Berufungsentscheidung - Steuer (Referent), UFSW vom 24.04.2012, RV/3193-W/09

Ist Vorschreibung einer Eingabengebühr gemäß § 17a VfGG sachlich unbillig?

Entscheidungstext

Berufungsentscheidung

Der Unabhängige Finanzsenat hat über die Berufung des Bw., vom gegen den Bescheid des Finanzamtes für Gebühren und Verkehrsteuern Wien vom betreffend Nachsicht gemäß § 236 BAO entschieden:

Die Berufung wird als unbegründet abgewiesen.

Der angefochtene Bescheid bleibt unverändert.

Entscheidungsgründe

Mit Bescheid der Steiermärkischen Landesregierung vom wurde der Vorstellung des Berufungswerbers (Bw.) gegen den Bescheid des Gemeinderates der Gemeinde X betreffend die Vorschreibung von Abfallabfuhrgebühren keine Folge gegeben. Dieser Bescheid wurde dem Bw. am zugestellt.

Mit Schriftsatz vom brachte der Bw. zunächst Beschwerde beim Verwaltungsgerichtshof ein, der diese mit Beschluss vom wegen offenbarer Unzuständigkeit zurückwies.

In weiterer Folge beantragte der Bw. mit der beim Verfassungsgerichtshof eingebrachten Eingabe vom (beim Gerichtshof am eingelangt) die Behandlung der durch den Verwaltungsgerichtshof zurückgewiesenen Beschwerde.

Diese Beschwerde wies der Verfassungsgerichtshof mit Beschluss vom wegen Versäumung der sechswöchigen Beschwerdefrist zurück. Gleichzeitig wurde ein Antrag auf Verfahrenshilfe abgewiesen.

Am wurde vom Verfassungsgerichtshof ein amtlicher Befund aufgenommen, da die Eingabegebühr für die Beschwerde nicht entrichtet worden war.

Der Befund wurde an das Finanzamt für Gebühren und Verkehrsteuern Wien weitergeleitet.

Mit Bescheiden vom (1. Gebührenbescheid und 2. Bescheid über eine Gebührenerhöhung) setzte das Finanzamt für Gebühren und Verkehrsteuern Wien für die o.a. Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof gegenüber dem Bw. die Gebühr gemäß § 17a VfGG in der Höhe von € 220,00 und weiters die Gebührenerhöhung gemäß § 9 Abs. 1 GebG in der Höhe von € 110,00 (50% der nicht vorschriftsmäßig entrichteten Gebühr), somit insgesamt € 330,00 fest.

Gegen diese Bescheide brachte der Bw. sowohl eine Berufung als auch einen Antrag auf Nachsicht gemäß § 236 BAO ein und führte aus, dass in der Rechtsmittelbelehrung des Bescheides der Steiermärkischen Landesregierung vom bekanntgegeben worden sei, dass er beim Verwaltungs- und beim Verfassungsgerichtshof Beschwerde einbringen könne. Die Rechtsabteilung der Landesregierung hätte wissen müssen, wohin genau die Beschwerde einzubringen sei, hätte aber gleich zwei Gerichtshöfe angeführt, daher sei es zu der Fristversäumnis beim Verfassungsgerichtshof gekommen. Sowohl der Rechtsanwalt, der dem Bw. kostenlos seinen Stempel auf den selbstverfassten Schriftsatz gegeben habe, als auch der Bw. selbst hätten es als unlogisch empfunden, die gleiche Beschwerde bei zwei verschiedenen Gerichtshöfen einzureichen. Es sei angenommen worden, dass im Falle der Unzuständigkeit des ersteren Gerichtshofes die Beschwerde an den anderen Gerichtshof weitergeleitet würde. Daher sei die Beschwerde fristgerecht an den VwGH gesendet worden. Erst nach ca. vierzehn Wochen sei dem Bw. mitgeteilt worden, dass die Beschwerde nicht in die Zuständigkeit des VwGH falle. Dies hätte der Gerichtshof schon beim Durchlesen der Beschwerde erkennen müssen, so dass noch eine rechtzeitige Beschwerde beim VfGH möglich gewesen wäre.

Der Bw. habe erst nachträglich erfahren, dass eine Abtretung einer Beschwerde an den VfGH durch den VwGH nicht möglich sei. Somit sei die Beschwerdefrist beim VfGH ohne Verschulden des Bw. verstrichen gewesen.

Auf Anraten des hiesigen Richters habe der Bw. dennoch einen Antrag beim VfGH eingebracht, weil er angenommen habe, dass das Eingangsdatum beim VwGH auch beim VfGH gelte. In diesem Antrag sei ersichtlich, dass die sechswöchige Frist bereits verstrichen gewesen sei. Dennoch sei der Bw. mit Schreiben vom aufgefordert worden, die Beschwerde vorzulegen (gemeint: die Beschwerde durch einen bevollmächtigten Rechtsanwalt einzubringen). Diese Aufforderung hätte nie erfolgen dürfen, sondern nur eine Mitteilung darüber, dass das Einlaufdatum der Beschwerde beim VwGH beim VfGH nicht gelte.

Gleichzeitig habe man dem Bw. ein Formular für die beantragte Verfahrenshilfe zugesandt, jedoch keinen Erlagschein zur Bezahlung der Beschwerdegebühr. Der Bw. hätte gedacht, dass diese erst bei Ablehnung der Verfahrenshilfe zu bezahlen sei. Wenn man dem Bw. anstatt der Aufforderung zur Vorlage der Beschwerde mitgeteilt hätte, dass das Einlaufdatum beim VwGH nicht anerkannt werde, wäre die Einsendung der Beschwerdeschrift per nicht erfolgt. Es hätte damit kein Verfahren stattgefunden und es wäre keine Beschwerdegebühr angefallen.

Die Verfahrenshilfe sei ebenfalls abgewiesen worden.

In Übrigen könne die Zurückweisung nicht nachvollzogen werden, da die Fristüberschreitung zufolge der langen Dauer des Verfahrens beim VwGH zustande gekommen sei. Der Bw. sei daher an der Fristüberschreitung schuldlos gewesen.

Der Verfassungsgerichtshof habe dem Bw. ein Schreiben (vom ) übermittelt, wo der Bw. zur Entrichtung der "Beschwerdegebühr" aufgefordert worden sei.

Daraufhin habe der Bw. mit der an den Verfassungsgerichtshof adressierten Eingabe vom um Nachlass der vorgeschriebenen € 220,00 ersucht. (Anm.: Es wurde ersucht, auf die Gebühr zu verzichten, da die Fristversäumnis nicht auf das Verschulden des Bw. zurückzuführen sei. Der Inhalt des Schreibens entspricht in Wesentlichem dem o.a. Vorbringen und wird deshalb nicht wiedergegeben). In Beantwortung sei dem Bw. mitgeteilt worden, dass das Finanzamt für Gebühren und Verkehrsteuern hiefür zuständig sei und dass das Schreiben dorthin weitergeleitet würde. Dies dürfte aber nicht geschehen sein, da der Bw. am den Gebührenbescheid und den Bescheid über die Gebührenerhöhung erhalten habe. Eine Erhöhung bzw. eine Säumniszuschlagsfestsetzung erfolge immer erst nach einer bestimmten Zeit nach erfolgter Rechnungs- oder Bescheidzustellung, wenn die geforderte Summe nicht beglichen worden sei.

Bei richtiger Beantwortung der an den Verfassungsgerichtshof gerichteten Anfragen wäre es "zu keiner Vorlage der Beschwerde" gekommen Es werde daher um Nachsicht ersucht. Der Bw. beziehe eine Alterspension von € 1.014,60, habe Zahlungsverpflichtungen und müsste sich dieses Geld vom Mund absparen.

Mit Bescheid vom wies das Finanzamt das Nachsichtsansuchen ab. Nach Zitierung des § 236 BAO wurde ausgeführt, dass im gegenständlichen Fall lediglich eine Auswirkung der allgemeinen Rechtslage festzustellen sei, die alle Abgabepflichtigen in gleicher Weise treffe.

In der gegen diesen Bescheid form- und fristgerecht eingebrachten Berufung führte der Bw. aus, dass er eine kleine Pension in Höhe von € 1.076,70 beziehe und damit für die Lebensführungs- und Erhaltungskosten seines Eigenheimes nur unter äußerst sparsamen Maßnahmen das Auslangen finde. Selbst Urlaubsreisen, die sich heute jeder kleine Angestellte oder jeder Arbeiter leisten könne, seien in seiner Situation nicht möglich. Die Urlaubs-Pensionszahlung im April würde er zum Ankauf von Heizöl benötigen, die Weihnachtszahlung im September brauche er für die Eigenheimerhaltung. Die monatlichen Pensionszahlungen würden kaum für die Lebenskosten und für die Zahlung der hohen Abgaben (Wasser, Kanal, Grundsteuer, Strom) reichen. Daher habe der Bw. auch Beschwerde beim VwGH und VfGH eingebracht, wodurch sich die finanzielle Lage jedoch verschlechtert habe. Weiters würden die Krankheitskosten (Hyperlipidämie, Wirbelsäulendegeneration, Herz- und Augenkrankheit usw) den Zustand verschlimmern. Der Bw. sei 80 Jahre alt.

Im Übrigen habe er bei der Eingabe an den VwGH in derselben Sache wie beim VfGH € 180,00 bezahlt. Wie hätte der Bw. wissen können, dass er dieselbe Gebühr (inzwischen auf € 220,00 erhöht) nochmals an den VfGH zahlen sollte, weil sich der VwGH für nicht zuständig erklärt habe und dazu 14 Wochen (bis Ablauf der Beschwerdefrist) gebraucht habe.

Dies habe nicht einmal sein Rechtsanwalt gewusst.

Außerdem habe das Finanzamt erst am die Vorschreibung in Höhe von € 220,00 zugesandt und gleichzeitig auch schon eine Erhöhungsgebühr von € 110,00 ausgesprochen.

Dies sei eine ganz sonderbare Vorgangsweise.

Der VfGH habe den Bw. auf Grund einer Anfrage (wo die Fristenüberschreitung ersichtlich gewesen sei) zur Einsendung der Beschwerdeunterlagen sogar aufgefordert und habe nachher gesagt, dass eine Fristenüberschreitung vorliege und die Beschwerde nicht behandelt würde. Der Bw. finde es nicht korrekt, dass er dafür € 220,00 plus € 110,00 zahlen solle, weshalb um Nachsicht ersucht werde.

Mit Berufungsvorentscheidung vom wies das Finanzamt die Berufung als unbegründet ab und führte aus, dass gemäß § 236 BAO Abgabenschuldigkeiten nachgesehen werden könnten, wenn ihre Einhebung nach der Lage des Falles unbillig wäre.

Die Unbilligkeit könne eine "persönliche" oder eine "sachliche" sein.

Eine sachliche Unbilligkeit liege vor, wenn im Einzelfall bei Anwendung des Gesetzes aus anderen als aus persönlichen Gründen ein vom Gesetzgeber nicht beabsichtigtes Ergebnis eintrete. Dies sei dann nicht der Fall, wenn die Steuervorschreibung bloß eine Auswirkung genereller Normen darstelle. Im Falle des Bw. liege lediglich eine Auswirkung der allgemeinen Rechtslage vor, die alle Abgabepflichtigen in vergleichbarer Situation in gleicher Weise treffe.

Eine persönliche Unbilligkeit ergebe sich aus der wirtschaftlichen Situation des Antragstellers. Sie bestehe in einem Missverhältnis zwischen der Einhebung der Abgabe und den im Bereich des Abgabepflichtigen entstehenden Nachteilen und werde stets dann gegeben sein, wenn durch die Einhebung die wirtschaftliche Existenz des Abgabenschuldners gefährdet würde. Die Existenzgefährdung müsste durch die Abgabenschuld verursacht oder entscheidend mitverursacht sein.

Durch die in der Berufung gemachten Angaben könne nicht von einer persönlichen Unbilligkeit ausgegangen werden, weil sich die wirtschaftliche Situation des Bw. durch eine Nachsicht der Gebühr nicht verbessern würde.

Gemäß § 212 BAO könne die Abgabenbehörde die Entrichtung in Raten bewilligen, wenn die sofortige Entrichtung der Abgaben für den Abgabepflichtigen mit erheblichen Härten verbunden wäre und die Einbringlichkeit der Abgaben durch den Aufschub nicht gefährdet werde. Auf die Möglichkeit der Einbringung eines ausreichend begründeten Antrages werde hingewiesen.

Dagegen beantragte der Bw. die Vorlage der Berufung an die Abgabenbehörde zweiter Instanz mit der Begründung, dass sich die sachliche Unbilligkeit dadurch ergebe, dass der VfGH eine irreführende Antwort auf die Anfrage vom zugesandt habe. Er habe den Bw. einerseits aufgefordert, die Beschwerdeunterlagen einzusenden und habe aber andererseits am Ende des Schreibens angeführt, dass bei Fristenüberschreitung eine Ablehnung erfolge. Das Schreiben habe wie ein Vordruck ausgesehen, welcher für alle Anfragen verwendet werde. Da sich die Fristenüberschreitung aus der Anfrage deutlich ergeben habe, habe der Bw. angenommen, dass der Satz für ihn nicht gelte. Dies auch deshalb, weil die gleiche Beschwerde zuvor fristgerecht beim VwGH eingebracht worden sei.

Somit habe der Bw. die Beschwerdeunterlagen und die ihm übermittelten Unterlagen für die Gewährung der Verfahrenshilfe eingereicht.

Sowohl die Beschwerde als auch der Verfahrenshilfeantrag seien wegen Fristüberschreitung mit Beschluss vom abgelehnt worden. Beigeschlossen sei ein Schreiben gewesen, mit dem er zur Entrichtung der Gebühr in Höhe von € 220,00 aufgefordert worden sei.

Dagegen habe der Bw. sofort beim VfGH berufen und es sei ihm daraufhin mitgeteilt worden, dass diese Eingabe an das Finanzamt für Gebühren und Verkehrsteuern weitergeleitet werde. Daraufhin habe der Bw. vom Finanzamt statt einer Antwort eine Gebührenvorschreibung von € 220,00 mit gleichzeitiger "Strafgebührvorschreibung" von € 110,00 erhalten.

Die Steiermärkische Landesregierung habe dem Bw. in der Rechtsmittelbelehrung geschrieben, dass der Bw. innerhalb von sechs Wochen an den VwGH und VfGH eine Beschwerde einbringen könne. Wie hätte der Bw. wissen sollen, dass er die Beschwerde zuerst an den VfGH hätte senden sollen, dann wäre diese bei Unzuständigkeit automatisch und ohne Mehrkosten an den VwGH weitergeleitet worden.

Das hätte die Landesregierung mitteilen müssen. Nach Ansicht des Bw. wäre dies eine Handlungsweise, wie sie der Gesetzgeber nicht gewollt habe.

Die Zahlung der Eingabegebühr von € 220,00 habe dem Bw. rechtlich erst nach Ablehnung der Verfahrenshilfe am vorgeschrieben werden dürfen. Da der Bw. aber beim VfGH dagegen berufen habe, frage sich der Bw., wieso das Finanzamt ihm schon am eine Gebührenerhöhung aufbürden konnte, ohne die Berufung vorher zu beantworten. Habe der VfGH die Berufung so spät weitergeleitet?

Aus diesen sachlichen Gründen werde um Nachsicht der Gebühren ersucht.

Die persönliche Unbilligkeit werde damit begründet, dass es nicht zutreffe, dass bei einer Nachsicht der Gebühr sich die wirtschaftliche Situation nicht verbessern würde. Dies würde sehr wohl zutreffen, da schon beim jetzigen Ankauf des notwendigen Heizöles für den Winter 2009/2010 diese Nachsicht zur Zahlung 330,00 eine sehr spürbare Erleichterung und Verbesserung der wirtschaftlichen Situation bewirken würde.

Mit Schreiben vom ersuchte der unabhängige Finanzsenat den Bw. um Übermittlung einer Ablichtung des Bescheides der Steiermärkischen Landesregierung vom sowie um Offenlegung seiner wirtschaftlichen Verhältnisse.

Diesem Schreiben wurde mit Eingabe vom 5/ Folge geleistet.

Gemäß den Angaben des Bw. bezieht dieser eine Nettopension in Höhe von € 1.269,36 und verfügt über ein Eigenheim in der Gemeinde Xsowie über einen PKW Bj 2005. Das Guthaben auf dem Girokonto wurde mit € 302,11 beziffert. Weitere werthaltige Vermögenswerte seien nicht vorhanden.

An monatlichen Fixkosten wurden angeführt:


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Betrag in Euro
Heizkosten (Öl, Holz)
230,00
Strom
60,00
Abgaben an Gemeinde
48,00
Versicherungen
71,00
Rauchfangkehrer
22,00
Schneeräumung
43,00
ORF Gebühr
24,00
Kirchensteuer
6,00
Erhaltungskosten Eigenheim
40,00
Krankheitskosten
170,00
Summe
714,00

Die Differenz zum Pensionsbetrag in Höhe von € 555,00 verbleibe für Kleidung, Lebensmittel und sonstige tägliche Ausgaben.

Er gewähre seinem großjährigen Sohn, der überwiegend arbeitslos sei, kostenlos Unterhalt.

Ergänzend wurde ersucht, bei der Beurteilung der Nachsicht zu berücksichtigen, dass der Bw. nur eine Anfrage an den VfGH habe richten wollen. Der VfGH habe diese als Eingabe betrachtet, wofür die nunmehrigen Gebühren angefallen wären.

Nach der Verordnung sei die Gebühr von € 220,00 mit der Eingabe zu überweisen. Wie hätte er dies tun können, wenn ihm die Bankverbindungen nicht bekannt gewesen wären. Man hätte ihm mit der Aufforderung zur Einsendung der Unterlagen einen Erlagschein (Gebührenvorschreibung) zusenden müssen, dann wäre der Betrag von ihr sicherlich überwiesen worden. Der VfGH habe dies aber erst mit der Ablehnung seiner Eingabe wegen Fristenüberschreitung gemacht, wogegen er sofort Einspruch erhoben habe.

Der VfGH habe dem Bw. daraufhin mitgeteilt, dass er nicht zuständig sei und diesen Einspruch an das Finanzamt weiterleiten werde. Der Bw. habe auf eine Antwort gewartet, habe stattdessen eine Gebührenvorschreibung samt Erhöhung erhalten. Wäre diese Gebührenvorschreibung vor der Abweisung zugestellt worden, hätte er sicherlich bezahlt, so wie er es beim VwGH gemacht habe.

Über die Berufung wurde erwogen:

Auf Grund des § 236 Abs. 1 BAO können fällige Abgabenschuldigkeiten auf Antrag des Abgabepflichtigen ganz oder zum Teil durch Abschreibung nachgesehen werden, wenn ihre Einhebung nach der Lage des Falles unbillig wäre.

Die Unbilligkeit der Abgabeneinhebung nach der Lage des Falles ist dabei tatbestandsmäßige Voraussetzung für die in § 236 BAO vorgesehene Ermessensentscheidung. Verneint die Abgabenbehörde die Unbilligkeit der Abgabeneinhebung, so ist für eine Ermessensentscheidung kein Raum. Unbilligkeit der Einhebung setzt im Allgemeinen voraus, dass die Einhebung in keinem wirtschaftlich vertretbaren Verhältnis zu jenen Nachteilen steht, die sich aus der Einziehung für den Steuerpflichtigen oder für den Steuergegenstand ergeben.

Die Verordnung des Bundesministers für Finanzen betreffend Unbilligkeit der Einhebung im Sinn des § 236 BAO , BGBl. II Nr. 435/2005 vom lautet:

"§ 1. Die Unbilligkeit im Sinn des § 236 BAO kann persönlicher oder sachlicher Natur sein.

§ 2. Eine persönliche Unbilligkeit liegt insbesondere vor, wenn die Einhebung

1. die Existenz des Abgabepflichtigen oder seiner ihm gegenüber unterhaltsberechtigten Angehörigen gefährden würde;

2. mit außergewöhnlichen wirtschaftlichen Auswirkungen verbunden wäre, etwa wenn die Entrichtung der Abgabenschuldigkeit trotz zumutbarer Sorgfalt nur durch Vermögensveräußerung möglich wäre und dies einer Verschleuderung gleichkäme.

§ 3. Eine sachliche Unbilligkeit liegt bei der Einhebung von Abgaben insbesondere vor, soweit die Geltendmachung des Abgabenanspruches

1. von Rechtsauslegungen des Verfassungsgerichtshofes oder des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, wenn im Vertrauen auf die betreffende Rechtsprechung für die Verwirklichung des die Abgabepflicht auslösenden Sachverhaltes bedeutsame Maßnahmen gesetzt wurden;

2. in Widerspruch zu nicht offensichtlich unrichtigen Rechtsauslegungen steht, die

a) dem Abgabepflichtigen gegenüber von der für ihn zuständigen Abgabenbehörde erster Instanz geäußert oder

b) vom Bundesministerium für Finanzen im Amtsblatt der österreichischen Finanzverwaltung veröffentlicht wurden, wenn im Vertrauen auf die betreffende Äußerung bzw. Veröffentlichung für die Verwirklichung des die Abgabepflicht auslösenden Sachverhaltes bedeutsame Maßnahmen gesetzt wurden;

3. zu einer internationalen Doppelbesteuerung führt, deren Beseitigung ungeachtet einer Einigung in einem Verständigungsverfahren die Verjährung oder das Fehlen eines Verfahrenstitels entgegensteht."

Eine sachliche Unbilligkeit liegt vor, wenn im Einzelfall bei der Anwendung des Gesetzes ein vom Gesetzgeber offenbar nicht beabsichtigtes Ergebnis eintritt. In der allgemeinen Auswirkung einer generellen Norm ist eine solche Unbilligkeit nicht gelegen ().

Die Feststellung, ob das gesetzliche Merkmal der Unbilligkeit der Einhebung gegeben ist, liegt im Bereich der gesetzlichen Gebundenheit. Erst nach der Feststellung, dass der Sachverhalt dem unbestimmten Gesetzesbegriff "Einhebung nach der Lage des Falles unbillig" entspricht, betritt die Behörde den Bereich des Ermessens und hat nach Billigkeit und Zweckmäßigkeit zu entscheiden. Liegt nach begründeter Auffassung der Behörde eine Unbilligkeit nicht vor, so fehlt die gesetzlich vorgesehene Bedingung für die Nachsicht und das darauf gerichtete Ansuchen ist abzuweisen (Stoll, BAO Kommentar, 2426).

Die Gebührenfestsetzung wurde vom Bw. selbst durch die Eingabe des Bw. vom ausgelöst. Entgegen der Behauptung des Bw. handelte es sich bei dieser Eingabe um eine Beschwerde und nicht eine Anfrage, wobei in diesem Zusammenhang auf die Berufungsentscheidung des Unabhängigen Finanzsenat vom , GZ.RV/0351-W/09, miterl. RV/0350-W/09, verwiesen wird. Für ein Verfahren nach § 236 BAO gibt es keine Möglichkeit, das abgeschlossene Abgabenfestsetzungsverfahren wieder aufzurollen ().

Die sachliche Unbilligkeit muss in der Vorschreibung jener Abgaben gelegen sein, deren Nachsicht begehrt wird. Das kann insbesondere der Fall sein, wenn es durch das ungewöhnliche Zusammentreffen verschiedener Umstände im Einzelfall zu einer Abgabenbelastung kommt, die zwar dem materiellen Recht entspricht, vom Gesetzgeber aber offensichtlich weder beabsichtigt, noch bewußt in Kauf genommen wurde.

Gemäß § 17a VfGG ist für Anträge gemäß § 15 Abs. 1 einschließlich der Beilagen ist eine Eingabengebühr in Höhe von € 220,00 zu entrichten:

Dem Gesetz kann nicht entnommen werden, dass die Gebühr bei einer verspäteten Beschwerde nicht zu entrichten wäre.

Dem Gesetzgeber des § 17a VfGG ist nicht zu unterstellten, er habe nicht vorhergesehen, dass eine Beschwerde an den VfGG auch verspätet eingebracht werden könnte. Diese Härte, dass die Gebührenpflicht unabhängig davon besteht, ob die Beschwerde rechtzeitig eingebracht wird oder nicht hat der Gesetzgeber daher bewusst in Kauf genommen. Allerdings besteht für die Einbringung von Beschwerden an die genannten Gerichtshöfe zur Vermeidung von "Fehlern" Anwaltszwang. Daher wurde in der Rechtsmittelbelehrung im Bescheid der Steiermärkischen Landesregierung darauf hingewiesen, dass eine Beschwerde von einem Rechtsanwalt unterschrieben sein muss. Dennoch hat der Bw. die Beschwerde beim VfGH (Schreiben vom ) selbst, d.h. ohne Rechtsanwalt eingebracht.

Die Unkenntnis einer Verwaltungsvorschrift kann nur dann als unverschuldet angesehen werden kann, wenn jemandem die Verwaltungsvorschrift trotz Anwendung der nach seinen Verhältnissen erforderlichen Sorgfalt unbekannt geblieben ist. Im Hinblick auf den bestehenden Rechtsanwaltszwang kann eine Gesetzesunkenntnis nicht zur Nachsicht führen, zumal dem Vertretenen gegen den Vertreter, sollte sich dieser wirklich schuldhaft verhalten haben, ein Schadensersatzanspruch zusteht ().

Daraus folgt aber auch, dass die Gründe, die zur verspäteten Eingabe an den VfGH geführt haben, für die Nachsicht unbeachtlich sind.

Davon abgesehen kann die (doppelte) Gebührenpflicht dem Gesetz direkt entnommen werden:

Gemäß § 17a VfGG ist für Anträge gemäß § 15 Abs. 1 einschließlich der Beilagen nach eine Eingabengebühr zu in Höhe von € 220,00 zu entrichten.

§ 24 Abs. 3 VwGG: Für Eingaben einschließlich der Beilagen ist nach Maßgabe der folgenden Bestimmungen eine Eingabengebühr zu entrichten:

1. Die Gebührenpflicht besteht

a) für Beschwerden, Anträge auf Wiederaufnahme des Verfahrens und Anträge auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand;

b) unbeschadet der Pflicht zur Entrichtung der Eingabengebühr gemäß § 17a des Verfassungsgerichtshofgesetzes 1953, BGBl. Nr. 85, für Beschwerden gemäß Art. 144 Abs. 1 B-VG, die dem Verwaltungsgerichtshof gemäß Art. 144 Abs. 3 B-VG zur Entscheidung abgetreten worden sind.

Daraus folgt, dass dem Vorbringen des Bw., er habe nicht wissen können, dass er die Gebühr sowohl für die Eingabe an den VwGH als auch an den VfGH zu entrichten gehabt hätte, nicht gefolgt werden kann, zumal dies unabhängig vom bestehenden Rechtsanwaltszwang leicht festzustellen gewesen wäre.

Wenn wie im Gegenstandsfalle eine nicht vorschriftsmäßig entrichtete feste Gebühr mit Bescheid festgesetzt wird, dann ist nach § 9 Abs. 1 GebG zwingend eine Gebührenerhöhung im Ausmaß von 50 v. H. der verkürzten Gebühr zu erheben (vgl. ). Diese Gebührenerhöhung ist - unabhängig von einem Verschulden des Abgabepflichtigen - als objektive Rechtsfolge bzw. Säumnisfolge der nicht vorschriftsgemäßen Entrichtung der Gebühr zwingend angeordnet. Nicht vorschriftsmäßig entrichtet ist die feste Gebühr, wenn sie im Zeitpunkt des Entstehens der Gebührenschuld oder innerhalb der von der Behörde eingeräumten Zahlungsfrist nicht auf eine der gesetzlich zulässigen Arten gemäß § 3 Abs. 2 GebG (Barzahlung, Erlagschein, Bankomat- oder Kreditkarte) bezahlt wurde.

Infolge der Ausgestaltung der Gebührenerhöhung nach § 9 Abs. 1 GebG als objektive Säumnisfolge bleibt aber diesbezüglich für eine Berücksichtigung von Billigkeitsgründen für eine Nachsicht dieser Gebührenerhöhung kein Raum (vgl. ; vgl. zu vor: Fellner, Kommentar Gebühren und Verkehrsteuern, Band I, Stempel- und Rechtsgebühren, Rz. 6-7 zu § 9).

Sowohl die Gebührenfestsetzung wie auch die Erhöhung sind allgemeine Auswirkungen genereller Normen. Es handelt sich dabei, wie bereits ausgeführt, um vom Gesetzgeber offenbar beabsichtigte Ergebnisse.

Eine sachliche Unbilligkeit liegt daher nicht vor.

Die Einhebung der Gebühren könnte jedoch persönlich unbillig sein.

Eine persönliche Unbilligkeit ergibt sich aus der wirtschaftlichen Situation des Antragstellers (bzw. aller Gesamtschuldner). Sie besteht bei einem wirtschaftlichen Missverhältnis zwischen der Einhebung der Abgabe und den im Bereich des (der) Abgabepflichtigen entstehenden Nachteilen (). Eine solche Unbilligkeit wird stets gegeben sein, wenn die Einhebung die Existenz des Abgabepflichtigen oder seiner Familie gefährdet (z.B. ; , 99/16/0086; , 95/15/0090). Eine Unbilligkeit ist nach der Judikatur jedoch dann nicht gegeben, wenn die finanzielle Situation des Abgabenschuldners so schlecht ist, dass auch die Gewährung der beantragten Nachsicht nicht den geringsten Sanierungseffekt hätte und an der Existenzgefährdung nichts änderte (z.B. ; , 99/15/0161; , 2001/15/0033). Es bedarf keiner Existenzgefährdung; es genügt, wenn die Abstattung der Abgabenschuld mit wirtschaftlichen Auswirkungen verbunden wäre, die außergewöhnlich sind, z.B. wenn die Abgabenschuld nur unter Verschleuderung von Vermögenswerten entrichtet werden könnte (z.B. ; , 99/16/0086; , 98/13/0073; , 2003/13/0156). Für die Entscheidung über ein Nachsichtsansuchen sind die Vermögens- und Einkommensteuerverhältnisse zum Zeitpunkt der Entscheidung über das Ansuchen maßgebend (z.B. ) (Ritz, BAO³ Rz 9 zu § 236 BAO).

Bei näherer Betrachtung der persönlichen wirtschaftlichen Situation des Bw erweisen sich auch die Ausführungen im Nachsichtsverfahren als wenig stichhältig. Hiezu wird zur Höhe der notwendigen Lebenshaltungskosten auf den nach § 293 Abs. 1 lit. a sublit. bb ASVG im Jahr 2012 (auf welchen Zeitraum sich auch die eigenen Angaben zu Einkommen und Ausgaben beziehen) geltenden Ausgleichszulagenrichtsatz in Höhe von € 814,82 verwiesen. Daraus ergibt sich, dass eine Person mit einem Betrag von jährlich € 11.407,48 (x 14 Monate) oder umgerechnet monatlich € 950,62 das Auslangen finden müsse.

Im Hinblick auf das monatliche Einkommen des Bw von gesamt rund € 1.270,00 (x 14 Monate = 17.780,00) steht ihm sohin ein Betrag zur Verfügung zur Verfügung, der das vom Gesetzgeber definierten Existenzminimums deutlich übersteigt. Selbst nach Abzug der von ihm angegebenen Fixkosten (Versicherungen, Strom, Krankheitskosten etc.) von € 714,00 verbleibt dem Bw. damit noch ein Betrag in Höhe von € 555,00 für die weitere Lebensführung, wovon nach Ansicht des UFS die Abstattung der Gebühr samt Erhöhung von insgesamt € 330,00 zumindest in Raten durchaus zumutbar scheint.

In diesem Zusammenhang ist auch auf die Berufungsentscheidung des Unabhängigen Finanzsenates vom , GZ.RV/0270-K/08, zu verweisen, in der dargetan wurde, dass einer Pensionistin mit einem monatlichen Einkommen in Höhe von € 950,00 die Abstattung der Abgabenschulden in Höhe von € 6.800,00 in niedrigen Raten zumutbar ist.

Dieses muss umso mehr für den vorliegenden Fall gelten, wo den nachsichtsgegenständlichen Gebühren in Höhe von € 330,00 eine monatliche Pension in Höhe von € 1.269,36 gegenübersteht.

Insgesamt kann daher der UFS aufgrund der dargestellten wirtschaftlichen Situation keine persönliche Unbilligkeit erblicken, da die Einhebung der strittigen Gebühren jedenfalls nicht die Existenz des Bw gefährdet.

Mangels Vorliegen einer Unbilligkeit kann daher keine Unbilligkeit im Sine des § 236 Abs. 1 BAO erblickt werde.

Es war somit spruchgemäß zu entscheiden.

Wien, am

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