Widerruf einer Verzichtserklärung auf Anwendung der Umsatzsteuerbefreiung für Kleinunternehmer
VwGH-Beschwerde zur Zl. 2006/13/0041 eingebracht. Mit Erk. v. wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufgehoben. Fortgesetztes Verfahren nicht durch BE erledigt.
Entscheidungstext
Berufungsentscheidung
Der unabhängige Finanzsenat hat durch den Vorsitzenden Dr. Christian Lenneis und die weiteren Mitglieder Hofrat Franz Pischinger, Norbert Pelzer und Mag. Berlinda Maria Eder sowie im Beisein der Schriftführerin Ingrid Pavlik über die Berufung der BD, 1090 Wien, ADR, vom gegen die Bescheide des Finanzamtes Wien 9/18/19 Klosterneuburg, vertreten durch Mag. Thomas Zach, vom betreffend Umsatzsteuer 1999, 2000, 2001 und 2002 entschieden:
Die Berufung wird als unbegründet abgewiesen. Die angefochtenen Bescheide bleiben unverändert.
Entscheidungsgründe
BD erklärte mit beim Finanzamt für den 9., 18. und 19. Bezirk und Klosterneuburg am eingelangten Schreiben für das von ihr betriebene Unternehmen ("SHBD") den Verzicht auf die Steuerbefreiung für Kleinunternehmer gem. § 6 Abs. 3 Umsatzsteuergesetz (UStG) 1994. Der besagte Verzicht wurde seitens des Finanzamtes am angemerkt.
Im Zuge der Umsatzsteuerbescheide für die Jahre 1999, 2000 und 2001 folgte das Finanzamt den Angaben in den entsprechenden Steuererklärungen und wendete für die erklärten Gesamtbeträge der Bemessungsgrundlagen für Lieferungen und sonstige Leistungen die Kleinunternehmerregelung gem. § 6 Abs. 1 Z 27 UStG 1994 an, was jeweils steuerpflichtige Bemessungsgrundlagen von 0 S ergab und Umsatzsteuervorschreibungen nicht auslöste.
Die Betriebsprüfung (BP) des Finanzamtes Wien 9/18/19 Klosterneuburg unterzog das Unternehmen der BD einer den Zeitraum 1999 bis 2002 umfassenden Buch- und Betriebsprüfung gem. § 151 Abs. 3 BAO, wobei die vereinnahmten Entgelte (146.054,50 S; 273.361,66; 274.046,17 S; 16.136,91 S) der 20 % igen Umsatzsteuer unterzogen wurden und unter Berücksichtigung der maßgeblichen Vorsteuerbeträge (16.383,07 S; 21.161,30; 28.164,00; 347,80 S) Zahllasten in Höhe von 12.827,83 S, 33.511,03 S, 26.645,23 S und 2.879,58 S zur Feststellung gelangten.
Begründend wurde im Betriebsprüfungsbericht vom (Tz 13) ausgeführt, dass seitens der Abgabepflichtigen ein Verzicht auf die Steuerbefreiung für Kleinunternehmer mit Wirksamkeit ab dem Kalenderjahr 1994 abgegeben worden sei, der die Unternehmerin mindestens fünf Kalenderjahre binde. Sei aber beabsichtigt wieder die Steuerbefreiung in Anspruch zu nehmen, bedürfe es des Widerrufs der Verzichtserklärung. Der Widerruf sei nur mit Wirksamkeit vom Beginn eines Kalenderjahres möglich und müsse bis spätestens 31. Jänner dieses Kalenderjahres eingebracht werden. Ansonsten gelte der Verzicht auf die Steuerbefreiung auch nach Ablauf der fünf Jahre weiter. Im vorliegenden Fall sei aber ein Widerruf nicht erfolgt.
Das Finanzamt erließ am geänderte Umsatzsteuerbescheide für die Jahre 1999, 2000 und 2001 im wiederaufgenommenen Verfahren gem. § 303 Abs. 4 BAO sowie den Umsatzsteuerbescheid für das Jahr 2002, wobei die vorhin genannten Feststellungen der BP Berücksichtigung fanden.
BD erhob gegen die besagten Bescheide am das Rechtsmittel der Berufung, wobei sie darauf hinwies, dass die Umsatzsteuererklärungen für 1999 und 2000 von ihrem steuerlicher Vertreter FP erstellt worden seien, der sie auch dahingehend informiert habe, dass ein Verzicht auf die Kleinunternehmerregelung nur für fünf Jahre binde, weshalb die Befreiung gem. § 6 Z 27 UStG 1994 wieder mit Beginn des Jahres 1999 in Anspruch genommen werden könne.
Nach Zurücklegung der Vollmacht des FP habe sie die Umsatzsteuererklärungen für die Jahre 2001 und 2002 selbst erstellt, wobei sie davon ausgegangen sei, dass die Steuerbefreiung für Kleinunternehmer zustehe.
Da auf Grund einer ersten Stellungnahme des FP angenommen werden könne, dass dieser entweder einen Widerruf eingebracht oder das Gesetz missinterpretiert habe, werde beantragt für die Jahre 1999 bis 2002 keine Umsatzsteuer festzusetzen. Für den Fall der Abweisung der Berufung werde die Entscheidung über die Berufung durch die Abgabenbehörde zweiter Instanz gestellt, die durch einen Senat in mündlicher Verhandlung bei Hinzuziehung des Parteienvertreters entscheiden möge.
Über telefonische Anfrage des Referenten vom beim ehemaligen steuerlichen Vertreter der Bw. wurde in Erfahrung gebracht, dass nach dessen Wissensstand ein Widerruf nicht erfolgt sei.
Dies entspricht auch dem Umstand, dass seitens der Kanzlei P noch am und am die Umsatzsteuervoranmeldungen für Dezember 1999 und August 1999 auf Basis der allgemeinen Vorschriften des Umsatzsteuergesetzes beim Finanzamt eingereicht wurden, wiewohl bereits spätestens am ein Widerruf des ursprünglichen Verzichts auf die Kleinunternehmerregelung stattfinden hätte müssen.
Im Zuge der am abgehaltenen Berufungsverhandlung gab die Bw. an, dem steuerlichen Vertreter bekannt gegeben zu haben, dass ein Verzicht auf die Kleinunternehmerregelung abgegeben worden sei. Er habe hiezu bemerkt, dieser Verzicht binde den Steuerpflichtigen auf fünf Jahre.
Die Einschreiterin führte weiters aus, ihr sei die Notwendigkeit eines Verzichts auf den Widerruf bekannt gewesen, sie habe aber darauf vertraut, dass der steuerliche Vertreter dies für sie erledigt habe.
Frau BD legte dem Berufungssenat in der Folge ein Schreiben des FP vom vor, worin derselbe u.a. Folgendes ausgeführt hatte:
"... Sowohl in der von mir erstellten Umsatzsteuererklärung für das Kalenderjahr 1999 bzw. 2000 wurde nach Rücksprache mit ihnen die USt-Regelbesteuerung nicht beantragt....wurde in der Umsatzsteuererklärung für die Jahre 1999 und 2000 die Kleinunternehmerregelung belassen ... Da das steuerliche Vollmachtsverhältnis mit aufgelöst wurde, sind mir die ... Steuerbescheide 2000 weder bekannt noch kenne ich die steuerliche Würdigung der in der Umsatzsteuererklärung 2000 nicht beantragten Regelbesteuerung....
Die Aussage des Prüfers "kein Widerruf" ist mir nicht verständlich.... Den von Ihnen mir gegenüber geltend gemachte Schadenersatz auf Grund der Feststellungen des Betriebsprüfers muss ich ablehnen, da von meiner Kanzlei steuerlich ordnungsgemäß die Umsatzsteuererklärungen für die Jahre 1999/2000 erstellt wurden...".
Der steuerliche Vertreter des Finanzamtes vertrat zum ggstl. Berufungsverfahren die Auffassung, es liege offensichtlich ein Beratungsfehler vor, habe doch die Bw. noch für Dezember 1999 eine Umsatzsteuervoranmeldung abgegeben, in der die Besteuerung nach den allgemeinen Vorschriften des Umsatzsteuergesetzes vorgenommen worden sei. Die besagte Umsatzsteuervoranmeldung sei im Februar 2000 abgegeben worden, ein Widerruf hätte aber bereits bis Ende Jänner 1999 erfolgen müssen, was auf einen Beratungsfehler hinweise. Nach nochmaliger Einsicht in die Umsatzsteuervoranmeldung für Dezember 1999 sei erkennbar, dass diese Umsatzsteuervoranmeldung von FP eingereicht worden ist.
Über die Berufung wurde erwogen:
Gem. § 6 Abs. 1 Z 27 UStG 1994 sind die Umsätze der Kleinunternehmer umsatzsteuerfrei. Kleinunternehmer ist ein Unternehmer, der im Inland einen Wohnsitz oder Sitz hat und dessen Umsätze nach § 1 Abs. 1 Z 1 und 2 im Veranlagungszeitraum 300.000 S (22.000 €) nicht übersteigen.
Gem. § 6 Abs. 3 UStG 1994 kann der Unternehmer, dessen Umsätze nach § 6 Abs. 1 Z 27 befreit sind, bis zur Rechtskraft des Bescheides gegenüber dem Finanzamt schriftlich erklären, dass er auf die Anwendung des § 6 Abs. 1 Z 27 verzichtet. Die Erklärung bindet den Unternehmer mindestens für fünf Kalenderjahre. Sie kann nur mit Wirkung vom Beginn eines Kalenderjahres an widerrufen werden. Der Widerruf ist spätestens bis zum Ablauf des ersten Kalendermonates nach Beginn dieses Kalenderjahres zu erklären.
Ein frühester Termin für den Widerruf ist im Gesetz nicht genannt. Der Widerruf kann somit unmittelbar nach der Verzichtserklärung ausgesprochen werden, die Wirksamkeit tritt aber erst nach Ablauf der fünf Kalenderjahre ein. Das Gesetz äußert sich nicht über die Form des Widerrufs. Als contrarius actus zur Verzichtserklärung unterliegt der Widerruf wohl denselben Regeln wie die Verzichtserklärung (Schriftlichkeit; vgl. Ruppe, UStG 1994 Kommentar, Wien 1995, § 6 Rz 483).
Im vorliegenden Fall liegen Hinweise dafür, dass eine ausdrückliche, schriftliche Widerrufserklärung im Hinblick auf den Verzicht auf die Steuerbefreiung für Kleinunternehmer abgegeben wurde, nicht vor, weshalb die besagte Verzichtserklärung im Sinne des § 6 Abs. 3 1. und 2. Satz UStG 1994 weiterhin Gültigkeit besitzt.
Diesen Umstand hat der seinerzeitige steuerliche Vertreter der Bw. im Telefonat mit dem Referenten am bestätigt. Aus dem dem Senat im Zuge der Senatsverhandlung vorgelegten Schreiben des FP an die Bw. ist gleichermaßen kein Hinweis dafür zu entnehmen, dass der Besagte eine Widerrufserklärung im Sinne des § 6 Abs. 3 vorletzter Satz UStG 1994 abgegeben hat.
Die in Rede stehenden Bescheide, die die maßgeblichen Entgelte der Umsatzbesteuerung unterworfen haben, sind daher in Übereinstimmung mit den maßgeblichen gesetzlichen Bestimmungen des Umsatzsteuerrechts ergangen, weshalb dem Berufungsantrag der Einschreiterin nicht gefolgt werden kann.
Es war somit spruchgemäß zu entscheiden.
Wien, am
Zusatzinformationen
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Materie | Steuer Finanzstrafrecht Verfahrensrecht |
betroffene Normen | § 6 Abs. 1 Z 27 UStG 1994, Umsatzsteuergesetz 1994, BGBl. Nr. 663/1994 § 6 Abs. 3 UStG 1994, Umsatzsteuergesetz 1994, BGBl. Nr. 663/1994 |
Schlagworte | Kleinunternehmer Verzichtserklärung Widerrufserklärung |
Datenquelle: Findok — https://findok.bmf.gv.at