch Ruppe, , Fn 5: Die Kammerumlage gleicht eher einer Steuer als einer Gebühr). Die in einem ausgewogenen System der Berufs- und Unternehmensvertretung der Finanzierung der Wirtschaftskammer dienende Umlage, kann bezüglich des Schwellenwertes einer Behinderung der Niederlassungsfreiheit grundsätzlich keine andere Wertung erfahren, als sozial- und steuerrechtliche Normen im allgemeinen. Nach den nationalen Steuersystemen bestehende länderweise Unterschiede sind als natürliche Disparitäten anzusehen, die zwar in Einzelfällen unternehmerische Entscheidungen zu beeinflussen vermögen, in Summe aber keine Sperre oder Behinderung des Marktzuganges erzeugen (s Rs "Matteo Peralta" zu Regelungen die nicht anderer Art sind, als diejenigen, die auf Unterschiede zwischen Steuer- und Sozialsystemen zurückgeführt werden können, wobei die Niederlassungsfreiheit nicht verletzt ist, obwohl derartige Regelungen in anderen Mitgliedstaaten nicht zu finden sind). Nichts anderes kann in Bezug auf die Kammerumlage 2 gelten.
Es liegt auch keine "doppelte Hürde" oder eine "doppelte Erhebung von Beiträgen" vor, wie dies in der Rs "Kemmler", C-53/95 konstatiert wurde, sondern es sind allenfalls - soweit in anderen Mitgliedstaaten Umlagen erhoben werden - nebeneinander bestehende Umlagensysteme gegeben, die sich auf unterschiedliche Tatbestände stützen, da ausländische Umlagen für andere Leistungen erhoben werden.
Dem Unabhängigen Finanzsenat sind im übrigen auch keine Untersuchungen, Gutachten oder wissenschaftlichen Arbeiten bekannt, wonach Kammerumlagen in Mitgliedstaaten konkret zu Behinderungen des grenzüberschreitenden (wirtschaftlichen) Verkehrs infolge umlagerelevanter Unternehmensdispositionen geführt hätten. Es ist auch kaum vorstellbar, dass ein Unternehmen mit den von der Bw. ausgewiesenen Umsätzen und Gewinnen sich durch Wirtschaftskammerumlagen (in Österreich oder anderswo) davon abhalten lässt, Niederlassungen zu gründen.
Zudem sind die Wirkungen der Umlagenregelung bei Gesamtbetrachtung aller Umstände zu ungewiss, um die Niederlassungsfreiheit behindern zu können (s. dazu Rs "Semeraro Casa Uno"). Allfällige den Unternehmern verbleibende finanzielle Belastungen aus derartigen Regelungen, wie sie das WKG enthält, sind der fehlenden Harmonisierung dieser Bereiche im Binnenmarkt anzulasten und damit von den Marktteilnehmern zu akzeptieren.
Da ein Eingriff in Art. 43 EG und damit eine Beschränkung nach der vorangehenden Darstellung nicht vorliegt, müssen allfällige Rechtfertigungsgründe nicht mehr geprüft werden.
i. Zusammenfassend ist nachstehendes auszuführen:
Nach Ansicht des Unabhängigen Finanzsenates liegt kein Eingriff in Art. 43 EG vor, da die "Belastung" durch die Kammerumlage 2 unterhalb jener Schwelle liegt, ab der von einer Behinderung oder Einschränkung der Niederlassung gesprochen werden kann. Wie der vorangehend angeführten Judikatur und Lehrmeinung zu entnehmen ist, wird der Ansatz jener Grenze, ab der von einem spezifischen "Markt- oder Verkehrshindernis" (in Form der Beschränkung der Niederlassungsfreiheit) ausgegangen wird, mit äußerster Vorsicht vorzunehmen sein. Andernfalls würde praktisch jede Steuer, Abgabe oder Gebühr (oder Umlage) automatisch die Niederlassungsfreiheit behindern und bedürfte dann entsprechender Rechtfertigungsgründe, um überhaupt innerstaatlich anwendbar zu sein. Damit wäre die Souveränität der Mitgliedstaaten in diesem (nicht harmonisierten Bereich) weitgehend beseitigt. Daher unterliegen bestimmte Vorschriften (insbesondere im Steuer- und Sozialbereich; s dazu Eilmannsberger/Herzig/Jaeger/Thyri, Materielles Europarecht, 2. Auflage, Seite 114 zu "neutralen Behinderungen") nicht dem Maßstab der Niederlassungsfreiheit, wenn nur rechtliche Rahmenbedingungen (zB arbeitsrechtliche, gewerberechtliche oder umweltrechtliche Vorschriften) der Ausübung der Tätigkeit geschaffen werden. Ebenso wie in , "Sodemare" die Regelung auf Erstattung von Kosten von Leistungen der Sozialhilfe als Teil des Systems der Sozialhilfe eingestuft wurde (Rz 28), das bestimmte Schutzleistungen sichern soll, ist die KU 2 Teil eines umfassenderen Systems der Interessenvertretung, das als solches die Niederlassungsfreiheit nicht beschränken und dem sich daher einzelne Kammermitglieder durch Nichtabfuhr der Umlage nicht entziehen können. Derartige nach Gemeinschaftsrecht gerechtfertigte Ziele - zu denen auch die Einrichtung von wirtschaftlich sinnvoll agierenden Interessenvertretungen gehören - bleiben Ausdruck bestimmter nationaler Entscheidungen, die den Mitgliedstaaten vorbehalten sind (s auch , "Semeraro casa Uno" zur Regelung von Ladenöffnungszeiten; ebenso , "Kommission/Belgien zur Beschränkung des Betreibens von Laboratorien der klinischen Biologie auf juristische Personen, deren Mitglieder, Gesellschafter oder Geschäftsführer nach dem Gesetz Ärzte oder Apotheker sein müssen).
Zum konkreten Fall der Kammerumlage 2 ist auch anzuführen, dass die Einhebung von Umlagen zur Finanzierung von Berufs- und Wirtschaftsverbänden seit Jahrzehnten vom Grunde her unbestritten ist und eine nachhaltig erfolgreiche Betätigung der Kammern im Steuer- und Wirtschaftsbereich nur mit qualifiziertem Personal und entsprechender Infrastruktur bewältigt werden kann, wobei diese Ressourcen wiederum nur mit Beiträgen der Mitglieder finanzierbar sind. Wenn die Bw. dazu im Schreiben vom darlegt, der Kammerbeitrag stehe im Vergleich zu den angebotenen Leistungen in einem Missverhältnis und nehme keine Rücksicht auf die Leistungsfähigkeit der Abgabepflichtigen, so hat sie für diese (in der Berufung nicht näher ausgeführte) Behauptung keinerlei Nachweis vorgebracht und es ist ihr - abgesehen von der Frage, ob eine Umlage die nicht zum System der Abgaben nach der Finanzverfassung zählt, überhaupt leistungsäquivalent sein muss - auch in der Sache zu widersprechen: Der auf einen Jahresbetrag von rd. 5.000,00 € (833,18 x 6) hochgerechnete Zweimonatsbetrag bewegt sich in dieser Höhe durchaus im Rahmen der Leistungsstärke der Bw. Die Auswirkungen der Tätigkeit der Wirtschaftskammern ist zwar - wie derartigen Leistungen immanent - nicht exakt zahlenmäßig bezifferbar. Es steht aber außer Frage, dass die Wirtschaftskammer in den vergangenen Jahren dem Gesetzgeber die Notwendigkeit steuerlicher Anreize für Großbetriebe erfolgreich kommunizieren konnte und die gesetzlichen Änderungen auch der Bw. zugute gekommen sind. Größere (und exportorientierte) Betriebe profitieren auch überproportional von den Außenhandelsstellen der Kammern, während Klein- und Mittelbetriebe deren Leistungen nicht in Anspruch nehmen. Die Bw. partizipiert dazu permanent von der täglichen Basisarbeit der Kammern, sei es im Steuergesetzgebungsbereich, im Bereich der sonstigen Interessenvertretung (zB soweit es um Regelungen für Arbeitnehmer geht) oder im Beratungsbereich, auch wenn sie nicht alle von der Kammer angebotenen Leistungen tatsächlich in Anspruch nimmt.
Die Aussage, wonach ein Missverhältnis zwischen Leistung und Umlage besteht, ist daher in der von der Bw. getätigten Form nicht nachvollziehbar, da hier auch indirekt den Betrieben zugute kommende Leistungen der gesetzlichen Interessenvertretung miteinzubeziehen sind, die über den geschätzten Jahresbetrag der Umlage sicherlich hinausgehen.
4. Verfassungswidrigkeit:
(a) Die Bw. bringt vor, die Verteilung der Finanzierungslast müsse nach sachlichen Kriterien erfolgen. Die Kammerumlage nehme weder auf die Leistungsfähigkeit des Unternehmens Rücksicht, noch auf das Ausmaß der Leistungen, das in Anspruch genommen werden könne.
(b) Zur Frage der Beurteilung der Verfassungsmäßigkeit des WKG ist festzuhalten, dass der UFS gemäß Art. 18 Abs 1 B-VG an bestehende und ordnungsgemäß kundgemachte Gesetze gebunden ist, solange diese nicht vom VfGH aufgehoben werden. Die Beurteilung der Verfassungsmäßigkeit einer gesetzlichen Regelung steht nur dem VfGH im Rahmen des "Gesetzesprüfungsverfahrens" zu. Der UFS ist auch bisher vom Gesetzgeber nicht dazu legitimiert worden, ein Gesetzesprüfungsverfahren von Amts wegen zu beantragen. Es erübrigen sich daher weitergehende Auseinandersetzungen mit den geäußerten verfassungsrechtlichen Argumenten.
(c) Ergänzend ist hinzuzufügen, dass der VfGH in der Entscheidung B 1933/94 vom zwar grundsätzlich über die Kammerumlage 1 abgesprochen hat, er bezieht aber in seine rechtliche Würdigung auch die Kammerumlage 2 mit ein und betont, dass die Bf. deren Verfassungskonformität nicht bezweifelt habe und der Gesetzgeber seinen verfassungspolitischen Spielraum nicht überschreite, wenn er neben anderen Kriterien unter anderem auch den Umsatz als Bemessungsgrundlage heranziehe, um die Höhe der von den einzelnen Mitgliedern zu leistenden Beiträge zu bestimmen. Es liege grundsätzlich im rechtspolitischen Gestaltungsspielraum des Gesetzgebers, an welche Kriterien er bei der Bemessung der Umlage anknüpfe. Er habe hierbei verschiedene Möglichkeiten. Der Gesetzgeber habe sich .... für ein Mischsystem entschieden. Er habe teilweise - wohl im Hinblick auf die Aufgaben der Wirtschaftskammern im arbeitsrechtlichen und kollektivvertraglichen Bereich - an die Lohnsumme, teilweise an den Umsatz, teilweise an branchenspezifisch bestimmte Anknüpfungspunkte und teilweise in der Art von Gebühren an die konkrete Inanspruchnahme von Kammerleistungen durch die Kammermitglieder angeknüpft. Der Gerichtshof könne nicht finden, dass der Gesetzgeber durch ein derartiges System das dem Gleichheitsgrundsatz innewohnende Sachlichkeitsgebot verletzt habe.
Diesen Ausführungen, in denen auch die Anknüpfung an die Lohnsumme in die rechtliche Würdigung miteinbezogen wurde, kann eine Präferenz für eine den Gleichheitsgrundsatz verletzende Norm a priori wohl nicht entnommen werden.
Die Berufung war aus den bezeichneten Gründen abzuweisen.
Linz, am
Zusatzinformationen
Tabelle in neuem Fenster öffnen
Materie | Steuer Finanzstrafrecht Verfahrensrecht |
betroffene Normen | § 122 Abs. 7 WKG, Wirtschaftskammergesetz 1998, BGBl. I Nr. 103/1998 § 122 Abs. 8 WKG, Wirtschaftskammergesetz 1998, BGBl. I Nr. 103/1998 Art. 7 B-VG, Bundes-Verfassungsgesetz, BGBl. Nr. 1/1930 Art. 43 EGV, EG-Vertrag, ABl. Nr. C 321 vom S. 1 |
Schlagworte | Kammerumlage 2 Zuschlag zum Dienstgeberbeitrag Niederlassungsfreiheit Gleichheitsgrundsatz Grundfreiheit |
Zitiert/besprochen in |
Datenquelle: Findok — https://findok.bmf.gv.at