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Berufungsentscheidung - Steuer (Senat), UFSW vom 17.04.2012, RV/0045-W/05

Ist im Verzicht auf einen verjährten Urlaubsanspruch eine Verfügung über diesen Anspruch zu sehen, die einen lohnsteuerpflichtigen Bezug bewirkt?

Entscheidungstext

Berufungsentscheidung

Der Unabhängige Finanzsenat hat durch die Vorsitzende HR Mag. Dr. Hedwig Bavenek-Weber und die weiteren Mitglieder ADir. Reg.Rat Magdalena Edler, Dr. Robert Zsifkovits und KR Annemarie Mölzer über die Berufung der XY., Adresse, vertreten durch Gruber Wirtschaftstreuhand GmbH, 3393 Zelking/Melk, Gassen 2, vom gegen den Bescheid des Finanzamtes Amstetten vom betreffend Haftung zur Einbehaltung und Abfuhr der Lohnsteuer, Vorschreibung des Dienstgeberbeitrages zum Ausgleichsfonds für Familienbeihilfen und des Zuschlages zum Dienstgeberbeitrag für den Zeitraum bis  nach der am in 1030 Wien, Vordere Zollamtsstraße 7, stattgefundenen mündlichen Berufungsverhandlung entschieden:

Der Berufung wird Folge gegeben.

Die Abgaben für das Kalenderjahr 1999 werden wie folgt festgesetzt:

Lohnsteuernachforderung: bisher: € 13.690,33, neu: € 0,00 (Null)

Dienstgeberbeitrag zum Ausgleichsfonds für Familienbeihilfe:

Bemessungsgrundlage: € 904.761,71 davon 4,5% € 40.714,27

Zuschlag zum Dienstgeberbeitrag:

Bemessungsgrundlage: € 904.761,71 davon 0,53% € 4.795,23

Die Bescheide für die Kalenderjahre 2000 und 2001 bleiben unverändert.

Entscheidungsgründe

Bei der Berufungswerberin (in Folge: Bw.) fand für den oben angeführten Zeitraum eine Lohnsteuerprüfung statt. Im Arbeitsbogen befindet sich ein Schreiben mit dem Betreff Verzichtserklärung vom Dezember 1999 aus dem hervorgeht, dass auf Grund eines Geschäftsführerbeschlusses entschieden worden sei, die nicht konsumierten Urlaube aus Vorperioden von A und B auf ein Achtel zu reduzieren. Demnach habe A auf 479 und B auf 992,5 Urlaubsstunden verzichtet. In einem Aktenvermerk hat die Prüferin festgehalten, dass der gesamte Urlaubsanspruch aus den Jahren 1987 und folgende entstanden sei. Bilanzmäßig sei der Urlaubsanspruch vorerst rückgestellt und mit Abgabe der Verzichtserklärung sei die Rückstellung gewinnerhöhend aufgelöst worden. Die Prüferin hat, gestützt auf einen Artikel des Bundesministeriums für Finanzen die Auffassung vertreten, dass das Entstehen einer klagbaren Forderung eines Einkünfte aus nichtselbstständiger Arbeit beziehenden Gesellschafter Geschäftsführers auf Abgeltung eines verjährten Urlaubsanspruches und der darauf folgende Verzicht gegenüber der Gesellschaft zunächst als Verfügung über diesen Anspruch zu sehen sei und die Verfügung einen lohnsteuerpflichtigen Bezug bewirke. Die Stundenanzahl des Urlaubsverzichts wurde von der Prüferin für A und B in Geld umgerechnet. Die ermittelten Beträge wurden als Sonderzahlung per Dezember 1999 nachversteuert und die lohnabhängigen Abgaben (Lohnsteuer, Dienstgeberbeitrag, Zuschlag zum Dienstgeberbeitrag) berechnet.

Das Finanzamt hat sich den Prüfungsfeststellungen angeschlossen und der Bw. mit Haftungs-und Abgabenbescheiden die Nachforderungsbeträge zur Zahlung vorgeschrieben.

Vom steuerlichen Vertreter der Bw. wurde gegen die Bescheide Berufung erhoben. In der Begründung wurde im Wesentlichen ausgeführt, dass A und B Geschäftsführer der Bw. und zu je 24,9% an der Bw. beteiligt seien. Sie seien Dienstnehmer im Angestelltenverhältnis. Von beiden Geschäftsführern sei Urlaub aus Vorjahren nicht konsumiert worden. Da dieser Urlaubsanspruch älter als zwei Jahre gewesen sei, sei der Anspruch im Dezember 1999 auf Grund § 4 Abs. 5 Urlaubsgesetz bereits verjährt. Die Gesellschafter hätten auf die Geltendmachung des verjährten Urlaubs verzichtet. Verjährte Urlaubsansprüche seien arbeitsrechtlich nicht einklagbar und daher sei keine klagbare Forderung entstanden. Sei keine klagbare Forderung seitens der Geschäftsführer entstanden, so könne keine Verfügung über den Anspruch unterstellt werden. Es bestand seitens der Bw. nie die Absicht verjährte Urlaubsansprüche an die Geschäftsführer auszubezahlen. Es sei nie ein gesondertes Entgelt für eine allfällige Abgeltung der verjährten Urlaubsansprüche vereinbart worden. Es gäbe keine Vereinbarung zwischen der Bw. und den Geschäftsführern, dass 1999 noch ein konsumierbarer Urlaubsanspruch aus den Jahren 1987 ff weiterbestehen würde. Die Geschäftsführer hätten ihren Urlaubsanspruch vor der Verjährung nie schriftlich eingefordert. Eine schriftliche Einforderung sei aus arbeitsrechtlicher Sicht Voraussetzung, um einen klagbaren Anspruch gegen die Gesellschaft zu erwirken. Ein durchsetzbarer Anspruch auf Auszahlung eines bereits rechtswirksam verjährten Urlaubs setze eine gesonderte schriftliche Vereinbarung zwischen Bw. und Geschäftsführern voraus, in der der Anspruch anerkannt werde. Eine solche Vereinbarung liege nicht vor. Auf Grund des im Einkommensteuerrecht verankerten Zuflußprinzipes könne für nicht zugeflossenes Entgelt grundsätzlich keine Lohnsteuerpflicht entstehen.

Die Berufung wurde der Prüferin zur Stellungnahme übermittelt. In der Stellungnahme wurde von der Prüferin ua. ausgeführt, dass bei beiden nichtselbständig tätigen Geschäftsführern im Laufe von einigen Jahren eine erhebliche Anzahl von nicht konsumierten Urlaubsstunden entstanden sei. Auf Grund eines Geschäftsführerbeschlusses sei entschieden worden, die nicht konsumierten Urlaube aus Vorperioden zu reduzieren. Die Geschäftsführer hätten darüber eine Verzichtserklärung abgegeben. Verzichte der Gesellschafter unwiderruflich auf einen Teil seines Urlaubsanspruches- bei einem aufrechten Dienstverhältnis handle es sich dabei um eine Urlaubsablöse- so verzichte er letztlich auf einen geldwerten Anspruch. In dem Verzicht sei eine Vereinbarung einer Ablösezahlung zu sehen, welche Lohnsteuerpflicht auslöse.

Die Stellungnahme der Prüferin wurde der Bw. zur Gegenäußerung übermittelt. Im vom steuerlichen Vertreter der Bw. verfassten Antwortschreiben wurde noch ausgeführt, dass die Vortragung von nicht verbrauchten, arbeitsrechtlich bereits verjährten Urlaubs bei der Bw. nicht übliche Betriebsübung gewesen sei. Zu Verjährung von Urlaubsansprüchen komme es erfahrungsgemäß häufig bei leitenden Angestellten. Bei den Geschäftsführern der Bw. handle es sich um die leitenden Angestellten des Unternehmens. Da die Geschäftsführer der Bw. die einzigen leitenden Angestellten seien, könne aus der Behandlung der übrigen Mitarbeiter nicht geschlossen werden, was für die leitenden Angestellten der Bw. üblich sei.

In der Verzichtserklärung sei an keiner Stelle erwähnt, dass die Bw. eine eventuelle Forderung auf Konsumierung der Alturlaube anerkenne. Es werde lediglich festgestellt, dass die beiden Geschäftsführer Urlaube aus Vorperioden nicht konsumiert haben. Daraus könne aus rechtlicher Sicht keine Anerkennung einer klagbaren Forderung abgeleitet werden. Damit eine solche Anerkennung rechtswirksam wäre, müsste sie ausdrücklich mit der Bw. vereinbart worden sein. Bestehe keine klagbare Forderung, so könne auch kein Zufluss an die Geschäftsführer unterstellt werden. Die Verzichtserklärung sei einer Klarstellung gleichzuhalten, dass Urlaubsansprüche aus Vorperioden bereits arbeitsrechtlich verjährt seien und daher nicht mehr beansprucht werden können.

Das Finanzamt hat die Berufung ohne Erlassung einer Berufungsvorentscheidung dem Unabhängigen Finanzsenat zur Entscheidung vorgelegt.

Zwecks Klärung des Sachverhaltes wurden von der Referentin mit Schreiben vom die Dienstverträge bzw. Geschäftsführerverträge und allenfalls Ergänzungen zu den Verträgen von A und B sowie den Umlaufbeschluss für die Urlaubsreduzierung abverlangt. Im Antwortschreiben hat der steuerliche Vertreter bekannt gegeben, dass, da B bereits aus der Firma ausgeschieden sei, der Dienstvertrag aus dem Jahr 1987 leider nicht mehr auffindbar sei. Dienstverträge von A und C wurden vorgelegt. Im Schreiben wurde noch angeführt, dass der Vergleich der vorhandenen Dienstverträge zeige, dass die Verträge inhaltlich gleich aufgebaut seien. Lediglich der Punkt Aufgabenbereich sei je nach vereinbarter Zuständigkeit des jeweiligen Geschäftsführers geregelt. Eine Kopie der Verzichtserklärung wurde übermittelt. Diese Unterlagen wurden dem Finanzamt zur Kenntnis gebracht. Vom Finanzamt wurde mit e- Mail mitgeteilt, dass aus den Bilanzen ersichtlich sei, dass Verrechnungskonten für die Geschäftsführer existieren. Ob bzw. inwieweit eine Verbuchung des Urlaubsverzichts auf den Verrechnungskonten erfolgte und eventuell ein Zufluss zu unterstellen wäre, sei aus dem Akt leider nicht ersichtlich.

Mit Schreiben vom wurde die Bw. ersucht die Urlaubskartei und die Verrechnungskonten der Jahre 1999 und 2000 für A, B und C nachzureichen. Außerdem wurde gebeten den Geschäftsführerbeschluss bzw. den Umlaufbeschluss für die Urlaubsreduzierung zu übermitteln. Die Urlaubskartei und die Verrechnungskonten wurden vom steuerlichen Vertreter vorgelegt. Zum Geschäftsführerbeschluss wurde bekannt gegeben, dass dieser nicht mehr auffindbar sei. Allerdings enthalte die Verzichtserklärung alle Angaben zum Sachverhalt. Die vorgelegten Unterlagen wurden der Amtspartei zwecks Wahrung des Parteiengehörs übermittelt.

In der mündlichen Berufungsverhandlung am wurde niederschriftlich noch folgendes vorgebracht:

Über Frage der Referentin zu Karteiblatt Nichtleistungen Dezember 2000 teilt A für die Bw. mit: Die Stunden betreffend Urlaub errechnen sich 38,5 mal 5 Wochen. Meine Arbeitszeit ist so, dass ich Montag bis Donnerstag länger arbeite und am Freitag nur 6 ½ Stunden. Wir haben für die Firma eine Reorganisation machen müssen, die nicht nur aus dem Verzicht aus dem Urlaubsanspruch bestanden hat. Wir haben uns "neu aufstellen" müssen. B habe sich "selbst wegrationalisiert" und sei danach zu einer anderen Firma gegangen. Seit 1875 fertigen die Bw. Handwerkzeuge.

Die Referentin fragt das Finanzamt, ob es noch andere Unterlagen habe.

Amtspartei: Wir haben alle Unterlagen vorgelegt. Hinsichtlich unserer Rechtsmeinung darf auf die Mitteilung vom Ministerium verwiesen werden. Daran seien wir gebunden.

Parteienvertreter: Ich verweise auf unser Vorbringen vom . Ich möchte dazu noch ergänzend ausführen, dass es in der Zwischenzeit eine OGH - Entscheidung vom , 8 Ob s 5/05a gegeben habe, in der ein ganz ähnlicher, wenn nicht deckungsgleicher Sachverhalt, vorgelegen sei. In dieser Entscheidung sei ein verjährter Urlaubsanspruch nicht als besteuerungswürdig erkannt worden. Gemäß § 7 Urlaubsgesetz sei eine Urlaubsablöse bei aufrechtem Dienstverhältnis nichtig. Bei den Lohnabgaben zähle das Zuflussprinzip und nicht das Anspruchsprinzip. Nach der OGH-Entscheidung vom , 8 0b s 14/95 sei die Verjährung gemäß 1502 ABGB eingewendet worden. Durch das formelle Schreiben vom Dezember 1999, worin die beiden Herren erklärt haben, dass sie auf den Urlaub verzichtet haben, das sei nur ein informelles Schreiben an die Bank gewesen, daraus sei kein Urlaubsanspruch abzuleiten. Auch die Stundenvermerke auf der Urlaubskartei hätten nur informellen Charakter und begründen keinen gesetzlichen Anspruch.

Amtspartei: Wir sind der Ansicht, wenn wir ein Papier bei einer Lohnsteuerprüfung finden, wo darauf steht, dass die Gesellschaftergeschäftsführer auf die Urlaubsablöse verzichten, sei das nicht nur ein informelles Schreiben. Mit dem Verzicht auf die Urlaubsablöse sei eine Verfügung über die Forderung getroffen worden, womit ein Zufluss gegeben sei. Was die OGH-Entscheidungen betreffe, vermische sich vermutlich Arbeitsrecht mit Steuerrecht.

Parteienvertreter: In der Bescheidbegründung werde auf eine Rechtsmeinung des hingewiesen. Diese Rechtsansichten fände keine Deckung in den bestehenden Abgabengesetzen. Durch den Urlaubsverzicht entstünde keine klagbare Forderung und es sei auch kein Entgelt zugeflossen. "In der Folge komme es zu einer Einlage, die nach Rz 2599 EStRL 2000 zu beurteilen sei. Bei dem Verzicht eines Gesellschaftergeschäftsführers komme es diesbezüglich zu keinen steuerrechtlichen Auswirkungen, - zu § 6 Z 14 und 27 EStG" . Ich möchte darauf verweisen, dass dort steht, es komme zu keinen einkommensteuerrechtlichen Auswirkungen.

Amtspartei: Auf diese Rechtsmeinung des BMF stützen wir uns auch, allerdings auf die Passage hinsichtlich Verzicht und damit verbundenem lohnsteuerpflichtigem Bezug.

Amtspartei: Das Finanzamt beantragt die Abweisung der Berufung.

Parteienvertreter: Wir beantragen die Stattgabe der Berufung.

Über die Berufung wurde erwogen:

Auf Grund der vorliegenden Unterlagen wird folgender Sachverhalt als erwiesen angenommen und der Entscheidung zu Grunde gelegt:

Unternehmensgegenstand der Bw. ist die Bearbeitung von Metallen und die Fertigung von Handwerkzeugen. Im Kalenderjahr 1999 wurden von der Bw. für 44 Dienstnehmer Lohnzettel übermittelt. Laut einer Abfrage im Abgabeninformationssystem des Bundes (Lohnzetteldaten /Arbeitgeber) hat die Bw. auch Lohnzettel für A und B übermittelt. Aus einer eingeholten Firmenbuchabfrage geht hervor, dass im Prüfungszeitraum A, B und C Geschäftsführer der Bw. und an der Bw. als Gesellschafter zu je 24,9% beteiligt waren. Laut vorliegenden Dienstverträgen sind die Geschäftsführer im Gesellschaftsvertrag vom zum Geschäftsführer bestellt worden. Die Geschäftsführer sind Dienstnehmer der Bw. und beziehen Einkünfte aus nichtselbständiger Arbeit. Die Dienstverträge enthalten mehrere Punkte. Unter 4. 3 ist Entgelt angeführt. Demnach erhält der Geschäftsführer vierzehnmal jährlich einen Monatsbezug. Der Urlaubszuschuss (dreizehnter Gehalt) wird jeweils am 30. 6 ausbezahlt. Unter Punkt 4. 1 des Dienstvertrages ist angeführt, dass dem Geschäftsführer jährlich 30 Werktage als Naturalurlaub zustehen. Weiters ist unter Punkt 11 (Sonstiges) geregelt, dass in allen nicht erwähnten Punkten die einschlägigen Bestimmungen des Gesetzes über Gesellschaften mit beschränkter Haftung und über das Angestelltengesetz in der jeweils geltenden Fassung gelten. Nebenabreden bedürfen der Schriftform für ihre Gültigkeit. Während des Prüfungszeitraumes sind die angesprochenen Personen in einem aufrechten Dienstverhältnis zur Bw. gestanden. Betreffend nicht konsumierte Urlaube der Dienstnehmer A und B liegt folgendes Schreiben mit Betreff Verzichtserklärung auf:

Aufgrund eines Geschäftsführerbeschlusses wurde entschieden, dass die nicht konsumierten Urlaube aus Vorperioden auf 1/8 (ein Achtel) reduziert wurden. Dies bedeutet für Herrn B ein Verzicht von 992,5h und für Herrn A ein Verzicht von 479h. Bei Herrn C konnte kein Urlaub abgezogen werden, da dieser während des Jahres aufgebraucht wurde.

Das Schreiben enthält die Unterschriften von A und B und als Datum ist Dezember 1999 angeführt. Nach dem Vorbringen in der mündlichen Berufungsverhandlung musste während des Prüfungszeitraumes eine Reorganisation der Bw. vorgenommen werden. Das Schreiben über den Urlaubsverzicht sei ein informelles Schreiben an die Bank gewesen.

Die Verrechnungskonten der Kalenderjahre 1999 und 2000 sowie die Karteiblätter Nichtleistungen vom Dezember 2000 für A und B sind im Zuge des Verfahrens übermittelt worden.

Andere schriftliche Vereinbarungen über den Verbrauch von Resturlauben oder die Zusage von Zahlungen für nicht verbrauchte Urlaube sind laut den Berufungsausführungen nicht getroffen worden. Diesbezügliche Unterlagen oder Belege sind auch im Lohnsteuerprüfungsakt nicht enthalten.

Strittig ist im vorliegenden Fall wie die abgegebene Verzichtserklärung aus steuerlicher Sicht zu beurteilen ist.

Nach Auffassung des Finanzamtes haben A und B durch ihre im Dezember 1999 abgegebene Erklärung auf eine Forderung gegenüber der Gesellschaft verzichtet. In diesem Verzicht sieht das Finanzamt eine Verfügung der Geschäftsführer über den ihnen zustehenden Geldbetrag (in Höhe der jeweils verzichteten Urlaubsstunden), dessen Auszahlung zu einem steuerpflichtigen Bezug geführt hätte. Damit sei mit der Verfügung ein Zufluss bei den Geschäftsführern bewirkt worden.

Die Bw. ist im Wesentlichen der Auffassung, dass die Verzichtserklärung nur klarstellenden Charakter hat. Die Geschäftsführer hätten arbeitsrechtlich keinen Urlaubsanspruch aus Vorperioden, da dieser bereits verjährt sei und deswegen nicht mehr beansprucht werden könne. Außerdem gäbe es keine schriftlichen Vereinbarungen. Ein Zufluss könne daher nicht unterstellt werden.

Rechtliche Erwägungen

Gemäß § 25 Abs. 1 Z 1 lit. a EStG 1988 sind Bezüge und Vorteile aus einem bestehenden oder früheren Dienstverhältnis Einkünfte aus nichtselbständiger Arbeit (Arbeitslohn).

Einnahmen liegen gemäß § 15 Abs. 1 EStG 1988 vor, wenn dem Steuerpflichtigen Geld oder geldwerte Vorteile im Rahmen der Einkunftsarten des § 2 Abs. 3 Z 4 bis 7 zufließen. Nach dessen Abs. 2 sind geldwerte Vorteile (Wohnung, Heizung, Beleuchtung, Kleidung, Kost, Waren, Überlassung von Kraftfahrzeugen zur Privatnutzung und sonstige Sachbezüge) mit den üblichen Mittelpreisen des Verbrauchsortes anzusetzen.

Der Begriff des Arbeitslohnes ist ein umfassender und kann in Geld und auch in geldwerten Vorteilen bestehen. Geldwerte Vorteile sind in der Sachbezugsverordnung aufgelistet. Geldwerte Vorteile kommen dem Dienstnehmer in der Regel auf Grund seines Dienstverhältnisses zu. Wesen des geldwerten Vorteils ist, dass der zukommende Vorteil in Geld um(be)rechnet wird und von dem ermittelten Betrag Steuer einzubehalten ist. Arbeitslohn und geldwerter Vorteil müssen dem Arbeitnehmer zufließen.

Im Rahmen der Einkünfte aus nichtselbständiger Arbeit sind die Einnahmen nach § 19 Abs. 1 EStG 1988 in jenem Kalenderjahr bezogen, in dem sie dem Steuerpflichtigen zugeflossen sind. Ein Betrag ist zugeflossen, wenn der Empfänger über ihn tatsächlich und rechtlich verfügen kann.

Unbestritten ist, dass A und B im Prüfungszeitraum in einem aufrechten Dienstverhältnis zur Bw. gestanden sind und für ihre Tätigkeit von der Bw. Bezüge gemäß § 25 Abs. 1 Z 1 lit. a EStG 1988 ausbezahlt erhielten. Ob der Verzicht auf verjährte Urlaubsansprüche einen geldwerten Vorteil bewirkt und damit den Zufluss von Einnahmen auslöst, ist die strittige Rechtsfrage.

Nach dem vorliegenden Dienstvertrag von A sind für den Dienstnehmer ua. die Bestimmungen des Angestelltengesetzes anzuwenden. Für B konnte kein Dienstvertrag vorgelegt werden. Es wurde aber im Zuge des Verfahrens vorgebracht, dass der Dienstvertrag von B so aufgebaut gewesen war, wie die Dienstverträge der anderen beiden Geschäftsführer. Einzig der Zuständigkeitsbereich sei anders formuliert gewesen. Dieses Vorbringen wird von der Berufungsbehörde als glaubhaft angesehen. Damit sind auch für den Dienstnehmer B die Bestimmungen des Angestelltengesetzes anzuwenden.

Nach § 17 Angestelltengesetz gebührt dem Angestellten in jedem Dienstjahr ein ununterbrochener Urlaub. In diesem Paragrafen wird auf die Vorschriften des Urlaubsgesetzes verwiesen. Nach § 2 Abs. 1 Urlaubsgesetz gebührt dem Arbeitnehmer für jedes Arbeitsjahr ein ununterbrochener bezahlter Urlaub. Das Urlaubsausmaß beträgt je nach Dienstzeit 30 oder 36 Werktage. Im § 4 ist der Verbrauch des Urlaubs geregelt. Gemäß § 4 Abs. 5 verjährt der Urlaubsanspruch nach Ablauf von zwei Jahren ab dem Ende des Urlaubsjahres, in dem er entstanden ist. Verjährung bedeutet, dass ein Rechtsanspruch nach einiger Zeit gerichtlich nicht mehr geltend gemacht werden kann. Der Anspruch bleibt als "Naturalobligation" bestehen, d.h. ein trotz Verjährung gezahlter und geschuldeter Betrag kann nicht zurückgefordert werden. Bei jeder Urlaubskonsumation wird immer der älteste noch offene Urlaub verbraucht. Zu Beginn eines Urlaubsjahres kann der Arbeitgeber feststellen, ob ein das Ausmaß von 3 Urlaubsjahren (2 alt, 1 neu) übersteigender Urlaubsrest vorhanden ist. Ein solcher Überhang ist verjährt und kann vom Urlaubskonto gestrichen werden.

Nach dem Urlaubsgesetz ist nur bei Beendigung des Dienstverhältnisses- wenn der Urlaub oder Teile vom Urlaub noch nicht verbraucht worden sind- eine Abgeltung in Geld für den nicht verbrauchten Urlaub zulässig.

Nach § 7 sind Vereinbarungen zwischen Arbeitgeber und Arbeitnehmer, die für den Nichtverbrauch des Urlaubes Geld oder sonstige vermögenswerte Leistungen des Arbeitgebers vorsehen, rechtsunwirksam (Ablöseverbot).

Gemäß § 914 ABGB ist hinsichtlich der Verzichtserklärung wie bei jedem Vertrag die Absicht der Parteien zu erforschen und die Vereinbarung so zu verstehen, wie es der Übung des redlichen Verkehrs entspricht. Nach Auffassung des Unabhängigen Finanzsenates ist mit der in der Verzichtserklärung gewählten Formulierung zum Ausdruck gebracht worden, dass die Geschäftsführer Urlaubstage aus Vorjahren angesammelt haben, welche sie nicht verbraucht haben. Der aus Vorperioden (angesammelte) Urlaub ist auf ein Achtel vermindert worden. Dass der Verzicht auf Urlaubsstunden in Geld abzugelten ist, lässt sich bei objektiver Betrachtung der Vereinbarung nicht entnehmen. Auch dass die Dienstnehmer eine Forderung gegenüber der Bw. auf Auszahlung des verjährten nichtverbrauchten Urlaubes haben, lässt sich nach Meinung des Unabhängigen Finanzsenates aus der Formulierung der Verzichtserklärung nicht ableiten.

Auf den vorgelegten Verrechnungskonten der Geschäftsführer finden sich auch keine Hinweise von Buchungen, dass von der Bw. für den Urlaubsverzicht Beträge gutgeschrieben wurden und damit einen Zufluss von Einnahmen ausgelöst hätten. Im Lohnsteuerprüfungsakt sind keine Unterlagen vorhanden, die schließen lassen, dass Beträge von der Bw. an die beiden Arbeitnehmer für den Urlaubsverzicht bezahlt worden sind bzw. dass ein Zufluss an die Dienstnehmer erfolgt ist. Auch liegen nach dem vorgelegten Akteninhalt keine Schriftstücke auf, aus denen hervorgeht, dass für die nicht konsumierten Urlaubstage aus Vorperioden Zahlungen von der Bw. zu leisten gewesen wären.

Nach Auffassung des Unabhängigen Finanzsenates ist mit der abgegebenen Verzichtserklärung nur klargestellt worden, dass die aus Vorjahren angesammelten (verjährten) Urlausstunden herabgesetzt worden sind. Dass eine Reduzierung der Urlausstunden erfolgt ist, ist durch die Vorlage der Karteiblätter Nichtleistungen dokumentiert worden. Zusammenfassend ist daher fest zu stellen, dass nach den vorgelegten Unterlagen und nach der Aktenlage A und B keine Zahlungen für den verjährten Urlaub von der Bw. erhalten haben bzw. ist keine Gutschrift in Höhe der vom Finanzamt ermittelten Beträge auf den Verrechnungskonten erfolgt. Die beiden Geschäftsführer haben keine Einnahmen oder geldwerten Vorteile bezogen, damit ist auch kein Zufluss von Bezügen erfolgt, die die Steuerpflicht bewirkt hätte.

Wenn vom Finanzamt zur Unterstützung ihres Rechtsstandpunktes auf einen Erlass des Bundesministeriums für Finanzen verwiesen wird, so muss entgegengehalten werden, dass der Unabhängige Finanzsenat an Erlassmeinungen nicht gebunden ist.

Das Finanzamt hat im angefochtenen Bescheid die Festsetzung des Dienstgeberbeitrages und des Zuschlages zum Dienstgeberbeitrag nur in Höhe des Nachforderungsbetrages vorgenommen. Die Bescheidgestaltung des Finanzamtes entspricht nicht der Bestimmung des § 201 BAO, nach welchen- der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes im Erkenntnis vom , Zl. 2008/15/0136, 0137, folgend- stets die gesamte auf den Besteuerungszeitraum entfallende Abgabe festzusetzen ist. Nach der Mitteilung des Finanzamtes beträgt die Bemessungsgrundlage für den Dienstgeberbeitrag und den Zuschlag zum Dienstgeberbeitrag für das Kalenderjahr 1999 vor den Prüfungsfeststellungen € 904.768,71 (S 12.449.888,89).

Es war daher wie im Spruch zu entscheiden.

Wien, am

Zusatzinformationen


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Materie
Steuer
Finanzstrafrecht Verfahrensrecht
betroffene Normen
Schlagworte
Verjährter Urlaub
geldwerter Vorteil
Zufluß von Einnahmen
Zitiert/besprochen in
ARD 6251/10/2012
ÖStZ 2012/620

Datenquelle: Findok — https://findok.bmf.gv.at