Berufungsentscheidung - Steuer (Referent), UFSW vom 09.10.2007, RV/1116-W/06

Nachsicht von Abgaben, die von der steuerlichen Vertreterin "verursacht" wurden, trotz anhängigem Schadenersatzprozess

Rechtssätze


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Stammrechtssätze
RV/1116-W/06-RS1
Das behauptete schwer wiegende Fehlverhalten der steuerlichen Vertreterin ist der Bw. zuzurechnen, weswegen in der Einhebung der bereits entrichteten Abgabenschuld keine sachliche Unbilligkeit zu erblicken ist (). Wollte man der Forderung der Bw. auf Nachsicht der auf Fehler der steuerlichen Vertretung beruhenden Abgaben nachkommen, würde dies eine Haftung der Abgabenbehörde für Fehler aller steuerlichen Vertreter bedeuten, die keinesfalls im Sinne des Gesetzgebers sein kann und daher keine Unbilligkeit darstellt.

Entscheidungstext

Berufungsentscheidung

Der Unabhängige Finanzsenat hat über die Berufung der Firma T-GmbH, vertreten durch Dr. Walter Friedrich, Rechtsanwalt, 1100 Wien, Leibnizgasse 62/8, vom gegen den Bescheid des Finanzamtes Wien 9/18/19 Klosterneuburg vom betreffend Nachsicht gemäß § 236 BAO entschieden:

Die Berufung wird als unbegründet abgewiesen.

Der angefochtene Bescheid bleibt unverändert.

Entscheidungsgründe

Mit Eingabe vom beantragte die Berufungswerberin (in weiterer Folge Bw.) neben Neuberechnung, Herabsetzung und Aufhebung von Nebengebühren auch die Nachsicht von gesamt € 951,39 gemäß § 236 BAO. Soweit es die Nachsicht gemäß § 236 BAO der Nebengebühren sowie des Verspätungszuschlags zur USt 1999 von 162,06, der vorgeschriebenen beiden Portobeträge (Einbringungsgebühren) von jeweils 3,56 und der mit Bescheid vom verhängten Zwangsstrafe von 500,00 betreffe werde als Begründung ausgeführt, dass deren Einhebung nach der Lage des Falles unbillig wäre. Wie sich aus dem beiliegenden Ausdruck einer Eingabe entnehmen lasse, die die Bw. im Veranlagungsakt erstattet habe, seien alle diese Nebengebühren nämlich durch Untätigkeit, unterlassene Weiterleitung von Schriftstücken und Verletzung der Informationspflicht seitens der früheren Steuerberaterin der Bw., Mag. X. Y., verursacht worden. Sie habe die Bw. dadurch ohnehin an den Rand des Ruins gebracht, und es werde noch lange dauern, bis sich die Bw. finanziell wieder erfangen werde. Es tun der Bw. daher auch die obgenannten, relativ kleinen Beträge wirtschaftlich sehr weh und werde deshalb um deren Nachsicht gebeten.

Mit Bescheid des Finanzamtes für den 9., 18. und 19. Bezirk und Klosterneuburg vom wurde der Antrag als unbegründet abgewiesen. Als Begründung wurde zu den vom Nachsichtsbegehren umfasste Abgaben (1. Kosten im Einbringungsverfahren laut Bescheid vom EUR 3,56, 2. Kosten im Einbringungsverfahren laut Bescheid vom EUR 3,56, 3. Zwangs- und Ordnungsstrafe laut Bescheid vom EUR 500,00, 4. Restlicher Verspätungszuschlag laut Bescheid vom , abgeändert mit Bescheid vom EUR 162,06, 5. Restliche Stundungszinsen laut Bescheiden vom , und EUR 120,69, EUR 92,23 und EUR 69,29) ausgeführt, dass durch die abgeänderten Bescheide nunmehr den tatsächlichen Gegebenheiten entsprechende Abgabenbescheide erlassen worden seien. Auch die Nebenansprüche seien angepasst worden. Eine darüber hinausgehende Abgabenverminderung wäre eine Bevorzugung gegenüber den anderen Abgabepflichtigen. Bereits bei Einleitung der ersten Pfändung am hätte die Bw. erkennen müssen, dass ihre abgabenrechtlichen Angelegenheiten nicht ordnungsgemäß erfüllt worden seien. Denn es liege in der Verantwortung des Geschäftsführers zu beurteilen, wen er mit der Erfüllung der abgabenrechtlichen Verpflichtungen beauftrage.

Die Unbilligkeit der Abgabeneinhebung nach der Lage des Falles sei tatbestandsmäßige Voraussetzung für die im § 236 BAO vorgesehene Ermessensentscheidung. Diese Unbilligkeit der Abgabeneinhebung werde verneint, sodass für eine Ermessensentscheidung nach Billigkeit und Zweckmäßigkeit kein Raum bleibe.

Die im § 236 Abs.1 BAO bezogene Unbilligkeit der Abgabeneinhebung könne entweder persönlich oder sachlich bedingt sein. Eine persönlich bedingte Unbilligkeit liege insbesondere dann vor, wenn die Einhebung der Abgaben die Existenzgrundlagen des Nachsichtswerbers gefährde, wofür es genüge, wenn etwa die Abstattung trotz zumutbarer Sorgfalt nur durch Veräußerung von Vermögen einer Verschleuderung gleichkäme.

Sachlich bedingte Unbilligkeit sei anzunehmen, wenn im Einzelfall bei Anwendung des Gesetzes aus anderen als persönlichen Gründen ein vom Gesetzgeber offenbar nicht beabsichtigtes Ergebnis eintrete, so dass es zu einer anormalen Belastungswirkung und verglichen mit ähnlichen Fällen, zu einem atypischen Vermögenseingriff komme. Es liege lediglich die Auswirkung der allgemeinen Rechtslage vor, die alle von dem betreffenden Gesetz erfassten Abgabepflichtigen in gleicher Weise treffe. Dieser Umstand lasse angesichts der Ordnungsfunktion der betreffenden Abgaben eine anormale Belastungswirkung oder einen atypischen Vermögenseingriff im Sinne des vom Gesetzgeber nicht gewollten Ergebnisses nicht erkennen.

In der dagegen fristgerecht eingebrachten Berufung vom wird beantragt, die Nachsicht näher bezeichneter Abgaben mit einem Gesamtbetrag von € 951,39 zu bewilligen. Hilfsweise werde beantragt, den Bescheid aufzuheben und die Abgabensache zur neuerlichen Entscheidung nach Verfahrensergänzung an das Finanzamt zurückzuverweisen.

Als Begründung wird ausgeführt, dass das Finanzamt die Abweisung des Nachsichtsantrags damit begründet habe, dass keine Unbilligkeit der Abgabeneinhebung vorliege. Nach ständiger Rsp des VwGH (89/15/0088 ua) könne eine solche Unbilligkeit persönlich oder sachlich bedingt sein. Persönliche Unbilligkeit liege vor, wenn die Einhebung der Abgaben die Existenz des Pflichtigen gefährde oder die Abstattung mit außergewöhnlichen Schwierigkeiten verbunden wäre. Sachliche Unbilligkeit sei anzunehmen, wenn bei Anwendung des Gesetzes ein vom Gesetzgeber offenbar nicht beabsichtigtes Ergebnis eintrete. Es müsse zu einer anormalen Belastungswirkung und, verglichen mit ähnlichen Fällen, zu einem atypischen Vermögenseingriff kommen.

Der angefochtene Bescheid zitiere diese Judikatur des VwGH, erkläre aber nicht, warum im vorliegenden Fall die Tatbestandsmerkmale nicht gegeben seien. Ohne Beweise aufgenommen und Feststellungen getroffen zu haben, gehe das Finanzamt auf die konkrete Sachlage nur mit zwei Sätzen ein, die lauten: "Bereits bei Einleitung der ersten Pfändung am hätten Sie erkennen müssen, dass Ihre abgabenrechtlichen Angelegenheiten nicht ordnungsgemäß erfüllt werden. Denn es liegt in der Verantwortung des Geschäftsführers zu beurteilen, wen er mit der Erfüllung der abgabenrechtlichen Verpflichtungen beauftragt." Diese Ausführungen nehmen darauf Bezug, warum es überhaupt zu den oben enumerierten Nebengebühren gekommen sei, nämlich weil die Bw. einer Steuerberaterin das Vertrauen geschenkt habe, die nicht nur alle Pflichten der Abgabenbehörde gegenüber vernachlässigt habe, sondern es auch verstanden habe, die Bw. darüber bis zuletzt im Unklaren zu lassen. Die Ausführungen des Finanzamts seien aber nicht schlüssig, denn es werde nicht festgestellt, dass der Bw. die Pfändung vom auch zugestellt worden sei, und nicht bloß der Steuerberaterin. Selbst bei Zustellung des Bescheides vom an die Bw. hätte die Bw. die darin vorgeschriebenen 3,56 und den schon vorher festgesetzten Verspätungszuschlag von 162,06 nicht mehr abwenden können, sodass bei diesen zwei Beträgen überhaupt keine Begründung für die Abweisung vorliege.

Es finden sich auch keine Ausführungen darüber, ob die Einhebung unsere Existenz gefährde. Das Finanzamt hätte gerade bei der Bw. davon ausgehen müssen, ergebe sich doch aus dem dort aufliegenden Jahresabschluss 2003 ein negatives Eigenkapital von € 8,224.63! Weiters sei bekannt, dass wir einen schwierigen Schadenersatzprozess gegen unsere frühere steuerliche Vertreterin führen, wofür entsprechende Vorsorge getroffen worden sei und etwas Bargeld vorhanden sein sollte. Es liege auch sachliche Unbilligkeit der Einhebung vor: Unser Fall sei so krass, dass der Vermögenseingriff insgesamt, besonders aber bei der Verpflichtung zur Zahlung der Zwangsstrafe atypisch sei. Damit wollte das Finanzamt die Einreichung der KöSt- und USt-Erklärungen für 2002 erzwingen. Wie aus den schließlich abgegebenen Erklärungen zu sehen sei, sei nur die Mindest-KöSt zu zahlen gewesen und mangels Vorliegen von Umsätzen keine USt. Es habe daher kein wie immer gearteter Grund bestanden, die Erklärungen nicht einzureichen! Für die Unterlassung einer Erklärung, die ohnehin finanziell nicht belaste, noch eine Zwangsstrafe zahlen zu müssen sei atypisch. Speziell zu den Stundungszinsen sei zu bemerken, dass diese aufliefen, weil das Finanzamt erst nach übermäßig langer Zeit über unsere Wiederaufnahmsanträge positiv entschied, was ebenfalls ein vom Gesetzgeber nicht beabsichtigtes Ergebnis sei. Die Besprechung Mag. Z. mit unseren Vertretern habe ja schon am stattgefunden; erst am habe der durch Reorganisationsmaßnahmen nunmehr zuständig gewordene Herr A. die Wiederaufnahmen bewilligt.

In der Eingabe vom wurde in Befolgung des Ergänzungsersuchens des Finanzamtes vom bekannt gegeben, dass im Jahr 2004 die Erlöse der Bw. insgesamt € 26,000.00 betragen haben. 2005 werden sie voraussichtlich deutlich darunter liegen.

Bei dieser Gelegenheit mache die Bw. darauf aufmerksam, dass der Bw. laut KöSt-Bescheid 2003 € 8,749.89 als verrechenbare Mindest-KöSt zur Verfügung stehen. Das heiße, dass ein Großteil der Nebengebühren, deren Nachsicht nunmehr beantragt werde, wegen Abgabenschulden entstanden sei, die ohnehin nur deswegen zu zahlen waren, weil für GmbHs eine Mindest-KöSt von € 1.750,00 jährlich gelte. Deren Verfassungsmäßigkeit sei gerade im vorliegend krassen Fall, in dem ab der zweiten Jahreshälfte 1999 bis ins Jahr 2004 hinein kein Geschäftsbetrieb bestanden habe und die Steuer daher konfiskatorisch gewesen sei, höchst zweifelhaft. Auch deswegen liege sehr wohl zumindest Unbilligkeit der Abgabeneinhebung vor, und bitte die Bw. der Berufung Folge zu geben.

Mit Berufungsvorentscheidung des Finanzamtes für den 9., 18. und 19. Bezirk und Klosterneuburg vom wurde die Berufung als unbegründet abgewiesen. Als Begründung wurde ausgeführt, dass auch wenn der Geschäftsführer der Bw. von der Annahme ausgegangen sei, dass er dem Steuerberater zur Gänze vertrauen hätte können, die Bw. in ihre abgabenrechtlichen Angelegenheiten wenigstens fallweise persönlich Einsicht nehmen hätte müssen. Es sei Aufgabe des Geschäftsführers zu entscheiden, ob er einen abgabenrechtlichen Vertreter zu Hilfe nehme und welchen Vertreter er auswähle. Falls der Vertreter die vereinbarten Aufgaben nicht zu seiner Zufriedenheit erfülle, liege es an ihm, die Leistungen bei ihm einzufordern.

Die amtswegige Löschung der Firma im Firmenbuch sei schon vor dem Berufungsverfahren beantragt worden. Eine betriebliche Tätigkeit habe seither nicht erblickt werden können. Die Gewährung der Abgabennachsicht habe daher keine Auswirkung auf die Tätigkeit der Firma haben können.

Im Vorlageantrag vom wird auf die Berufungsvorentscheidung vom entgegnet, dass die Rechtsansicht des Finanzamtes, dass die Bw., auch wenn ihre Geschäftsführerin davon ausgegangen sei, ihrer damaligen Steuerberaterin zur Gänze vertrauen zu können, in ihre abgabenrechtlichen Angelegenheiten wenigstens fallweise persönlich Einsicht nehmen hätte müssen, unrichtig sei. Die Geschäftsführerin habe nicht erkennen können, dass die vereinbarten Aufgaben nicht zur Zufriedenheit ausgeführt worden seien. Die Ansicht des Finanzamtes würde jeden Abgabepflichtigen zwingen, neben einem Steuerberater noch eine weitere Person zu bestellen, die diese überwache. Das gravierende Versagen der Steuerberaterin verbunden mit der krassen Verletzung ihrer Berichtspflicht sei ein derartig außergewöhnlicher Geschehensablauf, dass nach den Erkundigungen, die unser gefertigter Rechtsanwalt angestellt habe, mit Fug und Recht gesagt werden könne, dass so etwas in diesem Berufsstand, zumindest auf Wien und die letzten 10 Jahre bezogen, praktisch noch nie vorgekommen sei und sich auch in Zukunft Ähnliches kaum mehr wiederholen werde. Diese Ereignisse haben eine nach dem gewöhnlichen Lauf der Dinge nicht zu erwartende Abgabenschuld ausgelöst, die zudem in ihrer Höhe unproportional zum auslösenden Sachverhalt sei, sodass die Abgabeneinhebung sachlich unbillig wäre (VwGH 2002/15/0002).

Beweis: Vernehmung des gefertigten Rechtsanwalts und von Frau Mag. X. Y., Wien.

Es sei nicht klar, worauf das Finanzamt mit der weiteren Feststellung abziele, dass die amtswegige Löschung im Firmenbuch schon vor dem Berufungsverfahren beantragt worden sei. Es sei derzeit KEIN Verfahren auf amtswegige Löschung anhängig! Die weitere Annahme, dass eine betriebliche Tätigkeit seither nicht erblickt werden könne, lasse den KöSt-Bescheid 2004 außer Acht, wonach die Einkünfte der Bw. € 8,079.86 betragen haben. Dem Finanzamt scheine die Judikatur des VwGH vorzuschweben, wonach keine Nachsicht gewährt werden könne, wenn die finanziellen Verhältnisse des Abgabepflichtigen so schlecht sind, dass auch durch den Nachlass kein Sanierungseffekt bewirkt wird. Bei der Bw. sei aber genau das Gegenteil der Fall. Wird uns der Nachlass gewährt, wären die Finanzen der Bw. saniert. Es würde uns dann nur mehr das Unterliegen im Prozess gegen Mag. Y. in den Konkurs treiben. Die Verweigerung der Nachsicht würde hingegen unsere Existenz gefährden, weil die Bw. per lediglich über Barmittel von € 46,04 verfüge, wie aus dem beim Finanzamt erliegenden Jahresabschluss hervorgehe. Die Ermöglichung der wirtschaftlichen Erholung und Gesundung eines Steuersubjekts und die damit verbundene Erhaltung der Steuerquelle liege aber im Interesse des Abgabengläubigers, sodass die beantragte Nachsicht zu gewähren gewesen wäre (VwGH 92/14/0137).

Die Bw. halte daher die Berufungsvorentscheidung für unrichtig und beantrage, die Abgabenbehörde zweiter Instanz möge über unsere Berufung entscheiden.

Über die Berufung wurde erwogen:

Gemäß § 236 Abs. 1 BAO können auf Antrag des Abgabepflichtigen fällige Abgabenschuldigkeiten ganz oder zum Teil durch Abschreibung nachgesehen werden, wenn ihre Einhebung nach der Lage des Falles unbillig wäre.

Gemäß § 236 Abs. 2 BAO findet Abs. 1 auf bereits entrichtete Abgabenschuldigkeiten sinngemäß Anwendung.

Zunächst ist festzuhalten, dass die vom Nachsichtsansuchen umfassten Abgaben nach Buchung der Gutschrift aus der Jahresumsatzsteuer 2004 in Höhe von € 1.077,80 am bereits getilgt sind und am Abgabenkonto nicht mehr offen aushaften. Weiters erfolgte am eine Zahlung am Abgabenkonto in Höhe von € 1.109,20. Gemäß § 236 Abs. 2 BAO ist jedoch auch die Nachsicht bereits entrichteter Abgabenschuldigkeiten möglich, was im weiteren Verfahren zu prüfen war.

Die Unbilligkeit der Abgabeneinhebung nach der Lage des Falles ist tatbestandsmäßige Voraussetzung für die im § 236 BAO vorgesehene Ermessensentscheidung. Nach ständiger Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes setzt Unbilligkeit der Einhebung im Allgemeinen voraus, dass die Einhebung in keinem wirtschaftlich vertretbaren Verhältnis zu jenen Nachteilen stünde, die sich aus der Einziehung für den Steuerpflichtigen oder für den Steuergegenstand ergeben. Wie beide Parteien richtig ausführen kann die Unbilligkeit "persönlich" oder "sachlich" bedingt sein. Eine persönliche Unbilligkeit liegt insbesondere dann vor, wenn die Einhebung der Abgaben die Existenzgrundlagen des Nachsichtswerbers gefährdete. Allerdings bedarf es zur Bewilligung einer Nachsicht (aus persönlichen Gründen) nicht unbedingt der Existenzgefährdung oder besonderer finanzieller Schwierigkeiten und Notlagen, sondern es genügt, dass die Abstattung der Abgabenschuld mit wirtschaftlichen Auswirkungen verbunden wäre, die außergewöhnlich sind, so etwa wenn die Abstattung trotz zumutbarer Sorgfalt nur unter Veräußerung von Vermögen möglich wäre und zusätzlich diese Veräußerung einer Verschleuderung gleichkäme. Eine sachliche Unbilligkeit ist anzunehmen, wenn im Einzelfall bei Anwendung des Gesetzes aus anderen als aus persönlichen Gründen ein vom Gesetzgeber offenbar nicht beabsichtigtes Ergebnis eintritt. Jedenfalls müsste es zu einer anormalen Belastungswirkung und, verglichen mit ähnlichen Fällen, zu einem atypischen Vermögenseingriff kommen ().

Aufgabe des Antragstellers auf Abgabennachsicht im Sinne des § 236 Abs. 2 BAO ist es, in nachvollziehbarer Weise darzulegen, dass die für eine Unbilligkeit der Einhebung der Abgaben, wären sie noch nicht entrichtet, sprechenden Umstände durch die Tilgung der Abgabenschuldigkeit nicht beseitigt worden sind. Im Nachsichtsverfahren liegt das Hauptgewicht der Behauptungs- und Beweislast beim Nachsichtswerber. Ihm obliegt es im Sinne seiner Mitwirkungspflicht, einwandfrei und unter Ausschluss jeglichen Zweifels das Vorliegen jener Umstände darzutun, auf welche die Nachsicht gestützt werden kann ().

Den Berufungsausführungen, die Einhebung würde die Existenz der Bw. gefährden, ist zu erwidern, dass trotz behaupteter Existenzbedrohung durch Zahlung von € 951,39 gerade die Abgaben, für die um Nachsicht angesucht wurde, einerseits mit der Gutschrift aus der Umsatzsteuerveranlagung 2004 entrichtet und darüber hinaus auch ein Betrag von € 1.109,20 bar auf das Abgabenkonto entrichtet wurden. Dadurch hat die Bw. jedoch selbst nachgewiesen, dass die Existenz durch die Entrichtung der in Rede stehenden Beträge nicht gefährdet wurde, sodass daraus keine persönliche Unbilligkeit abgeleitet werden kann.

Soweit die Verfassungsmäßigkeit der Mindest-Körperschaftsteuer behauptet wird, ist festzuhalten, dass der Verfassungsgerichtshof diese Ansicht nicht teilt (vgl. beispielsweise VfSlg 15115/1998) und daher für die Berufung nichts zu gewinnen ist.

Als weiteres Berufungsargument wird das gravierende Versagen der Steuerberaterin verbunden mit der krassen Verletzung ihrer Berichtspflicht als ein derartig außergewöhnlicher Geschehensablauf dargestellt, der in diesem Berufsstand, zumindest auf Wien und die letzten 10 Jahre bezogen, praktisch noch nie vorgekommen sei und sich auch in Zukunft Ähnliches kaum mehr wiederholen werde. Diese Ereignisse haben laut Ansicht der Bw. eine nach dem gewöhnlichen Lauf der Dinge nicht zu erwartende Abgabenschuld ausgelöst, die zudem in ihrer Höhe unproportional zum auslösenden Sachverhalt sei, sodass die Abgabeneinhebung sachlich unbillig wäre (VwGH 2002/15/0002). In diesem Zusammenhang wird vorgebracht, dass alle in Rede stehenden Nebengebühren durch Untätigkeit, unterlassene Weiterleitung von Schriftstücken und Verletzung der Informationspflicht seitens der früheren Steuerberaterin der Bw., Mag. X. Y., verursacht worden wären. Die Geschäftsführerin der Bw. habe nicht erkennen können, dass die vereinbarten Aufgaben durch die Steuerberaterin nicht zur Zufriedenheit ausgeführt worden seien, weshalb auch ein schwieriger Schadenersatzprozess gegen die frühere steuerliche Vertreterin geführt wird.

Bedient sich ein Abgabepflichtiger eines steuerlichen Vertreters, so ist dieser befugt, im Namen und auf Rechnung des Vertretenen Handlungen zur Erfüllung abgabenrechtlicher Pflichten zu erbringen, wobei auch Unterlassungen dem Vertretenen zuzurechnen sind. Im vorliegenden Fall besteht laut Darstellung der Bw. der Verdacht, dass die steuerliche Vertreterin zum Nachteil der Bw. bestimmte Handlungen nicht erbracht hat und für die Bw. dadurch ein Schaden entstanden ist, wobei - wie die Bw. selbst ausführt - gegen die steuerliche Vertreterin ein Schadenersatzprozess anhängig ist. Die nun unter dem Blickwinkel einer Unbilligkeit dargestellten "Schäden" wären (oder wurden ohnehin) im gerichtlichen Zivilverfahren geltend zu machen, sodass im Falle des Obsiegens dieser "Schaden" ohnehin gedeckt wäre. Durch eine Vollmacht wird das Außenverhältnis zwischen dem Vertretenen und dem Dritten, demgegenüber die Bevollmächtigte handelt und auftritt, hergestellt. Die durch die behauptete Untätigkeit der damaligen Steuerberaterin resultierenden Abgabenbeträge sind somit der Bw. zuzurechnen und Ausfluss aus dem vertraglichen Innenverhältnis zur damaligen Steuerberaterin. Wollte man der Forderung der Bw. nachkommen, würde dies eine Haftung der Abgabenbehörde für Fehler aller steuerlichen Vertreter bedeuten, die keinesfalls im Sinne des Gesetzgebers sein kann und daher keine Unbilligkeit darstellt.

Das aufgezeigte behauptete schwer wiegende Fehlverhalten der steuerlichen Vertreterin ist allerdings der Bw. zuzurechnen, weswegen in der Einhebung der bereits entrichteten Abgabenschuld keine sachliche Unbilligkeit zu erblicken ist ().

Zur Frage einer sachlichen Unbilligkeit der Einhebung bei der Verpflichtung zur Zahlung der Zwangsstrafe, die atypisch sei, da das Finanzamt die Einreichung der KöSt- und USt-Erklärungen für 2002 erzwingen wollte, wobei aus den schließlich abgegebenen Erklärungen zu sehen sei, dass nur die Mindest-KöSt zu zahlen gewesen sei und mangels Vorliegen von Umsätzen keine Umsatzsteuer, es habe daher kein wie immer gearteter Grund bestanden, die Erklärungen nicht einzureichen, für die Unterlassung einer Erklärung, die ohnehin finanziell nicht belaste, noch eine Zwangsstrafe zahlen zu müssen, sei atypisch, ist festzuhalten, dass diese Vorgangsweise der Abgabenbehörde alle Abgabepflichtigen in gleicher Weise trifft, wenn die Erklärungen nicht abgegeben werden. Dass in der Folge die Abgabenbescheide keine Nachforderungen ergeben ist für die Tatsache, dass die Erklärungen erst nach Festsetzung einer Zwangsstrafe eingereicht werden, ohne Belang. Allfällige gegen die Festsetzung der Zwangsstrafe gerichtete Gründe wären im dagegen anzustrengenden Rechtsmittelverfahren vorzubringen gewesen. Eine Abgabennachsicht gemäß § 236 BAO kann grundsätzlich nicht damit begründet werden, dass die Abgabenfestsetzung zu Unrecht erfolgt ist. Im Nachsichtsverfahren können daher nicht Einwände nachgeholt werden, die im Festsetzungsverfahren geltend zu machen gewesen wären (). Die Abgabennachsicht ist nicht das geeignete Mittel, um möglicherweise unterbliebenen Einwänden gegen Sachbescheide zum Durchbruch zu verhelfen. Ein Nachsichtsverfahren ersetzt nicht ein Rechtsmittelverfahren gegen den Abgabenbescheid ().

Die Bw. weist weiters darauf hin, dass Stundungszinsen deshalb aufliefen, weil das Finanzamt erst nach übermäßig langer Zeit über die Wiederaufnahmsanträge positiv entschieden hat, was ebenfalls ein vom Gesetzgeber nicht beabsichtigtes Ergebnis wäre. In diesem Zusammenhang ist festzuhalten, dass für jede beantragte Zahlungserleichterung (Stundung oder Ratenzahlung) Stundungszinsen zu entrichten sind, sofern gemäß § 212 Abs. 2 BAO das Ausmaß von 50 Euro überschritten wird. Unabhängig davon, dass der Gesetzgeber keine bestimmte Frist normiert hat, innerhalb der die Abgabenbehörde eine bestimmte Amtshandlung durchzuführen hat (wobei die Bw. auch keinen Devolutionsantrag eingebracht hat), sind die Stundungszinsen eine allgemeine Folge der Gesetzeslage, die jeden Abgabepflichtigen gleich trifft. In der allgemeinen Auswirkung einer generellen Norm ist eine sachliche Unbilligkeit nicht gelegen ( und , 2004/16/0151).

Auch die Behauptung, die Geschäftsführerin der Bw. hätte nicht erkennen können, dass die vereinbarten Aufgaben durch die Steuerberaterin nicht zur Zufriedenheit ausgeführt worden seien und das gravierende Versagen der Steuerberaterin eine nach dem gewöhnlichen Lauf der Dinge nicht zu erwartende Abgabenschuld ausgelöst hätte, die zudem in ihrer Höhe unproportional zum auslösenden Sachverhalt sei, sodass die Abgabeneinhebung sachlich unbillig wäre (VwGH 2002/15/0002), ist festzuhalten, dass auch diese Argumentation allein das Innenverhältnis zur ehemaligen steuerlichen Vertreterin betrifft, die Abgabenbehörde jedoch nicht für allfällige Fehler indirekt die Haftung durch Gewährung einer Nachsicht übernehmen kann, wobei der dadurch entstandene Schadenersatz - wie von der Bw. selbst auch angegeben - im Zivilrechtsweg einzuklagen ist.

Da im vorliegenden Fall sowohl das Vorliegen einer sachlichen als auch persönlichen Unbilligkeit der Abgabeneinhebung zu verneinen war, diese Unbilligkeit der Abgabeneinhebung nach der Lage des Falles jedoch tatbestandsmäßige Voraussetzung für die in § 236 BAO vorgesehene Ermessensentscheidung ist, blieb für eine Ermessensentscheidung () kein Raum. Mit dem diesbezüglichen Berufungsbegehren kann die Bw. nur auf den Zivilrechtsweg gegen die damalige steuerliche Vertretung verwiesen werden.

Für die Vernehmung der beantragten Zeugen sowie die Durchführung einer mündlichen Berufungsverhandlung bestand - da der Sachverhalt hinreichend geklärt ist - keine Veranlassung.

Es war daher spruchgemäß zu entscheiden.

Wien, am

Zusatzinformationen


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Materie
Steuer
Finanzstrafrecht Verfahrensrecht
betroffene Normen
§ 236 BAO, Bundesabgabenordnung, BGBl. Nr. 194/1961
Schlagworte
Nachsicht
steuerliche Vertreterin
Pflichtverletzung
Schadenersatzprozess

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