Berufungsentscheidung - Strafsachen (Senat), UFSW vom 17.04.2012, FSRV/0066-W/11

Berufung des Amtsbeauftragten wegen Strafhöhe

Rechtssätze


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Stammrechtssätze
FSRV/0066-W/11-RS1
Das Gesetz bietet für eine starre Strafbemessung in Prozenten keinen Anhaltspunkt. Hätte der Gesetzgeber ein derart kasuistisches System der Strafbemessung gewählt, wäre vernünftigerweise in den Bestimmungen über die Bemessung der Geldstrafe eine taxative Aufzählung der mit dem jeweiligen Milderungs- und Erschwerungsgrund einhergehenden prozentuellen Berücksichtigung normiert.
FSRV/0066-W/11-RS2
Der durch die Tat lukrierte Zinsgewinn ist als äußerste Untergrenze der Geldstrafe anzusehen, bei deren Unterschreitung eine Geldstrafe ihren Zweck verfehlen würde.
FSRV/0066-W/11-RS3
Im Finanzstrafgesetz sind weder Parameter vorgegeben geschweige denn Prozentsätze festgelegt, die bei Vorliegen des entsprechenden Milderungsgrundes oder allenfalls bei entsprechend schlechten finanziellen Verhältnissen (die noch dazu von Täter zu Täter äußerst unterschiedlich sein können) einen entsprechend quantifizierten Abschlag der festzusetzenden Geldstrafe bewirken würden. Derartige Überlegungen scheitern im Übrigen schon an der gesicherten Ausgangsbasis der Zu- und/oder Abschläge für die jeweils zu berücksichtigenden Milderungs- und Erschwerungsgründe.

Entscheidungstext

Berufungsentscheidung

Der Finanzstrafsenat Wien 2 als Organ des Unabhängigen Finanzsenates als Finanzstrafbehörde zweiter Instanz hat durch den Vorsitzenden HR Dr. Karl Kittinger, das sonstige hauptberufliche Mitglied HR Mag. Gerhard Groschedl sowie die Laienbeisitzer Mag. Dr. Jörg Krainhöfner und Mag. Ingrid Schopf als weitere Mitglieder des Senates in der Finanzstrafsache gegen Frau N.M., zuletzt Wien, wegen des Finanzvergehens der Abgabenhinterziehung gemäß § 33 Abs. 2 lit. a und b des Finanzstrafgesetzes (FinStrG) über die Berufung des Amtsbeauftragten des Finanzamtes Wien 8/16/17 als Finanzstrafbehörde erster Instanz, HR Dr. Hannes Jankovic, vom gegen das Erkenntnis des Spruchsenates beim Finanzamt Wien 1/23 als Organ des Finanzamtes Wien 8/16/17 als Finanzstrafbehörde erster Instanz vom , SpS I, nach der am in Abwesenheit der Beschuldigten, jedoch in Anwesenheit des Amtsbeauftragten HR Dr. Hannes Jankovic sowie der Schriftfüherin durchgeführten mündlichen Verhandlung

zu Recht erkannt:

I. Der Berufung wird Folge gegeben und die im Schuldspruch unverändert bleibende Entscheidung des Spruchsenates in ihrem Ausspruch über die Strafe dahingehend abgeändert, dass die gemäß § 33 Abs. 5 iVm. § 21 Abs. 1 und 2 FinStrG zu verhängende Geldstrafe auf

€ 20.000,00 (in Worten: zwanzigtausend Euro)

und die gemäß § 20 FinStrG für den Fall der Uneinbringlichkeit dieser Geldstrafe zu verhängende

Ersatzfreiheitsstrafe auf 50 Tage (fünfzig Tage)

erhöht werden.

II. Die Kosten des Finanzstrafverfahrens werden gemäß § 185 Abs. 1 FinStrG in unveränderter Höhe mit € 500,00 festgesetzt. Frau N.M. hat auch die Kosten des allfälligen Vollzuges zu ersetzen, die mit gesondertem Bescheid festgesetzt werden.

Entscheidungsgründe

Mit Erkenntnis des Spruchsenates beim Finanzamt Wien 1/23 als Organ des Finanzamtes Wien 8/16/17 als Finanzstrafbehörde erster Instanz vom , SpS I, wurde Frau N.M. (in weiterer Folge: Beschuldigte) für schuldig erkannt, im Bereich des Finanzamtes Wien 8/16/17 vorsätzlich

a) unter Verletzung der Verpflichtung zur Abgabe von dem § 21 Umsatzsteuergesetz 1994 entsprechenden Voranmeldungen eine Verkürzung der Umsatzsteuervorauszahlung für 11/2009 in Höhe von € 22.000,00 bewirkt zu haben, wobei sie den Eintritt der Verkürzung nicht nur für möglich, sondern für gewiss gehalten habe;

b) unter Verletzung der Verpflichtung zur Führung von dem § 76 EStG 1988 entsprechenden Lohnkonten Verkürzungen von selbst zu berechnenden Abgaben, nämlich Lohnsteuer für 1-12/2006 in Höhe von € 4.606,00, für 1-12/2007 in Höhe von € 4.560,00 und für 1-12/2008 in Höhe von € 4.518,00; Dienstgeberbeiträge zum Ausgleichsfonds für Familienbeihilfen für 1-12/2006 in Höhe von € 1.217,00, für DB 1-12/2007 in Höhe von € 1.033,00 und für DB 1-12/2006 in Höhe von € 1.101,00 bewirkt zu haben, wobei sie den Eintritt der Verkürzungen nicht nur für möglich, sondern für gewiss gehalten habe und hiedurch zu

a) das Finanzvergehen der Abgabenhinterziehung nach § 33 Abs. 2 lit. a FinStrG und b) das Finanzvergehen der Abgabenhinterziehung nach dem § 33 Abs. 2 lit. b FinStrG begangen zu haben und wurde hiefür nach §§ 33 Abs. 5, 21 Abs. 1 und 2 FinStrG unter Bedachtnahme auf die Bestimmungen des § 23 Abs. 3 FinStrG mit einer Geldstrafe in Höhe von € 16.000,00 bestraft.

Gemäß § 20 Abs. 1 FinStrG wurde für den Fall der Uneinbringlichkeit der Geldstrafe eine Ersatzfreiheitsstrafe in der Dauer von 40 Tagen festgesetzt.

Gemäß § 185 FinStrG habe die Beschuldigte die Kosten des Strafverfahrens in der Höhe von € 500,00 und des allfälligen Vollzuges zu ersetzen.

Als Begründung wurde ausgeführt, dass die gegenwärtigen Einkommensverhältnisse und allenfalls bestehende Sorgepflichten der finanzstrafrechtlich bisher nicht in Erscheinung getretenen Beschuldigten nicht vorliegen würden. Nach Angabe des ZMR sei die Beschuldigte seit wieder abgemeldet.

Die Ladung zur mündlichen Verhandlung vor dem Spruchsenat sei der Beschuldigten an ihrer letztbekannten Anschrift gemäß § 8 ZustG durch Hinterlegung zugestellt worden. Es habe daher, zumal sie von der Einleitung des Finanzstrafverfahrens nachweislich in Kenntnis gewesen sei, gemäß § 126 FinStrG verfahren werden können.

Auf Grund des durchgeführten Beweisverfahrens, insbesondere Einsichtnahme in die Veranlagungsakten und Verlesung des Strafaktes stehe nachstehender Sachverhalt fest:

Von der Beschuldigten sei bis November 2009 ein Gastronomieunternehmen betrieben worden. Mit Rechnung vom sei das Unternehmen um einen Nettobetrag von € 110.000,00 veräußert worden, ohne der Abgabenbehörde gegenüber dies offenzulegen und die darauf entfallende Umsatzsteuer zu entrichten.

Weiters sei im Zuge einer Prüfung der lohnabhängigen Abgaben die inhaltliche Unrichtigkeit der Lohnkonten festgestellt worden.

So sei ein Vollzeitbeschäftigter und entsprechend entlohnter Dienstnehmer als Teilzeitkraft in der Lohnverrechnung erfasst, für aushilfsweise Beschäftigte keine Lohnkonten geführt und Sachbezüge nicht erfasst worden.

Im eingeleiteten Finanzstrafverfahren habe die Beschuldigte von der ihr im Zuge des Untersuchungsverfahrens gebotenen Möglichkeit zur Rechtfertigung keinen Gebrauch gemacht.

Das Verhalten der Beschuldigten erfülle die vom Gesetz vorgegebenen Tatbilder in objektiver und subjektiver Hinsicht, da davon auszugehen sei, dass der Beschuldigten als realitätsbezogener im Wirtschaftsleben stehender Person die sie treffenden abgabenrechtlichen Verpflichtungen, ebenso wie die Konsequenz pflichtwidrigen Verhaltens, nämlich das Bewirken von Abgabenverkürzungen bekannt gewesen seien.

Es sei daher mit einem Schuldspruch vorzugehen gewesen.

Bei der Strafbemessung sei mildernd: die bisherige Unbescholtenheit, erschwerend: das Zusammentreffen zweier Finanzvergehen.

Bei Bedachtnahme auf diese Strafzumessungsgründe und die Täterpersönlichkeit sei die ausgesprochene Geld- und Ersatzfreiheitsstrafe schuld- und tatangemessen.

Die Entscheidung über die Kosten beruhe zwingend auf der angezogenen Gesetzesstelle.

Gegen dieses Erkenntnis wurde vom Amtsbeauftragten fristgerecht mit Eingabe vom Berufung wegen des Ausspruches über die Strafe eingebracht und dargestellt, dass der strafbestimmende Wertbetrag insgesamt ca. € 39.000,00 und davon abgeleitet die gesetzliche Höchststrafe gemäß § 33 Abs. 5 FinStrG ca. € 78.000,00 betrage, die Mindeststrafe gemäß § 23 Abs. 4 FinStrG ca. € 7.800,00 betrage.

Die verhängte Geldstrafe belaufe sich somit auf ca. 20 % der Höchststrafe bzw. 40 % der bewirkten Verkürzungen und überschreite die Mindeststrafe um lediglich ca. 10 % (vom Höchstmaß aus gerechnet).

Bei der Strafbemessung sei als mildernd die bisherige Unbescholtenheit, als erschwerend hingegen das Zusammentreffen zweier Finanzvergehen gewertet worden.

Zu Unrecht nicht berücksichtigt sei jedoch der Umstand, dass hinsichtlich des Faktums der Hinterziehung von Lohnabgaben ein doch sehr langer Tatzeitraum bzw. mehrfache Tatwiederholung vorliege.

Grundsätzlich lasse die bekämpfte Entscheidung auch nicht erkennen, wie diese Strafzumessungsgründe gewichtet wurden, um zu einer derart milden Strafe zu kommen.

Die Entscheidung des Spruchsenates sei dahingehend für das Finanzamt nicht nachvollziehbar.

Ergänzend dazu werde ausgeführt:

Die hinterzogenen Abgaben haften zur Gänze unbeglichen aus und seien zwischenzeitig vom ho. Finanzamt wegen Uneinbringlichkeit der Forderung gemäß § 231 BAO ausgesetzt worden.

Über das Vermögen der Beschuldigten sei mit Beschluss des Gerichtes vom der Konkurs eröffnet und am mangels Kostendeckung aufgehoben worden.

In Anbetracht des Umstandes, dass die verkürzten Abgaben wohl auf Dauer uneinbringlich seien, habe die Beschuldigte somit unter Abzug der vom Spruchsenat verhängten Strafe einen Gewinn in Höhe von 60 % der hinterzogenen Beträge lukriert.

Zur Entscheidung wurde erwogen:

Gegenstand des Berufungsverfahrens ist allein die Frage der Strafbemessung, da der Beschuldigten nur den Ausspruch über die Strafe bekämpft, indem er ein niedrigeres Strafausmaß beantragt. Hinsichtlich der Frage der Strafbarkeit ist somit Teilrechtskraft eingetreten (vgl. beispielsweise ). Erwächst nämlich der Schuldspruch der Finanzstrafbehörde erster Instanz mangels Bekämpfung in (Teil-) Rechtskraft, so ist er nicht mehr Gegenstand des Rechtsmittelverfahrens; die Rechtsmittelbehörde ist vielmehr an diesen Schuldspruch gebunden ().

Gemäß § 23 Abs. 1 FinStrG ist Grundlage für die Strafbemessung die Schuld des Täters.

§ 23 Abs. 2 FinStrG : Bei der Bemessung der Strafe sind die Erschwerungs- und die Milderungsgründe, soweit sie nicht schon die Strafdrohung bestimmen, gegeneinander abzuwägen. Im Übrigen gelten die §§ 32 bis 35 StGB sinngemäß.

§ 23 Abs. 3 FinStrG : Bei der Bemessung der Geldstrafe sind auch die persönlichen Verhältnisse und die wirtschaftliche Leistungsfähigkeit des Täters zu berücksichtigen.

§ 23 Abs. 4 FinStrG : Bei Finanzvergehen, deren Strafdrohung sich nach einem Wertbetrag richtet, ist die Bemessung der Geldstrafe mit einem ein Zehntel des Höchstausmaßes der angedrohten Geldstrafe unterschreitenden Betrag nur zulässig, wenn besondere Gründe vorliegen.

Gemäß § 33 Abs. 5 FinStrG wird die Abgabenhinterziehung mit einer Geldstrafe bis zum Zweifachen des Verkürzungsbetrages (der ungerechtfertigten Abgabengutschriften) geahndet. Neben der Geldstrafe ist nach Maßgabe des § 15 Abs. 3 FinStrG auf Freiheitsstrafe bis zu drei Monaten zu erkennen.

Hat der Täter wie im gegenständlichen Fall durch mehrere selbständige Taten mehrere Finanzvergehen derselben und auch verschiedener Art begangen, ist gemäß § 21 Abs. 1 und Abs. 2 FinStrG dabei auf eine einzige Geldstrafe zu erkennen, wobei die Summe der sich aus den strafbestimmenden Wertbeträgen ergebenden Strafdrohungen maßgeblich ist.

Zunächst ist festzustellen, dass nach Ansicht des Berufungssenates der vom Spruchsenat bei der Strafbemessung zugrunde gelegte Erschwerungsgrund des Zusammentreffens zweier Finanzvergehen zu Unrecht bei der Strafbemessung als erschwerend berücksichtigt wurde, weil sich nach der Bestimmung des § 21 Abs. 1 und 2 FinStrG die Höhe der einheitlichen Strafdrohung aus dem Zusammenrechnen der Verkürzungsbeträge laut Spruchpunkten a) und b) des angefochtenen Erkenntnisses ergibt und daher die Berücksichtigung dieses Erschwerungsgrundes eine Doppelberücksichtigung strafverschärfender Umstände und damit einen Verstoß gegen dasDoppelverwertungsverbot darstellen würde, sodass diese Tatsache nicht als Erschwerungsgrund zu werten ist.

Nach Ansicht des Berufungssenates ist jedoch - hier wird der Berufung gefolgt - der erstinstanzlich unberücksichtigt gebliebene Erschwerungsgrund der mehrmals aufeinander folgenden Tatentschlüsse (Tatwiederholung) über einen Zeitraum von drei Jahren der Bestrafung zugrunde zu legen.

Die Beschuldigte hat sich am Finanzstrafverfahren nicht beteiligt und damit auf ihr Recht auf Parteiengehör und auch auf die Möglichkeit, allfällige Milderungsgründe für die Strafbemessung vorzubringen, verzichtet.

Zum Berufungseinwand, die bekämpfte Entscheidung lasse nicht erkennen, wie diese Strafzumessungsgründe gewichtet wurden, um zu einer derart milden Strafe zu kommen, weshalb die Entscheidung des Spruchsenates dahingehend für das Finanzamt nicht nachvollziehbar wäre, ist festzuhalten, dass der Gesetzgeber ganz bewusst die Strafbemessung als Ermessensentscheidung normiert hat, da sich die zu beurteilenden Straftaten in der einen oder anderen Weise voneinander unterscheiden. Allein aus der Rechtsprechung der Höchstgerichte sind beispielsweise Aussagen ableitbar, wonach es sich bei einem Geständnis um einen wesentlichen Milderungsgrund handelt

Der Judikatur des Europäischen Gerichtshofes für Menschenrechte ist zu entnehmen, dass eine unverhältnismäßig lange Verfahrensdauer bei der Strafbemessung als Milderungsgrund Berücksichtigung finden muss (auch ). Kommt die Finanzstrafbehörde (oder das Gericht) dieser Forderung nicht nach, würde der Staat bei dessen Nichtberücksichtigung zu einer Schadenersatzleitung verurteilt werden.

Bei sämtlichen dieser Entscheidungen werden weder Parameter vorgegeben geschweige denn Prozentsätze festgelegt, die bei Vorliegen des entsprechenden Milderungsgrundes oder allenfalls bei entsprechend schlechten finanziellen Verhältnissen (die noch dazu von Täter zu Täter äußerst unterschiedlich sein können) einen entsprechend quantifizierten Abschlag der festzusetzenden Geldstrafe bewirken würden. Derartige Überlegungen scheitern im Übrigen schon an der gesicherten Ausgangsbasis der Zu- und/oder Abschläge für die jeweils zu berücksichtigenden Milderungs- und Erschwerungsgründe.

Das Gesetz bietet für eine starre Strafbemessung in Prozenten keinen Anhaltspunkt (). Hätte der Gesetzgeber ein derart kasuistisches System der Strafbemessung gewählt, wäre vernünftigerweise in den Bestimmungen über die Bemessung der Geldstrafe eine taxative Aufzählung der mit dem jeweiligen Milderungs- und Erschwerungsgrund einhergehenden prozentuellen Berücksichtigung normiert. Da dies jedoch nicht der Fall ist, bleibt die Ermessensentscheidung dem erkennenden Organ vorbehalten.

Ein guter Ansatz für die Strafbemessung ist der vom Amtsbeauftragten erwähnte, aus den finanzstrafrechtlichen Malversationen lukrierte Zinsgewinn (nicht unbedingt der Gewinn) oder gar die Ersparnis gegenüber einem Abgabepflichtigen, der sich an die Abgabengesetze gehalten hat. Im Rahmen der Strafbemessung wird regelmäßig geprüft, ob es zu einer Schadensgutmachung gekommen ist bzw. in welchem Ausmaß die hinterzogenen Abgaben zwischenzeitig entrichtet wurden.

Allerdings ist eine Beurteilung des endgültigen Zinsgewinns bzw. der Ersparnis im Zeitpunkt der Entscheidung oft noch gar nicht möglich, da die Beurteilung einer "Gewinnabschöpfung" als Folge eines Haftungsbescheides gemäß § 11 BAO erst nach der rechtskräftigen Strafentscheidung möglich wird.

Einerseits steht der Umstand, dass ein Täter kein Vermögen und nur geringes Einkommen hat, einer Bestrafung nicht entgegen. Der Täter kann sich nicht durch das Einstellen der Erwerbstätigkeit einer Bestrafung entziehen. Andererseits ist nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes der durch die Tat lukrierte Zinsgewinn als äußerste Untergrenze der Geldstrafe anzusehen, bei deren Unterschreitung eine Geldstrafe ihren Zweck verfehlen würde ().

Stellt man die Geldstrafe von ca. 40 % der bewirkten Verkürzungen dem möglichen Zinsgewinn (bei einem Gesamtbetrag von ca. € 39.000,00, davon ca. 10% Konto-Überziehungszinsen pro Jahr, ergibt im vorliegenden Fall abgestuft nach den verkürzten Abgaben ca. € 7.000,00 an Zinsersparnis bis zur Entscheidung des Spruchsenates, wobei sich bei möglicher Finanzierung über einen Bankkredit der Zinsgewinn bzw. die Zinsersparnis durch niedrigere Zinssätze noch verringern würde) als Untergrenze gegenüber, so ist die Geldstrafe doch wesentlich höher als die vom Verwaltungsgerichtshof vorgegebene Untergrenze des Zinsgewinnes. Somit ist daraus für die Berufung nichts zu gewinnen.

Dem angefochtenen Erkenntnis sind keine Feststellungen zu der gemäß § 23 Abs. 3 FinStrG zu berücksichtigenden wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit der Beschuldigten zu entnehmen, weshalb der entsprechende Hinweis im Spruch des angefochtenen Erkenntnisses ("unter Bedachtnahme auf § 23 Abs. 3 FinStrG") nicht nachvollziehbar erscheint, wurde doch lediglich ausgeführt, dass Erkenntnisse über die gegenwärtigen Einkommensverhältnisse und allenfalls bestehende Sorgepflichten der Beschuldigten nicht vorlägen.

Jedenfalls war die Eröffnung des Konkursverfahrens gegen die Beschuldigte laut Akt bereits vor der erstinstanzlichen Entscheidung bekannt, sodass die wirtschaftliche Situation als aktenkundig schlecht zu bezeichnen ist. Aus dem Abgabenkonto ist ersichtlich, dass insgesamt ein Betrag von € 147.839,91 an Abgaben von der Einbringung ausgesetzt ist.

Im vorliegenden Fall hat sich die Beschuldigte jedoch ins Ausland abgesetzt. Zwar liegen Erkenntnisse, ob die lukrierten Gewinne oder Einsparungen aus den Verkürzungshandlungen ebenfalls ins Ausland verschoben wurden, nicht vor, doch ist eine Haftungsinanspruchnahme der Beschuldigten mangels geeigneter Zustelladresse im Inland kaum zielführend, weshalb wohl von einem endgültigen Abgabenausfall auszugehen ist.

Die Beschuldigte hat durch laufende Abgabenhinterziehungen von Lohnabgaben über eine Zeitraum von drei Jahren (Anmerkung: bei richtiger Einschätzung wohl gewerbsmäßig) laufend einen persönlichen Gewinn erzielt, der sich durch die Nichtentrichtung der angeschuldeten Umsatzsteuer zudem erhöht hat. Mit dem Wegzug ins (Nicht EU-)Ausland ist dieser Verlust für den Staat ein endgültiger, da eine Vollstreckung weder der Abgaben noch der Geldstrafe für Österreich in diesem Staat möglich ist. Wenn jedoch der Tatplan gerade darauf gerichtet ist, über (hier: drei) Jahre Abgaben zu verkürzen, sobald die Abgaben nachgefordert werden, in Konkurs zu gehen, das Konkursverfahren mangels Kostendeckung beendet wird, sodass die Gläubiger (inklusive Abgabengläubiger) nicht einmal eine Konkursquote erhalten, ist aus generalpräventiven Gründen [bei ähnlich gelagerten Fällen (Tatplan auf endgültige Abgabenverkürzung gerichtet, Geld wird aus dem Unternehmen abgezogen, im Insolvenzverfahren wird keine Konkursquote festgelegt, es erfolgt keine Schadensgutmachung) eine gegenüber Beschuldigten, die für allfällige Haftungsmaßnahmen im Inland zur Verfügung stehen] eine Erhöhung der Geldstrafe auf das aus dem Spruch ersichtliche Ausmaß durchaus geboten, wobei Milderungsgründe nicht aktenkundig sind.

Gemäß § 38 Abs. 1 FinStrG ist mit Geldstrafe bis zum Dreifachen des Betrages, nach dem sich sonst die Strafdrohung richtet, zu bestrafen, wer, ohne den Tatbestand des § 38a oder des § 39 zu erfüllen, einen Schmuggel, eine Abgabenhinterziehung oder eine Hinterziehung von Eingangs- oder Ausgangsabgaben oder eine Abgabenhehlerei nach § 37Abs. 1 begeht, wobei es ihm darauf ankommt, sich durch die wiederkehrende Begehung eine fortlaufende Einnahme zu verschaffen (gewerbsmäßige Begehung). Daneben ist nach Maßgabe des § 15 auf Freiheitsstrafe bis zu drei Jahren, bei einem strafbestimmenden Wertbetrag von mehr als 500 000 Euro auf Freiheitsstrafe bis zu fünf Jahren zu erkennen. Außerdem sind die Bestimmungen der §§ 33, 35 und 37 über den Verfall anzuwenden; der Verfall umfasst auch die Beförderungsmittel im Sinne des § 17 Abs. 2 lit. c Z 3.

Wäre die finanzstrafrechtliche Handlungsweise der Beschuldigten als gewerbsmäßige Abgabenhinterziehung von Lohnabgaben angeschuldet worden, wäre jedenfalls eine Geldstrafe von mehr als € 20.000,00 festzusetzen gewesen. Da eine gewerbsmäßige Abgabenhinterziehung bisher nicht Gegenstand des Verfahrens war, ist es der Berufungsbehörde nicht erlaubt, in der Berufungsentscheidung eine andere Sache ihrer Entscheidung zugrunde zu legen, als dies bisher im Finanzstrafverfahren erfolgt ist, sodass in der Berufungsentscheidung keine Ausweitung des Strafrahmens auf das Dreifache des strafbestimmenden Wertbetrages durchgeführt werden konnte.

Aufgrund des oben dargestellten Tatplanes ist zudem von einem schweren Verschulden auszugehen, wobei aus generalpräventiven Gründen eine strenge Bestrafung geboten ist, um andere Täter in vergleichbaren Situationen zukünftig von weiteren Verfehlungen abzuhalten.

Auch die gemäß § 20 Abs. 1 FinStrG für den Fall der Uneinbringlichkeit an deren Stelle tretende Ersatzfreiheitsstrafe war unter Berücksichtigung der oben dargestellten Gründe und dem festgestellten Verschulden der Bw. entsprechend anzupassen.

Es war daher spruchgemäß zu entscheiden.

Wien, am

Zusatzinformationen


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Materie
Finanzstrafrecht Verfahrensrecht
betroffene Normen
Schlagworte
Strafbemessung
Doppelverwertungsverbot
Gewichtung der Milderungsgründe
Zinsgewinn
Ermessen
Untergrenze
Verweise

Datenquelle: Findok — https://findok.bmf.gv.at